Titel:
Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung in asylrechtlichem Berufungszulassungsverfahren
Normenketten:
AsylG § 78 Abs. 3 Nr. 2, Nr. 3
VwGO § 138 Nr. 3
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsätze:
1. Beim EGMR handelt es sich nicht um ein divergenzfähiges Gericht iSd § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Rüge der Divergenz im Berufungszulassungsverfahren kann nicht auf die fehlerhafte Anwendung eines nicht bestrittenen Rechtssatzes im Einzelfall gestützt werden. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylrecht (Georgien), Asylrecht, Zulassung der Berufung, Divergenz, EGMR, rechtliches Gehör, fehlerhafte Rechtsanwendung
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 25.04.2023 – RN 15 K 21.31357
Fundstelle:
BeckRS 2023, 15616
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens zu je einem Drittel.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Gründe
1
Die Kläger zu 1 und 2 sowie die Klägerin zu 3, deren Tochter, sind georgische Staatsangehörige und begehren die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung subsidiären Schutzes und die Feststellung von Abschiebungshindernissen. Das Verwaltungsgericht hat ihre Klagen gegen den ablehnenden Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 25. Oktober 2021 mit Urteil vom 25. April 2023 abgewiesen. Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen sämtliche Kläger ihr Begehren weiter.
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Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
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Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Der von den Klägern allein geltend gemachte Zulassungsgrund der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG) liegt nicht vor bzw. ist nicht gemäß den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylG substantiiert dargelegt worden.
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Der Zulassungsgrund der Divergenz setzt voraus, dass das verwaltungsgerichtliche Urteil von einer Entscheidung eines der in § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG genannten Gerichte abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung liegt vor, wenn das Verwaltungsgericht mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem in der Rechtsprechung der genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen Rechtssatz in Anwendung derselben oder einer inhaltsgleichen Rechtsvorschrift ausdrücklich oder konkludent abrückt. Zwischen den Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines Rechtsgrundsatzes bestehen. Im Zulassungsantrag muss daher ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet werden und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BayVGH, B.v. 22.10.2021 – 9 ZB 21.31260 – juris Rn. 3; B.v. 25.7.2022 – 15 ZB 22.30730 – juris Rn. 9). Dem wird das Zulassungsvorbringen nicht gerecht.
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Die Kläger machen eine Divergenz von dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom 18. November 2014 – 52589 (M.A. gegen Schweiz) hinsichtlich des „Grundsatzes der Beweisnot“ geltend. Abgesehen davon, dass die Kläger gar keinen Rechtssatz oder verallgemeinerungsfähigen Tatsachensatz darlegen, den das Verwaltungsgericht abweichend aufgestellt haben soll, handelt es sich bei dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) auch nicht um ein divergenzfähiges Gericht i.S.d. § 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylG (vgl. BayVGH, B.v. 31.7.2018 – 15 ZB 17.30493 – juris Rn. 9). Darüber hinaus kann eine Divergenz nicht auf die fehlerhafte Anwendung eines nicht bestrittenen Rechtssatzes im Einzelfall gestützt werden (vgl. BVerwG, B.v. 13.2.2019 – 1 B 2.19 – juris Rn. 16). Das Verwaltungsgericht hat hier aber den typischen Beweisnotstand, in dem sich Asylsuchende befinden, gesehen (vgl. UA S. 18). Der Zulassungsantrag kritisiert mit dem Hinweis, das Verwaltungsgericht habe die Beweisnot nicht ausreichend berücksichtigt, vielmehr die Richtigkeit der Rechtsanwendung des Verwaltungsgerichts und macht ernstliche Zweifel geltend, was jedoch keinen im Asylverfahrensrecht vorgesehenen Asylgrund darstellt (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2023 – 15 ZB 23.30199 – juris Rn. 4).
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Soweit die Ausführungen als das Vorliegen eines Verfahrensmangels in Form eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylG i.V.m. § 138 Nr. 3 VwGO, Art. 103 Abs. 1 GG) verstanden werden könnten, hat der Antrag ebenfalls keinen Erfolg. Mit der ggf. sinngemäß erhobenen Rüge der tatrichterlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung kann die Annahme eines Verstoßes gegen das rechtliche Gehör grundsätzlich nicht begründet werden (vgl. BVerwG, B.v. 30.7.2013 – 5 B 25.14 – juris Rn. 13). Auch soweit Rechtsanwendungsfehler im Zusammenhang mit der Würdigung des klägerischen Vortrags behauptet werden, ist dies grundsätzlich nicht geeignet, einen Gehörsverstoß zu begründen (vgl. BVerfG, B.v. 6.5.2010 – 1 BvR 96/10 – juris Rn. 28; BVerwG, B.v. 9.6.2011 – 3 C 14.11 – juris Rn. 7). Der Anspruch auf rechtliches Gehör kann allenfalls im Einzelfall bei gravierenden Verstößen verletzt sein, wenn die Ablehnung eines erheblichen Beweisangebots im Prozessrecht keine Stütze mehr findet (vgl. BVerfG, B.v. 8.4.2004 – 2 BvR 743/03 – juris Rn. 3), oder wenn es sich um gewichtige Verstöße gegen Beweiswürdigungsgrundsätze handelt, weil etwa die Würdigung willkürlich erscheint oder gegen gesetzliche Beweisregeln, allgemeine Erfahrungssätze, unumstrittene Geschichtstatsachen oder gar die Denkgesetze verstößt (vgl. BVerwG, B.v. 2.11.1995 – 9 B 710.94 – juris Rn. 7). Derartige Verstöße zeigt das Zulassungsvorbringen aber nicht auf.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
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Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylG).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).