Titel:
Verfristete Beschwerde bei fehlenden Deutschkenntnissen
Normenketten:
VwGO § 57 Abs. 2, § 60, § 147 Abs. 1 S. 1
ZPO § 222 Abs. 1
BGB § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2
Leitsatz:
Für einen der deutschen Sprache nicht mächtigen Ausländer besteht die Sorgfaltsobliegenheit, zumutbare Anstrengungen zu entfalten, sich innerhalb angemessener Frist Gewissheit über den genauen Inhalt des amtlichen Schriftstückes zu verschaffen und entsprechend zu reagieren (hier: keine Wiedereinsetzung bei Beschwerdeeinlegung erst über zwei Monate nach Fristende). (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde, Eilantrag, Beschwerdefrist, Säumnis, Frist, Ausländer, Deutsch, Obliegenheit
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 07.03.2023 – Au 1 S 23.104
Fundstelle:
BeckRS 2023, 15592
Tenor
I. Die Beschwerde wird verworfen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500,-- Euro festgesetzt
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich mit seiner Beschwerde im Wesentlichen gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 7. März 2023 (Au 1 S 23.104), soweit dieses seinen Eilantrag in Bezug auf die von der Antragsgegnerin versagte Erteilung beziehungsweise Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis abgelehnt hat.
2
1. Die Beschwerde ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Frist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO eingelegt wurde.
3
Mit Beschluss vom 7. März 2023 hat das Verwaltungsgericht im Wesentlichen, soweit es das Verfahren nicht eingestellt hat, den Eilantrag des Antragstellers abgelehnt. Der Beschluss, der mit einer ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung versehen war (vgl. BA S. 10 Rückseite), wurde dem Kläger ausweislich des bei den Gerichtsakten befindlichen Empfangsbekenntnisses am 13. März 2023 zugestellt (vgl. VG Augsburg, Gerichtsakte, Bl. 121a). Die für die Beschwerde einschlägige zweiwöchige Frist des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO endete nach § 57 Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 222 Abs. 1 ZPO, § 187 Abs. 1 BGB und § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 27. März 2023. Der Antragsteller hat die Beschwerde jedoch erst mit Schreiben datiert vom 30. Mai 2023 am 2. Juni 2023 bei dem Verwaltungsgericht eingereicht (vgl. Senatsakte, Bl. 4). Zu diesem Zeitpunkt war die Beschwerdefrist verstrichen.
4
Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO sind nicht dargetan. Auf den Hinweis des Senats hat der Antragsteller lediglich mitgeteilt, dass die Post nicht so zugestellt werde, wie sie sollte, und er sich in der Justizvollzugsanstalt erst einen habe suchen müssen, der ihm alles übersetzt habe. Ein Hinderungsgrund ohne Verschulden ist damit nicht substantiiert aufgezeigt. Für einen der deutschen Sprache nicht mächtigen Ausländer besteht die Sorgfaltsobliegenheit, zumutbare Anstrengungen zu entfalten, sich innerhalb angemessener Frist Gewissheit über den genauen Inhalt des amtlichen Schriftstückes zu verschaffen und entsprechend zu reagieren (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2010 – 19 C 09.3230 – juris Rn. 7). Dass dies der Fall und der Antragsteller der Sorgfaltsobliegenheit nachgekommen wäre, zeigt das Vorbringen nicht auf. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 VwGO sind auch nicht anderweitig ersichtlich. Damit fehlt es an einer ordnungsgemäß eingelegten Beschwerde innerhalb der Frist im Sinne des § 147 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
5
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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3. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 sowie § 52 Abs. 1 und 2 GKG in Verbindung mit Nrn. 8.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
7
4. Dieser Beschluss ist nach § 152 Abs. 1 VwGO unanfechtbar.