Inhalt

VG München, Beschluss v. 30.01.2023 – M 31 M 23.30014
Titel:

Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss, Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren bei Verfahren nach § 80 Abs. 5 und § 80 Abs. 7 VwGO mit divergierenden Kostenentscheidungen (verneint)

Normenketten:
VwGO § 165, § 151
RVG § 15 Abs. 2, § 16 Nr. 5
Leitsatz:
Eine im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO zugunsten des Antragstellers erfolgte Kostenentscheidung bezieht sich nur auf dieses Abänderungsverfahren selbst und regelt damit die Kostenerstattungspflicht auch nur für die im Abänderungsverfahren erstmals neu angefallenen Kosten. Sie ersetzt dagegen nicht die im Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO ergangene Kostenentscheidung und trifft mithin auch keine für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes insgesamt neue, einheitliche Kostenentscheidung. Ein anwaltlich vertretener Beteiligter kann daher die Rechtsanwaltsvergütung nicht wahlweise aus der für ihn günstigeren Kostengrundentscheidung gegen den Verfahrensgegner festsetzen lassen, wenn ein gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ergangener Beschluss später im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO geändert worden ist.
Schlagworte:
Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss, Erstattungsfähigkeit von Rechtsanwaltsgebühren bei Verfahren nach § 80 Abs. 5 und § 80 Abs. 7 VwGO mit divergierenden Kostenentscheidungen (verneint), Einstweiliger Rechtsschutz
Fundstellen:
BayVBl 2023, 279
BeckRS 2023, 1538
LSK 2023, 1538

Tenor

I. Auf die Erinnerung der Antragsgegnerin wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 22. November 2022, M 31 S7 21.31966, geändert.
Der Kostenfestsetzungsantrag des Antragstellers vom 9. Juni 2022 wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Erinnerungsverfahrens.

Gründe

1
Über die Kostenerinnerung entscheidet das Gericht in der Besetzung, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung im (Einstellungs-)Beschluss vom 25. April 2022 getroffen wurde, hier also durch den Einzelrichter (§ 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG, § 87a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 VwGO).
2
Der zulässige Antrag ist begründet.
3
Die von der Antragsgegnerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Urkundsbeamten des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 2. November 2022, M 31 S7 21.31966, nach §§ 165, 151 VwGO beantragte Entscheidung des Gerichts (Kostenerinnerung) vom 4. November 2022 hat Erfolg. Der Antrag des Antragstellers vom ... Juni 2022 auf Festsetzung der ihm von der Antragsgegnerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten für die Tätigkeit seiner Prozessbevollmächtigte ist abzulehnen. Dem Antragsteller sind diese Kosten im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO nicht entstanden.
4
Die Urkundsbeamtin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers nach Nr. 3100, 7002 und 7008 VV-RVG, berechnet aus dem Regelgegenstandswert i.H.v. 2.500.- EUR nach § 30 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 RVG, zu Unrecht auf 367,23 EUR festgesetzt. Die mit dem Kostenfestsetzungsantrag vom 9. Juni 2022 geltend gemachte Vergütung seiner Prozessbevollmächtigten für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO, M 31 S7 21.31966, ist nach § 15 Abs. 2 RVG nicht erstattungsfähig. Diese Vergütung ist nicht angefallen, weil die Prozessbevollmächtigte für den Antragsteller bereits im Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO (M 31 S 18.33534) tätig war und es sich bei dem Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO trotz prozessualer Eigenständigkeit kostenrechtlich nach § 16 Nr. 5 RVG um dieselbe Angelegenheit handelt.
5
Nach § 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Dieselbe Angelegenheit sind nach der ausdrücklichen normativen Regelung in § 16 Nr. 5 RVG das Verfahren über die Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (§ 80 Abs. 5 VwGO) und jedes Verfahren über deren Abänderung, Aufhebung oder Widerruf. Dies gilt insbesondere und typischerweise für das Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO und insbesondere auch dann, wenn die Kostenentscheidungen im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO und im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO – wie hier – divergieren (vgl. z.B. OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 21.7.2021 – 7 B 11124/20 – juris Ls. 1; OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 24.8.2020 – OVG 3 K 185.19 – juris Ls.; VG Freiburg, B.v. 17.11.2022 – A 13 K 3085/22 – juris Ls. 1 ff.; VG Bayreuth, B.v. 30.11.2015 – B 5 M 15.30571 – BayVBl. 2016, 388, 399 mit Anm. Meyer).
6
Die Anwaltsgebühren entstehen damit in allen Verfahren zur Regelung der Vollziehung – auch wenn diese für sich genommen voneinander getrennte, prozessual eigenständige Verfahren sind – nur einmal und zwar mit dem ersten die Gebühr auslösenden Tätigwerden des Rechtsanwalts. Ist dieser, wie hier, bereits im Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO tätig geworden, können von ihm in allen damit zusammenhängenden Verfahren, die den einstweiligen Rechtsschutz betreffen, hier also im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO, nicht gesonderte Gebühren (und auch Auslagen, vgl. dazu statt vieler z.B. Müller-Rabe in: Gerold/Schmidt, RVG, 25. Auflage 2021, Nr. 7001, 7002 VV-RVG, Rn. 28) verlangt werden.
7
Eine wie hier im (Einstellung-)Beschluss vom 25. April 2022, M 31 S7 21.31966, im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO zugunsten des Antragstellers erfolgte Kostenentscheidung bezieht sich nur auf dieses Abänderungsverfahren selbst und regelt damit die Kostenerstattungspflicht auch nur für die im Abänderungsverfahren erstmals neu angefallenen Kosten. Sie ersetzt dagegen nicht die im Ausgangsverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO – hier im Beschluss vom 30. Januar 2020, M 31 S 18.33534 zulasten des Antragstellers – ergangene Kostenentscheidung und trifft mithin auch keine für das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes insgesamt neue, einheitliche Kostenentscheidung. Grund hierfür ist, dass das Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO keine besondere Art eines Rechtsmittelverfahrens für Beschlüsse nach § 80 Abs. 5 VwGO darstellt, sondern ein gegenüber dem Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prozessual selbstständiges, neues Verfahren, dessen Gegenstand nicht die Überprüfung der Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO ist, sondern vielmehr die Neuregelung der Vollziehbarkeit des angegriffenen Verwaltungsakts für die Zukunft in einem von dem ergangenen Beschluss abweichenden Sinn ermöglicht. Vor diesem Hintergrund bleibt die Kostenentscheidung, die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO getroffen wurde, von einer abweichenden Entscheidung im Abänderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO unberührt (vgl. zuletzt VG Freiburg aaO).
8
Die hierbei einschlägige vergütungsrechtliche Regelung des § 16 Nr. 5 RVG fußt auf dem Grundgedanken, dass zwischen dem Abänderungsverfahren und dem vorausgegangenen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes regelmäßig ein enger sachlicher und rechtlicher Zusammenhang besteht, der die Zusammenfassung der Verfahrensabschnitte zu einer gebührenrechtlichen Einheit trotz ihrer prozessualen Selbständigkeit rechtfertigt (vgl. BVerwG, B.v. 23.7.2003 – 7 KSt 6.03 u.a. – juris Rn. 3 zu § 40 Abs. 2 BRAGO, dessen Regelung mit dem Kostenrechtsmodernisierungsgesetz in § 16 Nr. 5 RVG übernommen wurde; vgl. BT-Drs. 15/1971, S. 190). Ein Rechtsanwalt, der bereits im Verfahren über einen Antrag auf Anordnung oder Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung tätig war, benötigt in einem Abänderungs-, Aufhebungs- oder Widerrufsverfahren in der Regel keine besondere Einarbeitungszeit, sondern kann vielmehr ohne weiteres auf seine frühere Arbeit zurückgreifen. Der Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts ist also typischerweise bereits in einem früheren Verfahrensabschnitt entstanden und damit durch die bereits angefallene Gebühr abgegolten worden (vgl. aktuell BayVGH, B.v. 24.3.2020 – 7 M 20.50002 – BayVBl. 2020, 610).
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Ein anwaltlich vertretener Beteiligter kann mithin die Rechtsanwaltsvergütung nicht wahlweise aus der für ihn günstigeren Kostengrundentscheidung gegen den Verfahrensgegner festsetzen lassen, wenn ein gemäß § 80 Abs. 5 VwGO ergangener Beschluss später im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO geändert worden ist. Der Antragsteller kann daher im Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO lediglich die Erstattung solcher zusätzlichen Kosten verlangen, die erstmals gerade in diesem Verfahren angefallen sind (vgl. OVG Berlin-Brandenburg aaO Rn. 6 f.; VG Bayreuth aaO). Solche werden indes mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsantrag vom 9. Juni 2022 nicht geltend gemacht und sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.
10
Der Antragsteller hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO); Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
11
Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG; vgl. insbesondere BayVGH, B.v. 28.5.2020 – 13a C 20.30391 – juris Ls.).
12
Mit diesem Beschluss hat sich der zudem gestellte Aussetzungsantrag nach §§ 165, 151 Satz 3 i.V.m. § 149 Satz 2 VwGO erledigt.