Inhalt

VG München, Urteil v. 09.02.2023 – M 19L DK 22.4612
Titel:

Entfernung eines Justizvollzugsbeamten aus dem Beamtenverhältnis infolge einer strafrechtlichen Verurteilung

Normenketten:
BeamtStG § 33 Abs. 1 S. 3, § 34 Abs. 1 S. 1, S. 3, § 47 Abs. 1 S. 2
BayDG Art. 11, Art. 14 Abs. 2 S. 1, Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Abs. 1
BtMG § 29 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3, § 29a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2
WaffG § 52 Abs. 3
StGB § 184b Abs. 3, § 184c Abs. 3
Leitsätze:
1. Bei Strafvollzugsbeamten ergibt sich der erforderliche hinreichende Amtsbezug aus der ihrem Statusamt eigenen Pflicht, Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt nach innen und außen zu gewährleisten. Hinzu kommt, dass die Aufgaben- und Pflichtenstellung eines Justizvollzugsbeamten einen Achtungs- und Autoritätsanspruch bedingt, der unverzichtbare Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erfüllung der Dienstpflichten ist und bei Bekanntwerden des Besitzes kinder- oder jugendpornographischen Bild- oder Videomaterials schweren Schaden nimmt, sodass die weitere Verwendbarkeit im Strafvollzug infrage steht. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder aufgrund seines Fehlverhaltens sei eine erhebliche, nicht wieder gutzumachende Ansehensbeeinträchtigung eingetreten. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Disziplinarklage, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Abgabe und Besitz von Betäubungsmitteln, unerlaubter Waffen- und Munitionsbesitz, Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften durch Justizvollzugsbeamten, Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften, Justizvollzugsbeamter, Marihuana, Schlagring, Pflicht zur Gesunderhaltung, Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten, Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz, außerdienstliche Pflichtverletzung, Dienstvergehen, Strafrahmen, Justizvollzugsdienst, Milderungsgrund, Verhältnismäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 1535

Tenor

I. Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

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Der Kläger begehrt mit seiner Disziplinarklage die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis. Diesem werden als Beamten im Justizvollzugsdienst Abgabe und Besitz von Betäubungsmitteln, Besitz einer verbotenen Waffe und erlaubnispflichtiger Munition und Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften vorgeworfen.
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1. Der am ... 1991 geborene Beklagte wurde nach dem Realschulabschluss, einer Ausbildung zum Verkäufer und einer vierjährigen Tätigkeit als Operator bei Zeitarbeitsfirmen mit Wirkung vom 3. Februar 2014 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zum Obersekretäranwärter im Justizvollzugsdienst ernannt. Nach Bestehen der Prüfung für die 2. Qualifikationsebene wurde er mit Wirkung vom 1. Oktober 2015 in das Beamtenverhältnis auf Probe berufen und zum Obersekretär im Justizvollzugsdienst (Besoldungsgruppe A7) ernannt. Ihm wurde eine Stelle bei der Justizvollzugsanstalt N. zugewiesen. Mit Wirkung vom 1. Oktober 2017 erfolgte die Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. In der dienstlichen Beurteilung 2019 erhielt er das Gesamturteil von 8 Punkten.
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Der Beklagte war in den Jahren 2018 und 2019 mehrfach und zum Teil längerfristig erkrankt. Vom 22. Januar bis 19. Februar 2020 hielt er sich stationär in der Klinik Donaustauf auf. Eine ambulante Therapie bei einem Facharzt für Neurologie und Psychotherapie in R. beendete er im August 2022, ebenso wie die kontrollierte Einnahme von nach dem Klinikaufenthalt ärztlich verschriebenem Cannabis.
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Mit Verfügung vom 7. Januar 2020 wurde der Beklagte unter Einbehalt der monatlichen Dienstbezüge in Höhe von 25% mit sofortiger Wirkung vorläufig des Dienstes enthoben.
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Der Beklagte ist – mit Ausnahme der hier inmitten stehenden Vorwürfe – straf- und disziplinarrechtlich nicht vorbelastet. Er ist ledig und hat keine Kinder.
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2. Wegen der diesem Disziplinarverfahren zugrunde liegenden Vorwürfe wurde folgendes Strafverfahren gegen den Beklagten geführt:
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Das Amtsgericht Nördlingen verurteilte ihn mit Urteil vom 21. Oktober 2020 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 4 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Der Beklagte und die Staatsanwaltschaft legten Berufung gegen dieses Urteil ein; der Beklagte beschränkte seine Berufung in der Berufungshauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch. Das Landgericht Augsburg verurteilte ihn mit Urteil vom 19. April 2022 (9 Ns 309 Js …), rechtskräftig seit 27. April 2022, wegen unerlaubter Abgabe von Betäubungsmitteln in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Besitz einer verbotenen Waffe und erlaubnispflichtiger Munition rechtlich zusammentreffend mit Besitz jugendpornographischer Schriften mit Realitätsgehalt in Tatmehrheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln rechtlich zusammentreffend mit Besitz kinderpornographischer Schriften mit Realitätsgehalt in 8 tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von 11 Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde.
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Dem Urteil des Amtsgerichts Nördlingen, auf das das Landgericht Augsburg infolge der Berufungsbeschränkung auf den Rechtsfolgenausspruch verweist, liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
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(1) Am 10. August 2019 gegen 12:00 Uhr übergab der Beklagte in … T. an eine unbekannte Person Marihuana für 120 €, also 10 g Marihuana. Das Betäubungsmittel hatte mindestens einen Wirkstoffgehalt von 8%. Wie er wusste, besaß er nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
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(2) Zu einem nicht mehr genau feststellbaren Zeitpunkt jedenfalls seit Anfang Juli 2019 zog der Beklagte in seiner Wohnung in … N. in einem Aufzuchtschrank im Gästezimmer wissentlich und willentlich 6 Marihuanapflanzen auf. Die unmittelbar nach der Durchsuchung der Wohnung am 19. September 2019 sichergestellte Menge des abgeernteten Marihuana betrug 179,4 g. Der durchschnittliche THC-Gehalt betrug 5,5%. Dieses Marihuana enthielt somit insgesamt 9,8 g THC.
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Weiter bewahrte er am 19. September 2019 gegen 9:00 Uhr im Wohnzimmer der genannten Wohnung 0,12 g Marihuana und im Bettkasten im Schlafzimmer 11,38 g Marihuana auf. Dieses hatte einen Wirkstoffgehalt von mindestens 8%. Nicht ausschließbar waren diese Betäubungsmitteln nur zum Eigengebrauch bestimmt. Wie er wusste, besaß er nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
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(3) Aufgrund eines neuen Tatentschlusses übte der Beklagte seit einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt bis zum 19. September 2019 in seiner Wohnung in … N., wie er wusste, die tatsächliche Gewalt über einen Schlagring und eine Knallkartusche im Kaliber 50 BMG aus. Dabei handelte es sich beim Schlagring um eine verbotene Waffe und bei der Knallkartusche um erlaubnispflichtige Munition. Wie er wusste, besaß er keine entsprechende Erlaubnis.
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Zugleich bewahrte er bewusst und gewollt in seiner oben genannten Wohnung am 19. September 2019 mindestens ein jugendpornographisches Foto auf, das ein Mädchen im geschätzten Alter von 14 bis 17 Jahren zeigt, welches vollständig entkleidet mit gespreizten Beinen vor der Kamera posiert.
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(4) Aufgrund eines selbstständigen Tatentschlusses bewahrte der Beklagte in der Wohnung seiner Lebensgefährtin … in T. seit einem nicht genau bekannten Zeitpunkt jedenfalls bis zum 19. September 2019 4,9 Stück Ecstasy Tabletten sowie 4,5 g Marihuana wissentlich und willentlich auf. Das Ecstasy hatte einen Wirkstoffgehalt von mindestens 40%, dass Marihuana von mindestens 8%. Wie er wusste, besaß er nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis.
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Zugleich befand sich der Beklagte am 19. September 2019 gegen 9:00 Uhr in der Wohnung seiner Lebensgefährtin im Besitz folgendes Speichermediums: Mobiltelefon Samsung Galaxy X7. Auf diesem befanden sich, wie er wusste und wollte, mindestens 5 kinderpornographische Bilder und mindestens 3 kinderpornographische Videos. 4 der hochgeladenen Bilder zeigen Kinder im Alter bis zu 13 Jahren bei sogenannten Posings, also in unnatürlich geschlechtsbetonter Haltung entkleidet vor der Kamera posierend, ein Bild zeigt den Analverkehr, der an einem Kind vollzogen wird. Auf den 3 Videos mit einer Länge von 39 Sekunden, 1:58 Minuten und 1:59 Minuten sind jeweils Mädchen unter 14 Jahren zu sehen, die sexuelle Handlungen an sich vornehmen, indem sie sich selbst Gegenstände vaginal bzw. anal einführen.
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3. Nach einer internen Anzeige leitete der Leiter der Justizvollzugsanstalt N. mit Verfügung vom 24. September 2019 wegen des Verdachts von Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) und dem Waffengesetz (WaffG) ein Disziplinarverfahren gegen den Beklagten ein und setzte dieses gleichzeitig bis zum Abschluss des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens aus. Am 2. Dezember 2019 übernahm die Generalstaatsanwaltschaft M. das Disziplinarverfahren als Disziplinarbehörde. Mit Verfügung vom 17. März 2020 dehnte diese das Disziplinarverfahren auf weitere Handlungen (Erwerb und Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften) aus und ließ das Verfahren ausgesetzt. Nach rechtskräftigem Abschluss des Strafverfahrens setzte sie das Disziplinarverfahren mit Verfügung vom 23. Juni 2022 fort und teilte dem Beklagten das Ergebnis der Ermittlungen mit.
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Der Beklagte bzw. sein ehemaliger Bevollmächtigter erhielt zu allen Verfahrensschritten die Gelegenheit zur Äußerung, von der der Beklagte bei der mündlichen Anhörung am 19. September 2022 Gebrauch machte. Dabei äußerte er, er habe das Cannabis eingenommen zur Behandlung einer Depression, die nach der Versetzung nach N. aufgrund seiner Einsamkeit und der Erinnerung an in der Kindheit erfahrenen Missbrauch aufgetreten sei. Er habe das Cannabis selbst angebaut, weil er aus Scham und Angst um seine Karrierechancen keinen Psychologen habe aufsuchen und jeden Kontakt zum Drogenmilieu habe vermeiden wollen. Inzwischen habe der Arzt ihm Cannabis auf Rezept verschrieben, weil dies bei ihm besser wirke als Psychopharmaka. Er konsumiere zu festen Zeiten nur noch das legal verschriebene Cannabis (30 g pro Monat). Außerdem helfe ihm der geregelte Ablauf aufgrund seiner Sozialstunden. Mindestens einmal im Monat sei er bei einem Facharzt für Neurologie und Psychotherapie in Regensburg in ambulanter Behandlung. Er verspüre endlich wieder Lebensfreude und Lebenslust. Das kinderpornographische Material habe er nicht wissentlich besessen; er habe insoweit kein Interesse. Der Schlagring sei ein Mitbringsel aus Italien, das er im Alter von etwa 12 Jahren erhalten habe; er habe gewusst, dass der Besitz illegal sei. Die Kartusche habe er von einem Kollegen geschenkt kommen und nicht gewusst, dass ihr Besitz illegal sei.
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4. Am 20. September 2022 erhob die Generalstaatsanwaltschaft M. Disziplinarklage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag,
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den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.
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Ihm wurden die Taten gemäß den tatsächlichen Feststellungen der rechtskräftigen Urteile des Landgerichts Augsburg vom 19. April 2022 und des Amtsgerichts Nördlingen vom 21. Oktober 2020 zur Last gelegt, die nach Art. 25 Abs. 1 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) im Disziplinarverfahren bindend seien. Der Beklagte habe den Sachverhalt überdies eingeräumt.
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Durch die festgestellten Straftaten habe er schuldhaft gegen seine Dienstpflicht zu achtungs- und vertrauensvollem Verhalten aus § 34 Abs. 1 Satz 3 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG) verstoßen. Das außerdienstlich begangene Dienstvergehen sei disziplinarrechtlich relevant, weil alle verwirklichten Straftatbestände einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu mindestens 2 Jahren vorsähen und überdies ein konkreter Bezug zum Statusamt des Beklagten als Justizvollzugsbeamter mit besonderer Vorbildfunktion vorliege. Er habe auch schuldhaft gehandelt.
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Der Beklagte habe durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren und sei daher aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Von den begangenen Straftaten hätten zumindest der Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Vorwurf 2) und der Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften (Vorwurf 4) das Vertrauen je für sich schon endgültig zerstört; erst recht gelte dies bei den Straftaten in ihrer Gesamtheit.
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Bei der Maßnahmenbemessung sei von der schwersten Dienstpflichtverletzung auszugehen, die hier im Besitz einer nicht geringen Menge Marihuana liege. Hierfür sei im Strafverfahren die höchste Einzelstrafe ausgesprochen worden. Schwerwiegende Vorsatzstrafhatten bewirkten generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zur Untragbarkeit eines Beamten führte; dies gelte erst recht bei Beamten im Justizvollzugsdienst. Selbst wenn es sich, wie vom Landgericht Augsburg angenommen, vorliegend um einen minder schweren Fall nach § 29a Abs. 2 BtMG handele, eröffne die Strafandrohung bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe im Disziplinarverfahren einen Orientierungsrahmen bis zur Höchstmaßnahme. Der Anwendungsbereich der Höchstmaßnahme sei auch im Hinblick auf die ausgesprochene Einzelfreiheitsstrafe von 7 Monaten eröffnet. Auch unter Berücksichtigung der übrigen Umstände des Einzelfalls habe der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge für sich allein das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig zerstört. Ausgehend von einer durchschnittlichen Konsumeinheit mit 15 mg THC habe der Beklagte über 660 Konsumeinheiten verfügt. Er hätte sich THChaltige Medikamente zudem vom Arzt verschreiben lassen können. Hinzu kämen der Besitz der besonders gefährlichen synthetischen Droge Ecstasy und die Weitergabe von Drogen gegen Entgelt an einen Dritten.
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Auch der Besitz kinder- und jugendpornographischer Schriften habe für sich allein zu einem endgültigen Vertrauensverlust geführt. Das Beschaffen und der Besitz solcher Bilder trage durch die Existenz eines entsprechenden Marktes dazu bei, dass Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht würden. Gerade bei Justizbediensteten sei aufgrund ihrer besonderen Vertrauensstellung und Vorbildfunktion sowie ihres Achtungs- und Autoritätsanspruchs ein hinreichender Amtsbezug anzunehmen. Es sei nicht vorstellbar, dass der Beklagte mit seiner Vorstrafe künftig mit einer Aufgabe im Jugendstrafvollzug oder sonst im Justizvollzug betraut werde. Dies gelte auch unter Berücksichtigung der übrigen Umstände des Einzelfalls. Zwar habe keine besonders große Anzahl entsprechender Abbildungen vorgelegen. Es habe sich aber nicht um ein einmaliges persönlichkeitsfremdes Augenblicksversagen gehandelt; nach der forensischen Untersuchung habe die Speicherung zu unterschiedlichen Zeitpunkten zwischen April 2018 und Januar 2019 stattgefunden.
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Erst recht hätten die begangenen Straftaten in ihrer Gesamtheit das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig zerstört.
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Es lägen keine gewichtigen Milderungsgründe vor, die Anlass gäben, von der Verhängung der Höchstmaßnahme abzusehen. Zwar spreche für den Beklagten, dass er sich im Straf- und Disziplinarverfahren geständig und schuldeinsichtig gezeigt habe, sich einer Psychotherapie unterziehe, nur noch ärztlich verschriebenes Cannabis konsumiere und nicht vorbelastet sei. Angesichts der Schwere des Dienstvergehens könne dies das zerstörte Vertrauen aber nicht wiederherstellen, zumal der Beklagte neben dem Besitz zum Eigenkonsum Rauschgift gegen Entgelt an einen Dritten weitergegeben, kinder- und jugendpornographische Schriften besessen und gegen das Waffengesetz verstoßen habe.
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Der Beklagte beantragte,
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die Disziplinarklage abzuweisen, hilfsweise eine mildere Disziplinarmaßnahme auszusprechen.
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Er verwies auf seine Stellungnahme im Disziplinarverfahren. Jedenfalls sei die beantragte Disziplinarmaßnahme unverhältnismäßig.
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Das Verwaltungsgericht hat am 9. Februar 2023 mündlich verhandelt und den Beklagten ausführlich informativ gehört.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Disziplinarakte, die Personalakte, die im Original vorgelegte Strafakte 309 Js … und die Gerichtsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Gegen den Beklagten wird auf die Disziplinarmaßnahme der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt (Art. 11 BayDG).
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1. Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Insbesondere erhielt der Beklagte in allen Verfahrensabschnitten Gelegenheit zur Äußerung, von der er am 13. September 1922 in einer mündlichen Anhörung Gebrauch machte.
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2. Das Gericht legt dem Beklagten die in der Disziplinarklage vorgeworfenen Taten zur Last. Diese stehen nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Halbs. 1 BayDG für das Gericht bindend fest. Danach sind die tatsächlichen Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils im Strafverfahren, das denselben Sachverhalt wie das Disziplinarverfahren betrifft, auch im gerichtlichen Verfahren bindend. Die tatsächlichen Feststellungen ergeben sich aus den Strafurteilen des Amtsgerichts Nördlingen vom 21. Oktober 2020 und des Landgerichts Augsburg vom 19. April 2022; infolge der Beschränkung der Berufung des Beklagten auf die Rechtsfolgen und der Verwerfung der Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Augsburg seine Entscheidung maßgeblich auf die Feststellungen des Amtsgerichts Nördlingen gestützt. Im Übrigen hat der Beklagte den Sachverhalt im Straf- und im Disziplinarverfahren vollumfänglich eingestanden.
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Danach hat er am 10. August 2019 10 g Marihuana zum Preis von 120 € an eine dritte Person verkauft. Weiter war er bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 19. September 2019 im Besitz von 6 Marihuanapflanzen, die er seit mindestens Anfang Juli 2019 in einem Aufzuchtschrank gezogen hatte und die in abgeernteter Form ein Gewicht von 179,4 g aufwiesen; außerdem bewahrte er in seiner Wohnung weitere 0,12 und 11,38 g Marihuana auf. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung am 19. September 2019 war er außerdem im Besitz eines Schlagrings, einer Knallkartusche und eines jugendpornographischen Fotos. Bei der Durchsuchung der Wohnung seiner Lebensgefährtin ebenfalls am 19. September 2019 wurden 4,9 Stück Ecstasy Tabletten und 4,5 g Marihuana festgestellt, deren Besitz er ebenfalls eingeräumt hat. Auf seinem Mobiltelefon befanden sich am selben Tag mindestens 5 kinderpornographische Bilder und mindestens 3 kinderpornographische Videos, diese mit einer Länge von 39 Sekunden, 1 Minute 58 Sekunden und 1 Minute 59 Sekunden.
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3. Der Beklagte hat durch sein Verhalten ein einheitliches außerdienstliches Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG begangen, weil er schuldhaft ihm obliegende Dienstpflichten verletzt hat.
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Durch die Taten hat er gegen seine Grundpflicht zur Achtung der Gesetze aus § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG i.V.m. §§ 29a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, 29 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 3 BtMG, 52 Abs. 3 WaffG, 184b Abs. 3, 184c Abs. 3 StGB verstoßen. Die Einnahme von Betäubungsmitteln begründet daneben einen Verstoß gegen seine Gesunderhaltungspflicht, die sich aus der Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz im Beruf aus § 34 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ergibt. Durch die abgeurteilten Taten hat er weiter seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten aus § 34 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG verletzt.
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Der Beklagte hat sämtliche ihm vorgeworfenen Straftaten außerdienstlich begangen, weil sie nicht in sein Amt und seine dienstlichen Pflichten eingebunden waren. Die außerdienstlichen Pflichtverletzungen stellen ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG dar. Zum einen sehen alle verwirklichten Straftatbestände einen Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu mindestens zwei Jahren vor (§ 29a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG: 5 Jahre, selbst in einem minder schweren Fall; ebenso § 29 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3 BtMG; § 52 Abs. 3 WaffG: 3 Jahre; § 184b Abs. 3 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung: 3 Jahre; § 184c Abs. 3 StGB in der zur Tatzeit geltenden Fassung: 2 Jahre), so dass das Fehlverhalten des Beklagten ein Mindestmaß an Relevanz überschreitet, was bei einer Strafandrohung von mindestens zweijähriger Freiheitsstrafe der Fall ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2020 – 2 C 12.19 – juris Rn. 16). Zum anderen weisen die außerdienstlich begangenen Dienstpflichtverletzungen einen hinreichenden Bezug zum Statusamt des Beklagten im Justizvollzugsdienst auf. Bei Strafvollzugsbeamten ergibt sich der erforderliche hinreichende Amtsbezug aus der ihrem Statusamt eigenen Pflicht, Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt nach innen und außen zu gewährleisten. Hinzu kommt, dass die Aufgaben- und Pflichtenstellung eines Justizvollzugsbeamten einen Achtungs- und Autoritätsanspruch bedingt, der unverzichtbare Voraussetzung für die ordnungsgemäße Erfüllung der Dienstpflichten ist und bei Bekanntwerden des Besitzes kinder- oder jugendpornographischen Bild- oder Videomaterials schweren Schaden nimmt, sodass die weitere Verwendbarkeit im Strafvollzug infrage steht (BVerwG, U.v. 16.6.2020 – 2 C 12.19 – juris Rn. 17 und Rn. 26 ff.).
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Der Beklagte hat sämtliche Taten vorsätzlich begangen. Auch insoweit besteht Bindungswirkung durch die Strafurteile (BayVGH, U.v. 20.9.2021 – 16a D 19.1302 – juris Rn. 23).
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4. Das Fehlverhalten des Beklagten wiegt schwer i.S.v. Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG. Es hat zur Folge, dass er das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Deshalb ist nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG auf die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als disziplinarrechtliche Höchstmaßnahme zu erkennen.
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4.1. Nach Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG ist die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild des Beamten und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu treffen. Das Gewicht der Pflichtverletzung ist danach Ausgangspunkt und richtungsweisendes Bemessungskriterium für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies beruht auf dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die auch im Disziplinarverfahren Anwendung finden. Die gegen den Beamten ausgesprochene Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 12; U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 25; BayVGH, U.v. 5.10.2016 – 16a D 14.2285 – juris Rn. 55). Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten (BayVGH, U.v. 29.6.2016 – 16b D 13.993 – juris Rn. 36).
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Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis setzt voraus, dass der Beamte durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn aufgrund der Gesamtwürdigung der bedeutsamen Umstände der Schluss gezogen werden muss, der Beamte werde auch künftig seinen Dienstpflichten nicht ordnungsgemäß nachkommen oder aufgrund seines Fehlverhaltens sei eine erhebliche, nicht wieder gutzumachende Ansehensbeeinträchtigung eingetreten (BayVGH, U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 67).
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Fallen einem Beamten – wie hier – mehrere Dienstpflichtverletzungen zur Last, die in ihrer Gesamtheit das einheitliche Dienstvergehen ergeben, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BayVGH, U.v. 11.5.2016 – 16a D 13.1540 – juris Rn. 66). Diese liegt hier in den Betäubungsmittelstraftaten. Für den Besitz einer erheblichen Menge an Marihuana (Vorwurf 2) hat das Strafgericht mit Freiheitsstrafe von 7 Monaten die höchste Einzelstrafe ausgesprochen. Hinzu kommen der Handel mit Betäubungsmitteln (Vorwurf 1) und der Besitz einer weiteren Menge an Betäubungsmitteln (Vorwurf 4).
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4.2. Schwerwiegende Vorsatztaten bewirken generell einen Vertrauensverlust, der unabhängig vom jeweiligen Amt zur Untragbarkeit eines Beamten führt (BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 12), so dass bereits wegen der Straftaten nach dem BtMG das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit in den Beamten zerstört ist.
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Daneben ist zur konkreten Bestimmung der Disziplinarmaßnahmebemessung in einer ersten Stufe auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert des Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat (BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 2 B 24.16 – juris Ls. und Rn. 15). Begeht ein Beamter außerdienstlich eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu 5 Jahren vorsieht – wie hier § 29a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 BtMG –, reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, B.v. 23.1.2014 – 2 B 52.13 – juris Rn. 8). Gleiches gilt für eine außerdienstliche Tat, die – wie hier beim Beklagten als Beamten im Justizvollzugsdienst – einen Bezug zu seinem Amt aufweist und für die ein gesetzlicher Strafrahmen von Freiheitsstrafe bis zu 2 Jahren besteht (BVerwG, B.v. 8.3.2018 – 2 B 48.17 – juris Rn. 13). Vorliegend ist damit ein Orientierungsrahmen bis zur disziplinarrechtlichen Höchstmaßnahme eröffnet.
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Das Dienstvergehen wiegt auch bei einer konkreten Betrachtung der vorgeworfenen Tat schwer. Betrachtet man das beim Beklagten sichergestellte Marihuana in seiner Gesamtheit (Vorwurf 2), hatte es ein Gewicht von 190 g und einen Wirkstoffgehalt von über 10 g THC. Hinzu kommen die Taten unter Vorwurf 1 und 4. Bemisst man – wie der Kläger – eine Konsumeinheit auf 15 mg THC, verfügte der Beklagte allein mit dem angebauten Marihuana über die erhebliche Menge von insgesamt 660 Konsumeinheiten. Dabei kann ihn nicht entlasten, dass er die Betäubungsmittel angeblich zur Therapie gegen seine psychische Erkrankung einsetzen wollte. Im Hinblick auf die Strafbarkeit von Betäubungsmittelanbau und -besitz und die Risiken einer Selbsttherapie ohne ärztliche Verschreibung und ohne Kontrolle von Wirkung und gesundheitlichen Folgen des Betäubungsmittelkonsums lässt diese Absicht die Taten nicht weniger schwer erscheinen.
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4.3. Erschwerend kommen die weiteren Vorwürfe hinzu. Dies sind der Besitz von jedenfalls fünf kinderpornographischen Bildern, drei kinderpornographischen Videos mit einer Länge von 39 Sekunden, 1:58 Minute und 1:59 Minute und einem jugendpornographischen Bild, denen das weit überwiegende Gewicht zukommt, und die Verstöße gegen das Waffenrecht durch Besitz eines Schlagrings und einer Knallkartusche. Wie der Kläger schon in der Disziplinarklage ausführt, führt auch der Besitz des kinder- und jugendpornographischen Bild- und Videomaterials dazu, dass im Rahmen der Disziplinarmaßnahmebemessung bei dem Beklagten als Justizvollzugsbeamten der Orientierungsrahmen bis zur Höchstmaßnahme eröffnet ist (BVerwG, U.v. 16.6.2020 – 2 C 12.19 – juris Rn. 26 ff.). Zwar umfasst das inkriminierte Material mit neun einzelnen Schriften eine vergleichsweise geringe Menge. Auch hinsichtlich des Inhalts liegen die kinderpornographischen Fotos überwiegend im unteren Schweregradbereich und zeigen entkleidete Kinder in unnatürlich geschlechtsbetonter Haltung. Besonders vorwerfbar ist jedoch die Aufnahme, auf der an einem Kind vollzogener Analverkehr dargestellt ist. Auch den 3 Videos kommt schweres disziplinarisches Gewicht zu, weil die mit den Aufnahmen verbundene Belastung für die betroffenen Kinder unvergleichlich höher ist als bei Fotoaufnahmen.
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Nicht allzu schwer wiegen die Verstöße gegen das Waffenrecht. Der Schlagring war nach den nachvollziehbaren Ausführungen des Beklagten ein Urlaubsandenken. Bei der Knallkartusche ist nicht ohne Weiteres erkennbar, dass deren Besitz einen Verstoß gegen das Waffenrecht begründet.
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4.4. Den Dienstpflichtverletzungen stehen keine Milderungsgründe von solchem Gewicht entgegen, dass von der Höchstmaßnahme abgesehen werden könnte.
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Über die bislang in der Rechtsprechung anerkannten typisierten Milderungsgründe hinaus bedarf es auch hier einer Würdigung der jeweiligen be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls und würde eine allein typisierende Betrachtungsweise zu kurz greifen. Vielmehr dürfen entlastende Gesichtspunkte nicht deshalb unberücksichtigt bleiben, weil sie für das Vorliegen eines „anerkannten“ Milderungsgrundes ohne Bedeutung sind oder nicht ausreichen, um dessen Voraussetzungen – im Zusammenwirken mit anderen Umständen – zu erfüllen (BVerwG, B.v. 20.12.2013 – 2 B 35.13 – beck-online Ls. 1 sowie Rn. 21). Das Bundesverwaltungsgericht führt insoweit aus, die Verwaltungsgerichte müssten bei der Gesamtwürdigung dafür offen sein, dass mildernden Umständen im Einzelfall auch dann ein beachtliches Gewicht für die Maßnahmebemessung zukommen könne, wenn sie zur Erfüllung eines sogenannten anerkannten („klassischen“) Milderungsgrundes nicht ausreichten. Auch solche Umstände dürfen nicht als nebensächlich oder geringfügig zurückgestellt werden, ohne dass sie in Bezug zur Schwere des Dienstvergehens gesetzt werden. Sie dürfen nicht in einer nicht nachvollziehbaren Weise „abgetan“ werden.
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4.4.1. Zwar ist der Beklagte weder straf- noch disziplinarrechtlich vorbelastet. Diese Umstände stellen aber ein normales Verhalten zur Erfüllung der Dienstpflichten dar. Sie sind nicht geeignet, die Schwere des Dienstvergehens so abzumildern, dass von einer Entfernung aus dem Beamtenverhältnis abgesehen werden könnte. Die langjährige pflichtgemäße Dienstausübung ist – selbst bei überdurchschnittlichen Leistungen – für sich genommen regelmäßig nicht geeignet, derartige Pflichtverstöße in einem milderen Licht erscheinen zu lassen (BayVGH, U.v. 18.3.2015 – 16a D 09. 3029 – juris Rn. 96).
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4.4.2. Sein Geständnis sowie die Reue und Kooperation im Strafverfahren durch Herausgabe seiner Handy-PIN und auch im Disziplinarverfahren kommen dem Beklagten ebenfalls zugute, auch wenn diese erst erfolgt sind, nachdem die Taten infolge der vorangegangenen Durchsuchungen bereits aufgedeckt waren. Diese Umstände können aber vor dem Hintergrund der Schwere des Dienstvergehens nicht dazu führen, von der Höchstmaßnahme abzusehen.
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4.4.3. Nicht gegeben ist der Milderungsgrund der unbedachten persönlichkeitsfremden Augenblickstat in einer besonderen Versuchungssituation. Da die Aufzucht der Marihuanapflanzen mindestens von Anfang Juli 2019 bis zur Hausdurchsuchung am 19. September 2019 dauerte und die inkriminierten Daten zwischen April 2018 und Januar 2019 auf dem Mobiltelefon des Beklagten gespeichert wurden, zogen sich die Taten über einen längeren Zeitraum hin, sodass bereits keine „besondere Versuchungssituation“ gegeben war. Zudem liegt wegen der Vielzahl der Taten auch kein „persönlichkeitsfremdes“ Verhalten vor.
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4.4.4. Daneben ist auch der anerkannte Milderungsgrund der „Entgleisung während einer negativen, inzwischen überwundenen Lebensphase“ nicht gegeben. Für diesen von der Rechtsprechung entwickelten Milderungsgrund gilt zwar die regelhafte Herabstufung der angemessenen Disziplinarmaßnahme nicht. Dieser im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigende Umstand führt aber letztlich zum Absehen von der Höchstmaßnahme (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2016 – 2 B 49.15 – juris Rn. 13).
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Der Milderungsgrund setzt außergewöhnliche Verhältnisse voraus, die den Beamten während des Tatzeitraums oder im Tatzeitpunkt „aus der Bahn geworfen“ haben. Die mildernde Berücksichtigung liegt vor allem dann nahe, wenn sich der Pflichtenverstoß als Folge dieser Verhältnisse darstellt. Allerdings muss der Beamte diese Lebensphase in der Folgezeit überwunden haben. Dies ist anzunehmen, wenn sich seine Lebensverhältnisse wieder soweit stabilisiert haben, dass nicht mehr davon die Rede sein kann, er sei weiterhin „aus der Bahn“ geworfen. Eine derartige Stabilisierung indiziert, dass weitere Pflichtenverstöße gleicher Art nicht zu besorgen sind (BVerwG, B.v. 15.6.2016 – 2 B 49.15 – juris Rn. 10; B.v. 9.10.2014 – 2 B 60.14 – juris Rn. 32).
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Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
57
Im Hinblick auf den Vortrag des Beklagten, der Einsatz in der Justizvollzugsanstalt N. in einer kleinen Gemeinde fernab von Heimatstadt R., habe zu Depressionen bei ihm geführt, gegen die er Cannabis aus eigenem Anbau eingesetzt habe, begründet schon keine außergewöhnlichen Verhältnisse, individuelle Extremsituation oder gravierende Ausnahmesituation, die über das hinausgeht, was an finanziellen und familiären Schwierigkeiten jeden treffen kann. Der Einsatz an einem entfernt von Familie und Heimatort liegenden Dienstort kann wegen der räumlichen Streuung der Behörden jeden Beamten treffen.
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Die Situation, in der sich der Beklagte in den Zeiträumen der jeweiligen Tatbegehung befand, erachtet das Gericht auch nicht als so gravierend, dass die Pflichtverletzungen in einem milderen Licht erscheinen, weil ein an normalen Maßstäben orientiertes Verhalten von dem Beamten nicht erwartet und damit nicht mehr vorausgesetzt werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2016 – 2 B 49.15 – juris Rn. 11). Es leuchtet nicht ein, dass er durch den Dienst fernab der Heimat „aus der Bahn geworfen“ gewesen sein sollte. Zudem ergibt sich nach den Bekundungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung ein unauffälliges Verhalten in sonstigen Lebenslagen, insbesondere im dienstlichen Bereich, das dieser Annahme entgegen steht (vgl. BVerwG, B.v. 15.6.2016 a.a.O.). Der Beklagte hat selbst ausgeführt, dass er seinen Dienst in den Zeiten seiner Anwesenheit ordnungsgemäß abgeleistet hat.
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Letztlich steht auch nicht fest, dass er die Lebensphase überwunden hat, etwa durch eine erfolgreiche Therapie (vgl. BVerwG, B.v. 29.8.2017 – 2 B 76.16 – juris Rn. 22). Insoweit existiert keine positive fachärztliche oder sonstige Prognose.
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5. Die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis wird auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gerecht, sie ist zweckmäßig, geeignet, erforderlich und auch angemessen. Der unerlaubte Besitz von Betäubungsmitteln einerseits und von kinder- und jugendpornographischem Bild- und Videomaterial andererseits durch einen Justizvollzugsbeamten schadet dem Ansehen des Berufsbeamtentums in derart elementarer Weise, dass auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis der Wiederherstellung dieses Ansehens dient. Auch die in der Entfernung vom Dienst liegende Härte für den Beamten – insbesondere hinsichtlich des Verlustes seiner Dienstbezüge – ist nicht unverhältnismäßig oder unvereinbar mit einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise. Sie beruht auf dem vorangegangenen Fehlverhalten des für sein Handeln verantwortlichen Beklagten, der sich bewusst gewesen sein muss, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzt (BayVGH, U.v. 20.9.2021 – 16b D 19.1302 – juris Rn. 67).
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.