Inhalt

OLG München, Beschluss v. 03.05.2023 – 25 U 6198/22
Titel:

Deckungsumfang einer Betriebsschließungsversicherung

Normenketten:
IfSG § 6, § 7
VVG § 1a
Leitsätze:
1. § 1a VVG enthält keine Bestimmung zum Inhalt und Umfang des Leistungsversprechens des Versicherers (Anschluss an BGH BeckRS 2022, 533 Rn. 40). (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Beschreibung des Versicherungsschutzes im Produktinformationsblatt mit einem Hinweis, dass sich der vollständige Vertragsinhalt u.a. aus den Versicherungsbedingungen ergibt, erweitert den Deckungsumfang einer Betriebsschließungsversicherung nicht (Anschluss an BGH BeckRS 2023, 1712). (Rn. 7) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betriebsschließungsversicherung, Corona, COVID-19, SARS-CoV-2, Deckungsumfang, Produktinformationsblatt
Vorinstanzen:
OLG München, Hinweisbeschluss vom 21.03.2023 – 25 U 6198/22
LG München I, Endurteil vom 16.09.2022 – 16 HK O 6131/21
Fundstelle:
BeckRS 2023, 14860

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16.09.2022, Aktenzeichen 16 HK O 6131/21, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 247.290,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin hat bei der Beklagten eine Betriebsschließungsversicherung genommen und macht eine Betriebsschließung aufgrund der öffentlichen Maßnahmen gegen die Ausbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 geltend. Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil wird Bezug genommen. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens im Berufungsverfahren wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.
2
Die Klägerin stellt den Antrag aus der Berufungsbegründung vom 21. Dezember 2022 (Bl. 315/357 d. A., S. 2). Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
II.
3
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 16.09.2022, Aktenzeichen 16 HK O 6131/21, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
4
1. Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 21. März 2023 (Bl. 370/373 d. A.) Bezug genommen. Auch die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 24. April 2023 (Bl. 378/396 d. A.) geben zu einer Änderung keinen Anlass.
5
Soweit die Gegenerklärung (S. 11 ff) die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Umfang des Versicherungsschutzes bei vergleichbaren Versicherungsbedingungen kritisiert, überzeugt dies den Senat nicht. Der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist vielmehr aus den Gründen der im Hinweis angeführten Entscheidungen zu folgen. Insbesondere enthält § 1a VVG keine Bestimmungen zum Inhalt und Umfang des Leistungsversprechens des Versicherers (BGH, Urteil vom 26. Januar 2022 – IV ZR 144/21, BGHZ 232, 344 Rn. 40). Zu keinem anderen Ergebnis führt die Pflicht des Versicherers zum Handeln im bestmöglichen Interesse der Versicherungsnehmer gemäß § 1a Abs. 1 VVG.
6
Unzutreffend führt die Gegenerklärung (S. 1) aus, der Hinweisbeschluss befasse sich gar nicht mit den tatsächlichen und rechtlichen Grundlagen des geltend gemachten sekundären Schadensersatzanspruchs. Hierzu hat der Senat im Hinweisbeschluss unter 2 (S. 4) Hinweise erteilt, an denen auch unter Berücksichtigung der Gegenerklärung festzuhalten ist. Auf Ausführungen der Gegenerklärung zu Kausalität und Schaden kommt es für die Entscheidung nicht an, weil es schon an einer Pflichtverletzung der Beklagten fehlt.
7
Nicht zutreffend ist auch die Annahme der Gegenerklärung (S. 15), das Oberlandesgericht wolle von vornherein die Rechtsfolge Schadensersatz infolge ungenügenden Produktinformationsblattes nicht einmal erwägen. Der Senat sieht auch unter diesem Gesichtspunkt keine haftungsbegründende Pflichtverletzung der Beklagten. Zum Produktinformationsblatt hat sich der Senat auch im Hinweis (S. 3 Abs. 2) geäußert und dabei ausgeführt, dass der durchschnittliche Versicherungsnehmer einer Betriebsschließungsversicherung – ein Gewerbetreibender – aus den Bedingungen unzweifelhaft entnehmen kann, unter welchen Voraussetzungen Versicherungsschutz besteht und wann dieser ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Beschluss vom 21. September 2022 – IV ZR 467/21, VersR 2022, 1505 Rn. 4 f; vgl. auch BGH, Beschluss vom 22. März 2023 – IV ZR 18/22, juris Rn. 3 f).
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 10 Satz 2, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
9
Die Festsetzung des Berufungsstreitwerts beruht auf §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO.