Inhalt

FG München, Urteil v. 25.06.2023 – 7 K 434/19
Titel:

Mittelbare Beteiligung an Kapitalgesellschaft

Normenketten:
GewStG § 9 Nr. 1 S. 2
FGO § 45 Abs. 1 S. 1
EStG § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, Abs. 2
AO § 42 Abs. 1 S. 1
Leitsatz:
Ist aufgrund besonderer sachlicher und personeller Gegebenheiten eine so enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen einem Besitzunternehmen und dem Betriebsunternehmen zu bejahen, dass das Besitzunternehmen durch die Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit über das Betriebsunternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt, so ist das Besitzunternehmen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG (originär) gewerblich tätig (z.B. BFH-Beschluss vom 24.01.2012 I B 136/11, BFH/NV 2012, 1176, EN2012095001). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG bei kapitalistischer Betriebsaufspaltung, Gewerbesteuer
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
GmbH-Stpr 2023, 343
GmbH-Stpr 2024, 24
LSK 2023, 14786
BeckRS 2023, 14786

Tenor

1. Der Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2015 vom 23.01.2019 wird dahingehend geändert, dass der Gewerbesteuermessbetrag für 2015 unter Berücksichtigung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in Höhe von 7.349.009 € festgesetzt wird.
2. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Klage wendet sich gegen den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2015 vom 23.01.2019. Streitig ist, ob die Klägerin zur Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 Gewerbesteuergesetz (GewStG) berechtigt ist.
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Klägerin ist die A Immobilienverwaltungsgesellschaft mbH. An ihrem Stammkapital waren im Streitjahr 2015 bis zum 04.11.2015 zu 47,62% F und zu 52,38% die Beteiligungsgesellschaft mbH mit Sitz in X („EBG“) beteiligt. Alleinige Gesellschafterin der EBG ist die F GmbH & Co. KG mit Sitz in X („FKG“), deren Kommanditkapital vollständig von der F Holding GmbH mit Sitz in X („FH“) gehalten wird. Alleingesellschafter der FH war bis zum 04.11.2015 F. Komplementär der FKG war die F Beteiligungsgesellschaft mbH. Die FKG hält außerdem 100% der Anteile an der A GmbH. Mit Wirkung zum 05.11.2015 übertrug F seine Anteile an der Klägerin sowie an der FH im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf A.
3
Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist der Erwerb, das Halten und das Verwalten sowie das Veräußern von Immobilien. Die Klägerin erbringt ihre Leistungen fast ausschließlich für verbundene Gesellschaften. In den Jahren 2013 und 2014 überließ sie der FKG mietweise Teilflächen (1.740 m²) des Grundstücks … in X. Dieser Gebäudebereich wird von der Geschäftsführung und von zentralen Verwaltungseinheiten der FKG genutzt. Ab 2015 wurden die beschriebenen Flächen über ein Zwischenmietverhältnis mit der A GmbH an die FKG überlassen. Auf ihren Gewerbeertrag hat die Klägerin im Streitjahr die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG angewendet.
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Im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung für die Erhebungszeiträume 2013 bis 2015 wurde durch den Betriebsprüfer die Auffassung vertreten, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG für alle geprüften Erhebungszeiträume nicht erfüllt seien, weil eine schädliche Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der FKG vorläge. Diesen Feststellungen folgend setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 23.01.2019 den Gewerbesteuermessbetrag 2015 ohne Berücksichtigung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in Höhe von 257.215 € fest.
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Die dagegen – ohne Durchführung eines Einspruchsverfahrens – gerichtete Klage ging am 20.02.2019 beim Finanzgericht ein und wurde dem Finanzamt mit Schreiben des Gerichts vom 28.02.2019 zugestellt. Mit am 14.03.2019 beim Finanzgericht eingegangenen Schriftsatz stimmte das Finanzamt der Sprungklage gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung (FGO) zu.
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Die Klägerin macht im Wesentlichen geltend, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG im Streitfall vorlägen. Sie habe im Streitjahr ausschließlich eigenen Grundbesitz verwaltet und daher ausschließlich Einkünfte aus der Verwaltung eigenen Grundbesitzes erzielt. Eine schädliche Überlassung an den Gewerbebetrieb eines Gesellschafters liege nicht vor, da der Grundbesitz der Klägerin weder ganz noch zum Teil dem Gewerbebetrieb eines ihres Gesellschafters, insbesondere nicht der EBG, diene.
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Im Übrigen sei nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung der mittelbar über eine Kapitalgesellschaft an einer vermögensverwaltenden Kapitalgesellschaft Beteiligte nicht Gesellschafter im Sinne des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH – vom 15.04.1999 IV R 11/98, BStBI II 1999, 532, vom 27.08.1992 IV R 13/91, BStBI II 1993, 134, Urteil des Finanzgerichts – FG – Hessen vom 24.01.2018 8 K 2233/15, EFG 2018, 762 m.w.N.). Maßgeblicher Gesichtspunkt für diese Rechtsprechung sei das bei Kapitalgesellschaften geltende Durchgriffsverbot, in dessen Rahmen entgegen der Ansicht des Finanzamts die Rechtsprechungsgrundsätze zur Betriebsaufspaltung nicht anwendbar seien (vgl. BFH-Urteil vom 01.08.1979 I R 111/78, BStBI II 1980, 77). Nach § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG werde die erweiterte Kürzung nur für den Fall ausgeschlossen, dass der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb „eines Gesellschafters“ dient. Eine mittelbare Beteiligung reiche nur aus, wenn die systematische Auslegung eine entsprechende Erweiterung des Wortlauts ergebe. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft schließe infolge der so genannten Abschirmwirkung die erweiterte Kürzung nicht aus (vgl. BFH vom 15.04.1999 IV R 11/98, BStBI II 1999, 532). Dies gelte auch dann, wenn es sich bei der grundstücksbesitzenden Gesellschaft um eine Kapitalgesellschaft handle (BFH vom 22.06.2016 X R 54/14, BStBI II 2017,529 unter Rz. 25 m.w.N.). Anders verhalte es sich wegen des hier zu beachtenden Transparenzprinzips nur bei einer mittelbaren Beteiligung über eine Personengesellschaft (BFH vom 15.12.1999 VIII R 77/93, BStBI II 1999, 168).
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Die Rechtsprechungsgrundsätze zur Betriebsaufspaltung führten zu keiner weiteren Einschränkung der erweiterten Kürzung. Es fehle an der erforderlichen personellen Verflechtung der grundstückbesitzenden mit der grundstücksnutzenden Gesellschaft. Die mittelbare Beteiligung der Klägerin an der FKG reiche für eine solche Verflechtung nicht aus. Zwar könne auch eine Kapitalgesellschaft Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung sein („kapitalistische Betriebsaufspaltung“, vgl. etwa BFH-Urteil vom 28.01.2015 I R 20/14, BFH/NV 2015, 1109 Rz 13 m.w.N.). Eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft reiche für eine personelle Verflechtung nur dann aus, wenn der Gesellschafter mittelbar an der Betriebsgesellschaft beteiligt sei (z.B. BFH vom 28.01.2015 I R 20/14, BFH/NV 2015, 1109 Rn. 15 und vom 22.06.2016 X R 54/14, BStBl II 2010, 529 Rn. 25), nicht aber dann, wenn der Gesellschafter – wie im Streitfall – mittelbar an der Besitzgesellschaft beteiligt ist. Diese Differenzierung beruhe auf langjähriger Rechtsprechung (vgl. u.a. Schmidt/Wacker, EStG, 38. Auflage, § 15 Rn. 835, BFH-Urteil vom 29.11.2007 II R 82/05, BStBI 2008, 471 zu II. 2.d. der Gründe). Die Grundsätze des vom Finanzamt angeführten BFH-Urteils vom 28.01.2015 seien daher vorliegend nicht einschlägig.
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Die Klägerin beantragt,
den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag für 2015 vom 23.01.2019 dahingehend zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag für 2015 unter Berücksichtigung der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG in Höhe von 7.349.009 € festgesetzt wird. Hilfsweise wird beantragt, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
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Das Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Hilfsweise wird beantragt, die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.
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Das Finanzamt trägt im Wesentlichen vor, dass die Überlassung der Teilflächen, die von der Geschäftsführung und von zentralen Verwaltungseinheiten der FKG genutzt würden, als Überlassung von wesentlichen Betriebsgrundlagen an eine Betriebsgesellschaft anzusehen sei. Die Betriebsgesellschaft FKG sei zu 100% am Vermögen der EBG und der A GmbH beteiligt. Die EBG halte wiederum 52,38% des Kapitals der Klägerin. Die FKG beherrsche die Klägerin somit mittelbar. Es liege ein einheitlicher Betätigungswille vor. Auch unter Einbeziehung der FH als Gesellschafter der FKG bzw. der Anteilseigner der FH sei aufgrund der beherrschenden Beteiligungsverhältnisse von der faktischen Durchsetzbarkeit eines einheitlichen Betätigungswillens im Interessengleichklang bei der FKG und der Klägerin auszugehen (BFH-Urteil vom 28.01.2015 I R 20/14). Der Umstand, dass im Streitfall eine umgekehrte Betriebsaufspaltung vorliege, ändere nichts an diesem Ergebnis, da hierdurch die gewerbliche Prägung nicht entfalle.
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Im Übrigen stünden auch Gestaltungen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung unter dem Vorbehalt des § 42 AO. Grundsätzlich könne auch in der Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft in gewerbliches Geschehen die Umgehung eines Steuergesetzes liegen (BFH vom 28.11.2001, X R 50/97 m. w. N.).
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Finanzamts-Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 17.04.2023 Bezug genommen.
II.
14
Die Klage ist zulässig und begründet.
15
1. Die Klage ist auch ohne Durchführung eines Vorverfahrens zulässig. Die beklagte Behörde hat ihre Zustimmung rechtzeitig i.S.d. § 45 Abs. 1 Satz 1 FGO erteilt.
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2. Zu Unrecht hat das Finanzamt die beantragte erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG versagt.
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2.1. Nach § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG wird die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um 1,2% des Einheitswerts des zum Betriebsvermögen des Unternehmers gehörenden Grundbesitzes gekürzt (sog. einfache Kürzung). An Stelle der Kürzung nach Satz 1 tritt nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf Antrag bei Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen oder daneben Wohnungsbauten betreuen oder Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser oder Eigentumswohnungen errichten und veräußern, die Kürzung um den Teil des Gewerbeertrags, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (sog. erweiterte Kürzung). Die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung ist gemäß § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG ausgeschlossen, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient. Der Gesetzgeber sieht in diesem Fall die Voraussetzungen für eine Begünstigung des Grundstücksunternehmens nicht mehr als gegeben an, weil bei einer Nutzung des Grundstücks im Gewerbebetrieb des Gesellschafters ohne Zwischenschaltung eines weiteren Rechtsträgers die Grundstückserträge in den Gewerbeertrag einfließen und damit der Gewerbesteuer unterliegen würden (BFH-Urteil vom 07.08.2008 IV R 36/07, BStBl II 2010, 988, unter II.2., m.w.N.).
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2.2. Grundbesitz „dient“ dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters eines Grundstücksunternehmens i.S. von § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG u.a. dann, wenn er von diesem aufgrund eines Miet- oder Pachtvertrags genutzt wird, aber auch dann, wenn das Grundstück von einer Gesellschaft genutzt wird, an der der Gesellschafter des Grundstücksunternehmens als Mitunternehmer (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Einkommensteuergesetz – EStG) beteiligt ist (BFH-Urteil vom 16.09.2021 IV R 7/18, BStBl II 2022, 767 m.w.N.). Als Gesellschafter i.S. des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG gilt neben dem unmittelbar Beteiligten auch derjenige, der nur mittelbar über eine Personenhandelsgesellschaft am Grundstücksunternehmen beteiligt ist (vgl. BFH-Urteil vom 15.12.1998 VIII R 77/93, BStBl II 1999, 168, unter 2.b). Die mittelbare Beteiligung am Grundstücksunternehmen über eine Kapitalgesellschaft hat hingegen keine solche Wirkung; die Kapitalgesellschaft entfaltet insoweit mangels einer ausdrücklich entgegenstehenden gesetzlichen Regelung eine Abschirmwirkung, die zum Verbot des Durchgriffs auf ihre Gesellschafter führt, weil sonst die rechtliche Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft ignoriert würde (BFH-Urteil vom 16.09.2021 IV R 7/18, BStBl II 2022, 767 m.w.N.).
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2.3. Ausgehend von diesen Maßstäben schließt die Regelung des § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG eine erweiterte Kürzung im Streitfall nicht aus. Denn das von der Klägerin – über eine Zwischenvermietung an die A GmbH – vermietete Grundstück wurde von der FKG genutzt, die selbst keine Gesellschafterin der Klägerin war. An der FKG waren in den Streitjahren auch keine Gesellschafter der Klägerin als Mitunternehmer beteiligt, denn alleinige Kommanditistin der FKG war die FH und Komplementärin der FKG war die F Beteiligungsgesellschaft mbH. Dabei ist unschädlich, dass die FKG zugleich jeweils 100% der Anteile an der EBG GmbH (Gesellschafterin der Klägerin) und an der A GmbH hielt. Denn das sogenannte Durchgriffsverbot hindert in Bezug auf den Begriff des „Gesellschafters“ in § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG nicht nur daran, eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft am Grundstücksunternehmen einer unmittelbaren Beteiligung gleichzustellen, sondern auch im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal „dienen“ in § 9 Nr. 1 Satz 5 Nr. 1 GewStG daran, eine mittelbare Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft an dem grundstücksnutzenden Unternehmen einer mitunternehmerischen Beteiligung daran gleichzustellen (vgl. BFH in BStBl II 2022, 767 m.w.N.).
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3. Zu Unrecht hat das Finanzamt die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG mit der Begründung versagt, dass in den Streitjahren zwischen der Klägerin als Besitzunternehmen und der FKG als Betriebsunternehmen eine so genannte umgekehrte Betriebsaufspaltung bestanden habe.
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Die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Verwaltung oder Nutzung des eigenen Grundbesitzes die Grenzen der Gewerblichkeit überschreitet. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn das Grundstücksunternehmen infolge einer Betriebsaufspaltung als Besitzunternehmen (originär) gewerbliche Einkünfte erzielt. Denn der Zweck der sogenannten Besitzgesellschaft ist in diesen Fällen von vornherein nicht auf die Vermögensverwaltung, sondern auf die Teilnahme am allgemeinen Wirtschaftsverkehr und die Partizipation an der durch die Betriebsgesellschaft verwirklichten Wertschöpfung gerichtet. Die Überlassung eines Grundstücks im Rahmen einer Betriebsaufspaltung wird deshalb als gewerbliche Tätigkeit beurteilt und schließt eine erweiterte Kürzung aus (BFH in BStBl II 2022, 767 m.w.N., Brandis/Heuermann/Gosch, 164. EL November 2022, GewStG § 9 Rn. 62-63a, Wagner in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Auflage 2022, § 9 Nr. 1 Rn. 50).
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3.1. Eine Betriebsaufspaltung liegt vor, wenn einem Betriebsunternehmen wesentliche Grundlagen für seinen Betrieb von einem Besitzunternehmen überlassen werden und die hinter dem Betriebs- und dem Besitzunternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben. Dieser ist anzunehmen, wenn die Person oder Personengruppe, die das Besitzunternehmen beherrscht, auch in dem Betriebsunternehmen ihren Willen durchsetzen kann. Ist aufgrund besonderer sachlicher und personeller Gegebenheiten eine so enge wirtschaftliche Verflechtung zwischen dem Besitzunternehmen und dem Betriebsunternehmen zu bejahen, dass das Besitzunternehmen durch die Vermietungs- und Verpachtungstätigkeit über das Betriebsunternehmen am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr teilnimmt, so ist das Besitzunternehmen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, Abs. 2 EStG (originär) gewerblich tätig (z.B. BFH-Beschluss vom 24.01.2012 I B 136/11, BFH/NV 2012, 1176, BFH-Urteil vom 28.01.2015 I R 20/14, BFH/NV 2015, 1109 Rn. 9 jeweils m.w.N.).
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3.2. Im Streitfall hat die Klägerin der FKG bebaute Grundstücke zur Nutzung überlassen. Unstreitig sind diese Grundstücke als wesentliche Betriebsgrundlagen anzusehen (vgl. BFH-Beschluss vom 19.12.2007 I R 111/05, BStBl II 2008, 536). Eine sachliche Verflechtung ist daher zu bejahen.
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3.3. Zu Unrecht ist das Finanzamt jedoch auch von einer personellen Verflechtung ausgegangen. Eine personelle Verflechtung erfordert einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen sowohl im Besitz- als auch im Betriebsunternehmen (Schmidt/Wacker, EStG, 41. Auflage 2022, § 15 Rn. 820). Hierzu ist durch die Rechtsprechung geklärt, dass auch eine Kapitalgesellschaft Besitzunternehmen im Rahmen einer Betriebsaufspaltung sein kann, sog. kapitalistische Betriebsaufspaltung (BFH in BFH/NV 2012, 1176 und in BFH/NV 2015, 1109, BFH -Urteil vom 16.09.1994 III R 45/92, BStBl II 1995, 75 Rn. 41). In dieser Konstellation kommt es darauf an, ob die Besitzkapitalgesellschaft selbst ihren geschäftlichen Betätigungswillen in der Betriebsgesellschaft durchsetzen kann. Dies kann nicht nur bei einer Beteiligungsidentität, sondern auch bei einer sog. Beherrschungsidentität zu bejahen sein. Eine Beherrschungsidentität wird regelmäßig durch die Mehrheitsbeteiligung von Gesellschaftern an Besitz- und Betriebsunternehmen indiziert (vgl. BFH-Urteil vom 20.05.2021 IV R 31/19, BStBl II 2021, 768, Rz 24 f.). Die Herrschaft über das Betriebsunternehmen kann auch mittelbar über eine Kapitalgesellschaft ausgeübt und damit eine personelle Verflechtung begründet werden (vgl. BFH in BFH/NV 2015, 1109 und in BStBl II 2022, 767 m.w.N.).
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Eine sog. kapitalistische Betriebsaufspaltung liegt jedoch nicht vor, wenn die Besitzgesellschaft (GmbH) selbst weder unmittelbar noch mittelbar, d.h. über eine andere Kapitalgesellschaft an der Betriebsgesellschaft beteiligt ist. Der Besitzgesellschaft können nicht die Beteiligungen der Gesellschafter ihrer Muttergesellschaft an der Betriebsgesellschaft zugerechnet werden (BFH -Beschluss vom 26.03.1993 III S 42/92, BStBl II 1993, 723, Wacker in Schmidt, EStG, 41. Auflage 2022, § 15 Rdn. 863).
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In Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung hat der IV. Senat des BFH zwar nunmehr entschieden, dass auch eine Beteiligung der an der Betriebsgesellschaft beteiligten Gesellschafter an einer Besitz-Personengesellschaft, die lediglich mittelbar über eine Kapitalgesellschaft besteht, bei der Beurteilung einer personellen Verflechtung als eine der Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung zu berücksichtigen ist (BFH in BStBl II 2022, 767). In dem diesem Urteil zugrundeliegenden Sachverhalt war die Besitzgesellschaft als KG eine Personengesellschaft. Der BFH hat ausgeführt, dass jedenfalls in diesem Fall keine sachlichen Gründe für die von der bisherigen Rechtsprechung bei der Beantwortung der Frage einer personellen Verflechtung vertretene Unterscheidung zwischen einer mittelbaren Beteiligung über eine Kapitalgesellschaft am Betriebsunternehmen und einer solchen am Besitzunternehmen (hier als Personengesellschaft) ersichtlich sind, da eine derartige Einflussnahme auf die Betriebsgesellschaft die rechtliche Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft, die die mittelbare Beteiligung an der Betriebsgesellschaft vermittelt, nicht berührt.
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Auf Anfrage des erkennenden IV. Senats im Verfahren IV R 7/18 (BStBl II 2022, 767) hat der I. Senat des BFH unter Bezugnahme auf seine Rechtsprechung, insbesondere das BFH-Urteil vom 28.01.2015 I R 20/14, mitgeteilt, dass einer Kapitalgesellschaft als Besitzunternehmen weder die von ihren Gesellschaftern gehaltenen Anteile an der Betriebs GmbH noch die mit diesem Anteilsbesitz verbundene Beherrschungsfunktion „zugerechnet“ werden. Dem liege ein aus dem Trennungsprinzip abzuleitendes „Durchgriffsverbot“ zugrunde, das es nicht zulasse, im Rahmen der Besteuerung der Besitz-Kapitalgesellschaft für die Frage, ob ein einheitlicher Geschäfts- und Betätigungswille hinsichtlich der Tätigkeit der Betriebsgesellschaft bestehe, auf die Anteilsinhaberschaft bzw. Einflussmöglichkeiten der Gesellschafter der Besitz-Kapitalgesellschaft abzustellen.
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3.4. Im Streitfall wird das Besitzunternehmen (Klägerin) vom Betriebsunternehmen (FKG) beherrscht (vgl. BFH-Urteil vom 16.09.1994 III R 45/92, BStBl II 1995, 75, Rn. 41). Die Klägerin selbst ist weder unmittelbar noch mittelbar über eine andere Kapitalgesellschaft an der FKG beteiligt. Eine personelle Verflechtung liegt daher nicht vor.
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3.5. Es liegen im Streitfall auch keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Klägerin aufgrund entsprechender vertraglicher Vereinbarungen zugleich die geschäftliche Oberleitung der Betriebsgesellschaft (FDKG) innegehabt bzw. beherrschende Funktionen ausgeübt hat (vgl. BFH-Urteil vom 29.07.1976 IV R 145/72, BStBl II 1976, 750, Urteil des FG Köln vom 17. Oktober 2019 6 K 832/16, Rn. 24, juris). Die Klägerin wurde nicht über das übliche Maß der Vermögensverwaltung hinaus tätig, so dass sie durch die persönliche und sachliche Verflechtung mit der Betriebsgesellschaft auch nicht an deren originär gewerblicher Tätigkeit teilnimmt (BFH-Beschluss vom 24.01.2012 I B 136/11, GmbHR 2012, 698, Roser in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 1 Kürzungen, Rn. 154). Vielmehr wurde die Klägerin (Betriebsgesellschaft) im Wege einer umgekehrten Betriebsaufspaltung mittelbar von der FDKG beherrscht. Die Betriebsgesellschaft ist eine indirekte Muttergesellschaft der Klägerin (Wagner in Wendt/Suchanek/Möllmann/Heinemann, GewStG, 2. Auflage 2022, § 9 Nr. 1 Rn. 51 m.w.N, Roser in: Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 1 Kürzungen, Rn. 150). Insoweit wird jedoch keine personelle Verflechtung begründet. Die Tätigkeit der Besitzkapitalgesellschaft (Klägerin) beschränkt sich damit auf eine bloße Vermietungstätigkeit.
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4. Die Einwendungen des Finanzamts, dass durch die im Streitfall erfolgte Zwischenschaltung einer Kapitalgesellschaft die Vorschrift des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG umgangen worden sei (vgl. § 42 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung -AO), greifen nicht durch. Der Senat kann nicht erkennen, dass insoweit eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wurde, die bei der Klägerin im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Steuervorteil führt. Denn grundsätzlich steht es jedem Steuerpflichtigen frei, seine Angelegenheiten so einzurichten, dass er möglichst wenig Steuern zu zahlen braucht (Stöber in: Gosch, Abgabenordnung/Finanzgerichtsordnung, 173. Ergänzungslieferung, März 2023, § 42 Rn. 22).
31
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und des Vollstreckungsschutzes folgt aus den §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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6. Die Zulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO.