Titel:
Überbrückungshilfe III, Vorkassenrechnung mit Zahlung außerhalb des Förderzeitraums, Widerspruch von vorgebrachter Verwaltungspraxis und FAQ
Normenketten:
VwGO § 113 Abs. 5 S. 1, S. 2
GG Art. 3
Richtlinie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 (Überbrückungshilfe III) – Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft Landesentwicklung und Energie vom 18. Februar 2021
Schlagworte:
Überbrückungshilfe III, Vorkassenrechnung mit Zahlung außerhalb des Förderzeitraums, Widerspruch von vorgebrachter Verwaltungspraxis und FAQ
Fundstelle:
BeckRS 2023, 14755
Tenor
I. Der Bescheid der Beklagten vom 24. Mai 2022 wird aufgehoben hinsichtlich der Ablehnung der Förderfähigkeit der Lüftungsanlage. Insoweit wird die Beklagte verpflichtet, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen den teilablehnenden Bescheid über die Gewährung einer Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer Corona-Überbrückungshilfe für kleine und mittelständische Unternehmen, Soloselbstständige und Angehörige der Freien Berufe, die in Folge der Corona-Krise erhebliche Umsatzausfälle erleiden (Überbrückungshilfe III) und begehrt nach teilweiser Klagerücknahme eine weitere Zahlung in Höhe von 64.000,00 €.
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Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer das Landgasthof Hotel, das ...hotel G., das ...hotel F. und das ...hotel W..
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Mit Antrag vom 28. Oktober 2021 begehrte der Kläger die Gewährung einer Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie für den Zeitraum Januar 2021 bis Juni 2021 (im Folgenden „Überbrückungshilfe III“) in Höhe von insgesamt 1.121.560,84 €. Mit Änderungsantrag vom 28. März 2022 beantragte der Kläger nunmehr eine Überbrückungshilfe III in Höhe von 1.257.191,86 €.
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Mit Bescheid vom 24. Mai 2022 gewährte die Beklagte dem Kläger eine Förderung in Höhe von 785.374,60 € und lehnte den Antrag im Übrigen in Höhe von 471.817,26 € mit Verweis auf die fehlende Förderberechtigung ab. Aus der Summe nichtberücksichtigter Kostenpositionen i.H.v. 339.987,74 € ergibt sich inkl. Folgekürzungen (Personalkosten und Eigenkapitalzuschuss) eine Gesamtkürzung der Fördersumme in Höhe von 471.817,26 €.
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Mit der Klage begehrte der Kläger ursprünglich die Zahlung einer weiteren Überbrückungshilfe III in Höhe von 182.409,47 €, nach teilweiser Klagerücknahme in der mündlichen Verhandlung (VG Augsburg, B.v. 22.3.2023 – Au 6 K 23.432) reduzierte sich der begehrte Betrag auf 64.000,00 € und richtet sich die Klage nur noch gegen die Position „Vorkassenrechnung für Lüftungsanlage“. Für die Monate Januar, Februar, März und Mai 2021 wurden Kosten für bauliche Modernisierungs-, Renovierungs- oder Umbaumaßnahmen nach Ziff. 3.1 Satz 1 Buchst. n) der Richtlinie in Höhe von jeweils 16.000,00 € angegeben. Dabei handelt es sich um Vorkassenrechnungen für die Aufrüstung der Lüftungs-/ Klimaanlage, die im September 2021 bezahlt wurden.
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Mit Schriftsatz vom 24. Juni 2022 ließ der Kläger Klage erheben und zuletzt beantragen,
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Die Beklagte wird verpflichtet, die beantragte Corona-Hilfe für die Lüftungsanlage im Umfang von 64.000,00 € zu gewähren, hilfsweise neu zu verbescheiden.
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Zu den Kosten für die Lüftungsanlage im ...hotel G. wird vorgebracht, die Kosten in Höhe von insgesamt 64.000,00 € (4 x 16.000,00 € nach Rechnung Bl. 53 ff. der Behördenakte) seien zu Unrecht abgelehnt worden, da es sich nach Wertung der IHK um Vorkassenrechnungen handle, die erst im September 2021 bezahlt worden seien. Dass es sich um eine grundsätzlich förderfähige Maßnahme handle, sei von der Beklagten nicht in Frage gestellt worden. Die Ablehnung sei lediglich aufgrund der Zahlung der Rechnungen außerhalb des Förderzeitraums erfolgt.
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Die FAQs würden jedoch folgenden Hinweis enthalten: „Berücksichtigungsfähig sind ausschließlich solche Verbindlichkeiten, deren vertragliche Fälligkeit im Förderzeitraum liegt (inklusive vertraglich vereinbarte Anzahlungen). Maßgeblich für den Zeitpunkt der vertraglichen Fälligkeit ist ausschließlich der Zeitpunkt, der sich nach der (ersten) Rechnungsstellung ergibt (nicht relevant sind der Zeitpunkt weiterer Zahlungsaufforderungen, der Zeitpunkt der Zahlung oder der Zeitpunkt der Bilanzierung).“
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Nach Angaben des Klägers seien die Lüftungsanlage als Klimaanlage mit Luftfilter für jedes Zimmer im Mai 2020 beauftragt und ab Mai 2021 in den Zimmern eingebaut worden. Die genannten Rechnungen hätten als Rechnungsdatum den 31. Januar 2021, 28. Februar 2021, 31. März 2021 und den 31. Mai 2021 und seien – mangels explizitem Fälligkeitsdatum – sofort fällig gewesen. Die Fälligkeit aller vier Rechnungen falle damit in den Förderzeitraum der Überbrückungshilfe III. Der Zeitpunkt der Zahlung erst im September sei ausweislich der FAQs daher nicht relevant. Dass die Beklagte in Abweichung von den FAQ hierauf abstelle, dies aber nicht rechtzeitig verlautbare, sei ermessensfehlerhaft und für einen Antragsteller nicht (rechtzeitig) erkennbar, auch nicht aus den Nachfragen der Beklagten im Förderverfahren.
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Mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2022 stellt sich die Beklagte der Klage entgegen und beantragt,
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Die Klage wird abgewiesen.
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Zum Nachweis entstandener Fixkosten akzeptiere die Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis Rechnungen beziehungsweise auch Zwischenrechnungen, eine reine Beauftragung reiche hingegen nicht aus. Vorkassenrechnungen würden nach der Verwaltungspraxis der Beklagten akzeptiert, wenn die Lieferung und Leistung zum Zeitpunkt der Antragstellung nachgewiesen werden könne, vgl. Ziff. 2.1 und 2.4 der FAQ. Die Förderfähigkeit baulicher Modernisierungs-, Renovierungs- oder Umbaumaßnahmen richte sich nach Ziff. 3.1 Satz 1 Buchst. n) der Richtlinie.
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Die Kosten für den Einbau einer Lüftungsanlage seien danach nicht förderfähig. Denn diesbezüglich habe der Kläger jeweils Vorkassenrechnungen eingereicht, die nach seinen eigenen Angaben im Förderverfahren erst im September 2021 (gesammelt) bezahlt worden seien. Nachdem damit eine Leistung innerhalb des Förderzeitraums bis zum 30. Juni 2021 nicht nachgewiesen worden sei, seien die für die Lüftungsanlage angefallenen Kosten sämtlich zu kürzen gewesen.
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Es liege kein Ermessensfehler vor, insbesondere sei keine willkürliche Beschränkung ohne Sachgrund erfolgt. Der Zweck der außerordentlichen Wirtschaftshilfe, Unternehmen, die erhebliche Umsatzausfälle aufgrund der Corona-Pandemie erlitten hätten, zu fördern, sei gefährdet, würden auch Kosten ersetzt, die dem Unternehmen im Förderzeitraum tatsächlich nicht entstanden seien. Die Festlegung dieses Förderzeitraums sei auch deshalb gerechtfertigt, weil Unternehmen, die nach dem Juni 2021 weiterhin von Umsatzeinbrüchen betroffen gewesen seien, eine Förderung im Förderprogramm der Überbrückungshilfe III Plus beantragen konnten. In diesem Förderprogramm hätten Fixkosten, die im Förderzeitraum Juli 2021 bis Dezember 2021 angefallen seien, erstattet werden können. Dies seien ausreichende Differenzierungsgründe für den allein relevanten Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG.
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In der mündlichen Verhandlung ergänzte die Beklagte ihr Vorbringen. Abweichend von den FAQ müsse nicht nur die Rechnungstellung, sondern bei Vorkassenrechnungen auch die Bezahlung im Förderzeitraum liegen. Sie sehe sonst die Gefahr der Rückabwicklung. Das Risiko einer uneinbringlichen Rückforderung liege dann bei der öffentlichen Hand. Diese Verwaltungspraxis habe sich erst ab der Überbrückungshilfe III entwickelt, weil dazu vermehrt Vorkassenrechnungen eingereicht worden seien und sich das Problem erst dann gezeigt habe. Änderungen der FAQ hätten eine bundesweite Abstimmung erfordert und viele Einzelfragen seien nicht aufgenommen worden. Sie sehe auch keinen Widerspruch zu den FAQ, da lediglich ergänzend auch der Nachweis der Zahlung im Förderzeitraum verlangt worden sei.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage, über die nach erfolgter Teil-Rücknahme nur noch in Bezug auf die Lüftungsanlage zu entscheiden war, erweist sich als zulässig und begründet.
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I. Verbleibender Streitgegenstand ist allein die Förderfähigkeit der Kosten für den Einbau der Lüftungsanlage im ...hotel G. in Höhe von 64.000,00 €. Hinsichtlich der Abschreibungen und des Einbaus der digitalen Schließanlage hat der Kläger die Klage in der mündlichen Verhandlung mit Zustimmung der Beklagten teilweise nach § 92 Abs. 1 VwGO wirksam zurückgenommen.
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II. Die Klage ist zulässig.
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1. Die Klage ist statthaft als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO in Form der Teil-Versagungsgegenklage gegen den teilablehnenden Verwaltungsakt der Beklagten vom 24. Mai 2022.
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2. Der Kläger ist klagebefugt gemäß § 42 Abs. 2 VwGO, weil ein Anspruch aus Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. der tatsächlichen Vergabepraxis auf willkürfreie Gewährung oder Verbescheidung nicht von vornherein auszuschließen ist.
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3. Die Klagefrist nach § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO ist gewahrt, gegen den Bescheid vom 24. Mai 2022 hat der Kläger am 24. Juni 2022 – und damit vor Ablauf der Klagefrist am 27. Juni 2022 um 24 Uhr – Klage erhoben.
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III. Die Klage ist begründet, weil der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Satz 2 VwGO). Insoweit besteht ein Anspruch auf Verbescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts hinsichtlich der Billigkeitsleistung in Form der Corona-Überbrückungshilfe III. Die Ablehnung der Förderfähigkeit der Kosten für den Einbau der Lüftungsanlage erweist sich als ermessensfehlerhaft. Hinsichtlich einer Gewährung besteht aus nachfolgenden Gründen kein Anspruch; insoweit unterliegt der Kläger geringfügig.
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1. Die Rechtmäßigkeit der Teilablehnung der Überbrückungshilfe richtet sich allein nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis. Maßgeblich dafür sind insbesondere die Richtlinien für die Gewährung von Coronahilfen sowie die FAQ (dazu VG Würzburg, U.v. 24.10.2022 – W 8 K 21.1263 – juris Rn. 28 ff. m.w.N.).
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Die Förderrichtlinien stellen zwar keine Rechtsnormen dar, begründen aber als Verwaltungsvorschriften über den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 und Art. 28 GG) Außenwirkung in der Gestalt, die sie durch die ständige Verwaltungspraxis gefunden haben (BayVGH, B.v. 3.5.2021 – 6 ZB 21.301 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 6).
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Die Richtlinien begründen vom Ansatz her keinen gebundenen Anspruch auf eine Billigkeitsleistung in bestimmter Höhe, sondern es besteht zusammen mit Art. 40 BayVwVfG, wonach die Behörde, wenn sie ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat, ein Anspruch eines jeden Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde über seinen Antrag. Dabei ist gemäß § 114 Satz 1 VwGO die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung beschränkt, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde oder sonst ein Ermessensfehler vorliegt (BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 6; VG Düsseldorf, U.v. 15.9.2022 – 16 K 5167.21 – juris Rn. 29).
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Im Rahmen des behördlich auszuübenden Ermessens kommt den Förderrichtlinien, bei denen es sich nicht um eine Rechtsnorm, d.h. nicht einen Rechtssatz mit Außenwirkung, sondern um eine (bloße) interne Verwaltungsvorschrift handelt, die Funktion zu, für die Verteilung der Fördermittel einheitliche Maßstäbe zu setzen und dadurch das Ermessen der Bewilligungsbehörde intern zu binden und zu steuern. Als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften unterliegen derartige Förderrichtlinien auch keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen. Entscheidend ist vielmehr, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind. Durch den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist die Bewilligungsbehörde nämlich in ihrem rechtlichen Verhältnis zum Förderempfänger – abgesehen von den sonstigen gesetzlichen Grenzen des Verwaltungshandelns – gebunden. Wenn sich die Behörde an ihre Förderrichtlinien hält, ist sie daher durch das Gleichbehandlungsgebot verpflichtet, dies auch weiterhin zu tun, sofern nicht sachliche Gründe im Einzelfall eine Abweichung rechtfertigen oder gar gebieten. Weicht sie hingegen generell von den Förderrichtlinien ab, so verlieren diese insoweit ihre ermessensbindende Wirkung; ob das Verwaltungshandeln mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar ist, beurteilt sich dann nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis. Dem Zuwendungsgeber steht es frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese konsequent anzuwenden. Die allein relevante Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder ggf. bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung liegt nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen (BVerwG, U.v. 6.4.2022 – 8 C 9/21 – juris Rn. 10 und 25 f.; BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 6 und 13; OVG NRW, B.v. 9.2.2023 – 4 A 3042/19 – juris Rn. 3 ff.; VG Düsseldorf, U.v. 15.9.2022 – 16 K 5167.21 – juris Rn. 30 m.w.N.).
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Zur Feststellung der tatsächlich ausgeübten Verwaltungspraxis kann dabei neben den Förderrichtlinien ergänzend auf öffentliche Verlautbarungen der Bewilligungsbehörde, der dieser übergeordneten Landesbehörde oder der aufgrund Verwaltungsvereinbarung in die Förderung eingebundenen zuständigen Bundesbehörde zurückgegriffen werden, wenn diese Aufschluss über die tatsächlich geübte Verwaltungspraxis geben (VG Düsseldorf, U.v. 15.9.2022 – 16 K 5167.21 – juris Rn. 32 m.w.N.). Relevant insoweit sind namentlich die gemeinsam vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem Bundesministerium der Finanzen veröffentlichten FAQs. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer möglichst bundeseinheitlichen Verwaltungspraxis ist es legitim und sachgerecht, die Entscheidungspraxis an den FAQs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zu orientieren (VG Magdeburg – U.v. 30.11.2021 – 3 A 61/21MD – juris Rn. 38).
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2. In der Richtlinie bzw. den FAQ finden sich folgende Erwägungen:
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Grundlage für die Förderfähigkeit der baulichen Modernisierungs-, Renovierungs- oder Umbauarbeiten ist Ziff. 3.1 Satz 1 Buchst. n) der Richtlinie. Demnach sind förderfähig:
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„Bauliche Modernisierungs-, Renovierungs- oder Umbaumaßnahmen bis zu 20.000,00 € pro Monat zur Umsetzung von Hygienekonzepten. Förderfähig sind Kosten, die im Zeitraum März 2020 bis Juni 2021 angefallen sind. (…)“
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In Ziff. 2.4 der FAQ wird ausgeführt:
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„Förderfähig sind fortlaufende, im Förderzeitraum November 2020 bis Juni 2021 anfallende vertraglich begründete oder behördlich festgesetzte und nicht einseitig veränderbare betriebliche Fixkosten (…)
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Berücksichtigungsfähig sind ausschließlich solche Verbindlichkeiten, deren vertragliche Fälligkeit im Förderzeitraum liegt (inklusive vertraglich vereinbarte Anzahlungen). Maßgeblich für den Zeitpunkt der vertraglichen Fälligkeit ist ausschließlich der Zeitpunkt, der sich nach der (ersten) Rechnungsstellung ergibt (nicht relevant sind der Zeitpunkt weiterer Zahlungsaufforderungen, der Zeitpunkt der Zahlung oder der Zeitpunkt der Bilanzierung). (…)“
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In Ziff. 2.4 der FAQ wird unter der Position 14 dazu ausgeführt:
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„Förderfähig sind Kosten, die im Zeitraum März 2020 bis Juni 2021 angefallen sind. Das Fehlen einer Schlussrechnung zum Zeitpunkt der Antragstellung steht der Erstattungsfähigkeit der Kosten nicht entgegen; eine reine Beauftragung der baulichen Maßnahmen reicht hingegen nicht aus (mindestens Zwischenrechnungen erforderlich).“
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3. Vorliegend handelt es sich um Vorkassenrechnungen aus dem Förderzeitraum, die im September 2021 – und damit außerhalb des Förderzeitraums – bezahlt wurden. Der Kläger hat hierzu im Verwaltungsverfahren erläutert, dass die Maßnahmen im Mai 2020 beauftragt und ab Mai 2021 durchgeführt wurden und Rechnungen datiert auf den 31. Januar 2021, 28. Februar 2021, 31. März 2021 und den 31. Mai 2021 vorgelegt. Diese seien sofort fällig gewesen, der spätere Zahlungszeitpunkt sei daher irrelevant.
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Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung erläutert, dass es der Verwaltungspraxis entspräche, bei Vorkassenrechnungen aufgrund der Missbrauchsgefahr ausnahmsweise auch eine Zahlung innerhalb des Förderzeitraums zu fordern. Dieses Vorgehen finde zwar keine Grundlage in der Richtlinie bzw. den FAQ zur Überbrückungshilfe III. Die Verwaltungspraxis habe sich im Rahmen der Überbrückungshilfe III aber herausgebildet und sei in den FAQ zur Überbrückungshilfe IV aufgenommen worden.
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Daraus ergibt sich eine Konstellation, in der die FAQ (insbesondere Ziff. 2.4: „Nicht relevant [ist] (…) der Zeitpunkt der Zahlung (…)“) der von der Beklagten vorgebrachten tatsächlichen Verwaltungspraxis (bei Vorkassenrechnungen müsse der Zahlungszeitpunkt innerhalb des Förderzeitraums liegen) ausdrücklich und nicht auslegungsbedürftig entgegenstehen.
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Grundsätzlich kommt es nach dem ausgeführten Prüfungsumfang allein auf die tatsächlich geübte Verwaltungspraxis an. Aus der Sicht des Gerichts findet die Maßgeblichkeit der von der Beklagten vorgebrachten Verwaltungspraxis ihre Grenze jedoch dort, wo diese in Widerspruch zu den Ausführungen der Richtlinie bzw. den FAQ steht. Dies ergibt sich daraus, dass durch die Veröffentlichungen eine gewisse Selbstbindung entsteht. Die Anforderungen an die Darlegung einer abweichenden Verwaltungspraxis steigen mit der Klarheit der (entgegenstehenden) Ausführungen in der Richtlinie bzw. den FAQ an, da diese einen allgemein zugänglichen und bekannten Anhaltspunkt für die tatsächliche Verwaltungspraxis auch aus Sicht der Antragsteller darstellen. Wegen des gegenseitigen Einflusses führt dies dazu, dass sich die maßgebliche tatsächlich geübte Verwaltungspraxis hier nicht eindeutig und verlässlich bestimmen lässt.
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Der Vortrag der Beklagten beschränkte sich darauf, dass sich die Verwaltungspraxis zu Vorkassenrechnungen und dem Erfordernis der Zahlung im Förderzeitraum aufgrund der Missbrauchsgefahr im Zuge der Überbrückungshilfe III herausgebildet habe. Das Gericht sieht diese Darlegung gegenüber dem klaren Wortlaut der FAQ, wonach der Zahlungszeitpunkt keine Relevanz hat, als nicht ausreichend an.
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Dem steht auch nicht entgegen, dass die Beklagte in Ihrer Nachfrage an den Kläger zwar den Zahlungszeitpunkt erfragt, aber den von ihr jetzt geltend gemachten Grund nicht benannt hat. Daraus ergibt sich noch keine einzelfallbezogene oder gar allgemeine Verlautbarung einer Verwaltungspraxis, wonach es bei Vorkassenrechnungen auch auf den Zahlungszeitpunkt ankäme.
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Weitere Anhaltspunkte für eine gegenläufige Verwaltungspraxis, die über den Vortrag der Beklagten zu ihrer Verwaltungspraxis und die Nachfrage zum Zahlungszeitpunkt hinausgehen, sind nicht ersichtlich.
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Dies ergibt sich auch vor dem Hintergrund vertrauensschutzrechtlicher Erwägungen und der Möglichkeit einer gerichtlichen Überprüfung. Sowohl den Antragstellern als auch den Gerichten verbliebe faktisch keine Überprüfungsmöglichkeit der einheitlichen Handhabung der tatsächlichen Verwaltungspraxis, könnte diese sich von den Richtlinien und FAQ uneingeschränkt unter dem bloßen Hinweis auf eine tatsächlich gegenläufige Verwaltungspraxis und ohne nähere Darlegung lösen.
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Demnach hat die Beklagte nicht hinreichend eine ermessensfehlerfreie Entscheidung dargelegt. Sie hat im Rahmen einer Neuverbescheidung ihre Verwaltungspraxis mit Blick auf die Richtlinie und FAQ hinreichend zu ermitteln und darzulegen, dass ihre Abweichung vom Wortlaut durchgängig und entsprechend dem Gleichheitsgrundsatz einheitlich im relevanten Förderzeitraum erfolgte.
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IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
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V. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.