Titel:
Straßenausbaubeitrag, Antrag auf Gewährung von Härteausgleich, Antragsbefugnis, zu Unrecht erfolgte Heranziehung zum Straßenausbaubeitrag, Nießbrauchsberechtigung am beitragspflichtigen Grundstück, Maßgeblichkeit der Stellung als (Grundbuch-)Eigentümer im Zeitpunkt der Antragstellung
Normenketten:
KAG Art. 19a
BGB §§ 1030 ff.
Schlagworte:
Straßenausbaubeitrag, Antrag auf Gewährung von Härteausgleich, Antragsbefugnis, zu Unrecht erfolgte Heranziehung zum Straßenausbaubeitrag, Nießbrauchsberechtigung am beitragspflichtigen Grundstück, Maßgeblichkeit der Stellung als (Grundbuch-)Eigentümer im Zeitpunkt der Antragstellung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 14752
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Kläger waren bis zum 23. Juli 2014 Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten 538 qm großen Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... (Allgäu). Mit notariellem Überlassungsvertrag vom 1. Juli 2014 wurde das Grundstück von den Klägern unter dem Vorbehalt eines unentgeltlichen, alleinigen und ausschließlichen dinglichen Nießbrauchs am Vertragsgrundbesitz schenkweise im Wege der vorweggenommenen Erbfolge auf deren Enkel ... übertragen. Die Pflicht zur Tragung der öffentlich-rechtlichen und privatrechtlichen Lasten im weitesten Sinne (einschließlich Reparaturen) für den mit dem Recht auf Nießbrauch belasteten Grundbesitz wurde nach Nr. III fünfter Absatz der Vertragsbestimmungen auf die Kläger als Nießbrauchsberechtigte übertragen, auch soweit die Grundstückslasten nach den gesetzlichen Bestimmungen vom Eigentümer zu tragen wären. Unter Nr. VII des Vertrags wurde ergänzend vereinbart, dass Erschließungskosten aller Art, die ab der Besitzübergabe durch Bescheide in Rechnung gestellt werden, der Erwerber zu tragen hat, soweit sich aus dem Nießbrauch nichts Gegenteiliges ergibt. Am 23. Juli 2014 wurde der Enkel der Kläger als neuer alleiniger Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... und das Nießbrauchsrecht der Kläger am Anwesen ... in das Grundbuch eingetragen.
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Der Kläger zu 1 und seine Ehefrau wurden mit Bescheid der Stadt ... (Allgäu) vom 24. Juli 2015 wegen der Verbesserung bzw. Erneuerung der Erschließungsanlage „...“ (... zwischen ... Straße und Verkehrskreisel) als „Beitragspflichtige“ in Bezug auf das Grundstück Fl.Nr. ... Gemarkung ... zur Zahlung eines Straßenausbaubeitrags in Höhe von 4.136,15 EUR veranlagt. Die Kläger beglichen die Straßenausbaubeitragsforderung am 27. August 2015 durch Banküberweisung.
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Am 23. August und 27. November 2019 stellten die Kläger unter Beifügung von Unterlagen (Grundbuchauszug u.a.) bei der Regierung von Unterfranken – Härtefallkommission für Straßenausbaubeiträge (im Folgenden: Härtefallkommission) – einen Antrag auf die Gewährung eines Härteausgleichs.
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Der Antrag der Kläger auf Härteausgleich wurde mit Bescheid der Regierung von Unterfranken – Härtefallkommission – vom 21. März 2022 abgelehnt. Zur Begründung wurde sinngemäß dargelegt, dass diese nicht antragsbefugt im Sinn von Art. 19a Abs. 7 KAG seien. Die Kläger seien im Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr Eigentümer oder beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigte des Grundstücks gewesen, auf das die Belastung zurückgehe.
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Am 8. April 2022 ließen die Kläger gegen den Ablehnungsbescheid Klage erheben und beantragen,
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ihnen unter Aufhebung des Bescheids vom 21. März 2022 Härteausgleich nach Art. 19a KAG wegen der mit Bescheid vom 24. Juli 2015 erfolgten Festsetzung von Straßenausbaubeiträgen zu gewähren.
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Zur Begründung ist ausgeführt, dass gegenüber den Klägern von der Stadt ... (Allgäu) ein Straßenausbaubeitrag in Höhe von 4.136,15 EUR festgesetzt worden sei. Der von den Klägern am 23. August bzw. 27. November 2019 bei der Härtefallkommission gestellte Antrag auf Härteausgleich sei mit Bescheid vom 21. März 2022 abgelehnt worden. Dabei sei von der Behörde jedoch nicht beachtet worden, dass die Kläger zwar nicht mehr Eigentümer, aber vollumfänglich dinglich nutzungsberechtigt seien. Diesen sei im notariellen Überlassungsvertrag vom 1. Juli 2014 ein Recht auf Nießbrauch eingeräumt worden. In den Vertragsregelungen sei hierzu bestimmt, dass die Kosten und Lasten des Grundstücks von den Klägern zu tragen seien. Diese seien daher durch den Beitragsbescheid beschwert.
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Der Beklagte wandte sich mit Schreiben der Härtefallkommission vom 22. August 2022 gegen das Klagebegehren. Für ihn ist beantragt,
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Die Kläger hätten weder einen Anspruch auf die begehrte Gewährung eines Härteausgleichs, noch könnten sie verlangen, dass über ihren Antrag unter Aufhebung des angegriffenen Bescheids erneut entschieden werde. Die Kläger seien nicht antragsbefugt im Sinn von Art. 19a Abs. 2 i.V.m. Abs. 9 KAG, da sie zum Zeitpunkt der Antragstellung nicht Eigentümer oder beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigte des relevanten Grundstücks gewesen seien. Das ihnen eingeräumte Nießbrauchsrecht sei kein Recht im Sinn von Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 Alt. 2 KAG. Vielmehr würden davon lediglich Erbbauberechtigte umfasst.
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Dem Gesetzeszusammenhang könne entnommen werden, dass die Formulierung „beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigte“ so zu verstehen sei, dass eine Beitragspflicht nach den Vorgaben des Art. 5 KAG a.F. bei dem dinglich Nutzungsberechtigten bestehen müsse. Bei Fallgestaltungen, in denen die Begleichung von Beitragsforderungen schuldrechtlich von einer anderen Person als dem Eigentümer oder Erbbauberechtigten übernommen worden sei, liege keine eigenständige Beitragspflicht der übernehmenden Person nach dem Kommunalabgabengesetz vor. Hier werde vielmehr die gesetzliche Beitragspflicht im Rahmen einer rein privatrechtlichen Schuldübernahme nach §§ 414 ff. BGB auf eine andere Person übertragen. An dieser Grundkonstellation ändere auch eine notarvertragliche Beurkundung der Übernahme der Beitragsbelastung oder die Festsetzung des Beitrags dem schuldrechtlich Verpflichteten gegenüber nichts. Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung werde verzichtet.
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Für die Kläger wurde mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 24. August 2022 dargelegt, dass der im Notarvertrag vereinbarte Nießbrauch dazu führe, dass es sich bei ihnen um beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigte im Sinne der Härtefallregelungen handle. Diese seien tatsächlich für die Kosten der Beitragserhebung aufgekommen. Es bestehe gerade auch keine rein schuldrechtliche Übernahme der Zahlungsverpflichtung, da es sich um ein dinglich gesichertes Recht auf Nießbrauch handle. Eine Person, die dinglich nutzungsberechtigt sei, erhalte durch einen Eintrag im Grundbuch eine Zusicherung, eine bestimmte Immobilie bewohnen zu dürfen, auch wenn diese Person nicht selbst der Eigentümer sei. Diese Definition treffe auf die Kläger zu, sodass nicht einsehbar sei, dass der Härteausgleich zugunsten der Kläger ausscheiden müsse. Der Straßenausbaubeitrag sei von den Klägern gefordert und von diesen bezahlt worden. Mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung bestehe ebenfalls Einverständnis.
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Mit Schreiben der Härtefallkommission vom 26. September 2022 wurde abschließend Stellung genommen und dargelegt, dass die gesetzliche Regelung in Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG i.V.m. Art. 5 Abs. 6 Satz 1 KAG a.F. gerade auf Eigentümer oder beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigte abstelle. Der Nießbrauch sei zwar ein umfassendes Nutzungsrecht am Eigentum gemäß § 1030 BGB, allerdings fehle es bei der Klagepartei an der persönlichen Beitragspflicht nach dem Kommunalabgabengesetz. Es handle sich um eine Fallgestaltung, bei der die Begleichung der Beitragsforderung schuldrechtlich von der Klagepartei übernommen worden sei. Eine eigenständige Beitragsverpflichtung nach dem Kommunalabgabengesetz bestehe jedoch für die Kläger gerade nicht.
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Im Übrigen trage der Inhaber des Nießbrauchrechts nach den gesetzlichen Bestimmungen auch im Innenverhältnis gegenüber dem Eigentümer nur die gewöhnlichen Lasten und Kosten, wie etwa Grundsteuern und Hypothekenzinsen (§ 1047, § 1041 BGB). Für außerordentliche Lasten sowie außergewöhnliche Instandhaltungsmaßnahmen ebenso wie Erschließungs- oder Straßenausbaubeiträge habe hingegen der Eigentümer selbst aufzukommen. Die gesetzlichen Verpflichtungen im Außenverhältnis blieben ohnehin durch die Regelungen in §§ 1030 ff. BGB unberührt. Ob die Klagepartei für die Kosten tatsächlich aufgrund einer abweichenden vertraglichen Vereinbarung im Innenverhältnis aufzukommen hatte, sei für die Gewährung des Härteausgleichs rechtlich nicht von Bedeutung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorliegenden Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage konnte aufgrund des Einverständnisses der Parteien hiermit ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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Die Kläger haben mangels Antragsbefugnis keinen Anspruch auf die Gewährung des begehrten Härteausgleichs oder auf die Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Verbescheidung ihres entsprechenden Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid der Regierung von Unterfranken – Härtefallkommission – vom 21. März 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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Mit dem Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Freistaats Bayern für die Haushaltsjahre 2019 und 2020 vom 24. Mai 2019 (Haushaltsgesetz 2019/2020 – GVBl S. 266/278) ist durch Art. 19a KAG eine Härtefallregelung als freiwillige Leistung des Freistaats Bayern für eine Übergangszeit geschaffen worden. Zum anteiligen Ausgleich besonderer Härten durch Straßenausbaubeiträge, die im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017 erhoben wurden, hat der Freistaat Bayern den mit einem Kapital von 50 Mio. EUR ausgestatteten Härtefallfonds errichtet (Art. 19a Abs. 1 KAG, vgl. hierzu allgemein Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Februar 2023, Rn. 2210; Bauer, Der Härteausgleich Straßenausbaubeitrag, KommP BY 2019, 290).
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Art.19a Abs. 8 KAG stellt klar, dass es sich bei der Gewährung eines Härteausgleichs um eine freiwillige staatliche Leistung handelt, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Gestützt auf Art. 19a Abs. 11 KAG hat das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration am 1. Juli 2019 in Kraft getretene Bestimmungen zu Kommission, Geschäftsstelle und das Antragsverfahren im Verordnungswege erlassen (Verordnung zum Härteausgleich Straßenausbaubeitrag – BayHärteV – vom 5.6.2019, GVBl S. 327). Über die Leistungen aus dem Härtefallfonds wird auf Antrag durch eine fachlich unabhängige und an Weisungen nicht gebundene Kommission (Härtefallkommission für Straßenausbaubeiträge) durch Verwaltungsakt entscheiden (Art. 19a Abs. 2 KAG). Für die Kommission wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die bei der Regierung von Unterfranken angesiedelt ist. Aufgabe der Geschäftsstelle ist es, die Zulässigkeit der bei ihr zu stellenden Anträge zu prüfen, die Sitzungen der Kommission vorzubereiten und den Sachverhalt zu ermitteln (§ 2 BayHärteV).
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Art. 19a Abs. 5 und 7 KAG regeln die Voraussetzungen für den Antrag auf Härteausgleich. Nur wenn diese erfüllt sind, ist der Antrag zulässig. Anträge auf Härteausgleich konnten wirksam nur im Zeitraum vom 1. Juli 2019 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 bei der Geschäftsstelle der Kommission unter Verwendung des zur Verfügung gestellten Antragsformulars oder unter Nutzung des entsprechenden elektronischen Antragsverfahrens gestellt werden (§ 3 BayHärteV). War der Bescheid oder die Vereinbarung, durch die eine Zahlungsverpflichtung in Bezug auf die Kosten einer Straßenausbaumaßnahme entstanden ist, an mehrere Personen gemeinschaftlich gerichtet, waren die Adressaten bzw. die Vertragsparteien nach Art. 19a Abs. 5 Satz 2 KAG verpflichtet, den Antrag auf Härteausgleich gemeinschaftlich zu stellen. Antragsbefugt war u.a. gemäß Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG nur, gegen wen nach den Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes durch Bescheid, Vergleich oder Vereinbarung im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 Straßenausbaubeiträge, entsprechende Vorauszahlungen oder eine entsprechende Ablöse in Höhe von mindestens 2.000 EUR festgesetzt wurden, soweit die Beiträge nicht erlassen oder anderweitig erstattet worden sind. Daraus folgt, dass für alle Beitragspflichtigen eine einheitliche Eigenbelastung von 2.000 EUR als zumutbar erachtet worden war. Lag der festgesetzte Beitrag unter 2.000 EUR, fehlte es an der Antragsbefugnis, lag er darüber, waren 2.000 EUR als selbst zu tragende Belastung abzuziehen (Art. 19a Abs. 9 Satz 3 KAG). Antragsbefugt war nach Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG ferner nur, wer bei Antragstellung Eigentümer oder beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigter des Grundstücks war, auf das die Belastung zurückgeht. Als drittes, für die Antragsbefugnis zwingend notwendiges Kriterium legt Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 3 KAG fest, dass der Antragsteller im Jahr der Festsetzung der Belastung über ein zu versteuerndes Einkommen von nicht mehr als 100.000 EUR, bei Zusammenveranlagung von Ehegatten oder Lebenspartnern von nicht mehr als 200.000 EUR verfügte.
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Den Kläger fehlt zwar nicht die in Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG normierte Voraussetzung für die Antragsbefugnis, obwohl das Eigentum an dem Grundstück Fl.Nr. ... bereits vor der Bekanntgabe des Beitragsbescheids auf deren Enkel übergegangen war. Im Hinblick auf den Wortlaut von Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG spielt es keine Rolle, dass die Stadt ... (Allgäu) hier zu Unrecht angenommen hat, dass die Kläger persönlich Beitragsverpflichtete sind. Für diese Teilvoraussetzung der Antragsbefugnis kommt es ausschließlich darauf an, dass der Antragsteller Adressat eines die Beitragsbelastung begründenden Bescheids oder einer Ablösungsvereinbarung war. Nicht Voraussetzung ist es, dass der Adressat des Beitragsbescheids von der Behörde zu Recht als persönlich Beitragspflichtiger im Sinn von Art. 5 Abs. 6 Satz 1 KAG a.F. bzw. § 4 StABS angesehen wurde. Aufgrund der Übertragung des Eigentums auf den Enkel der Kläger und dessen Eintragung als Eigentümer im Grundbuch am 23. Juli 2014 waren sie zum Zeitpunkt des Erlasses des Straßenausbaubeitragsbescheids am 24. Juli 2015 bereits nicht mehr Grundstückseigentümer und hätten, da sie auch keine Erbbauberechtigung innehatten, nicht als persönlich Beitragspflichtige in Anspruch genommen werden dürfen (vgl. Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Februar 2023, Rn. 1201c; Heinze in Staudinger, BGB, Stand 2021, § 1047 Rn. 11 m.w.N.).
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Allerdings erfüllen die Kläger nicht den gemäß Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG für die Bewilligung eines Härteausgleichs notwendigen Teil der Antragsbefugnis, da sie bei Antragstellung am 23. August bzw. 27. November 2019 nicht – wie in dieser Vorschrift verlangt – Eigentümer oder beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigte des Grundstücks waren, auf das die Belastung durch die Festsetzung eines Straßenausbaubeitrags zurückgeht.
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Eigentümer des Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... (Allgäu), für das mit Bescheid der Stadt ... (Allgäu) vom 24. Juli 2015 ein Straßenausbaubeitrag in Höhe von 4.136,15 EUR festgesetzt wurde, war mit der Eintragung in das Grundbuch seit 23. Juli 2014 der Enkel der Kläger. Maßgeblich für die Stellung als zivilrechtlicher (Voll-)Eigentümer eines Grundstücks ist nach § 873, § 892 BGB allein die Eintragung in das Grundbuch (BayVGH, B.v. 17.10.2000 – 23 ZS 00.2435 – BayVBl 2001, 568; VG Neustadt a.d. Weinstraße, U.v. 6.8.2015 – 4 K 159/15.W – juris Rn. 21; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 11. Aufl. 2022, § 24 Rn. 3).
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Die Kläger waren in Bezug auf das streitgegenständliche Grundstück Fl.Nr. ... auch nicht beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigte im Sinn des Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 Alt. 2 KAG. Weder daraus, dass den Klägern vom Erwerber ein dingliches Nutzungs- bzw. Nießbrauchsrecht nach §§ 1030 ff. BGB in Bezug auf den Grundbesitz eingeräumt wurde und dieses Recht im Grundbuch eingetragen ist, noch aus dem Umstand, dass sich die Kläger im notariellen Überlassungsvertrag vom 1. Juli 2014 vertraglich verpflichtet haben, die Grundstückslasten zu tragen und von ihnen die Beitragsschuld durch Banküberweisung am 27. August 2015 beglichen wurde (Bl. 11 der Gerichtsakte), kann rechtlich die in Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG verlangte Stellung als Eigentümer oder beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigte (Erbbauberechtigte) des Grundstücks, auf das die Belastung zurückgeht, abgeleitet werden, da der insoweit eindeutige Wortlaut des Gesetzes eine erweiternde Auslegung dahingehend, dass auch derjenige antragsbefugt sein soll, der die Beitragsbelastung – aus welchen Gründen auch immer – übernommen und wirtschaftlich getragen hat, ohne hierzu gemäß Art. 5 Abs. 6 Satz 1 KAG a.F. gesetzlich verpflichtet gewesen zu sein, nicht zulässt (s. hierzu auch die Gesetzesmaterialien in LT-Drs.18/1552 S. 4 vorletzter Absatz).
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Dieses Ergebnis wird auch gestützt durch die Systematik des Gesetzes. Nach der abschließenden Regelung des Art. 5 Abs. 6 Satz 1 KAG ist beitragspflichtig, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld Eigentümer des Grundstücks oder Erbbauberechtigter ist. Die Gesetzessystematik gebietet zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsordnung auf dem Gebiet des Kommunalabgabenrechts und der darauf Bezug nehmenden Rechtsvorschriften eine einheitliche und enge Handhabung des Begriffs der subjektiven Beitragspflichtigkeit in allen Vorschriften, somit sowohl in Art. 5 KAG als auch in Art. 19a KAG gleichermaßen. Für eine enge Auslegung des in Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 Alt. 2 KAG verwendeten Begriffs des „beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigten“ spricht ferner im Bereich des Erschließungsbeitragsrechts die Vorschrift des Art. 5a Abs. 2 KAG i.V.m. § 134 Abs. 1 BauGB. Diese Bestimmung geht davon aus, dass nur Grundstückseigentümer und Erbbauberechtigte sowie die Inhaber eines dinglichen Nutzungsrechts an volkseigenen Grundstücken gemäß den §§ 287 bis 294 des Zivilgesetzbuches der DDR vom 19. Juli 1975 persönlich beitragspflichtig sein können. Andere Rechteinhaber kommen auch nach dem Wortlaut dieser erschließungsbeitragsrechtlichen Bestimmung als Beitragsschuldner nicht in Betracht (vgl. Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Februar 2023, Rn. 1201c; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 11. Aufl. 2022, § 24 Rn. 7). Somit werden – um das Auseinanderfallen von Beitragspflicht und Härteausgleichsberechtigung zu vermeiden – Inhaber von Nießbrauchs- oder Wohnrechten gerade nicht vom Anwendungsbereich des Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG erfasst. Auch § 4 der mit Wirkung vom 30. Oktober 1999 (rückwirkend) in Kraft getretenen Satzung über die Erhebung eines Straßenausbaubeitrags der Stadt ... (Allgäu) vom 19. Oktober 2004 (Straßenausbaubeitragssatzung – StABS), der die Beitragsschuldnereigenschaft in Bezug auf den durch Bescheid vom 24. Juli 2015 festgesetzten Straßenausbaubeitrag explizit regelt, sieht als beitragspflichtig nur an, wer im Zeitpunkt des Entstehens der Beitragspflicht Eigentümer oder Erbbauberechtigter war (s. hierzu HessVGH, B.v. 18.4.2012 – 5 C 2625/10.N – juris Rn. 23 ff.; VG Augsburg, U.v. 9.2.2023 – Au 2 K 22.892 – BeckRS 2023, 7870 Rn. 26).
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Dem unter gesetzessystematischen Gesichtspunkten notwendigen Abstellen auf die Regelungen zur Bestimmung der persönlichen Beitragspflicht steht letztlich auch nicht der Umstand entgegen, dass die Kläger – entsprechend den im Notarvertrag vom 1. Juli 2014 vereinbarten Regelungen zur Übernahme der Lasten für das Grundstück Fl.Nr. ... – den Straßenausbeitrag wirtschaftlich getragen haben. Diese schuldrechtliche Vereinbarung vermag den Klägern die Stellung als beitragsrechtlich dinglich Nutzungsberechtigte nicht zu vermitteln, sondern regelt intern zwischen dem Erwerber und den das Eigentumsrecht an dem Grundstück übertragenden Klägern die Übernahme der Grundstückslasten ab dem Zeitpunkt der Einräumung des Rechts auf Nießbrauch. Weder die gesetzlichen Regelungen in Art. 5 Abs. 6 Satz 1 KAG a.F. bzw. Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG, noch die satzungsrechtliche Bestimmung der subjektiven Beitragspflicht in § 4 StABS können damit abbedungen werden. Geht das Eigentum an dem Grundstück, auf das die Belastung zurückgeht, nach Erlass des Beitragsbescheids bis zum Zeitpunkt des Stellens des Antrags auf Härteausgleich auf einen Dritten über, ergibt sich aus Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG, dass damit die Befugnis, einen Antrag auf Härteausgleich stellen zu können, verloren geht, gleichgültig ob der Eigentumsübergang entgeltlich, unentgeltlich oder unter sonstigen Bedingungen erfolgt ist (vgl. VG Augsburg, U.v. 9.2.2023 – Au 2 K 22.892 – juris Rn. 31).
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Der Gesetzgeber ist bei der Schaffung der Regelungen zum Härteausgleich ersichtlich davon ausgegangen, dass eine Antragsbefugnis im Sinne des Art. 19a Abs. 7 Satz 4 KAG bestehen muss, bevor das Vorliegen einer durch die Erhebung des Straßenausbaubeitrags verursachten besonderen Härte im Sinn von Art. 19a Abs. 9 Satz 1 und Satz 2 KAG geprüft werden kann. Der Antrag der Kläger auf Gewährung von Leistungen aus dem Härtefallfonds war damit mangels Antragsbefugnis durch den Beklagten inhaltlich nicht weiter zu prüfen (vgl. auch LT-Drs. 18/1552, S. 4). Der Ablehnungsbescheid der Härtefallkommission vom 21. März 2022 steht daher im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen und erweist sich als rechtmäßig.
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Da die Kläger bereits keine – für die Eröffnung der inhaltlichen Prüfung erforderliche – Antragsbefugnis besitzen, kann auch der der Härtefallkommission in Art. 19a Abs. 9 Satz 2 KAG vom Gesetzgeber eingeräumte Beurteilungsspielraum bei der inhaltlichen Prüfung des Vorliegens einer ausgleichsfähigen Härte keine Bedeutung zukommen. Der nur in diesem Entscheidungsstadium bestehende Beurteilungsspielraum, der es nach der Gesetzesbegründung der Härtefallkommission ermöglichen soll, „bei der Einzelfallbetrachtung auch weitere Umstände des individuellen Falls in die Gesamtschau einzubeziehen“ (LT-Drs 18/1552 S. 5), besteht aber nach den gesetzlichen Regelungen hierzu bei der Beurteilung der Antragsbefugnis im Sinn von Art. 19a Abs. 7 Satz 4 KAG gerade nicht und lässt sich auch im Wege der Auslegung abweichend vom Wortlaut und der im Aufbau des Art. 19a KAG schlüssig zum Ausdruck kommenden Systematik nicht hierauf übertragen.
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Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des in Art. 19a KAG normierten Härteausgleichs Straßenausbaubeitrag bestehen nicht (s. hierzu auch Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Februar 2023, Rn. 2210 m.w.N.). Der Gesetzgeber durfte ein legitimes Ziel für die Schaffung des Härtefallfonds als gegeben annehmen. Mit ihm sollen individuell nicht zumutbare finanzielle Belastungen, die auf Grund der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zum 1. Januar 2018 in dem Zeitraum 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2017 entstanden sind und über die als Eigenbelastung zu tragende Grenze von 2.000 EUR hinausgehen, kompensiert werden. Die stichtagsgebundene Abschaffung des Straßenausbaubeitrags hat zur Folge, dass bei Beitragspflichtigen, denen gegenüber vor dem Stichtag eine Beitragsfestsetzung erfolgt ist, weiterhin ein Beitrag zum Ausgleich für den ihnen durch den Straßenausbau geschaffenen Vorteil erhoben werden kann, wohingegen Grundstückseigentümer, denen ein Beitragsbescheid nicht mehr vor dem Stichtag bekanntgegeben wurde, nicht mehr finanziell belastet werden. Es ist dem Gesetzgeber durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte einen Stichtag einzuführen. Das Gleichbehandlungsprinzip gebietet wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, wesentlichen Unterschieden hingegen normativ Rechnung zu tragen. Er stellt es dem Normgeber frei, Differenzierungsmerkmale auszuwählen. In diesem Rahmen lässt es der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum zu, mit unvermeidlichen Härten verbundene Stichtagsregelungen einzuführen, wenn dies – wie hier – als sachlich vertretbar angesehen werden kann (zur Zulässigkeit von Stichtagsregelungen vgl. z.B. BVerfG, U.v. 23.11.1999 – 1 BvF 1/94 – NJW 2000, 413; B.v. 12.5.2009 – 2 BvL 1/00 – juris Rn. 44; BVerwG, B.v. 10.4.2017 – 2 B 37.16 – juris Rn. 14).
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 159 Satz 2 VwGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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Gründe, die Berufung zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 bzw. Nr. 3, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).