Titel:
Erfolgloser Eilantrag gegen die Ablehnung von auf die Vorlage von Unterlagen gerichteten Beweisanträgen in einem Untersuchungsausschuss
Normenketten:
BV Art. 25 Abs. 4
VfGHG Art. 26 Abs. 1, Art. 49 Abs. 2 S. 2
Leitsätze:
1. Mangels ausreichender Darlegung unzulässiger Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wegen der Ablehnung von auf die Vorlage von Unterlagen gerichteten Beweisanträgen in einem Untersuchungsausschuss. (Rn. 44)
2. Zum Nachweis der Verfahrensbevollmächtigung im Organstreitverfahren (Art. 49 Abs. 2 Satz 2 VfGHG). (Rn. 34 – 36)
1. Es führt im Organstreitverfahren nicht zwingend zur Unwirksamkeit der Antragstellung, wenn der Nachweis der Bevollmächtigung erst nachträglich vorgelegt oder die Vollmachtserteilung auf andere Weise als durch eine entsprechende Urkunde nachgewiesen wird. (Rn. 34 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird die verbindliche Feststellung eines Verstoßes gegen verfassungsmäßige Rechte schon im Eilverfahren begehrt muss substanziiert dargelegt werden, dass der damit verbundene Eingriff in die Autonomie eines anderen Verfassungsorgans nicht nur unabdingbar ist, um die Entstehung vollendeter Tatsachen bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu vermeiden, sondern auch, um das Eintreten eines schweren Nachteils hinsichtlich der organschaftlichen Rechte des Antragstellers zu verhindern (Fortführung von BeckRS 2022, 6938). (Rn. 39) (redaktioneller Leitsatz)
3. Das berechtigte Interesse am Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen die Ablehnung von Beweisanträgen in einem Untersuchungsausschuss kann nicht mit dem Argument in Frage gestellt werden, dass in der nächsten Legislaturperiode erneut ein Untersuchungsausschuss zu dem gleichen Thema eingesetzt werden könnte, um die Sachaufklärung fortzuführen (Aufgabe von BeckRS 1994, 22396). (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Organstreitverfahren, Untersuchungsausschuss, Ausschussminderheit, Beweisantrag, Verfahrensbevollmächtigung, Nachweis, einstweilige Anordnung, Darlegungsanforderungen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 14596
Tenor
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgewiesen.
Entscheidungsgründe
1
1. Die Antragsteller wenden sich im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gegen zwei Beschlüsse des Antragsgegners, mit denen in einem Untersuchungsausschuss gestellte Beweisanträge abgelehnt wurden.
2
a) Der Bayerische Landtag setzte im Zusammenhang mit der Errichtung einer Zweigstelle des Deutschen Museums (DM) in Nürnberg mit Beschluss vom 14. Dezember 2022 (LT-Drs. 18/25774) gemäß Art. 25 BV einen Untersuchungsausschuss ein (im Folgenden: Untersuchungsausschuss „Zukunftsmuseum“). Der Einsetzungsbeschluss legte dabei folgenden Untersuchungsauftrag fest (LT-Drs. 18/25774 S. 1 f.):
Untersuchung eines möglichen Fehlverhaltens der beteiligten Staatsbehörden, Staatsbetriebe und öffentlichen Einrichtungen des Freistaates Bayern, der beteiligten Staatsministerien, von Abgeordneten, Staatsbediensteten und politischen Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern im Zusammenhang mit der Errichtung einer Zweigstelle des Deutschen Museums (DM) in Nürnberg mit den Vertragspartnern des DM von Meisterwerken der Naturwissenschaft und Technik A. d. ö. R. und der Alpha Grundbesitz GmbH & Co. KG, dabei insbesondere:
- bei der Planung, Konzeptionierung, Budgetierung und Entscheidungsfindung zu dem Projekt,
- beim Standortauswahlprozess und bei der Ausgestaltung der Objekt- und Vertragsdetails,
- bei der Finanzierungsvereinbarung mit der Zusage der Mietkostenübernahme, der Gewährung von Fördermitteln und der Vergabe der Planungs- und Bauleistungen,
- sowie bei der Finanzierung und beim Haushaltsvollzug des Projekts.
Untersucht werden sollen ferner die daraus sich gegebenenfalls ergebenden politischen und rechtlichen Konsequenzen. Hierzu zählen gegebenenfalls: das Verfahren bei der Realisierung vergleichbarer Projekte, der Umgang der Staatsregierung gegenüber dem Landtag mit solchen Vorgängen, die Gewährleistung der Vorgabe sachgemäßer Nebenbestimmungen bei der Gewährung von Fördermitteln, die Wahrnehmung der Aufsichtsfunktion gegenüber dem DM sowie wirtschaftlicher und sparsamer Umgang mit öffentlichen Geldern.
Zu prüfen sind hierbei Planung und Umsetzung des Projekts, vergabe- und zuwendungsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Realisierung des Projekts, das Standortauswahlverfahren, die Anforderungen an das Objekt, die Inhalte des Mietvertrags, die Mietpreisgarantie, die Vergabe von Fördermitteln, und damit einhergehende Informationspflichten an den Landtag.
Zu klären ist, welche fördermittelrechtlichen Anforderungen an das DM als Mieter gestellt worden sind.
Zu klären ist weiterhin, ob der Abschluss zweier Vereinbarungen zur Errichtung und zum dauerhaften Betrieb der Zweigstelle Nürnberg des DM vom 29.06.2016 und 02.06.2017, welche für den Abschluss des Mietvertrages zwischen dem DM und dem Vermieter Voraussetzungen waren, mit oder ohne ausreichende haushaltsrechtliche Grundlage und Beschlüsse des Landtages erfolgte.
Zu klären ist daher, ob bzw. welchen Einfluss Mitglieder der Staatsregierung oder Vertreter des DM auf die Standortauswahl und damit die Person des Vermieters des DM Nürnberg genommen haben und gegebenenfalls aus welchen Gründen.
Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich vom 01.11.2013 bis zum 15.12.2022, sofern nicht einzelne Fragen bezüglich anderer Zeiträume explizit ausgenommen wurden.
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Der Untersuchungsauftrag wurde durch die Beifügung von zehn Fragenkomplexen mit einer Vielzahl von Einzelfragen weiter präzisiert (LT-Drs. 18/25774 S. 2 bis 12).
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Dem Ausschuss gehören elf Abgeordnete an, von denen die Fraktion der CSU fünf Mitglieder, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zwei Mitglieder – die Antragstellerinnen zu 56 und 65 –, die Fraktion FREIE WÄHLER ein Mitglied, die Fraktion der AfD ein Mitglied, die Fraktion der SPD ein Mitglied – den Antragsteller zu 8 – und die Fraktion der FDP ein Mitglied – den Antragsteller zu 27 – stellen.
Ebenso wie die genannten Antragsteller zu 8, 27, 56 und 65 sind auch alle übrigen Antragsteller Angehörige der parlamentarischen Minderheit im Bayerischen Landtag, die die Einrichtung des Untersuchungsausschusses verlangt hat.
5
b) In der dritten Sitzung des Untersuchungsausschusses am 27. Februar 2023 lehnte der Untersuchungsausschuss mit der Stimmenmehrheit der zur Fraktion der CSU und zur Fraktion FREIE WÄHLER gehörenden Mitglieder die Beweisanträge Nr. 9 und Nr. 11 als unzulässig ab (Protokoll Untersuchungsausschuss „Zukunftsmuseum“ vom 27.2.2023, S. 56, 64).
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Der interfraktionelle Beweisantrag Nr. 9 der Fraktion der FDP, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Fraktion der AfD und der Fraktion der SPD hatte (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
I. Der Untersuchungsausschuss fordert die Staatsregierung zur Vorlage der vorhandenen Unterlagen zu Schriftlichen Anfragen, Anfragen zum Plenum und unmittelbaren Auskunftsverlangen der Mitglieder des Landtags im Zusammenhang mit dem Untersuchungsauftrag auf.
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Der interfraktionelle Beweisantrag Nr. 11 der Fraktion der FDP, der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der Fraktion der SPD hatte (auszugsweise) folgenden Wortlaut:
I. Es wird die vorhandene Korrespondenz der Staatsregierung im Zusammenhang mit Anfragen und Prüfungsergebnissen des Bayerischen Obersten Rechnungshofs zu dessen Prüfung des Deutschen Museums Nürnberg beigezogen. Die Unterlagen werden zu den Akten des Untersuchungsausschusses genommen.
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Als Grund für die Ablehnung wurde von den Vertretern der Ausschussmehrheit in erster Linie der verfassungsrechtlich geschützte Kernbereich der Willensbildung der Staatsregierung genannt; dazu gehöre auch die Beantwortung parlamentarischer Anfragen sowie die Korrespondenz im Zusammenhang mit Anfragen und Prüfungsergebnissen des Obersten Rechnungshofs. Weiter wurde auf die Bindung an den Untersuchungsauftrag verwiesen, der den Umgang der Staatsregierung mit parlamentarischen Anfragen nicht umfasse. Wenn Unterlagen „ins Blaue hinein“ angefordert würden, handle es sich um einen Ausforschungsbeweis (Protokoll Untersuchungsausschuss „Zukunftsmuseum“ vom 27.2.2023, S. 18 f., 24, 51, 53, 63).
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c) Die von der Mehrheit der Mitglieder des Untersuchungsausschusses abgelehnten Beweisanträge wurden gemäß Art. 12 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse des Bayerischen Landtags der Vollversammlung des Landtags zur Entscheidung vorgelegt. In seiner Sitzung vom 7. März 2023 lehnte der Landtag beide Beweisanträge mit den Stimmen der Fraktion der CSU und der Fraktion FREIE WÄHLER ab (Plenarprotokoll 18/138 S. 19217, 19225).
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In der vorangehenden Plenardebatte wurde die Ablehnung des Beweisantrags Nr. 9 damit begründet, dass dieser nicht vom Umfang des Einsetzungsbeschlusses umfasst sei. Untersuchungsgegenstand sei die Errichtung des Zukunftsmuseums, nicht die Beantwortung parlamentarischer Anfragen und auch nicht ein mögliches Fehlverhalten bei der Beantwortung dieser Anfragen. Zudem handle es sich um einen unzulässigen Ausforschungsantrag „ins Blaue hinein“. Dem Antrag stehe auch entgegen, dass er den Kernbereich der Exekutive betreffe; dieses Recht der Staatsregierung dürfe der Untersuchungsausschuss nicht verletzen. Mit dem Beweisantrag Nr. 11 werde ebenfalls in den nicht ausforschbaren Bereich der Initiativ-, Beratungs- und Handlungsrechte der Staatsregierung eingegriffen. Ein Untersuchungsausschuss dürfe sich nur mit abgeschlossenen Verwaltungsvorgängen befassen; von Seiten des Obersten Rechnungshofs liege aber erst ein Zwischenbericht vor. Es gebe insgesamt keine Hinweise, dass irgendwelche Akten fehlten (Plenarprotokoll 18/138, S. 19199 ff., 19210 f., 19215).
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2. Gegen die Ablehnung der Beweisanträge wenden sich die Antragsteller im Wege des Organstreitverfahrens mit einem beim Bayerischen Verfassungsgerichtshof am 17. April 2023 eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (neben einem am gleichen Tag eingegangenen Hauptsacheantrag).
festzustellen, dass die Beschlüsse des Antragsgegners vom 7. März 2023, mit denen er die Beweisanträge Nummer 9 und Nummer 11 abgelehnt hat, die Antragsteller in ihren Rechten aus Art. 25 Abs. 4 Bayerische Verfassung verletzt haben;
hilfsweise: den Antragsgegner zu verpflichten, in seiner nächsten Plenums-Sitzung erneut über die Beweisanträge Nummer 9 und Nummer 11 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Verfassungsgerichtshofs zu entscheiden.
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Der Hauptantrag entspricht inhaltlich dem im Hauptsacheverfahren gestellten Antrag.
13
Die besondere Eilbedürftigkeit ergebe sich daraus, dass angesichts des bevorstehenden Endes der Legislaturperiode die letzte Sitzung des Untersuchungsausschusses am 27. Juli 2023 möglich sei. Ohne die beantragte einstweilige Anordnung fehlten dem Untersuchungsausschuss die beiden von den Beweisanträgen erfassten, für die Ausschusswie auch für die Plenumsminderheit zur Erfüllung des Untersuchungsauftrags unverzichtbaren Akten der Staatsregierung. Damit drohe ein schwerer Nachteil. Ergehe die einstweilige Anordnung nicht, werde das der Ausschussminderheit zustehende Beweiserhebungsrecht endgültig vereitelt, da der Untersuchungsausschuss Ende Juli 2023 seine Tätigkeit beende und das Untersuchungsverfahren seinen Abschluss finde. Die Antragsteller könnten nicht auf einen neuen Untersuchungsausschuss in der neuen Legislaturperiode verwiesen werden. Ohne effektiven verfassungsgerichtlichen Rechtschutz laufe das verfassungsrechtliche Beweiserzwingungsrecht der Minderheit ins Leere.
14
Der Erlass einer einstweiligen Anordnung sei geboten, weil der Antrag zur Hauptsache offensichtlich zulässig und begründet sei. Die Ablehnung des Beweisantrags verletze das Minderheitsrecht auf Beweiserzwingung aus Art. 25 Abs. 4 BV.
Die von der Mehrheit angeführten Begründungen seien offensichtlich nicht tragfähig; ein Nachschieben von Ablehnungsgründen komme nicht in Betracht.
15
Die im Beweisantrag Nr. 9 genannten Unterlagen seien vom Untersuchungsauftrag umfasst. Dieser betreffe u. a. ein mögliches Fehlverhalten von Staatsbehörden, Staatsministerien und politischen Entscheidungsträgern unter den Gesichtspunkten „Zuständigkeit, Rolle und Verhalten“ bei der „Realisierung und Finanzierung“ des Deutschen Museums Nürnberg. Eine Grundlage für die verlangte Beurteilung könnten auch die Unterlagen aus den „Vorarbeiten“ zu den Antworten auf parlamentarische Anfragen bieten. Entgegen der Ansicht der Regierungsfraktionen sei nach dem funktionellen Aktenbegriff die Vorlage von Papieren, Entwürfen, Skizzen und Ähnlichem vom Untersuchungsauftrag umfasst. Gerade Entwürfe und „Vorläuferschriftstücke“ zeigten häufig die Genese der später abgegebenen Erklärung. Dem Untersuchungsausschuss sei es daher nicht verwehrt, die Entstehung von Antworten auf parlamentarische Anfragen zu betrachten.
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Es sei kein unzulässiger Ausforschungsbeweis beantragt worden. Bei Ersuchen auf Aktenvorlage müsse nicht bereits feststehen, dass die Unterlagen tatsächlich entscheidungserhebliches Material oder entsprechende Beweismittel enthielten. Es reiche aus, wenn sie Hinweise hierauf geben könnten. Die Beweiserhebung eines Untersuchungsausschusses müsse – anders als im Strafverfahren – nicht auf bestimmte Tatsachen bezogen sein, sondern könne darauf abzielen, „Licht ins Dunkel“ eines Untersuchungskomplexes zu bringen. Es reiche aus, wenn das Beweisziel erkennbar und die beantragten Beweismittel abgrenzbar seien. Dem entspreche der Beweisantrag Nr. 9, an dessen Bestimmtheit keine Zweifel bestünden. Anhand der Unterlagen solle sich der Untersuchungsausschuss ein Bild der Entscheidungserheblichkeit machen. Die im Gewahrsam der Staatsregierung befindlichen Unterlagen zu parlamentarischen Anfragen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand seien eindeutig abgrenzbar und bestimmt.
17
Der Hinweis der Regierungsfraktionen auf den Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung verkenne, dass nur die Staatsregierung diesen Ablehnungsgrund geltend machen könne, was bislang nicht geschehen sei. Der Ausschuss oder das Plenum dürfe diese gubernative Prärogative nicht an sich ziehen und vorweg ausüben. Mache die Regierung geltend, dass ihr Recht betroffen sei, so bestehe eine Begründungs- und gegebenenfalls Erörterungspflicht. Aus der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ergebe sich im Übrigen nicht, dass die bei der Regierung vorhandenen Unterlagen zu parlamentarischen Auskunftsverlangen dem Kernbereichsschutz unterfielen.
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Zum Beweisantrag Nr. 11 fehle ebenfalls eine tragfähige Ablehnungsbegründung. Auch insoweit könne sich nur die Regierung selbst auf den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung berufen. Soweit vorgebracht werde, die Prüfung durch den Rechnungshof sei noch nicht abgeschlossen, gehe es nur um einen Teilaspekt dieses Kernbereichs, weshalb er nicht von Ausschuss oder Plenum geltend gemacht werden könne. Im Übrigen ziele der Beweisantrag nicht darauf, in ein laufendes Prüfungsverfahren einzugreifen, sondern auf die Heranziehung zusätzlicher Beweismittel, wie dies auch bei der Beiziehung von Gerichtsakten durch Untersuchungsausschüsse der Fall sei. Es werde nicht der Rechnungshof zur Aktenvorlage aufgefordert, sondern die Staatsregierung zur Vorlage der ihr vorliegenden Korrespondenz.
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3. Der Antragsgegner beantragt, den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzuweisen.
20
Der Antrag sei unzulässig. Es fehle an einer ordnungsgemäßen Bevollmächtigung. Die vorgelegte Vollmacht wahre nicht die notwendige Schriftform, da es an einem hinreichenden inhaltlichen oder formalen Bezug sowohl zwischen dem vorgelegten Bevollmächtigungstext und den Listen mit den Unterschriften der Antragsteller als auch zwischen den einzelnen Unterschriftenlisten untereinander fehle. Der Nachweis einer Bevollmächtigung müsse aber bei der Antragstellung vorgelegt werden und sei nicht nachholbar. Dem Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung stehe zudem das Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache entgegen.
Insoweit liege keine Sonderkonstellation vor, da die Antragsteller die Verkürzung der Zeitspanne für die Hauptsacheentscheidung selbst zu verantworten hätten.
21
Der Antrag sei auch unbegründet.
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Ein Anordnungsgrund liege nicht vor, da die Antragsteller die Eilbedürftigkeit für den Erlass einer Entscheidung durch die verzögerte Einsetzung des Untersuchungsausschusses und die verzögerte Einreichung ihres Antrags bei Gericht selbst herbeigeführt hätten. Aus dem nahenden Ende der Legislaturperiode und dem aus der Diskontinuität folgenden Ende des Untersuchungsausschusses ergebe sich keine Eilbedürftigkeit, da gemäß einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs ein erneuter Untersuchungsausschuss mit gleichem Untersuchungsgegenstand eingesetzt werden könne, der auf die bisherigen Ergebnisse zurückgreifen könne. Die Nichtvorlage der gewünschten Dokumente mache die Arbeit des Untersuchungsausschusses nicht unmöglich. Mit der Vielzahl der bereits vorliegenden Akten und Dokumente könne der Fragenkatalog vollständig abgearbeitet und der Untersuchungsauftrag erfüllt werden.
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Dem Erlass einer einstweiligen Anordnung stehe zudem entgegen, dass das Begehren der Antragsteller in der Hauptsache offensichtlich keinen Erfolg haben werde, weil beide Beweisanträge zu Recht als unzulässig abgelehnt worden seien.
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Der Beweisantrag Nr. 9 sei nicht vom Untersuchungsauftrag umfasst. Dieser umfasse nicht die internen Abläufe innerhalb der Staatsregierung bzw. der Staatsministerien bei der Bearbeitung parlamentarischer Anfragen. Da diesbezüglich auch keinerlei Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten vorlägen, handle es sich um einen Beweisantrag „ins Blaue hinein“ und damit um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis.
25
Der Beweisantrag verletze zudem den Kernbereich der exekutiven Eigenverantwortung. Bei abgeschlossenen Vorgängen sei die einengende Vorwirkung der Offenlegung interner Willensbildung auf die Funktionsfähigkeit der Staatsregierung mit dem Gewicht und der Wirksamkeit des parlamentarischen Informationsbegehrens abzuwägen. Der Beweisantrag Nr. 9 tangiere die Willensbildung auch bezüglich des einheitlichen Umgangs mit Landtagsanfragen; betroffen sei die Einschätzungsprärogative der Staatsregierung hinsichtlich des „Wie“ der Beantwortung von Landtagsanfragen im Ganzen. Der Kernbereichsschutz könne auch vom Landtag bei der Entscheidung über den Beweisantrag berücksichtigt werden. Die Staatskanzlei und die beteiligten Staatsministerien hätten sich jeweils gegen eine ausnahmslose Vorlage der Vorgänge zu parlamentarischen Anfragen entschieden und den Untersuchungsausschuss hierüber in den Begleitschreiben zur Aktenvorlage bzw. im Fall der Staatskanzlei durch die Ausführungen ihres Beauftragten im Rahmen der Ausschussberatungen in Kenntnis gesetzt.
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Dem Beweisantrag Nr. 11 stehe ebenfalls der Schutz des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung entgegen. Der in dem Antrag verwendete Begriff der „Korrespondenz“ sei nicht geeignet, die betroffenen Vorgänge und Unterlagen bestimmt oder bestimmbar einzugrenzen; insbesondere fehle es an einer Eingrenzung des Adressatenkreises. Durch eine Offenlegung jeglichen ressortübergreifenden Austauschs zum Prüfverfahren des Obersten Rechnungshofs vor Abschluss des Verfahrens würde der Willensbildungsprozess der Staatsregierung zum Prüfverfahren und die Korrespondenz zwischen den Ressorts behindert. Anhaltspunkte für ein nach dem Untersuchungsauftrag relevantes Fehlverhalten bestünden auch im Bereich des Beweisantrags Nr. 11 nicht. Zudem dauere das Mietverhältnis der betroffenen Immobilie als Dauerschuldverhältnis noch immer an. Es handle sich also um einen laufenden Verwaltungsvorgang, für den dem Bayerischen Landtag wie auch dem Untersuchungsausschuss die Befassungskompetenz fehle.
27
Selbst bei offenem Ausgang des Organstreitverfahrens in der Hauptsache stehe die dann vorzunehmende Folgenabwägung dem Erlass einer einstweiligen Anordnung entgegen. Bei einer Stattgabe könne die von den Abgeordneten erlangte Kenntnis bei einem nachfolgenden Unterliegen der Antragsteller im Hauptsacheverfahren nicht mehr rückgängig gemacht werden. Bei einer Ablehnung des Antrags könne der Untersuchungsausschuss zwar in der aktuellen Wahlperiode keine Kenntnisse aus den Unterlagen mehr erlangen; der Untersuchungsauftrag könne aber mit den vorliegenden Unterlagen dennoch abgearbeitet werden. Die Beweisanträge Nr. 9 und Nr. 11 zielten auf Unterlagen außerhalb oder am Rande des Untersuchungsauftrags. Zudem könne der Landtag in der nächsten Legislaturperiode einen neuen Untersuchungsausschuss einsetzen.
28
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist sowohl in der Form des in erster Linie gestellten Feststellungsantrags als auch in der Form des hilfsweise gestellten Antrags auf Verpflichtung zur erneuten Entscheidung unzulässig.
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1. Die Antragsteller sind im Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes antragsberechtigt, da sie auch im Hauptsacheverfahren des Organstreits antragsberechtigt wären.
30
a) Die Antragsberechtigung der Antragsteller zu 8, 27, 56 und 65 ergibt sich zum einen aus ihrer Funktion als qualifizierte Minderheit nach Art. 25 Abs. 4 Satz 1 BV. Sie stellen mehr als ein Fünftel der Mitglieder des elfköpfigen Untersuchungsausschusses. Die von ihnen getragenen interfraktionellen Beweisanträge Nr. 9 und Nr. 11 wurden zunächst von der Ausschussmehrheit und sodann von der Landtagsmehrheit abgelehnt. Damit können sie eine Verletzung ihres durch Art. 25 Abs. 4 BV gewährleisteten Minderheitenrechts geltend machen. Dass nach der Ablehnung eines Antrags zur Beweiserhebung durch die Ausschussmehrheit gemäß Art. 25 Abs. 4 Satz 2 BV zunächst die Entscheidung des Landtags herbeizuführen ist, lässt die Antragsberechtigung der Minderheit im Untersuchungsausschuss nicht entfallen (VerfGH vom 10.10.2006 VerfGHE 59, 209/212 f.)
31
b) Die Antragsteller zu 8, 27, 56 und 65 sind zudem gemeinsam mit den übrigen Antragstellern als Angehörige der Minderheit, die die Einrichtung des Untersuchungsausschusses verlangt hat, antragsberechtigt. Nach Art. 25 Abs. 1 BV hat der Landtag das Recht und auf Antrag von einem Fünftel seiner Mitglieder die Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen. Die Zahl der Antragsteller überschreitet die Mindestzahl von einem Fünftel der Mitglieder des Landtags. Zwar betrifft die Verfassungsstreitigkeit hier nicht die Einsetzung des Untersuchungsausschusses als solche. Nicht nur die qualifizierte Ausschussminderheit, sondern auch die Einsetzungsminderheit des Landtagsplenums hat jedoch ein durch Art. 25 BV geschütztes Interesse, über die Sachaufklärung mitzubestimmen (VerfGHE 59, 209/213; ebenso BVerfG vom 8.4.2002 BVerfGE 105, 197/220, 223) . Die Antragsberechtigung der Antragsteller zu 1 bis 70 ergibt sich ferner aus Art. 12 Abs. 3 Satz 2 des Gesetzes über die Untersuchungsausschüsse des Bayerischen Landtags (VerfGHE 59, 209/213).
32
2. Antragsgegner ist der Bayerische Landtag, der die Beweisanträge der Ausschussminderheit im Verfahren nach Art. 25 Abs. 4 Satz 2 BV durch Beschluss vom 7. März 2023 abgelehnt hat (Plenarprotokoll 18/138 S. 19217, 19225).
33
3. Der Antrag ist wirksam erhoben worden, obwohl die Unterschriften der Antragsteller für die Bevollmächtigung ihres Verfahrensbevollmächtigten dem Verfassungsgerichtshof nur in Kopie bzw. als Telefax (bis zum Entscheidungszeitpunkt) und auch nicht auf demselben Blatt mit dem Text der Vollmacht vorgelegt wurden, sodass keine formgültige Urkunde vorliegt.
34
Zwar müssen sich nach Art. 49 Abs. 2 Satz 2 VfGHG in Organstreitverfahren (Art. 64 BV) die in der Verfassung mit eigenen Rechten ausgestatteten Teile eines obersten Staatsorgans durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen, der den Antrag zu stellen und „dabei den Nachweis seiner Bevollmächtigung vorzulegen hat“. Bei wörtlichem Verständnis würden danach für diese Verfahrensart strengere Anforderungen gelten als nach der allgemeinen Vorschrift über Verfahrensbevollmächtigte in Art. 16 Abs. 1 Satz 2 VfGHG, wonach die Vollmacht schriftlich zu erteilen oder zu bestätigen ist und nachgereicht werden kann. Sowohl die Entstehungsgeschichte des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 VfGHG als auch der Zweck der Vorschrift sprechen aber dafür, dass es nicht zwingend zur Unwirksamkeit der Antragstellung führt, wenn der Nachweis der Bevollmächtigung erst nachträglich vorgelegt oder die Vollmachtserteilung auf andere Weise als durch eine entsprechende Urkunde nachgewiesen wird.
35
Die in Art. 49 Abs. 2 Satz 2 VfGHG enthaltene Regelung hat erst durch die mit der Neufassung des Gesetzes über den Bayerischen Verfassungsgerichtshof vom 10. Mai 1990 (GVBl S. 122, 231) erfolgte Zusammenfassung des Art. 42 VfGHG a. F. (G. v. 26.10.1962, GVBl S. 337) und der §§ 38 und 40 der damaligen Geschäftsordnung des Verfassungsgerichtshofs vom 15. Juli 1963 (GVBl S. 151) Gesetzesrang erlangt (vgl. LT-Drs. 11/12997 S. 21). Bis dahin war die Vorgabe, den Nachweis der Bevollmächtigung bei der Antragstellung vorzulegen, lediglich in § 38 der Geschäftsordnung des Verfassungsgerichtshofs enthalten; sie konnte daher die in Art. 14 Abs. 1 Satz 2 VfGHG a. F. vorgesehene Möglichkeit, die Vollmacht nachzureichen, nicht derogieren. Diese bereits nach alter Rechtslage für alle Verfahrensarten geltende gesetzliche Regelung wurde wortgleich in die allgemeine Vorschrift des Art. 16 Abs. 1 Satz 2 VfGHG über Verfahrensbevollmächtigte übernommen (LT-Drs. 11/12997 S. 17). Für die Annahme, dass durch die aus § 38 der früheren Geschäftsordnung übernommene Regelung des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 VfGHG nunmehr die Möglichkeit einer Nachreichung der Vollmacht gesetzlich ausgeschlossen werden sollte, enthält die Gesetzesbegründung keine Anhaltspunkte (LT-Drs. 11/12997 S. 21). Hinsichtlich des nicht aufeinander abgestimmten Gesetzeswortlauts ist vielmehr von einem Redaktionsversehen auszugehen. Dafür spricht vor allem der Umstand, dass die Einleitung von Verfahren nach Art. 64 BV, Art. 49 VfGHG keiner Fristbindung unterliegt. Die gleiche Verfassungsstreitigkeit könnte danach jederzeit neu anhängig gemacht werden, wenn ein Antrag schon deshalb als unzulässig abzulehnen wäre, weil der Nachweis der Bevollmächtigung nicht schon zusammen mit der Antragstellung vorgelegt wurde.
36
Die Forderung des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 VfGHG, den Nachweis der Bevollmächtigung bereits bei der Antragstellung vorzulegen, stellt nach dem erkennbaren Gesetzeszweck keine unabdingbare Voraussetzung für die von Organteilen initiierten Verfassungsstreitigkeiten dar. Mit eigenen Rechten ausgestattete und daher nach Art. 49 Abs. 2 Satz 1 VfGHG antragsberechtigte Teile eines obersten Staatsorgans können – je nach Art der Streitigkeit – Mehr- oder Minderheiten von Ausschüssen, eine bestimmte Anzahl oder eine Quote von Abgeordneten, einzelne Abgeordnete, Fraktionen im Landtag oder politische Parteien sein (Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaats Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 64 Rn. 5). Das Erfordernis, sich im Verfahren durch einen eigens dafür bestellten Bevollmächtigten vertreten zu lassen, soll den Verfassungsprozess dadurch fördern, dass dem Verfassungsgerichtshof auf der Antragstellerseite nur ein Ansprechpartner gegenübersteht, auch wenn die antragstellenden Organteile im Einzelfall aus einer Mehrzahl von Personen bestehen. Mit dem Nachweis der Bevollmächtigung bei Antragstellung erhält der Verfassungsgerichtshof Klarheit darüber, dass sich die antragsberechtigten Organteile auf einen gemeinsamen Bevollmächtigten geeinigt haben, der sie in dem Verfahren vertritt. Wird dieser Zweck auf andere Weise erfüllt, etwa weil der Nachweis der Bevollmächtigung später nachgereicht wird oder diese sich bereits eindeutig aus anderen Umständen ergibt, so spricht nichts dafür, von einer Unwirksamkeit der Antragstellung auszugehen. Entscheidend ist allein, ob aus der Sicht des Gerichts die erforderliche Klarheit hinsichtlich der Vertretungsverhältnisse besteht. Dies ist hier unzweifelhaft der Fall. Der für die Antragsteller auftretende Rechtsanwalt hat, wenngleich bislang nur in Kopie bzw. als Telefax, Listen mit den Unterschriften der antragstellenden Landtags- und Ausschussminderheit vorgelegt. Die betreffenden Mandatsträger haben durch eine gemeinsame Pressemitteilung ihrer Fraktionen noch am selben Tag die Öffentlichkeit über ihre Antragstellung informiert und darin den für die Antragsteller auftretenden Rechtsanwalt neben drei Abgeordneten als Gesprächspartner bezeichnet. Damit ist objektiv nach außen manifestiert, dass dieser den Antrag als gemeinschaftlich bestellter Verfahrensbevollmächtigter der Antragsteller beim Verfassungsgerichtshof eingereicht hat, sodass dem Zweck des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 VfGHG Genüge getan ist.
37
4. Der Antrag erfüllt aber nicht die Substanziierungsanforderungen, die für den Erlass einer einstweiligen Anordnung im Organstreitverfahren gelten.
38
Nach Art. 26 Abs. 1 VfGHG kann der Verfassungsgerichtshof eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile, zur Verhinderung drohender Gewalt oder aus einem anderen wichtigen Grund dringend geboten ist. Diese Regelung bezieht sich auf alle Verfahrensarten im Sinn des Art. 2 VfGHG, also auch auf Verfassungsstreitigkeiten (Organstreitverfahren) gemäß Art. 64 BV, Art. 49 VfGHG (VerfGH vom 4.2.1991 VerfGHE 44, 9/14; vom 14.9.2020 – Vf. 70-IVa-20 – juris Rn. 8; vom 9.11.2020 BayVBl 2021, 51 Rn. 7; vom 1.12.2020 - Vf. 90-IVa-20 – juris Rn. 10; vom 6.5.2021 – Vf. 37-IVa-21 – juris Rn. 14; vom 28.9.2021 – Vf. 74-IVa-21 – juris Rn. 14; vom 30.3.2022 – Vf. 13-IVa-22 – juris Rn. 13).
39
a) Der Erlass einer einstweiligen Anordnung in einem Organstreitverfahren ist, wie der Verfassungsgerichtshof zuletzt in seinen Entscheidungen vom 13. Januar 2022 (Vf. 88-IVa-21 – juris Rn. 18) und vom 30.3.2022 (Vf. 13-IVa-22 – juris Rn. 14) ausgeführt hat, an besondere Voraussetzungen geknüpft (ähnlich BVerfG vom 8.3.2022 BVerfGE 160, 191 Rn. 40 bis 43). Das Eilverfahren nach Art. 26 Abs. 1 VfGHG ist ebenso wie das nach § 32 BVerfGG nicht darauf angelegt, möglichst lückenlosen vorläufigen Rechtsschutz vor dem Eintritt auch endgültiger Folgen zu bieten (vgl. BVerfG vom 7.7.2021 NVwZ 2021, 1368 Rn. 23 m. w. N.). Einstweilige Anordnungen können nur dazu dienen, eine vorläufige Regelung zu treffen; sie dürfen die Hauptsacheentscheidung grundsätzlich nicht vorwegnehmen (VerfGH vom 19.7.1982 VerfGHE 35, 82/87; vom 6.5.2021 – Vf. 37-IVa-21 – juris Rn. 16). Im Organstreit, der als kontradiktorische Parteistreitigkeit maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihrer Teile in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns dient, stellt der Verfassungsgerichtshof in der Regel lediglich fest, ob die beanstandete Maßnahme gegen verfassungsmäßige Rechte verstößt (vgl. VerfGH vom 27.6.1977 VerfGHE 35, 48; vom 6.6.2011 BayVBl 2011, 662; vom 6.5.2021 – Vf. 37-IVa-21 – juris Rn. 16). Wird eine solche für den Antragsgegner verbindliche Feststellung schon im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes begehrt, so muss daher substanziiert dargelegt werden, dass der damit verbundene Eingriff des Verfassungsgerichtshofs in die Autonomie eines anderen Verfassungsorgans nicht nur unabdingbar ist, um die Entstehung vollendeter Tatsachen bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu vermeiden, sondern auch, um das Eintreten eines schweren Nachteils hinsichtlich der organschaftlichen Rechte des Antragstellers zu verhindern (vgl. VerfGH vom 13.1.2022 – Vf. 88-IVa-21 – juris Rn. 21 m. w. N.; vom 30.3.2022 – Vf. 13-IVa-22 – juris Rn. 16).
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b) Diesen besonderen Darlegungserfordernissen genügt der vorliegende Antrag nicht.
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aa) Die Antragsteller haben zwar mit ihrem Hinweis auf das bevorstehende Ende der Wahlperiode und die demgemäß nur noch bis Ende Juli 2023 vorgesehene Tätigkeit des Untersuchungsausschusses sowohl die erhöhte Eilbedürftigkeit als auch die Gefahr des Eintritts vollendeter Tatsachen vor einer etwaigen Hauptsacheentscheidung nachvollziehbar dargelegt. Das berechtigte Interesse am Erlass einer einstweiligen Anordnung kann in dieser Phase wenige Monate vor der Neuwahl des Landtags nicht mit dem Argument in Frage gestellt werden, dass in der nächsten Legislaturperiode erneut ein Untersuchungsausschuss zu dem gleichen Thema eingesetzt werden könnte, um die Sachaufklärung fortzuführen. Das Recht zur öffentlichen Kontrolle der Regierung und ihrer Exekutivorgane steht dem gewählten Parlament immer nur für die Dauer der jeweiligen Wahlperiode zu. Der von ihm eingesetzte Untersuchungsausschuss unterliegt ebenfalls dem Grundsatz der parlamentarischen Diskontinuität. Er muss daher das ihm aufgetragene Untersuchungsverfahren soweit wie möglich innerhalb dieses Zeitraums zum Abschluss bringen und kann nicht auf eine Wiederaufnahme des Verfahrens in der nachfolgenden Wahlperiode verweisen (vgl. BVerfG vom 2.8.1978 BVerfGE 49, 70/86 f.; BVerwG vom 13.8.1999 BVerwGE 109, 258/263; vom 2.9.2019 NVwZ 2020, 151/153; Peters, Untersuchungsausschussrecht, 2. Aufl. 2020, Rn. 17; anders noch VerfGH vom 3.8.1994 VerfGHE 47, 178/183). Es kann im Übrigen auch nicht als sicher vorausgesetzt werden, dass die Antragsteller wiedergewählt werden und im künftigen Landtag erneut das für die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nötige Quorum nach Art. 25 Abs. 1 BV erreichen.
42
bb) Die Antragsteller haben jedoch nicht hinreichend dargetan, weshalb eine einstweilige Anordnung erforderlich ist, um das Eintreten eines schweren Nachteils hinsichtlich ihrer organschaftlichen Rechte zu verhindern.
43
In der Antragsbegründung wird zwar im Zusammenhang mit der besonderen Eilbedürftigkeit behauptet, die von den Beweisbeschlüssen erfassten Akten der Staatsregierung seien für die Ausschusswie auch für die Plenumsminderheit zur Erfüllung des Untersuchungsauftrags unverzichtbar. Worauf sich diese Einschätzung gründet, wird aber nicht weiter ausgeführt. Der Schriftsatz des Bevollmächtigten enthält keine konkreten Ausführungen dazu, auf welche der im Einsetzungsbeschluss enthaltenen Teilfragen sich die Beweisanträge Nrn. 9 und 11 überhaupt beziehen und inwiefern deren Ablehnung die Beantwortung bestimmter Fragen erheblich erschweren oder gar unmöglich machen würde. Es wird auch nicht näher erläutert, in Bezug auf welches im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand stehende mögliche Fehlverhalten sich die Antragsteller durch die Vorlage der in den Beweisanträgen Nrn. 9 und 11 genannten Unterlagen nähere Aufklärung erwarten oder welche allgemeinen Erkenntnisse daraus voraussichtlich gewonnen werden könnten.
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Auf einen substanziierten Vortrag der Antragsteller zum Eintreten eines schweren Nachteils kann hier nicht deshalb ausnahmsweise verzichtet werden, weil es offensichtlich wäre, dass die ordnungsgemäße Erfüllung des Untersuchungsauftrags ohne den Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung unmittelbar gefährdet wäre (vgl. BVerfG vom 8.7.1997 BVerfGE 96, 223/230). Dies käme etwa dann in Betracht, wenn die begehrte Beweiserhebung den Kern der Sachaufklärung im Untersuchungsausschuss betreffen würde. Davon kann hier aber ersichtlich keine Rede sein. Die Beweisanträge Nrn. 9 und 11 beziehen sich allenfalls auf Randbereiche des Untersuchungsauftrags, wobei dazu vonseiten der Antragsteller bisher keine konkreten Anhaltspunkte für ein mögliches Fehlverhalten der Staatsregierung angeführt worden sind, aus denen sich ein spezielles Aufklärungsinteresse ergeben könnte. Vor diesem Hintergrund reicht der pauschale Verweis darauf, dass durch die Ablehnung der Beweisanträge das Beweiserzwingungsrecht der Ausschussminderheit nach Art. 25 Abs. 4 BV gefährdet sei, zur Darlegung eines schweren Nachteils nicht aus.
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Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).