Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 12.06.2023 – AN 9 M 23.1116
Titel:

Erinnerung gegen Kostenfestsetzung - Entstehung von fiktiver Terminsgebühr und Einigungsgebühr bei übereinstimmender Erledigungserklärung

Normenketten:
RVG VV Nr. 1000, Nr. 1002, Nr. 3104
VwGO § 162 Abs. 1, Abs. 2, § 165
Leitsätze:
1. Über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss entscheidet das Gericht in der Besetzung, in der die zugrundliegende Kostenlastentscheidung getroffen wurde. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im Erinnerungsverfahren findet keine umfassende Überprüfung des als fehlerhaft gerügten Kostenerstattungsanspruchs statt. Vielmehr erfolgt nur eine Entscheidung über die vom Erinnerungsführer erhobenen Einwendungen und Einreden. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die fiktive Terminsgebühr nach Abs. 1 Nr. 1 Hs. 1 der Nr. 3104 RVG VV entsteht nur in denjenigen Verfahren, für die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vorgeschrieben ist und mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden wird. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Erledigungsgebühr nach Nr. 1002 RVG VV erfordert besondere Bemühungen mit dem Ziel einer Erledigung der Rechtssache ohne Sachentscheidung des Gerichts, die über die bereits mit der Verfahrensgebühr abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgehen. Das erforderliche Mitwirken kann auch in einem Einwirken auf die Behörde bestehen, welches die Aufhebung bzw. Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts nach sich zieht. Demgegenüber genügt es nicht, dass die Behörde unter dem Eindruck des Klagevorbringens oder aufgrund eines Hinweises des Gerichts auf die Rechtslage den Bescheid aufhebt und damit dem Klagebegehren abhilft. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
5. Eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1, 1003 RVG VV kann grundsätzlich auch bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen anfallen. (Rn. 42) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kostenerinnerung, Antrag auf Entscheidung des Gerichts, Erinnerung im eigenen Namen der Prozessbevollmächtigten, fiktive Terminsgebühr, Neufassung des Nr. 3104 VV-RVG, übereinstimmende Erledigungserklärungen, Einigungsgebühr
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 09.11.2023 – 13a C 23.1234
Fundstelle:
BeckRS 2023, 14565

Tenor

1. Die Erinnerung (Antrag auf gerichtliche Entscheidung) gegen den Beschluss der Urkundenbeamtin der Geschäftsstelle vom 27. März 2023 wird zurückgewiesen.
2. Die Erinnerungsführer tragen die Kosten des gerichtskostenfreien Erinnerungsverfahrens.

Gründe

I.
1
Die Erinnerungsführer sind die Prozessbevollmächtigten der Kläger eines vorangegangenen Klageverfahrens nach dem Kataster- und Vermessungsrecht. Sie begehren im eigenen Namen eine gerichtliche Entscheidung gegen den Beschluss der Urkundenbeamtin der Geschäftsstelle vom 27. März 2023, in welchem die Festsetzung einer (fiktiven) Termingebühr sowie einer Einigungsgebühr aus dem Klageverfahren abgelehnt wurden.
2
Mit Beschluss der seinerzeit zuständigen Berichterstatterin vom 7. Dezember 2022 (Az. AN 9 K 22.01628) wurde ein Klageverfahren nach dem Kataster- und Vermessungsrecht eingestellt, nachdem die damaligen Beteiligten das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt hatten. Vonseiten der vormaligen Kläger wurde seinerzeit die Aufhebung der Abmarkungsbescheide vom 9. Juni 2022 für ein Grundstück in der Gemeinde … begehrt. Vonseiten des damaligen Beklagten, vertreten durch das …, wurde seinerzeit vorgetragen, dass die Abmarkung nicht rechtmäßig durchgeführt worden sei. Am 8. November 2022 wurde sodann ein Vermessungstermin durchgeführt, bei welchem das fehlerhafte Grenzzeichen entfernt und der Klage damit abgeholfen wurde.
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Die Kostenentscheidung des seinerzeitigen Einstellungsbeschlusses vom 7. Dezember 2022 (Ziffer 2 des Beschlusstenors) lautet: „Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.“ In der Begründung des Beschlusses wird darauf verwiesen, dass die Kosten nach billigem Ermessen dem Beklagten aufzuerlegen gewesen seien, da dieser sich durch die Abhilfe der Klage in die Rolle des Unterlegenen begeben habe.
4
Mit Schriftsatz vom 22. Dezember 2022 beantragten die Erinnerungsführer, Kosten des Klageverfahrens in Höhe von insgesamt 1.534,15 EUR durch Kostenfestsetzungsbeschluss festzusetzen. Hierbei wurde auch die Festsetzung einer 1,2-fachen Terminsgebühr in Höhe von 400,80 EUR sowie einer 1,0-fachen Einigungsgebühr in Höhe von 334,00 EUR, jeweils zuzüglich Mehrwertsteuer, beantragt.
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Der Erinnerungsgegner erklärte sich mit diesem Kostenfestsetzungsantrag nicht einverstanden. Da der Klage vonseiten des … abgeholfen worden sei, habe keine Einigung der Klageparteien stattgefunden, sodass fraglich erscheine, ob eine Grundlage für eine „Einigungsgebühr“ bestehe. Zudem werde auch die klägerseitig beantragte Terminsgebühr in Frage gestellt, da die anwaltliche Vertretung der damaligen Kläger bei den Vermessungs- und Abmarkungsterminen am 26. September und 8. November 2022 nicht anwesend gewesen sei und auch kein Verhandlungs-, Beweisaufnahme- oder Erörterungstermin stattgefunden habe.
6
Am 27. März 2023 erging durch die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der streitgegenständliche Beschluss:
„Die von dem Beklagten an die Kläger im Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach zu erstattenden notwendigen Aufwendungen werden auf 659,74 EUR (…) zuzüglich Verzinsung (…) festgesetzt.“
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Dem festgesetzten Betrag liegt ausweislich des Beschlusses eine 1,6-fache Verfahrensgebühr in Höhe von 534,40 EUR sowie eine Pauschale für Post und Telekommunikation in Höhe von 20,00 EUR und eine Mehrwertsteuer in Höhe von 105,34 EUR, insgesamt 659,74 EUR, zugrunde. Hingegen seien im zugrundeliegenden Verfahren weder eine Termins- noch eine Einigungsgebühr angefallen. Eine Einigungsgebühr entstehe namentlich dann nicht, wenn der klägerische Anspruch anerkannt werde. Dies sei vorliegend der Fall gewesen. Der damalige Beklagte habe durch den neuen Vermessungs- und Abmarkungstermin, an welchem die damaligen Klägerbevollmächtigten und jetzigen Erinnerungsführer nicht mitgewirkt hätten, den Anspruch anerkannt. Die Überlassung der Kostenentscheidung für das Verfahren an das Gericht begründe keine Einigungsgebühr. Auch eine Terminsgebühr durch die übereinstimmende Erledigungserklärung scheide aus. Eine solche komme nur in Betracht, wenn mit Einverständnis der Beteiligten in der Sache ohne mündliche Verhandlung entschieden werde, nicht aber bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen.
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Mit Schriftsatz vom 5. April 2023, eingegangen bei Gericht am selben Tag, stellten die Erinnerungsführer im eigenen Namen einen Antrag auf Entscheidung durch das Gericht gegen den Beschluss vom 27. März 2023.
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Der Ansatz der fiktiven Terminsgebühr sei auch dann gerechtfertigt, wenn – wie im vorliegenden Fall – ohne Einigung im verwaltungsgerichtlichen Mandat eine Erledigung mit der Behörde herbeigeführt werde. Es sei für die fiktive Terminsgebühr weder erforderlich, dass der anwaltliche Vertreter bei den Abmarkungsterminen vor Ort sei, noch, dass ein Sitzungstermin stattfinde. Dies ergäbe sich aus dem KostRÄG 2021. Hingegen würde die Urkundenbeamtin zu Unrecht auf eine veraltete Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs München aus dem Jahr 2012 verweisen, welche nach der Rechtsänderung keine Anwendung mehr finden könnte.
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Die Einigungsgebühr falle dann an, wenn das Gericht über die Kosten des Verfahrens entscheiden müsse. Die Kostenbeamtin verkenne hier bereits, dass für die Entstehung der Einigungsgebühr kein Vertrag oder ein als Vollstreckungstitel tauglicher Vergleich notwendig sei. Zudem werde auch übersehen, dass die neue Vermessung und Abmarkung erst aufgrund der Klage stattgefunden hätten und somit sehr wohl eine Mitwirkung der Erinnerungsführer im damaligen Klageverfahren stattgefunden habe.
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Mit Schreiben vom 31. Mai 2023 hat die Urkundsbeamtin erklärt, dass dem Antrag auf Entscheidung des Gerichts nicht abgeholfen werde, und diesen dem Berichterstatter zur Entscheidung vorgelegt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten in den Verfahren einschließlich der zugehörigen Kostenakte verwiesen.
II.
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Die zulässige Erinnerung bleibt in der Sache ohne Erfolg.
14
Über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung (Erinnerung) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss entscheidet das Gericht in der Besetzung, in der die zugrundliegende Kostenlastentscheidung getroffen wurde (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2003 – 1 N 01.1845). Da der Einstellungsbeschluss durch die damalige Berichterstatterin nach § 87a Abs. 1 Nr. 3 VwGO getroffen worden ist, ist auch im Verfahren über die Erinnerung der Berichterstatter für die Entscheidung zuständig (VGH München, B.v. 7.4.2022 – 8 M 22.584).
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1. Es kann dahinstehen, ob die Kostenerinnerung zulässig ist, da sie sich jedenfalls als unbegründet erweist.
16
Gemäß § 165 i.V.m. § 151 VwGO können die Beteiligten die nach § 164 VwGO erfolgte Festsetzung der zu erstattenden Kosten durch den Urkundsbeamten durch Antrag auf Entscheidung des Gerichts anfechten.
17
Ob auch der Prozessbevollmächtigte eines Beteiligten, welcher freilich nicht Beteiligter im Ausgangsverfahren ist, die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss im eigenen Namen einlegen kann, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (Für eine Erinnerungsbefugnis: Eyermann/VwGO § 165 Rn. 4; OVG Saarlouis, B.v. 10.10.2017 – 1 C 181/15; OVG Lüneburg, B.v. 21.4.1972 – III B 16/72; VG München, B.v. 3.5.2012 – 22 M 12.1405; Gegen eine Erinnerungsbefugnis: BeckOK/VwGO § 165 Rn. 3; OVG Münster, B.v. 27.6.2011 – 6 E 656/11; VGH Kassel, B.v. 6.10.1997 – 14 S 2808/97; VG Frankfurt, B.v. 23.6.1988 -V/V I 1048/88).
18
Die Frage kann vorliegend dahinstehen, da die Kostenerinnerung jedenfalls unbegründet ist.
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2. Die Erinnerung ist unbegründet.
20
Im Erinnerungsverfahren findet keine umfassende Überprüfung des als fehlerhaft gerügten Kostenerstattungsanspruchs statt. Vielmehr erfolgt nur eine Entscheidung über die vom Erinnerungsführer erhobenen Einwendungen und Einreden (OVG Hamburg, B.v. 30.5.2006 – 3 So 38/06; BeckOK/VwGO § 165 Rn. 10). Vorliegend wurde vonseiten der Erinnerungsführer lediglich die fehlende Festsetzung der Terminsgebühr sowie der Einigungsgebühr gerügt, sodass sich die gerichtliche Überprüfung hierauf beschränkt.
21
Im Hinblick auf die nicht durchgeführte Festsetzung dieser Gebühren stellt sich der Beschluss der Urkundsbeamtin vom 27. März 2023 als rechtmäßig dar. Weder die Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1, 1003 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG (VV-RVG), noch die ebenfalls begehrte Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG waren zur Erstattung festzusetzen, da beide Gebühren im Ergebnis nicht angefallen sind.
22
Ausgangspunkt der rechtlichen Beurteilung ist § 162 Abs. 1 VwGO. Danach sind im verwaltungsgerichtlichen Verfahren die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten erstattungsfähig. Stets erstattungsfähig sind nach § 162 Abs. 2 Satz 1 VwGO die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, die sich nach dem Vergütungsverzeichnis zum RVG bemessen.
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a) Eine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG ist nicht angefallen.
24
(aa) Nach Absatz 3 der Vorbemerkung 3 zu Teil 3 VV-RVG entsteht eine Terminsgebühr für die tatsächliche Wahrnehmung von gerichtlichen Terminen oder außergerichtlichen Terminen und Besprechungen. Darüber hinaus regelt das Vergütungsverzeichnis (abschließende) Ausnahmetatbestände in Nr. 3104 Abs. 1 VV-RVG, in denen eine – sogenannte fiktive – Terminsgebühr auch ohne die Wahrnehmung eines Termins gezahlt wird.
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Vorliegend könnte eine Terminsgebühr nur dann entstanden sein, wenn ein solcher Ausnahmefall nach Nr. 3104 VV-RVG vorliegen würde. Infrage kommen hier lediglich die Halbsätze 1 und 2 des Abs. 1 Nummer 1.
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(bb) Eine fiktive Terminsgebühr ist im zugrundeliegenden Fall nicht nach Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 der Nr. 3104 VV-RVG entstanden, da die nach den übereinstimmenden Erledigungserklärungen gemäß § 161 Abs. 2 VwGO zu treffende Kostenentscheidung nach § 101 Abs. 3 VwGO in einem Verfahren ergeht, für das eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist.
27
Damit liegen die Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 der Nr. 3104 VV-RVG nicht vor. Nach der Norm entsteht die Terminsgebühr namentlich nur in denjenigen Verfahren, für die die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vorgeschrieben ist und mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden wird.
28
Dies entspricht der zur früheren Rechtslage ergangenen Rechtsprechung, nach der eine fiktive Terminsgebühr in den Fällen übereinstimmender Erledigungserklärungen grundsätzlich nicht zur Entstehung gelangte (OVG Bremen, B.v. 22.4.2020 – 1 F 55/20; VGH München, B.v. 10.9.2012 – 19 C 12.1927; FG Münster, B.v. 30.3.2022 – 15 Ko 158/22).
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cc) Vorliegend sind auch die Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 der Nr. 3104 VV-RVG nicht gegeben.
30
Denn zwar weisen die Erinnerungsführer zu Recht darauf hin, dass mit dem Gesetz vom 21. Dezember 2020 (BGBl. 2020, 3229 ff.) der Anwendungsbereich der fiktiven Terminsgebühr durch den neu aufgenommenen Gebührentatbestand des Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 erheblich ausgeweitet worden ist.
31
Nach Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Alt. 2 fällt nunmehr eine Terminsgebühr auch ohne die Durchführung eines Termins an, wenn „eine Erledigung der Rechtssache im Sinne der Nummer 1002 eingetreten ist“. Dieser Tatbestand ist neben den bisherigen Tatbestand des Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV-RVG a.F. getreten. Erforderlich sind hiernach allein der bloße Eintritt einer Erledigung im Sinne des Nr. 1002 VV-RVG in einem Verfahren, für das eine mündliche Verhandlung grundsätzlich vorgeschrieben ist. Unerheblich ist in Abkehr zur früheren Rechtslage hingegen, ob für das Verfahren der Kostenentscheidung selbst eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist (so zutreffend und ausführlich FG Münster, B.v. 30.3.2022 – 15 Ko 158/22).
32
Die Erinnerungsführer weisen diesbezüglich auch zu Recht daraufhin, dass der Verweis der Urkundenbeamtin auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs München aus dem Jahr 2012 (VGH München, B.v. 10.9.2012 – 19 C 12.1927) in dieser Hinsicht zu kurz greift, da diese Entscheidung zur alten Rechtslage ergangen ist.
33
Allerdings sind im vorliegenden Fall die Voraussetzungen des Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Alt. 2 der Nr. 3104 VV-RVG nicht gegeben.
34
Denn Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Alt. 2 der Nr. 3104 VV-RVG erfordert eine Erledigung der Rechtssache im Sinne des Nr. 1002 VV-RVG und somit das (fiktive) Entstehen einer Erledigungsgebühr.
35
Nach Nr. 1002 VV-RVG entsteht die Erledigungsgebühr, wenn sich eine Rechtssache ganz oder teilweise nach Aufhebung oder Änderung des mit einem Rechtsbehelf angefochtenen Verwaltungsakts durch die anwaltliche Mitwirkung erledigt. Eine Erledigungsgebühr entsteht mithin nur dann, wenn der Rechtsanwalt bei der Erledigung der Rechtssache „mitgewirkt“ hat. (mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung: FG Münster, B.v. 30.3.2022 – 15 Ko 158/22, Rn. 27). Eine Mitwirkung in diesem Sinne erfordert besondere Bemühungen mit dem Ziel einer Erledigung der Rechtssache ohne Sachentscheidung des Gerichts, die über die bereits mit der Verfahrensgebühr abgegoltene Einlegung und Begründung des Rechtsbehelfs hinausgehen. Das erforderliche Mitwirken kann beispielsweise in dem Unterbreiten eines Erledigungsvorschlags bestehen. Denkbar ist auch ein Einwirken auf die Behörde, welches die Aufhebung bzw. Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts nach sich zieht. Demgegenüber genügt es nicht, dass die Behörde unter dem Eindruck des Klagevorbringens oder aufgrund eines Hinweises des Gerichts auf die Rechtslage den Bescheid aufhebt und damit dem Klagebegehren abhilft (FG Münster, B.v. 30.3.2022 – 15 Ko 158/22, Rn. 27). Die Frage des Entstehens der Erledigungsgebühr ist dabei immer eine Frage des Einzelfalls (BVerwG, B.v. 28.11.2011 – 6 B 34/11).
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Im zugrundeliegenden Fall haben die Erinnerungsführer nicht in diesem Sinne bei der materiellen Erledigung des Ausgangsverfahrens „mitgewirkt“. Aus der Gerichtsakte zum Ausgangsverfahren AN 9 K 22.01628 sind keine besonderen Bemühungen der damaligen Klägervertreter und jetzigen Erinnerungsführer ersichtlich, welche über den bereits mit der Verfahrensgebühr abgegoltenen Aufwand hinausgehen. So beschränkt sich die Klageschrift samt Begründung vom 8. Juli 2022 auf die Darlegung der Gründe, aus denen die seinerzeit streitgegenständlichen Abmarkungsbescheide rechtswidrig sein sollen. Ein entsprechender Erledigungsvorschlag an den Beklagten oder Ausführungen dazu, dass die damaligen Klägervertreter versucht haben, zu einer einvernehmlichen Lösung auf die Behörden einzuwirken, finden sich in der Klageschrift nicht. Vielmehr war es der Beklagte selbst, welcher eine Fehlerhaftigkeit der Abmarkungsbescheide in der Klageerwiderung vom 13. Oktober 2022 selbst zugab und von sich aus einen Vermessungstermin ansetzte, um der Klage abzuhelfen. Ausweislich des Beklagtenschriftsatzes vom 14. November 2022 waren die damaligen Klägerbevollmächtigten bei dem Vermessungstermin vom 8. November 2022 dann auch nicht anwesend und konnten auch daher nicht an einer Erledigung der Rechtssache in einer Weise mitwirken, welche über das von der Verfahrensgebühr Abgegoltene hinausgehen würde.
37
Etwas Anderes folgt auch nicht aus dem Vortrag der Erinnerungsführer, die Terminsgebühr sei angefallen, da der Beklagte die rechtswidrigen Abmarkungsbescheide nur durch die Erhebung der Klage aufgehoben hätte. Denn die Erhebung der Klage sowie deren Begründung und die Stellung der Anträge erweisen sich gerade als Aufwand, welcher bereits mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV-RVG abgedeckt ist. Zurecht verneint die Kommentarliteratur den Anfall einer Erledigungsgebühr daher für diejenigen Fälle, in denen Klägerbevollmächtigte diese (lediglich) auf eine ausführliche Klagebegründung stützen (BeckOK RVG, VV-RVG 1002 Rn. 14).
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Auch die im Ausgangsverfahren mit Schriftsatz vom 29. November 2022 abgegebene Erklärung über die Erledigung der Hauptsache begründet keine Tätigkeit, die über die allgemeine Verfahrensförderung eines Prozessbevollmächtigten hinausgeht (VGH München, B.v. 28.5.2020 – 6 C 20.371).
39
dd) Vor diesem Hintergrund steht den Erinnerungsführern keine Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV-RVG zu.
40
b) Auch eine Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1, 1003 VV-RVG ist nicht angefallen.
41
Nach Nr. 1000 Nr. 1 sowie Nr. 1000 Abs. 1 Satz 1 VV-RVG entsteht eine Einigungsgebühr, wenn der Streit oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis durch den Abschluss eines Vertrages unter Mitwirkung des Rechtsanwaltes beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. Der Vertrag kann auch stillschweigend geschlossen werden und ist nicht formbedürftig.
42
Den Erinnerungsführern ist zuzugeben, dass eine Einigungsgebühr grundsätzlich auch bei übereinstimmenden Erledigungserklärungen anfallen kann.
43
Voraussetzung ist aber in jedem Fall, dass gleichzeitig mit der Erledigungserklärung eine Einigung über den in Frage stehenden materiell-rechtlichen Anspruch erzielt wird (VGH München, B.v. 11.6.2008 – 10 C 08.777; VG München, B.v. 4.2.2015 – M 8 M 14.5173).
44
Vorliegend fehlt es jedoch an einer solchen – über die Form der übereinstimmenden Erledigungserklärungen im Sinne von Prozesshandlungen – hinausgehenden Einigung auch über das zugrundeliegende materiell-rechtliche Rechtsverhältnis.
45
Nachdem der damalige Beklagte mit der Klageerwiderung vom 13. Oktober 2022 die Fehlerhaftigkeit der seinerzeit streitgegenständlichen Abmarkungsbescheide einräumte und sich mit der Durchführung des Vermessungstermins vom 8. November 2022 freiwillig in die Lage des Unterlegenen begab, stellt sich die Beendigung des materiell-rechtlichen Rechtsverhältnisses nicht als Einigung der damaligen Beteiligten, sondern als ein reines Anerkenntnis der Beklagtenseite dar. Die Einigungsgebühr entfällt aber dann, wenn der Rechtsstreit nicht durch ein mehrseitiges Einvernehmen, sondern durch ein einseitiges Anerkenntnis beendet wird, wobei auch hier ein rein materielles Anerkenntnis genügt (LAG Düsseldorf, U.v. 1.8.2006 – MDR 2007, 119). Eine, der Einigungsgebühr zugrundeliegende, Einigung würde zumindest ein gegenseitiges Nachgeben der Beteiligten, beispielsweise den (teilweisen) Verzicht auf klägerseitige Ansprüche voraussetzen (VGH München, B.v. 11.6.2008 – 10 C 08.777). An einem solchen Nachgeben fehlte es jedoch im Ausgangsverfahren auf Klägerseite. Die damaligen Kläger trafen auch keine Zusagen, o.ä., gegenüber dem Beklagten. Folglich waren die übereinstimmenden Erledigungserklärungen ausschließlich prozessualen Inhalts, ohne an der materiell-rechtlichen Rechtslage etwas zu ändern (vgl. zu einem ähnlich gelagerten Fall auch VG München, B.v. 4.2.2015 – M 8 M 14.5173).
46
Dasselbe ergibt sich auch aus systematischen Erwägungen zur Einigungsgebühr. Denn durch diese (zusätzliche) Gebühr soll die mit der Einigung verbundene Mehrbelastung sowie erhöhte Verantwortung des beteiligten Rechtsanwaltes vergütet werden (BGH, B.v. 10.10.2006 – VI ZR 280/05). An einer solchen fehlt es aber, wenn – wie hier – kein Nachgeben aufseiten des eingesetzten Rechtsanwaltes erfolgt ist und es sich vielmehr um den Fall eines reinen Anerkenntnisses der Gegenseite handelt.
47
Auch die Festsetzung einer Einigungsgebühr nach Nr. 1000 Nr. 1, 1003 VV-RVG scheidet damit aus.
48
3. Die Erinnerung war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
49
Das Erinnerungsverfahren ist entsprechend § 66 Abs. 8 Satz 1 GKG gerichtskostenfrei. Folglich bedarf es keiner Streitwertfestsetzung (vgl. mit umfassenden Nachweisen aus der Rechtsprechung BeckOK/VwGO § 165 Rn. 11).
50
Der Gegenstandswert bemisst sich entsprechend § 52 Abs. 3 GKG nach dem noch streitigen Gebührenanteil (VG Berlin, B.v. 2.10.2020 – 17 K 261.17A). Auslagen des Gerichts und der Verfahrensbeteiligten sind nach Maßgabe des § 162 VwGO zu erstatten (BVerwG, B.v. 10.2.2011- 4 KSt. 1003/10).