Titel:
Beiladung, Aufschiebende Wirkung, Aufhebung, Summarische Prüfung, Schonzeitaufhebung, Verwaltungsgerichte, Anordnung des Sofortvollzugs, Sofortvollzugsanordnung, Übermäßiger Wildschaden, Vorläufiger Rechtsschutz, Satzungsgemäßer Aufgabenbereich, Naturschutzvereinigung, Umweltbezogenheit, Außergerichtliche Kosten, Interessenabwägung, Schonzeitverkürzung, Naturschutzrecht, Streitwertfestsetzung, Rechtsschutzinteresse, Rechtsbehelfsbelehrung
Schlagwort:
Schonzeitaufhebung
Fundstellen:
BayVBl 2023, 638
LSK 2023, 14377
BeckRS 2023, 14377
Tenor
I. Die aufschiebende Wirkung einer noch zu erhebenden Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Landratsamtes R. vom 27.3.2023 (Gz.: S 21 – 7512/Fk) wird wiederhergestellt, soweit der Bescheid die Eigenjagdreviere … betrifft.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine vom Landratsamt R. (Landratsamt) zugelassene Verkürzung der Schonzeit bei der Jagd auf Rehwild für drei Eigenjagdreviere.
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Mit Schreiben vom 15.3.2023 beantragte die Beigeladene beim Landratsamt, ihr ab 7.4.2023 die Jagd auf Schmalrehe und Jährlinge in ihren Eigenjagdrevieren (EJR) … (Gesamtfläche: 7.377 ha) zu gestatten. Der Antrag wird insbesondere damit begründet, dass dies auch die ergänzenden revierweisen Aussagen zur Verjüngungssituation nahelegen würden, die zu einer zu hohen bis wenigstens tragbaren Verbissbelastung kämen und sich im Vergleich zum vorherigen Gutachten auf über 3.200 ha verschlechtert hätten. Die Jagdzeitvorverlegung sei auch deshalb dringend, da der Abschussplan im Jagdjahr 2022/23 mit 89 % nicht habe erfüllt werden können. Allein die Höhe des Abschusses habe sich in der Vergangenheit als nicht wirkungsvoll erwiesen. Nach der Abschussstatistik der Beigeladenen sei im Zeitraum der Jagdzeitenvorverlegung im Jagdjahr 2021/22 von Mitte bis Ende April ca. 15 % des Rehwildabschussplanes erfüllt worden. Dies habe dazu geführt, dass der Jagddruck in der weiteren Jagdzeit überproportional habe gesenkt werden können. Da hoher Jagddruck zu einer Störung des natürlichen Verhaltens von Wildtieren führe, trage die Intervall- und Schwerpunktjagd nicht nur durch eine effektive Anpassung der Wilddichte, sondern auch durch minimierte Jagdstörung zu einer geringen Wildverbisssituation speziell in Waldrevieren bei. Weiter wird der Antrag mit dem Leitgedanken des Tierschutzes begründet (wird näher ausgeführt). Auf die weitere Begründung des Antrages wird Bezug genommen.
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In der Behördenakte (Bl. 8 f.) findet sich eine Notiz mit im Wesentlichen folgendem Inhalt: EJR … 1.995 ha, davon 99 % Wald; Entscheidungsvorschlag: zulassen (s. Begründung EJB); EJR … 1.242 ha, davon 99 % Wald; Entscheidungsvorschlag: zulassen; EJR … 3.250 ha; davon Wald: 90 %; revierweise Aussage: tragbar, unverändert; aber: deutlicher Verbiss über alle Baumarten, Wuchsverzögerung! Entscheidungsvorschlag: zulassen (s. Begründung EJB); …: 890 ha, davon 65 % Wald; revierweise Aussage: tragbar, unverändert; aber: zu hoher Verbiss an der Naturverjüngung; Entscheidungsvorschlag: zulassen (s. Begründung EJB);
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Weiter finden sich in der Behördenakte (ab Bl. 10) Auswertungen zur Verjüngungsinventur und zu Verbissschäden für die Hegegemeinschaft 373 (Donaustauf).
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Nach der ergänzenden revierweisen Aussage zur Verjüngungssituation zum Forstlichen Gutachten zur Situation der Waldverjüngung 2021 (im Folgenden: ergänzende revierweise Aussage) stellt sich die Situation in den Eigenjagdrevieren wie folgt dar:
EJR … (1995 ha, 99 % Waldanteil):
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Das erfolgreiche Aufwachsen der Naturverjüngung ist bei den Baumarten Buche, Fichte, Tanne, Edellaubbäume, Europ. Lärche, Douglasie und Kiefer möglich, lediglich bei Eiche nicht möglich. Ergänzend wird ausgeführt:
„Die natürliche Verjüngung der Buche ist im Wesentlichen möglich“.
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Stellenweise wird sie jedoch deutlich verbissen (z.B. Bereich Neuhäuselberg, südlich Hoher Markstein). Bei der Tannennaturverjüngung sind sehr unterschiedliche Flächen zu finden. Ihre Verjüngung ist oft möglich. Beispielsweise im nordwestlichen Frauenholz wird sie jedoch sehr markant verbissen und neigt punktuell im Vergleich mit Fichte unterzugehen. Ein Positivbeispiel ist u.a. auf dem Plateau des Hellbergs zu finden. Mit Edellaubholz ist hauptsächlich Bergahorn gemeint. Eichennaturverjüngung kommt immer wieder als Hähersaat vor, teilweise auch mit nennenswerten Anteilen (z.B. Heindlschlag). Auf der mehrheitlichen Fläche wird sie auch aufgrund ihrer Seltenheit herausselektiert. Laut Auflistung ist das erfolgreiche Aufwachsen von Pflanzungen bzw. Saaten (Forstkulturen) bei den Baumarten Douglasie, Fichte und Europ. Lärche im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen möglich, bei Eiche nicht. Die Verbisssituation wird insgesamt als „tragbar“ bewertet, was formularmäßig beschrieben wird als „Schalenwildverbiss kommt an allen Baumarten vor. Die Wuchsverzögerung der stärker verbissgefährdeten Baumarten ist aber noch tolerierbar. Auch sie entwachsen in angemessener Zahl und Verteilung dem gefährdeten Höhenbereich.“ Unter „ergänzende Anmerkungen“ ist vermerkt:
„Es sind Verjüngungsflächen vorhanden, die fast ohne Schalenwildeinfluss aufwachsen, allerdings gibt es auch Bereiche, in denen deutlicher Verbiss sowohl an verbissgefährdeten als auch ungefährdeten Baumarten zu spüren ist.“
EJR … (3.251 ha, davon 90 % Waldanteil):
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Das erfolgreiche Aufwachsen der Naturverjüngung ist bei allen genannten Baumarten (Buche, Douglasie, Edellaubbäume, Eiche, Hainbuche, Fichte, Kiefer und Tanne) möglich. Laut Auflistung ist das erfolgreiche Aufwachsen von Pflanzungen bzw. Saaten (Forstkulturen) bei allen genannten Baumarten (Douglasie, Fichte und Europ. Lärche) im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen möglich. Die Verbisssituation wird insgesamt als „tragbar“ bewertet, was formularmäßig beschrieben wird als „Schalenwildverbiss kommt an allen Baumarten vor. Die Wuchsverzögerung der stärker verbissgefährdeten Baumarten ist aber noch tolerierbar. Auch sie entwachsen in angemessener Zahl und Verteilung dem gefährdeten Höhenbereich.“ Unter „ergänzende Anmerkungen“ ist vermerkt: „Im Rahmen der Kulturpflege werden Mischbaumarten systematisch zu Gunsten von Nadelholz entfernt. Das vorhandene Verjüngungspotential der, vermutlich weitgehend autochthonen, Altbestände wird nicht genutzt.“
EJR … (890 ha, 65 % Waldanteil):
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Das erfolgreiche Aufwachsen der Naturverjüngung ist bei allen genannten Baumarten (Buche, Douglasie, Edellaubbäume, europ. Lärche, Tanne, Fichte, Kiefer und sonst. Laubholz) möglich. Laut Auflistung ist das erfolgreiche Aufwachsen von Pflanzungen bzw. Saaten (Forstkulturen) bei allen genannten Baumarten (Douglasie, Fichte und Europ. Lärche) im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen möglich. Die Verbisssituation wird insgesamt als „tragbar“ bewertet, was formularmäßig beschrieben wird als „Schalenwildverbiss kommt an allen Baumarten vor. Die Wuchsverzögerung der stärker verbissgefährdeten Baumarten ist aber noch tolerierbar. Auch sie entwachsen in angemessener Zahl und Verteilung dem gefährdeten Höhenbereich“ Unter „ergänzende Anmerkungen“ ist vermerkt: „Die Baumartenvielfalt der Altbestände liefert das Potential für gut gemischte Naturverjüngungen überwiegend autochthoner Baumarten. Waldbaulich wichtige Baumarten sind neben Fichte und Douglasie insbesondere Tanne, Buche, Edellaubholz und Eiche. Die Fichte hat aufgrund des Klimawandels mäßige bis kritische Prognosen. Die anderen Baumarten gewinnen deshalb an Bedeutung. Im Jagdrevier sind durch Windwurf und Borkenkäfer in den vergangenen Jahren viele Verjüngungsflächen entstanden, besonders im angegliederten Kleinprivatwald. Bei einer PEFC Kontrolle im angegliederten Stadtwald …, wurde zu hoher Verbiss an der NVJ festgestellt.“
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Unter dem 27.3.2023 erließ das Landratsamt folgenden Bescheid:
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Aufgrund des erheblichen waldbaulichen Interesses an wirksamen Verbesserungen lasse ich daher ausnahmsweise und in stets widerruflicher Weise die Jagd auf Rehwild (Böcke und Schmalrehe) in der Zeit vom 10. bis 30. April 2023 zu.
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Bei der Jagdausübung sind die Grundsätze der Waidgerechtigkeit sorgfältig zu beachten. Insbesondere ist aus wildbiologischen Gründen in den Sommermonaten eine Jagdruhe von mindestens vier Wochen einzuhalten (Intervalljagd).
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Die sofortige Vollziehung dieser Ausnahmegenehmigung (…) wird angeordnet.
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Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt: In allen Revieren der … werde der aufgrund des Klimawandels notwendige Waldumbau großflächig betrieben; die möglichen Maßnahmen zum Schutz vor Verbiss und Fegeschäden würden bereits ausgeschöpft. Durch Sturmschäden und Käferbefall seien auf ganzer Fläche Schadflächen entstanden, die mit klimatoleranten Mischbaumarten wieder aufgeforstet worden seien und würden. Bereits im Spätwinter sei es zu spürbaren Verbissschäden an Douglasien gekommen, die erfahrungsgemäß auch stark fegegefährdet seien. Die Ausdehnung der Schonzeitaufhebung auf die gesamten Eigenjagdflächen sei daher notwendig und verhältnismäßig. Wo in kritischen Bereichen möglich und ausreichend, hätte die … ohnehin Schwerpunktbejagung zugesichert.
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Die Schonzeitverkürzung sei erforderlich, um die teils erheblichen Verbiss- und Fegeschäden in den Forstkulturen durch die Bejagung im Wald vor dem Beginn der Vegetationsperiode zu verringern und die waldbaulichen Maßnahmen der Jagdgenossen im Zusammenhang mit Schadensbewältigung und klimagerechtem Waldumbau zu sichern. Das forstliche Gutachten 2021 stelle fest, dass die Verbissbelastung in weiten Bereichen des Landkreises in der Hauptverbisszone über alle Baumarten hinweg deutlich zu hoch sei und sich gegenüber den Vorjahren wieder leicht verschlechtert habe. Um wirksame Verbesserungen zu erreichen, halte das AELF ein verstärktes jagdliches Engagement – „gerade auch in Ihrem Revier“ – für erforderlich. Der Schutz vor Fegeschäden und der Schutz vor Entmischung durch zu hohen Verbissdruck seien im Hinblick auf die Verjüngungen (Kulturen und Naturverjüngung) geboten. Entsprechende Anforderungen der Waldbesitzer lägen konkret vor. Durch den Klimawandel hätten sich nicht nur die waldbaulichen Rahmenbedingungen verschlechtert (Schädlingsbefall, Hitze- und Trockenschäden). Vielmehr habe sich auch der Beginn der Vegetationsperiode für Land- und Forstwirtschaft zeitlich deutlich vorverlagert. Ziel der Maßnahme sei es somit, die verstärkte und gezielte Jagd im Wald und die schwerpunktmäßige Bejagung der in diesem Zeitraum leicht anzusprechenden Rehböcke und Schmalrehe zu erleichtern. Unabhängig von der Diskussion um die Wirksamkeit von festgelegten Abschusszahlen sollten damit spürbare Verbesserungen für den dringend erforderlichen Waldumbau und die Eigentumsrechte der Waldbesitzer erreicht werden. Der Jagdbeirat, der Kreisjagdberater, das staatliche Veterinäramt und die Untere Naturschutzbehörde hätten der Ausnahmegenehmigung unter Bezugnahme auf diese Feststellungen ausdrücklich zugestimmt, ebenso die Arbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und Eigenjagdbesitzer im BBV. Belange der Waidgerechtigkeit und des Tierschutzes stünden der Vorverlegung nicht entgegen, zumal der frühere Beginn in der bundesweit üblichen Zeitspanne für die Jagd auf Rehwild liege und in den Sommermonaten vom Beigeladenen eine angemessene Jagdruhe zugesichert worden sei.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehung wurde damit begründet, dass diese geeignet und sowohl im überwiegenden Interesse der Beteiligten (Revierinhaber) und der dadurch Begünstigten (Waldbesitzer, Grundeigentümer) als auch im öffentlich Interesse erforderlich sei, um die Umsetzung der angestrebten Bejagungsmöglichkeiten auch im Fall einer Klage zu ermöglichen. Die Revierinhaber/innen würden mit ihren Anträgen auf Schonzeitaufhebung im April seit einigen Jahren verstärkt auf die wachsenden Anforderungen der Waldbesitzer reagieren. Sie wollten sich auf deren berechtigte Belange einlassen, ihre Pflichten aus dem Jagdrecht (Anpassung der Wildbestände unter Beachtung der Hegeverpflichtung) und den Jagdpachtverträgen (Wildschadensvermeidung) erfüllen und ihren Beitrag zu einem gelingenden Waldumbau leisten. Die Schaffung dafür günstiger Rahmenbedingungen durch die Vorverlegung der Jagdzeit in die noch vegetationsarme Zeit sei auch Aufgabe der Unteren Jagdbehörde und diene diesem Zweck. Bei der Abwägung der widerstreitenden Belange überwiege das sofortige Vollzugsinteresse ein eventuelles Rechtsschutzinteresse Dritter deutlich. Wildbiologische Gründe gegen eine Vorverlegung der Jagdzeit auf den 10. April seien nicht erkennbar, zumal die bundesweit geltende Rahmenzeit deutlich länger sei (1.4. bis 31.1.). Im Vergleich zur gesamten Dauer der Jagdzeit auf Rehböcke (5 ½ Monate) und Schmalrehe (8 ½ Monate) falle die Verlängerung der Jagdzeit im Hinblick auf die erforderliche Wildschonung und Ruhezeiten kaum ins Gewicht, zumal der Revierinhaber Jagdruhe im Sommer zugesagt hat. Diese Zeit im April sei besonders bedeutsam und geeignet zur Bejagung des Rehwilds, weil die Vegetation zu dieser Zeit noch nicht weit entwickelt sei und im Wald relativ freie Sicht bestehe, was das Ansprechen des Wildes erheblich erleichtere. Zudem sei die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit auch verhältnismäßig. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel zum Schutze vor Wildschäden sei nicht ersichtlich, da einzelne Maßnahmen, etwa in Form des Verbiss-Schutzes in der Breite, nicht zielführend und mit der gleichen Effektivität angewandt werden könnten, wie die Bejagung im Wald (Schwerpunktbejagung). Dies sei insbesondere auch darauf zurückzuführen, dass der stark erhöhte Verbiss sich nicht nur auf einzelne Baumarten erstrecke, sondern über alle Baumarten hinweg. Aus der Verkehrsunfallstatistik ergebe sich zudem, dass die Zahl der Wildunfälle mit Rehwild im gesamten Landkreis im bayernweiten Vergleich weiterhin überdurchschnittlich hoch sei. Insgesamt komme nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre daher einer Jagdstrategie besondere Bedeutung zu, die sich intensiver an waldbaulichen Erfordernissen orientiere (insb. der Schwerpunktbejagung im Wald). Eine alleinige Steuerung über Abschusszahlen habe sich als nicht wirkungsvoll genug erwiesen.
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Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 18.4.2023 um vorläufigen Rechtsschutz nachsuchen lassen. Auf die ausführliche Begründung dieses Antrags wird Bezug genommen. Eine Klage in der Hauptsache wurde bisher noch nicht erhoben.
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Der Antragsteller beantragt:
Die aufschiebende Wirkung der vom Antragsteller noch zu erhebenden Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Landratsamtes Regensburg vom 27.3.2023 (Gz. S217512/Fk) über die Aufhebung der Schonzeit für Rehwild (Rehböcke und Schmalrehe) vom 10.4. bis 30.4.2023 wird, soweit der Bescheid die Eigenjagdreviere …betrifft, wiederhergestellt.
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Für den Antragsgegner beantragt das Landratsamt,
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Auf die Antragserwiderung vom 20.4.2023 wird Bezug genommen.
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Im Verfahren RO 4 S 23.594 reichte die Antragsgegnerseite am 13.4.2023 auf gerichtliche Anforderung u.a. folgende Unterlagen nach, auf deren Inhalt Bezug genommen wird: Niederschrift über die Sitzung des gemeinsamen Jagdbeirates vom 24.5.2022 zur Abschussplanung für Rehwild für die Jagdjahre 2022-2024, Schreiben der Waldbesitzervereinigung Regensburg Süd an Frau Landrätin … vom 16.3.2023, Schreiben der Waldbesitzervereinigung Schierling w. V. an Frau Landrätin … vom 20.3.2023 sowie Stellungnahme der Unteren Naturschutzbehörde vom 20.3.2023.
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Mit Schreiben vom 20.4.2023 ließ die Beigeladene durch ihren Bevollmächtigten vortragen, dass der Antrag bereits unzulässig sei (wird näher ausgeführt), jedenfalls aber unbegründet. Die Vollziehungsanordnung sei ordnungsgemäß und nachvollziehbar begründet worden. Der streitgegenständliche Bescheid sei auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Die ergänzenden revierweisen Aussagen würde allesamt aus dem Jahr 2021 stammen und hätten damit die für den Erlass der Einzelanordnung vom 27.3.2023 maßgeblichen Entwicklungen auf der Revierebene nicht berücksichtigen können. Zur Glaubhaftmachung wurde eine eidesstattliche Versicherung des Forstbetriebsleiters der Beigeladenen, Herrn …, vom 19.4.2023 vorgelegt, auf deren Inhalt Bezug genommen wurde.
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Für den Sachverhalt und das Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird Bezug genommen auf die elektronisch vorgelegte Behördenakte, die Gerichtsakte im hiesigen Verfahren sowie auf die Akten im beigezogenen Verfahren RO 4 S 23.594.
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Der zulässige (dazu 1.) Antrag hat in der Sache Erfolg (dazu 2.).
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1. Der Antrag ist zulässig.
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1.1 Der Antragsteller ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG antragsbefugt.
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Nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 UmwRG kann eine nach § 3 UmwRG anerkannte inländische oder ausländische Vereinigung, ohne eine Verletzung in eigenen Rechten geltend machen zu müssen, Rechtsbehelfe nach Maßgabe der Verwaltungsgerichtsordnung gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen einlegen, wenn die Vereinigung geltend macht, dass eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen Rechtsvorschriften, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können, widerspricht (Nr. 1) und geltend macht, in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Förderung der Ziele des Umweltschutzes durch die Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 oder deren Unterlassen berührt zu sein (Nr. 2). Nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UmwRG muss die Vereinigung bei Rechtsbehelfen gegen eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2a bis 6 oder gegen deren Unterlassen zudem die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend machen.
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Der Antragsteller ist eine nach § 3 Abs. 1 UmwRG i.V.m. § 63 Abs. 2 BNatSchG im Freistaat Bayern anerkannte, landesweit tätige Naturschutzvereinigung (vgl. Bekanntmachung nach § 3 Abs. 1 Satz 5 UmwRG, abrufbar unter https://www.stmuv.bayern.de/themen/naturschutz/organisation/naturschutzvereinigungen/index.htm?include_matomo=true, zuletzt abgerufen am 12.4.2023).
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Bei der streitgegenständlichen Schonzeitverkürzung handelt es sich um eine Entscheidung nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG.
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Nach dem als weitem Auffangtatbestand (vgl. VG Neustadt/W.straße, B. v. 25.2.2021 – 5 K 384/20.NW, juris Rn. 20) konzipierten § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 UmwRG ist die im Streit stehende Aufhebung der Schonzeit ein Verwaltungsakt, durch den unter Anwendung umweltbezogener Rechtsvorschriften des Bundesrechts, des Landesrechts oder unmittelbar geltender Rechtsakte der Europäischen Union ein anderes als in den Nrn. 1 bis 2b genanntes Vorhaben zugelassen wird. Hierbei kann für die Bestimmung des Vorhabensbegriffs auf die weite Begriffsbestimmung in § 2 Abs. 4 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz (UVPG) zurückgegriffen werden (vgl. BayVGH, U. v. 1.10.2019 – 14 BV 17.1278, juris Rn. 28; Eyermann/Happ, 15. Aufl. 2019, UmwRG § 1 Rn. 19). Vorhaben sind hiernach die Errichtung, der Betrieb und die Änderung von technischen und sonstigen Anlagen sowie die Durchführung und Änderung von sonstigen in Natur und Landschaft eingreifenden Maßnahmen.
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Nach der Legaldefinition des § 1 Abs. 4 UmwRG sind umweltbezogene Rechtsvorschriften Bestimmungen, die sich zum Schutz von Mensch und Umwelt auf den Zustand von Umweltbestandteilen im Sinne von § 2 Abs. 3 Nr. 1 des Umweltinformationsgesetzes (UIG) (Nr. 1) oder Faktoren i.S.v. § 2 Abs. 3 Nr. 2 des UIG (Nr. 2) beziehen. Der Begriff der umweltbezogenen Rechtsvorschriften ist weit zu verstehen. Es genügt, wenn die Bestimmungen wahrscheinlich unmittelbare oder mittelbare Auswirkungen auf die Umwelt haben (vgl. BayVGH, U. v. 1.10.2019 – 14 BV 17.1278, juris Rn. 32). Erfasst sind damit alle Normen, die zumindest auch dazu beitragen, dass gegenwärtige und künftige Generationen in einer ihrer Gesundheit und ihrem Wohlbefinden zuträglichen Umwelt leben können, weiter auch Normen, die – wie § 1 Abs. 7 BauGB – verlangen, dass die Belange des Umweltschutzes gerecht abgewogen werden (Abwägungsgebote) sodass jeder im Rahmen eines Abwägungsvorgangs auch der Umwelt zuzurechnende Belang dessen Umweltbezogenheit insgesamt begründet (Eyermann/Happ, 15. Aufl. 2019, UmwRG § 1 Rn. 31).
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Nach diesen Maßstäben handelt es sich nach Auffassung des Gerichts bei Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG um eine unter § 1 Abs. 4 UmwRG fallende umweltbezogene Rechtsvorschrift. Das Jagdrecht weist in Art. 1 Abs. 2 BayJG zahlreiche Berührungspunkte mit dem Naturschutzrecht auf. So soll das Gesetz u.a. dazu dienen, einen artenreichen und gesunden Wildbestand in einem ausgewogenen Verhältnis zu seinen natürlichen Lebensgrundlagen zu erhalten, die natürlichen Lebensgrundlagen des Wildes zu sichern und zu verbessern und die jagdlichen Interessen mit den sonstigen öffentlichen Belangen, insbesondere mit den Belangen der Landeskultur, des Naturschutzes und der Landschaftspflege auszugleichen (vgl. zu dem entsprechenden § 32 Abs. 1 Satz 3 LJG Rheinland-Pfalz VG Neustadt/W.straße, B. v. 25.2.2021 – 5 K 384/20.NW, juris Rn. 20 m.w.N.). Aufgrund des weiten Verständnisses ist ein Umweltbezug der Vorschrift bereits aufgrund der dargelegten (allgemeinen) Bezugnahmen auf das Naturschutzrecht gegeben. Darüber hinaus ergibt sich der Umweltbezug der streitgegenständlichen Vorschrift auch aus dem Sinn und Zweck der Schonzeiten, denn diese verfolgen den Zweck der Hege des Wildes und sollen die Aufzucht der Jungtiere sicherstellen (vgl. VG München, B. v. 24.1.2012 – M 7 SE 12.166, juris Rn. 17). Dass eine Aufhebung der Schonzeit direkte Auswirkungen auf die Hege des Wildes und die Aufzucht der Jungtiere haben kann, liegt schon in der Natur der Sache begründet.
33
Indem der Antragsteller Bedenken gegen die Schonzeitaufhebung erhoben hat und einen Verstoß gegen Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG rügt, macht er geltend, dass die erteilte Genehmigung Rechtsvorschriften widerspricht, die für die Entscheidung von Bedeutung sein können (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UmwRG). Dabei macht der Antragsteller auch die Verletzung umweltbezogener Rechtsvorschriften geltend (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Schließlich macht der Antragsteller ebenfalls geltend, durch die Schonzeitaufhebung in seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt zu sein (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UmwRG). Zweck des Antragstellers ist nach § 2 seiner Satzung die Förderung eines verantwortungsvollen Umgangs mit den Wildtieren und ihren Lebensräumen, die Förderung des Tierschutzgedankens sowie des Natur- und Umweltschutzes (vgl. Satzung der Aktionsgemeinschaft zum Schutz der Wildtiere und ihrer Lebensräume in Bayern – Wildes Bayern e.V. vom 18.6.2015, abrufbar unter https://www.wildes-bayern.de/wp-content/uploads/2020/08/Satzung_Wildes-Bayern_aktuell.pdf, zuletzt abgerufen am 12.4.2023). Damit ist der erforderliche Kausalzusammenhang zwischen seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich und der mit dem Rechtsbehelf angegriffenen Entscheidung gegeben.
34
1.2 Der Zulässigkeit des Antrags steht auch nicht entgegen, dass noch keine Hauptsacheklage eingelegt worden ist. Für die Zulässigkeit eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO reicht es aus, dass im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung hierüber ein statthafter Hauptsacherechtsbehelf noch eingelegt werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 29.9.2011 – 11 CW 11.1897 – BeckRS 2011, 34081, Rn. 16). Vorliegend beträgt die Klagefrist aufgrund der Tatsache, dass dem Antragsteller keine mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehene Ausfertigung des streitgegenständlichen Bescheides übermittelt worden ist, gemäß § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ein Jahr, weshalb eine Klageerhebung derzeit noch möglich ist.
35
2. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.
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Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) haben Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt allerdings nach § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO dann, wenn die Anordnung kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist oder die Behörde – wie hier im streitgegenständliche Bescheid vom 27.3.2023 – nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders anordnet. In diesen Fällen kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch wiederherstellen.
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Im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO prüft das Gericht, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten in der Hauptsache dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung des Antragstellers auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vollkommen offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
38
Vor dem Hintergrund dieser Maßstäbe hat der Antrag Erfolg. Der angeordnete Sofortvollzug ist zwar in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden (dazu 2.1). Eine summarische Prüfung der erhobenen Klage ergibt aber, dass diese in der Hauptsache voraussichtlich erfolgreich sein wird, sodass ein öffentliches Interesse am Vollzug des angegriffenen Bescheids nicht besteht (dazu 2.2).
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2.1 Die behördliche Sofortvollziehbarkeitsanordnung erweist sich bei summarischer Prüfung als formell rechtmäßig.
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Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen, in denen die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO den Sofortvollzug anordnet, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die schriftliche Begründung soll den Betroffenen in die Lage versetzen, seine Rechte wirksam wahrnehmen und die Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels abschätzen zu können. Außerdem soll die Begründungspflicht der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollzugsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Daraus folgt, dass die Begründung nicht lediglich formelhaft sein darf, sondern die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen darlegen muss, die die Annahme eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses tragen. Auf die inhaltliche Richtigkeit oder Tragfähigkeit der Begründung kommt es für die Frage ihrer formellen Rechtmäßigkeit nicht an (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55).
41
Eine Anordnung des Sofortvollzugs bedarf eines über das Erlassinteresse hinausgehenden besonderen Vollzugsinteresses. Die besonderen Gründe sind dabei allein auf die zeitliche Dimension und damit die Dringlichkeit oder Eilbedürftigkeit der Vollziehung der Handlungs- oder Unterlassungspflicht bezogen (vgl. zum Ganzen: Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022 § 80 Rn. 44).
42
Dies zugrunde gelegt, genügt die Begründung für den Sofortvollzug den formellen Anforderungen aus Sicht der Kammer gerade noch. Im Wesentlichen wird hierzu ausgeführt, dass die Anordnung des Sofortvollzugs geeignet und sowohl im überwiegenden Interesse der Beteiligten (Revierinhaber) und der dadurch Begünstigten (Waldbesitzer, Grundeigentümer) als auch im öffentlichen Interesse erforderlich sei, um die Umsetzung der angestrebten Bejagungsmöglichkeiten auch im Fall einer Klage zu ermöglichen. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass der Bescheid sich naturgemäß am 1. Mai erledigt haben wird, ist die zeitliche Dimension hier ausschlaggebend, um einen Sofortvollzug zu rechtfertigen.
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Im gerichtlichen Verfahren erfolgt im Übrigen keine materielle Überprüfung der Begründung der Behörde nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, sondern es erfolgt eine eigene Interessenabwägung des Gerichts. Die von Antragstellerseite im vorliegenden Verfahren gegen die Begründung des Sofortvollzugs vorgebrachten Argumente betreffen insoweit die materielle Richtigkeit der Begründung und sind deshalb allein im Rahmen der eigenen Interessenabwägung des Gerichts zu berücksichtigen.
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2.2 Eine summarische Prüfung der Hauptsache, wie sie im Eilverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, ergibt, dass der Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg haben wird.
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2.2.1 Die streitgegenständliche Schonzeitaufhebung erweist sich bei summarischer Prüfung voraussichtlich als formell rechtmäßig.
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Nach Art. 49 Abs. 1 Satz 3 und 4 BayJG sind beim Vollzug des Bundesjagdgesetzes und des Bayerischen Jagdgesetzes – soweit wesentliche Belange der Land- und Forstwirtschaft berührt sind – die Ämter für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten und – soweit wesentliche Belange des Naturschutzes oder der Landschaftspflege berührt werden – diejenigen Naturschutzbehörden zu beteiligen, die dem Zuständigkeitsbereich der Jagdbehörde der vergleichbaren Verwaltungsstufe entsprechen.
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Hiernach dürfte im vorliegenden Fall sowohl eine Beteiligung des AELF als auch der Unteren Naturschutzbehörde erforderlich gewesen sein, da nach Auffassung des Gerichts die Erteilung einer Ausnahme von der bundesrechtlichen Jagd- und Schonzeitenregelung nach Art. 33 Abs. 5 Nr. 2 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 Halbsatz 2 BJagdG im konkreten Fall wesentliche Belange des Naturschutzes berühren dürfte (vgl. VG München, B. v. 30.3.2022 – M 7 S 22.1695, BeckRS 2022, 7185 Rn. 30). Denn zum einen handelt es sich hier um die Verkürzung der Schonzeit um fast drei Wochen und damit nicht um einen lediglich unerheblichen Zeitraum. Zum anderen kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Gestattung der Jagd auf Rehböcke und Schmalrehe auch Auswirkungen auf das übrige Rehwild hat, da der Zeitraum zwischen dem 15.1.2023 und dem 1.5.2023, in dem nach § 19 Abs. 1 Nr. 1c Der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Jagdgesetzes (AVBayJG) die Jagd auf sämtliches Rehwild ruht und dieses in dieser Zeit grundsätzlich auch nicht durch jagdliche Handlungen beunruhigt wird, um einen nicht unerheblichen Zeitraum verkürzt wird.
48
Nach den Angaben im Bescheid habe das AELF das waldbauliche Interesse an der zeitlich vorgezogenen Bejagung im streitgegenständlichen Revier bestätigt und unterstütze die Forderungen der Waldbesitzer. Der Jagdbeirat, der Kreisjagdberater, das staatliche Veterinäramt und die Untere Naturschutzbehörde hätten der Ausnahmegenehmigung unter Bezugnahme auf diese Feststellungen ausdrücklich zugestimmt, ebenso die Arbeitsgemeinschaft der Jagdgenossenschaften und die Eigenjagdbesitzer im BBV.
49
Laut einer hausinternen E-Mail der Unteren Naturschutzbehörde vom 20.3.2023 sei die Verkürzung der Schonzeit für das jagdbare Wild vom 1.5. auf den 10.4. weder im Einzelfall noch im Rahmen einer inzwischen verworfenen Allgemeinverfügung aus naturschutzfachlicher Sicht zu beanstanden. Aufgrund dieser umfassenden Formulierung geht das Gericht bei summarischer Prüfung davon aus, dass damit die Untere Naturschutzbehörde auch im hier zu entscheidenden Fall ordnungsgemäß beteiligt wurde.
50
Eine Stellungnahme des AELF ist den vorgelegten Akten nicht zu entnehmen und wurde auch auf ausdrückliche Nachforderung bis dato nicht vorgelegt. Insoweit wird im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob das AELF tatsächlich – wie in den Bescheidsgründen angegeben – in Bezug auf den hier streitgegenständlichen Bescheid ordnungsgemäß beteiligt wurde.
51
2.2.2 Nach summarischer Prüfung erweist sich der streitgegenständliche Bescheid jedenfalls als materiell rechtswidrig.
52
Gemäß Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG kann die Jagdbehörde durch Einzelanordnung für bestimmte Gebiete oder für einzelne Jagdreviere aus besonderen Gründen, insbesondere aus Gründen der Wildseuchenbekämpfung und Landeskultur, zur Beseitigung kranken und kümmernden Wildes, zur Vermeidung von übermäßigen Wildschäden, zu wissenschaftlichen Zwecken, Lehr- und Forschungszwecken, bei Störung des biologischen Gleichgewichts oder der Wildhege die Schonzeiten aufheben.
53
Nach der Vorgabe des § 19 Abs. 1 Nr. 1c AVBayJG, der insoweit der Bestimmung des § 1 Abs. 1 Nr. 3 der Verordnung über die Jagdzeiten vom 2. April 1977 (BGBl. I S. 531) entspricht, unterliegen Schmalrehe vom 1.5. bis 31.1. und Rehböcke vom 1.5. bis 15.10. der Jagd. Außerhalb der Jagdzeiten ist Wild gemäß § 22 Abs. 1 Satz 2 BJagdG mit der Jagd zu verschonen (Schonzeiten). Schonzeiten verfolgen den Zweck der Hege des Wildes und sollen die Aufzucht der Jungtiere sichern (vgl. OVG SH, U. v. 22.5.2017 – 4 KN 11/15 – juris Rn. 51; VG Ansbach, B. v. 30.4.1998 – AN 15 E 98.00625 – juris Rn. 15).
54
Wie sich bereits aus dem Wortlaut des Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG ergibt, können die Schonzeiten nur aus besonderen Gründen, die den Regelbeispielen in der genannten Norm entsprechen, aufgehoben werden. Als Ausnahmebestimmung ist § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG bzw. Art. 33 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 Nr. 1 BayJG wohl eng auszulegen (vgl. OVG NW, U. v. 30.3.2015 – 16 A 1610/13 – NuR 2015, 580 = juris Rn. 65, 67; VG Ansbach, B. v. 30.4.1998 – AN 15 E 98.00625 – juris Rn. 15; VG München, B. v. 24.1.2012 – M 7 SE 12.166 – juris Rn. 17). Jedenfalls aber ist Voraussetzung, dass die Ausweitung der Jagdzeiten unter Berücksichtigung der gegebenen Umstände vernünftigerweise geboten ist und die besonderen Gründe höheres Gewicht haben als die Gründe für die allgemeine (regelmäßig dem Schutz von Brut- und Setzzeit dienende) Schonzeitregelung (vgl. VG München, B. v. 20.1.2023 – M 7 E 23.132 – BeckRs 2023, 1086, beck-online; BayVGH, U. v. 11.12.2017 – 19 N 14.1022, juris Rn. 96 und U. v. 13.2.2019 – 19 N 15.420, juris Rn. 108).
55
Wildschäden kommt jedenfalls das Gewicht eines besonderen Grundes nur zu, wenn „übermäßige Wildschäden“, d.h. das übliche Maß in erheblichem Umfang übersteigende Wildschäden zu befürchten sind und diese nur durch Aufhebung der Schonzeit vermieden werden können (vgl. VG München, B. v. 20.1.2023 – M 7 E 23.132 – BeckRs 2023, 1086, beck-online; Leonhardt in Leonhardt/Pießkalla, Jagdrecht, Stand: 97. Erg.lief. Aug. 2021, zu § 22 BJagdG, Nr. 4.2.4 m.w.N.). Das Kriterium der Vermeidung von übermäßigen Wildschäden ist nicht schon allein dann erfüllt, wenn wegen mangelnder Abschussplanerfüllung beim Rehwild sich die Verbisssituation (wesentlich) zu verschlechtern droht, vielmehr muss die Aufhebung der Schonzeit darüber hinaus noch durch andere jagdliche und forstliche Aspekte im Gebiet (Jagdbezirk) geboten sein, was in jedem Einzelfall besonders geprüft und bewertet werden muss. Eine unvollständige Abschussplanerfüllung kann aber Anlass sein, dass die Jagdbehörde prüft, ob die geforderten gesetzlichen Voraussetzungen, mithin also „besondere Gründe“ vorliegen. Dies könnte beispielsweise dann der Fall sein, wenn in einem Jagdbezirk nach dem letzten Verbissgutachten zu hohe oder deutlich zu hohe Verbissbelastungen festgestellt worden sind und der Jagdbezirk von Borkenkäferschäden betroffen ist (vgl. Leonhardt, a.a.O. zu § 22 BJagdG, Nr. 4.2.4). Von einem übermäßigen Wildschaden ist damit dann auszugehen, wenn er das übliche Maß von durch Wild verursachten Schäden erheblich und in einem Umfang übersteigt, dessen Hinnahme dem Geschädigten nicht mehr zuzumuten ist (vgl. VG München, B. v. 20.1.2023 – M 7 E 23.132 – BeckRS 2023, 1086, beck-online; OVG NW, U. v. 30.3.2015 – 16 A 1610/13 – juris).
56
Dies zugrunde gelegt liegen nach summarischer Prüfung die Voraussetzungen für die Aufhebung der Schonzeit im Zeitraum 10. bis 30.4.2023 nicht vor.
57
Der streitgegenständliche Bescheid regelt eine Schonzeitverkürzung für die EJR …, wobei letzteres nicht streitgegenständlich ist. Allgemein wird die Schonzeitverkürzung damit begründet, dass diese erforderlich sei, um die teils erheblichen Verbiss- und Fegeschäden in den Forstkulturen durch die Bejagung im Wald vor Beginn der Vegetationsperiode zu verringern und die waldbaulichen Maßnahmen der Jagdgenossen im Zusammenhang mit Schadensbewältigung und klimagerechtem Waldumbau zu sichern. Weiter wird Bezug genommen auf das Forstliche Gutachten 2021, wonach die Verbissbelastung in weiten Bereichen des Landkreises in der Hauptverbisszone über alle Baumarten hinweg deutlich zu hoch sei und sich gegenüber den Vorjahren wieder verschlechtert habe. Ein verstärktes jagdliches Engagement werde vom AELF auch im streitgegenständlichen Revier für erforderlich gehalten.
58
Unabhängig davon, dass in den vorgelegten Akten eine entsprechende Stellungnahme des AELF bezüglich des hier betroffenen Reviers nicht enthalten ist, bestehen nach Aktenlage und anhand der im Rahmen des Eilrechtsschutzverfahrens zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel aus Sicht der Kammer erhebliche Zweifel daran, dass die notwendigen Tatbestandsvoraussetzungen für eine Verkürzung der Schonzeit in den betreffenden Eigenjagdrevieren vorliegen.
59
Wie oben dargestellt, kommt Wildschäden das Gewicht eines besonderen Grundes im Sinne des Art. 33 Abs. 3 Nr. 1 BayJG, § 22 Abs. 1 Satz 3 BJagdG nur zu, wenn übermäßige Wildschäden zu befürchten sind und diese durch die Verkürzung der Schonzeit vermieden werden können.
60
Vorliegend wurde schon nicht ausreichend – bezogen auf die Situation in den einzelnen Revieren bzw. Revierteilen – dargelegt, dass tatsächlich übermäßige – durch Rehwild – verursachte Verbissschäden vorliegen.
61
Der streitgegenständliche Bescheid regelt mit einer einzigen Begründung vier große Einzeljagdreviere, von denen allein die hier streitgegenständlichen drei Reviere mehr als 6.000 ha Fläche umfassen. Zur Begründung der Schonzeitaufhebung wird ausgeführt, dass in allen Revieren dem … der aufgrund des Klimawandels notwendige Waldumbau großflächig betrieben werde und die möglichen Maßnahmen zum Schutz vor Verbiss und Fegeschäden bereits ausgeschöpft würden. Durch Sturmschäden und Käferbefall seien auf ganzer Fläche Schadflächen entstanden, die mit klimatoleranten Mischbaumarten wieder aufgeforstet worden seien und würden. Bereits im Spätwinter sei es zu spürbaren Verbissschäden an Douglasien gekommen, die erfahrungsgemäß auch stark fegegefährdet seien. Die Ausdehnung der Schonzeitaufhebung auf die gesamten Eigenjagdflächen sei daher notwendig und verhältnismäßig.
62
Dem kann sich das Gericht bei summarischer Prüfung anhand der Aktenlage nicht anschließen.
63
Den – dem Gericht vorliegenden – ergänzenden revierweisen Aussagen, die als Teil des Forstlichen Gutachtens eine objektive und hinreichend umfassende Ermittlung der Schadenssituation bieten (vgl. BayVGH, U. v. 19.5.1998 – 19 B 95.3738 – juris), lässt sich eine flächendeckend gleiche Situation für die hier streitgegenständlichen Reviere gerade nicht entnehmen, so dass sich der Bescheid allein schon aus diesem Grund als fehlerhaft und nicht nachvollziehbar erweist.
64
Im EJR Donaustauf wird die Verbisssituation insgesamt als „tragbar“ bewertet, was formularmäßig beschrieben wird als „Schalenwildverbiss kommt an allen Baumarten vor. Die Wuchsverzögerung der stärker verbissgefährdeten Baumarten ist aber noch tolerierbar. Auch sie entwachsen in angemessener Zahl und Verteilung dem gefährdetem Höhenbereich.“ Alle Baumarten in dem Revier mit Ausnahme der Eiche können sowohl natürlich als auch in Aufforstungen im Wesentlichen dem Verbiss entwachsen. In der Anmerkung heißt es hierzu: „Es sind Verjüngungsflächen vorhanden, die fast ohne Schalenwildeinfluss aufwachsen, allerdings gibt es auch Bereiche, in denen deutlicher Verbiss sowohl an verbissgefährdeten als auch ungefährdeten Baumarten zu spüren ist.“
65
Allein das Revier Donaustauf, das eine Größe von 2.000 ha umfasst, stellt sich damit uneinheitlich dar. Nachdem es sowohl Bereiche umfasst, die praktisch kein Verbissproblem aufweisen als auch solche, in denen deutliche Bissspuren zu verzeichnen sind, hätte sich das Landratsamt aus Sicht des Gerichts allein schon bei diesem Jagdrevier damit auseinandersetzen müssen, ob die Voraussetzungen für eine Schonzeitverkürzung überhaupt im ganzen Revier vorliegen, oder verschiedene Bereiche dieses Jagdreviers ggf. getrennt betrachtet werden müssen.
66
Die Verbisssituation im EJR … wird ebenfalls als „tragbar“ bewertet. Alle angeführten Baumarten können im Wesentlichen ohne Schutz aufwachsen, sei es im Rahmen der natürlichen Verjüngung oder durch Aufforstungen. Zu diesen formularmäßigen Angaben wird lediglich ergänzt: „Im Rahmen der Kulturpflege werden Mischbaumarten systematisch zu Gunsten von Nadelholz entfernt. Das vorhandene Verjüngungspotential der, vermutlich weitgehend autochthonen, Altbestände wird nicht genutzt.“
67
In Bezug auf dieses Jagdrevier hegt das Gericht schon von vornherein Zweifel am Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für eine Schonzeitaufhebung. Weder aus der ergänzenden revierweisen Aussage noch aus den Bescheidsgründen lassen sich Gründe dafür entnehmen, dass hier ein übermäßiger Wildschaden im oben dargestellten Sinne vorliegen würde.
68
Auch im EJR … wird die Verbisssituation insgesamt als „tragbar“ bewertet. Das erfolgreiche Aufwachsen sowohl der Naturverjüngung als auch der Forstkulturen bei allen genannten Baumarten ist im Wesentlichen ohne Schutzmaßnahmen möglich. Ergänzend heißt es: „Die Baumartenvielfalt der Altbestände liefert das Potential für gut gemischte Naturverjüngungen überwiegend autochthoner Baumarten. Waldbaulich wichtige Baumarten sind neben Fichte und Douglasie insbesondere Tanne, Buche, Edellaubholz und Eiche. Die Fichte hat aufgrund des Klimawandels mäßige bis kritische Prognosen. Die anderen Baumarten gewinnen deshalb an Bedeutung. Im Jagdrevier sind durch Windwurf und Borkenkäfer in den vergangenen Jahren viele Verjüngungsflächen entstanden, besonders im angegliederten Kleinprivatwald. Bei einer PEFC Kontrolle im angegliederten Stadtwald … wurde zu hoher Verbiss an der NVJ (Anm: Naturverjüngung) festgestellt.“
69
Auf die in dieser Anmerkung zum EJR angeführten Probleme mit Windwurf und Borkenkäfer bezieht sich wohl auch die in den Bescheidsgründen angeführte Feststellung, dass die möglichen Maßnahmen zum Schutz vor Verbiss und Fegeschäden in den Aufforstungsflächen bereits ausgeschöpft worden seien und es bei großflächigen Aufforstungsflächen bereits im Spätwinter zu spürbaren Verbissschäden an Douglasien gekommen sei, die erfahrungsgemäß auch stark fegegefährdet seien.
70
Dass sich die genannten Probleme mit dem Verbiss auf die gesamten hier streitgegenständlichen Reviere beziehen würden, lässt sich anhand der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorgelegten Unterlagen gerade nicht belegen.
71
Soweit sich das Landratsamt in einer E-Mail an den Antragstellervertreter darauf beruft, dass es sich weniger auf die ergänzenden revierwiesen Aussagen (die schon aus dem Jahr 2021 stammten) und mehr auf die ihm bekannten aktuellen Probleme gestützt hätte, ist anzumerken, dass die fundierte und nachvollziehbare Darlegung aktueller Probleme mit Verbiss für konkrete Bereiche selbstverständlich zu einer von der ergänzenden revierweisen Aussage abweichenden Beurteilung der Situation führen kann. Eine solche aktuelle Situation muss auch nicht zwingend auf ein einzelnes Jagdrevier heruntergebrochen sein. Je nach den Gegebenheiten vor Ort kann es notwendig sein, ein (dann wohl eher großes) Revier in einzelne Abschnitte zu unterteilen oder aber auch mehrere Reviere zusammenhängend zu betrachten. Voraussetzung ist aber in jedem Fall eine konkrete, nachvollziehbar dokumentierte Feststellung der für die Einschätzung der Frage des übermäßigen Verbisses relevanten Tatsachen und Umstände, die eine dann getroffene Entscheidung nicht nur im Hinblick auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen sondern auch auf die das Ermessen tragenden Erwägungen nachvollziehbar macht. Dabei ist für die Nachvollziehbarkeit unabdingbar, dass die individuellen Voraussetzungen und Gegebenheiten eines jeden Reviers bzw. Revierteils, für das ein übermäßiger Verbiss geltend gemacht wird, dargestellt werden. Diesen Anforderungen genügt auch die Begründung im Antragsschreiben der Beigeladenen vom 15.3.2023 nicht.
72
Berücksichtigt man zudem, dass in dem vierten – hier nicht streitgegenständlichen – Revier Thiergarten, für das mit dem gleichen Bescheid die Schonzeitverkürzung gewährt wurde, die Verbisssituation als „zu hoch“ eingestuft wird, kann die im streitgegenständlichen Bescheid pauschal getroffene Feststellung, dass die Ausdehnung der Schonzeitaufhebung auf die gesamten Eigenjagdflächen notwendig sei, bereits aufgrund der unterschiedlichen Einschätzungen zur Verbisssituation in den einzelnen Revieren keinen Bestand haben.
73
Mit den von der Beigeladen im Rahmen der Antragstellung vorgetragenen Umständen – die schon nicht den Anforderungen an eine differenzierte Auseinandersetzung mit den einzelnen Revieren bzw. Revierteilen genügen (s. oben) – setzt sich der streitgegenständliche Bescheid aber auch im Rahmen der Ermessenserwägung nicht hinreichend auseinander. Insbesondere wäre z.B. zu bewerten gewesen, auf welchen Bereich der vier streitgegenständliche Reviere (Gesamtfläche: 7.377 ha) sich die Aussage bezieht, dass sich die Verbissbelastung auf über 3.200 ha verschlechtert hätte. Ob die gegebene Begründung sowohl in tatsächlicher als auch in fachlicher Hinsicht eine tragfähige Grundlage für die Schonzeitverkürzung – und wenn ja, in welchem räumlichen und zeitlichen Umfang – sein kann, ergibt sich aus dem Bescheid nicht.
74
Weiter wurde mit eidesstattlicher Versicherung des Forstbetriebsleiters der Beigeladenen vom 19.4.2023 zwar umfassend dazu vorgetragen, in welcher Weise sich die Verbisssituation in den streitgegenständlichen Revieren seit dem Jahr 2021 (Zeitpunkt der Aufnahme der Waldsituation, die den ergänzenden revierweisen Aussagen zugrunde liegt) verändert bzw. verschlechtert habe und aus welchen weiteren Gründen eine Schonzeitaufhebung notwendig sei. Dies kann vom Gericht aber allein schon aus dem Grund nicht berücksichtigt werden, weil sich aus dem streitgegenständlichen Bescheid und auch sonst aus den dem Gericht vorliegenden Akten nicht ergibt, ob diese Umstände als abwägungserhebliche Tatsachen in die – von der Behörde zu treffende – Ermessensentscheidung mit eingestellt wurden. Insofern wird auch darauf verwiesen, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussichten der Hauptsache bei Anfechtungsklagen – wie hier – grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist.
75
Nach allem war dem Antrag daher stattzugeben.
76
3. Rechtsgrundlage der gerichtlichen Kostenentscheidung ist § 154 Abs. 1 VwGO. Der Beigeladenen konnten keine Kosten auferlegt werden, weil sie keine Anträge gestellt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO). Umgekehrt entsprach es nicht der Billigkeit, dem Antragsgegner die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO).
77
4. Rechtsgrundlage der Streitwertfestsetzung sind § 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG), § 52 Abs. 1 und 2 GKG. Der Antragsteller begehrt mit seinem Antrag die Vorwegnahme der Hauptsache, weshalb das Gericht von einer Reduzierung des Streitwerts nach Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit abgesehen hat.