Titel:
Kostenfestsetzungsverfahren – Erstattungsfähigkeit der vom Haftpflichtversicherer für den Versicherungsnehmer getragenen Kosten
Normenketten:
VwGO § 86 Abs. 1, § 151 S. 1, § 162 Abs. 1, § 165
GG Art. 103 Abs. 1
RVG VV Nr. 1008 Abs. 3
Leitsätze:
1. Dem Schuldner eines Kostenfestsetzungsbeschlusses ist grundsätzlich vor Erlass des Beschlusses durch schriftliche oder mündliche Anhörung rechtliches Gehör zu gewähren. Eine Ausnahme kommt nur in ganz einfach gelagerten Fällen, in denen das Ergebnis feststeht, in Betracht. Der Mangel des rechtlichen Gehörs kann im Erinnerungsverfahren geheilt worden. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. In Nr. 1008 Abs. 3 VV RVG ist bestimmt, dass mehrere Erhöhungen einen Gebührensatz von 2,0 nicht übersteigen dürfen. Hieraus folgt jedoch nicht, dass bei mehreren Auftraggebern der Gebührensatz für die Verfahrensgebühr insgesamt lediglich 2,0 betragen darf. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Kosten für ein im Verwaltungsprozess vorgelegtes Privatgutachten oder die Beiziehung eines privaten Sachverständigen sind nur ausnahmsweise erstattungsfähig, da in Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes des § 86 Abs. 1 VwGO der Sachverhalt grundsätzlich vom Gericht von Amts wegen zu erforschen ist. Die Einholung eines Privatgutachtens ist ausnahmsweise nur dann als notwendig anzuerkennen‚ wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde ihr Begehren tragende Behauptungen nur mit Hilfe eines Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Dies bestimmt sich danach, wie ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Weise seine Interessen wahrgenommen hätte. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
4. Grundsätzlich sind auch die vom Haftpflichtversicherer für den Versicherungsnehmer als Partei des Rechtsstreits getragenen Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähig. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss, fehlende Anhörung, Gebührenerhöhung bei mehreren Auftraggebern, Kosten für privaten Sachverständigen einer Partei, Beauftragung durch die Haftpflichtversicherung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 14289
Tenor
I. Die Erinnerung wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat die Antragstellerin zu tragen.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich gegen den zugunsten der Antragsgegner erlassenen Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 7. Juli 2022.
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Am 29. November 2021 belieferte die Antragstellerin, ein Mineralölhandelsunternehmen, die Antragsgegner mit Heizöl. Bei der Befüllung kam es wegen der defekten Innenhülle des unterirdisch gelegenen Tanks zum Austritt von Heizöl, das im Erdreich versickerte. Für die Abwicklung des Schadenfalls beauftragte die Haftpflichtversicherung der Antragstellerin einen Sachverständigen nach § 22 der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und über Fachbetriebe (AwSV), der in seinem Gutachten vom 3. Dezember 2021 zu dem Ergebnis kam, dass der Heizöltank der Antragsgegner erhebliche Mängel aufwies, die für den Ölschaden ursächlich gewesen seien. Die Pflichtverletzung des Tankwagenfahrers der Antragstellerin sei demgegenüber für die Unfallentstehung nicht relevant.
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Mit Bescheid der Stadt ... vom 13. Dezember 2021 wurde die Antragstellerin dennoch verpflichtet, zur Vorbereitung einer bodenschutzrechtlichen Detailuntersuchung des Heizölschadens auf dem Grundstück der Antragsgegner ein Untersuchungskonzept für die Vornahme von Untersuchungen bezüglich des durch das ausgetretene Heizöl entstandenen Gefährdungspotentials erstellen zu lassen. Der Bescheid wurde bezüglich der Handlungspflichten der Antragstellerin für sofort vollziehbar erklärt.
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Gegen diesen Bescheid erhob die Antragstellerin am 11. Januar 2022 Klage (Au 9 K 22.62) und stellte zugleich einen Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (Au 9 S 22.64). Mit Beschluss vom 27. Januar 2022 stellte das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage wieder her bzw. ordnete die aufschiebende Wirkung an. Grundlage dieser Entscheidung war insbesondere die Einschätzung des von der Antragstellerin beauftragten Sachverständigen.
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Gegen den Beschluss vom 27. Januar 2022 legten sowohl die Stadt ... als auch die Antragsgegner beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof Beschwerde ein (Az. 24 CS 22.390). Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens legten die Antragsgegner ihrerseits eine gutachterliche Stellungnahme vom 29. März 2022 eines von ihrer Haftpflichtversicherung beauftragten Sachverständigen vor, der zu dem Ergebnis kam, dass der Fahrer der Antragstellerin gegen eine Grundregel des Handbuchs für Tankwagenfahrer verstoßen habe. Dieser Einschätzung widersprach die Antragstellerin und trug im Wesentlichen vor, dass der von den Antragsgegnern eingeschaltete Gutachter die Anforderungen an den Tankwagenfahrer deutlich überspannen würde. Das Gutachten würde noch weitere Mängel der Tankanlage aufzeigen. Auf die von der Antragstellerin vorgetragenen Einwände legten die Antragsgegner eine ergänzende gutachterliche Stellungnahme des von ihnen eingeschalteten Gutachters vom 30. April 2022 vor, in der ausgeführt wird, dass sich der Tankwagenfahrer in mehrfacher Hinsicht fehlverhalten habe.
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Mit Beschluss vom 2. Juni 2022 hob der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 27. Januar 2022 auf, lehnte den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 13. Dezember 2021 ab und legte der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen auf. Zur Begründung der Verantwortlichkeit der Antragstellerin wird unter anderem auf die Ausführungen des von der Versicherung der Antragsgegner eingeschalteten Sachverständigen Bezug genommen.
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Als Reaktion auf die Beschwerdeentscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nahm die Antragstellerin die Klage gegen den Bescheid vom 13. Dezember 2021 zurück. Das Klageverfahren (Au 9 K 22.62) wurde mit Beschluss vom 18. Juli 2022 eingestellt.
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Mit Schreiben vom 22. Juni 2022 beantragte der Bevollmächtigte der Antragsgegner im Verfahren Au 9 S 22.64 die im einzelnen aufgeführten Kosten gemäß § 104 ZPO festzusetzen und ab Antragseingang mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz (§ 247 BGB) zu verzinsen. Dem Antrag wurde ein Gegenstandswert in Höhe von 2.500,00 EUR zugrundegelegt und nach § 13 RVG, Nr. 3100 VV RVG eine Verfahrensgebühr von 2,5 in Höhe von 555,00 EUR geltend gemacht. Die Verfahrensgebühr von 2,5 wurde unter Berücksichtigung einer Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV RVG um 0,9 wegen vier Auftraggebern errechnet. Weiterhin wurde nach Nr. 7002 VV RVG eine Pauschale für Post und Telekommunikation in Höhe von 20,00 EUR zuzüglich der Mehrwertsteuer in Höhe von 19% (Nr. 7008 VV RVG) geltend gemacht. Ebenfalls zu erstatten seien die Rechnungen des hinzugezogenen Gutachters Dr.... vom 26. März 2022 in Höhe von 2.320,50 EUR und vom 12. Mai 2022 in Höhe von 1.392,30 EUR. Hieraus errechne sich ein Gesamtbetrag von 4.397,05 EUR. Die jeweiligen Rechnungen waren dem Antrag beigefügt. Die Rechnungen waren auf den Haftpflichtversicherer der Antragsteller ausgestellt.
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Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7. Juli 2022 setzte die Urkundsbeamtin des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg die von der Antragstellerin zu erstattenden Aufwendungen antragsgemäß auf 4.397,05 EUR fest (Nr. 1 des Beschlusses). Der Betrag ist ab dem 20. Juni 2022 mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen (Nr. 2 des Beschlusses). In der Begründung wird ausgeführt, auf eine vorherige Anhörung der Gegenseite habe verzichtet werden können, weil die beantragten Kosten dem Grunde und der Höhe nach offensichtlich den gesetzlichen Vorschriften entsprechen würden. Die Kosten für das AwSV-Gutachten (Rechnung vom 26. März 2022 über 2.320,50 EUR) und der gutachterlichen Erwiderung (Rechnung vom 12. Mai 2022 über 1.392,30 EUR) seien in voller Höhe erstattungsfähig, da sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig gewesen seien. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei zwar im Hinblick auf den im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 VwGO) nur ausnahmsweise als notwendig anzuerkennen, ein Ausnahmefall könne jedoch dann vorliegen, wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde die ihr Begehren tragenden Behauptungen nur mithilfe eines eingeholten Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen könne. Nachdem das Gericht keinen entsprechenden Beweisbeschluss erlassen hatte und die zweite Instanz angerufen worden sei, habe für die Antragsgegner eine prozessuale Notlage bestanden, da ihnen Stellungnahmen abverlangt worden seien, die nur von entsprechenden Fachstellen aufgeklärt werden könnten. Aus dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 2. Juni 2022 sei ersichtlich, dass die Gutachten zu der Entscheidung im Beschwerdeverfahren beigetragen und das Verfahren maßgeblich gefördert haben.
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Am 20. Juli 2022 beantragte der Bevollmächtigte der Antragstellerin die Entscheidung des Gerichts.
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Zur Begründung des Antrags wird die Verletzung rechtlichen Gehörs gerügt, da der Kostenfestsetzungsbeschluss ohne vorige Gelegenheit zur Stellungnahme der Antragstellerin erlassen worden sei. Entgegen der Auffassung der Urkundsbeamtin entsprächen die beantragten Gebühren gerade nicht den gesetzlichen Vorschriften. Auch liege keine Nichtabhilfeentscheidung vor, weil die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts nur floskelhafte Formulierungen gebraucht habe. Die Erhöhung der Verfahrensgebühr auf 2,5 sei nicht gerechtfertigt, da in Nr. 1008 VV RVG Abs. 3 ausdrücklich geregelt sei, dass mehrere Erhöhungen den Gesamtgebührensatz von 2,0 nicht übersteigen dürften. Ebenfalls nicht erstattungsfähig seien die beiden Rechnungen vom 26. März 2022 und 12. Mai 2022 des von den Antragsgegnern beigezogenen Sachverständigen. Beide Rechnungen seien an den Versicherer der Antragsgegner gerichtet gewesen und seien nicht von den Antragsgegnern beglichen worden. Der Sachverständige sei im eigenen Interesse der Versicherung im Rahmen der Bearbeitung des dort gemeldeten Schadenfalls beauftragt worden. Die Antragsgegner hätten sich dieses Gutachten zwar zu eigen gemacht, es handele sich jedoch nicht ansatzweise um, den Antragsgegnern entstandene Kosten, die im Kostenfestsetzungsantrag berücksichtigt werden könnten.
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Die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts half der Beschwerde nicht ab und legte den Antrag der Kammer mit der Bitte um Entscheidung vor.
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Die Antragsgegner beantragen,
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den Antrag der Antragstellerin abzulehnen
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und beziehen sich auf die in dem Kostenfestsetzungsbeschluss gemachten Ausführungen.
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Auf Nachfrage des Gerichts hinsichtlich der Inhaberschaft des Erstattungsanspruchs bezüglich der Kosten des von der Versicherung der Antragsgegner beauftragten Sachverständigen teilte der Bevollmächtigte der Antragsgegner mit, dass es sich aus seiner Sicht im vorliegenden Fall nicht um einen Forderungsübergang im Rahmen des § 86 VVG, sondern um die Abwehr von Schadenersatzansprüchen im Auftrag und namens der Versicherungsnehmer handele. Insoweit werde auf Nr. 5.2 der für die Antragsgegner maßgeblichen Allgemeinen Haftpflichtbedingungen verwiesen.
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Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte (auch im Verfahren Au 9 S 22.64) Bezug genommen.
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Gegenstand der Erinnerung ist der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin des Gerichts vom 7. Juli 2022. Gemäß § 164 VwGO setzt der Urkundsbeamte bzw. die Urkundsbeamtin des Gerichts des ersten Rechtszugs auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Kosten fest. Statthafter Rechtsbehelf hiergegen ist der Antrag auf Entscheidung des Gerichts (sogenannte Erinnerung) gemäß § 165 VwGO i.V.m. § 151 Satz 1 VwGO.
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Über diesen Antrag auf gerichtliche Entscheidung entscheidet die Kammer, da hierüber in der Besetzung des Gerichts zu entscheiden ist, in der die zugrundeliegende Kostenentscheidung getroffen wurde (vgl. BayVGH, B.v. 19.1.2007 – 24 C 06.2426 – juris Rn. 18). Da die Kostengrundentscheidung durch den Senat des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs im Beschluss vom 2. Juni 2022 (24 CS 22.390) getroffen worden ist, hat über die Kostenerinnerung in funktioneller Zuständigkeit die Kammer zu entscheiden.
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Die fristgerecht erhobene Erinnerung ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der Kostenfestsetzungsbeschluss ist nicht wegen der vor Erlass des Beschlusses unterlassenen Anhörung der Antragstellerin rechtsfehlerhaft.
22
Dem Schuldner eines Kostenfestsetzungsbeschlusses ist grundsätzlich vor Erlass des Beschlusses durch schriftliche oder mündliche Anhörung rechtliches Gehör zu gewähren. Eine Ausnahme kommt nur in ganz einfach gelagerten Fällen, in denen das Ergebnis feststeht, in Betracht. Der Mangel des rechtlichen Gehörs ist jedoch im Zusammenhang mit dem Erinnerungsverfahren geheilt worden. Denn es ist anerkannt, dass ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG im Rechtsmittelverfahren geheilt werden kann, wenn das rechtliche Gehör im Rechtsmittelzug gewährt wird und das Rechtsmittelgericht in der Lage ist, das Vorbringen zu berücksichtigen (BVerfG, B.v. 14.12.1982 – 2 BvR 434/82 – juris Rn. 20; OLG Düsseldorf, B.v. 26.4.2011 – I-24 W 29/11 – juris Rn. 7). Die Nachholung des rechtlichen Gehörs entspricht auch rechtsstaatlichen Grundsätzen, wie der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Anhörungsrüge nach § 321 a ZPO zu entnehmen ist (BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 188/09 – juris Rn. 16).
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Das Fehlen des rechtlichen Gehörs wurde somit dadurch geheilt, dass die Antragstellerin ihre Einwände im Rahmen des Erinnerungsverfahrens vorbringen konnte und die Urkundsbeamtin die Einwände im Rahmen der Abhilfe-/bzw. Nichtabhilfeentscheidung (§ 165 Satz 2, § 151 Satz 3, § 148 Abs. 2 VwGO) berücksichtigt hat.
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2. Auch der Einwand, es liege keine Nichtabhilfeentscheidung vor, weil die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts nur floskelhafte Formulierungen gebraucht hat, greift nicht durch. In § 148 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 151 Satz 3 VwGO werden keine besonderen Anforderungen an die Abhilfeentscheidung gestellt. Es ist ausreichend, wenn erkennbar ist, dass sich die Urkundsbeamtin mit den Einwendungen der Antragstellerin auseinandergesetzt hat. Dies ist ausweislich des Vorlageschreibens der Urkundsbeamtin vom 25. Juli 2022 an die zur Entscheidung berufene Kammer geschehen.
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3. Die vom Bevollmächtigten der Antragsgegner beantragte Verfahrensgebühr von 2,5 wurde unter Berücksichtigung einer Gebührenerhöhung um 0,9 nach Nr. 1008 VV RVG im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7. Juli 2022 zu Recht als erstattungsfähig anerkannt.
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a) Unschädlich ist insoweit, dass der Bevollmächtigte der Antragsgegner bezüglich der Verfahrensgebühr fälschlicherweise die Gebührenziffer Nr. 3100 VV RVG (1,3 Gebühr) benannt hat. Da der Bevollmächtigte der Antragsgegner erst in der zweiten Instanz beauftragt worden war, ist die Gebührenziffer Nr. 3200 VV RVG (1,6 Gebühr) einschlägig. Allerdings wirkte sich dieser Fehler im Ergebnis nicht aus, da unter Berücksichtigung der zutreffend angegebenen Erhöhung von 0,9 wegen der Vertretung von drei weiteren Auftraggebern (Nr. 1008 VV RVG) die beantragte Gebühr von 2,5 zutreffend ist. In Nr. 1008 VV RVG ist bestimmt, dass sich für den Fall, dass Auftraggeber in derselben Angelegenheit mehrere Personen sind, die Verfahrens- oder Geschäftsgebühr für jede weitere Person um 0,3 erhöht, sodass unter Berücksichtigung der Gebührenziffer Nr. 3200 (1,6 Verfahrensgebühr) eine Erhöhung von insgesamt 0,9 vorzunehmen ist. Bei der Addition von 1,6 (Nr. 3200 VV RVG) mit der Gebührenerhöhung von 0,9 (Nr. 1008 VV RVG) ergibt sich die vom Bevollmächtigten zutreffend beantragte Verfahrensgebühr von 2,5.
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b) Die geltend gemachte Verfahrensgebühr von 2,5 ist nicht auf insgesamt 2,0 zu deckeln.
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In Nr. 1008 Abs. 3 VV RVG ist bestimmt, dass mehrere Erhöhungen einen Gebührensatz von 2,0 nicht übersteigen dürfen. Hieraus folgt jedoch nicht, dass bei mehreren Auftraggebern der Gebührensatz für die Verfahrensgebühr insgesamt lediglich 2,0 betragen darf. Schon dem Wortlaut ist zu entnehmen, dass die Deckelung auf 2,0 lediglich die Gebührenerhöhung und nicht die Verfahrensgebühr selbst betrifft. Für diese Auffassung spricht weiterhin, dass andernfalls die Frage, wie viele weitere Personen gebührenerhöhend berücksichtigt werden können, davon abhängen würde, ob die Gebühr für das Ausgangs- oder für das Beschwerdeverfahren berechnet wird. Da für das Beschwerdeverfahren nach Nr. 3200 VV RVG ein Faktor von 1,6 anzusetzen ist, wäre bei einer Deckelung auf insgesamt 2,0 lediglich eine weitere Person berücksichtigungsfähig (1,6 +0,3 = 1,9), demgegenüber würden sich im erstinstanzlichen Verfahren zwei weitere Personen gebührenerhöhend auswirken (1,3 + 0,6 = 1,9). Für eine unterschiedliche gebührenrechtliche Behandlung der beiden Rechtszüge ist jedoch kein Grund erkennbar.
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4. Die Kosten der Rechnungen des von der Haftpflichtversicherung der Antragsgegner beauftragten Sachverständigen sind ebenfalls erstattungsfähig. Insbesondere handelt es sich um Aufwendungen der Antragsgegner, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig im Sinne des § 162 Abs. 1 VwGO gewesen sind.
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a) Eine Aufwendung ist notwendig, wenn sie aus der ex ante-Sicht eines verständigen Beteiligten mit Rücksicht auf die Bedeutung und Schwierigkeit der Angelegenheit erforderlich war. Dies betrifft Art und Höhe der Aufwendung gleichermaßen (Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 162 Rn. 5). Dabei ist nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs davon auszugehen, dass die Kosten für ein im Verfahren vorgelegtes Privatgutachten oder die Beiziehung eines privaten Sachverständigen nur ausnahmsweise erstattungsfähig sind, da in Anwendung des Untersuchungsgrundsatzes des § 86 Abs. 1 VwGO der Sachverhalt grundsätzlich vom Gericht von Amts wegen zu erforschen ist (BayVGH, B.v. 19.3.2014 – 2 M 13.1729 – juris Rn. 11). Die Einholung eines Privatgutachtens im Verwaltungsprozess ist ausnahmsweise nur dann als notwendig anzuerkennen‚ wenn die Partei mangels genügender eigener Sachkunde ihr Begehren tragende Behauptungen nur mit Hilfe eines Gutachtens darlegen oder unter Beweis stellen kann. Die Prozesssituation muss das Gutachten erfordern und dessen Inhalt muss auf die Verfahrensförderung zugeschnitten sein (BVerwG, B.v. 11.4.2001 – 9 KSt 2.01 – juris Rn. 3). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, bestimmt sich nicht nach der subjektiven Auffassung der Beteiligten, sondern danach, wie ein verständiger Beteiligter, der bemüht ist, die Kosten so niedrig wie möglich zu halten, in gleicher Weise seine Interessen wahrgenommen hätte (BayVGH, B.v. 19.2.2019 – 1 C 17.1871 – juris Rn. 8; BVerwG, B.v. 8.10.2008 – 4 KSt 2000.08 u.a. – juris Rn. 4). Zu berücksichtigen ist jedoch weiterhin, dass ein Eilverfahren seiner Natur nach nur eingeschränkt Raum für eine Erforschung des Sachverhalts durch das Gericht bietet und eine Beweiserhebung nur selten stattfindet. Von einer Entlastung der Beteiligten von ihrer Verantwortung zur Durchdringung des Prozessstoffes durch § 86 Abs. 1 VwGO kann hier nur sehr begrenzt ausgegangen werden. So kann ein Privatgutachten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig sein, wenn komplizierte fachtechnische Fragen den Beteiligten insoweit in eine „prozessuale Notlage“ versetzen, als ihm Stellungnahmen hierzu abverlangt werden, die er ohne fachkundigen Rat, der über die Inanspruchnahme seines anwaltlichen Beistands hinausgeht, nicht abzugeben vermag (Schübel-Pfister in: Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 162 Rn. 7).
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b) Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Kosten des Privatgutachtens in der vorliegenden Streitsache dem Grunde nach als erstattungsfähig anzusehen. Im Rahmen des erstinstanzlichen Verfahrens legte die Antragstellerin die gutachterliche Stellungnahme eines Sachverständigen nach § 22 der Verordnung über Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen und über Fachbetriebe (AwSV) vom 3. Dezember 2021 vor, die zu dem Ergebnis kam, dass der Heizöltank der Antragsgegner erhebliche Mängel aufwies, die für den Ölschaden ursächlich gewesen seien. Die Pflichtverletzung des Tankwagenfahrers der Antragstellerin sei demgegenüber für die Unfallentstehung nicht relevant. Unter anderem gestützt auf dieses Gutachten hat das Verwaltungsgericht Augsburg mit Beschluss vom 27. Januar 2022 dem Antrag der Antragstellerin auf einstweiligen Rechtsschutz stattgegeben und die aufschiebende Wirkung ihrer Klage angeordnet. Das Verwaltungsgericht führte aus, dass der Tankvorgang durch den Tankwagenfahrer der Antragstellerin sich in seiner konkreten Ausprägung nicht als ein Verhalten darstelle, das bei wertender Betrachtungsweise die ordnungsrechtlich relevante Gefahrengrenze überschreite, da die Sicherheitsmängel des Tanks für den Heizöllieferanten nicht erkennbar gewesen seien und nach Aussage des fachkundigen Gutachters ein Leckanzeigegerät keine für die Befüllung des Tanks erforderliche Sicherheitseinrichtung sei. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens legten die Antragsgegner ihrerseits die im Rahmen des Kostenfestsetzungsantrags geltend gemachte gutachterliche Stellungnahme vor, die dazu führte, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zu einer anderen Einschätzung als das Verwaltungsgericht kam und ein pflichtwidriges Verhalten des Tankwagenfahrers der Antragstellerin erkannte, das ursächlich für den eingetretenen Heizölschaden gewesen sei. Die Erfolgsaussichten der Klage seien demnach als gering anzusehen und der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abzulehnen. Den Antragsgegnern fehlten daher nach Einschätzung des Gerichts im Rahmen des Verfahrens in erster Instanz die erforderlichen Spezialkenntnisse, um sich ohne Hilfe eines gerade für die im Streitfall zu entscheidenden Sachfragen geeigneten Sachverständigen mit dem von der Antragstellerin vorgelegten Gutachten so auseinandersetzen zu können, dass das Gericht zu einer anderen Einschätzung und Bewertung der rechtlichen Verantwortlichkeit kam.
32
c) Die Festsetzung der für den Privatgutachter angefallenen Kosten können auch nicht mit der Begründung versagt werden, dass die Kosten nicht den Antragsgegnern, sondern ihrem Haftpflichtversicherer in Rechnung gestellt wurden.
33
Grundsätzlich müssen die im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens erstattungsfähigen Kosten in der Person des Kostengläubigers entstanden sein, was jedoch fraglich ist, wenn ein Dritter, wie zum Beispiel eine Haftpflichtversicherung, diese für ihn verauslagt hat. Dass nach der Regelung der §§ 154 ff. VwGO Gläubiger und Schuldner der Kostengrundentscheidung bzw. Gläubiger und Schuldner des Kostenerstattungsanspruchs nur die Parteien des Rechtsstreits, nicht aber Dritte sein können, steht der Annahme, dass grundsätzlich auch die vom Haftpflichtversicherer für den Versicherungsnehmer als Partei des Rechtsstreits getragenen Kosten im Kostenfestsetzungsverfahren erstattungsfähig sein können, nicht entgegen. Der am Prozess formal nicht beteiligte Versicherer ist hinsichtlich des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nicht aktivlegitimiert. Inhaber des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs und Beteiligte des Kostenfestsetzungsverfahrens bleiben auch insoweit die Parteien des Rechtsstreits selbst (vgl. BGH, B.v. 25.10.2016 – VI ZB 8/16 – juris Rn. 8). Es besteht jedoch die Möglichkeit der Liquidation der in der Person des Dritten (hier des Haftpflichtversicherers) entstandenen Kosten, sei es unter Heranziehung der Grundsätze der Drittschadensliquidation, sei es, weil der Kostengläubiger im Anwendungsbereich des § 86 VVG den auf seine Versicherung übergegangenen Anspruch als Prozessstandschafter geltend machen kann (Goldbeck in Kern/Diehm, ZPO, 2. Aufl. 2020, § 104 Rn. 33; Jaspersen in Vorwerk/Wolf, BeckOK, Stand: 1.12.2022, ZPO, § 104 Rn. 17; BGH, B.v. 30.4.2019 – VI ZB 41/17 – NJW 2019, 2695 = Beck RS 2019,11582). Die Liquidation der Gutachterkosten kommt weiterhin in Betracht, wenn wie im vorliegenden Fall der Versicherer alle ihm zur Abwicklung des Schadens oder der Abwehr von Schadenersatzansprüchen zweckmäßig erscheinenden Erklärungen im Namen des Versicherungsnehmers abgeben kann (vgl. Nr. 5.2 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen für die Haftpflichtversicherung (AHB); Jaspersen in Vorwerk/Wolf, BeckOK, Stand: 1.12.2022, ZPO, § 104 Rn. 17a). So liegt der Fall hier.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, da das Kostenverzeichnis zum Gerichtskostengesetz einen Kostentatbestand für eine gerichtliche Entscheidung über ein derartiges Erinnerungsverfahren nicht vorsieht.