Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 28.02.2023 – Au 6 K 22.2060
Titel:

Fakultative Beiladung, Steuerberater als prüfender Dritter im Verpflichtungsklageverfahren des von ihm gegenüber der Industrie- und Handelskammer vertretenen Unternehmers, Grundstückseigentümer mit Verpachtung der Grundstücke an eine Liftbetreiberin, deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin die Ehefrau des Grundstückseigentümers ist, Förderantragsablehnung wegen verbundener Unternehmen

Normenkette:
VwGO § 65
Schlagworte:
Fakultative Beiladung, Steuerberater als prüfender Dritter im Verpflichtungsklageverfahren des von ihm gegenüber der Industrie- und Handelskammer vertretenen Unternehmers, Grundstückseigentümer mit Verpachtung der Grundstücke an eine Liftbetreiberin, deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin die Ehefrau des Grundstückseigentümers ist, Förderantragsablehnung wegen verbundener Unternehmen
Fundstelle:
BeckRS 2023, 14284

Tenor

Der Antrag auf Beiladung von Herrn Dipl.-Betriebswirt (FH)... wird abgelehnt.

Gründe

1
Der Kläger wendet sich gegen den ablehnenden Bescheid über die Gewährung einer Billigkeitsleistung des Bundes als Corona-Überbrückungshilfe, eine Rücknahme und eine Rückforderung von 47.800,03 EUR und beantragt die Beiladung seines Steuerberaters wegen eines etwaigen Schadensersatzanspruchs im Regress gegen diesen.
I.
2
Der Kläger betreibt als Einzelunternehmer eine Grundstücksbesitzgesellschaft, auf deren Grundstücken die Liftanlage einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) betrieben wird, deren alleinige Gesellschafterin und Geschäftsführerin die Ehefrau des Klägers ist. Dieser GmbH hat er die Grundstücke verpachtet. Er hat die Gewährung einer Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 3 – des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie für den Zeitraum Januar 2021 bis Juni 2021 (im Folgenden „Überbrückungshilfe III“) in Höhe von insgesamt 95.600,07 EUR (Behördenakte Teil I Bl. 1 ff.) beantragt.
3
Im Rahmen einer Nachprüfung hörte die Beklagte den Steuerberater des Klägers an und wies darauf hin, bei dem Antrag handele es sich um einen Unternehmensverbund mit dem Unternehmen der Ehefrau (GmbH). Er möge für den bereits bewilligten Antrag [der GmbH] einen Änderungsantrag stellen und die übrigen Unternehmen des Verbunds dem Antrag hinzufügen. Am 25. Dezember 2021 stellte die Beklagte fest, die Frage sei nicht innerhalb der Frist beantwortet worden.
4
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 22. September 2022 lehnte die Beklagte den Antrag des Klägers auf Überbrückungshilfe III ab (Nr. 1 des Bescheids), ersetzte durch diesen Bescheid vollständig den vorläufigen Bescheid vom 14.Juni 2022 (Nr. 2), nahm den unter dem Vorbehalt der vollständigen Antragsprüfung und endgültigen Festsetzung in einem Schlussbescheid ergangenen Bescheid vom 19. Mai 2021 über eine Abschlagszahlung für die Überbrückungshilfe zurück (Nr. 3), setzte den zu erstattenden Betrag auf 47.800,03 EUR und die Erstattungsfrist bis zum 22. Oktober 2022 fest (Nr. 4) und verzichtete bis dahin auf dessen Verzinsung (Nr. 5). Die Antragsberechtigung sei wegen des Vorliegens eines Unternehmensverbundes nicht gegeben.
5
Mit am 21. Oktober 2022 eingegangenem Schriftsatz vom 21. Oktober 2022 ließ der Kläger Klage erheben und beantragen,
6
Der Bescheid der Beklagten vom 22. September 2022 wird aufgehoben.
7
Zur Begründung vertiefte der Kläger das Vorbringen aus dem Antragsverfahren und berief sich darauf, dass kein Unternehmensverbund vorliege sondern eine steuerrechtlich einwandfreie Gestaltung nach dem „Wiesbadener Modell“. Zudem beantragte er die Beiladung des Steuerberaters wegen etwaiger Regressforderungen.
8
Die Beklagte trat der Klage entgegen und beantragt,
9
Die Klage wird abgewiesen.
10
Sie verwies darauf, es handele sich um keine notwendige, sondern allenfalls um eine fakultative Beiladung, für die jedoch keine Gründe der Prozessökonomie griffen, da die Erstreckung einer Rechtskraft einer verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nicht für die Durchsetzung etwaiger Regressforderungen gegen den Steuerberater erforderlich sei.
11
Der Steuerberater äußerte sich auf fristgebundene gerichtliche Anfrage nicht.
12
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
13
Die fakultative Beiladung des Steuerberaters des Klägers wird mangels Erfüllung ihrer Voraussetzungen abgelehnt.
14
Nach § 65 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sind Dritte zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Diese notwendige Beiladung ist zwingend vorgeschrieben.
15
Das Gericht kann weiter gemäß § 65 Abs. 1 VwGO andere Personen beiladen, deren rechtliche Interessen durch die Entscheidung berührt werden. Diese fakultative Beiladung steht im Ermessen des Gerichts.
16
Obsiegt der Kläger mit seiner Verpflichtungsklage gegenüber der Beklagten, fehlte ihm voraussichtlich die Grundlage für einen Regressanspruch. Unterläge er hingegen, würde auch in einem klageabweisenden Urteil nicht über einen Regressanspruch entschieden, sondern lediglich, ob der ablehnende Bescheid der Beklagten rechtmäßig ist. Die Geltendmachung eines Regressanspruchs vor den Zivilgerichten hinge von weiteren Voraussetzungen außerhalb des streitgegenständlichen Prozessverhältnisses ab. Rechte des Steuerberaters sind hier kein Streitgegenstand und die Entscheidung braucht nicht ihm gegenüber einheitlich zu ergehen. Sie begründet oder verneint keine ihm zustehenden Rechte. Daher sind die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung nicht gegeben.
17
Eine fakultative Beiladung steht im Ermessen des Gerichts. In der gebotenen Ermessensentscheidung zwischen den Interessen des Klägers an einer auch gegen den Dritten wirkenden Entscheidung einerseits und dem Gedanken der Verfahrensbeschleunigung und Prozessökonomie andererseits überwiegen die letztgenannten Belange. Selbst ein klageabweisendes Urteil wirkte hier nicht derart, dass damit bereits die Grundlage für einen Regressanspruch gelegt wäre. Aus welchen Gründen das Verwaltungsgericht einen Förderanspruch des Klägers gegen die Beklagte verneinte, bindet ein etwa über einen Regressanspruch entscheidendes Zivilgericht nicht – auch nicht bei einer Beiladung des Steuerberaters. Insbesondere braucht das Verwaltungsgericht nicht zu entscheiden, ob dem Kläger ein Förderanspruch zugestanden hätte, wären für den bereits bewilligten Antrag [der GmbH] ein Änderungsantrag gestellt und die übrigen Unternehmen des Verbunds dem Antrag hinzugefügt worden. Sollte das Verwaltungsgericht wegen eines Unternehmensverbunds die Klage abweisen, genügte diese Tatsache und spielten alternative und damit hypothetische Verfahrensabläufe hierfür keine Rolle. Schließlich kann der Kläger auch ohne Beiladung eine Unterbrechung einer Verjährung etwaiger Ansprüche im Zivilrechtsweg und ohne Beiladung erreichen (vgl. BayVGH, B.v. 23.8.2016 – 21 C 16.325 -BeckRS 2016, 106554 Rn. 6, 9).
18
Um das Verfahren übersichtlich zu gestalten und das Kostenrisiko für die Beteiligten zu begrenzen, sieht der Berichterstatter daher von der fakultativen Beiladung ab. Eine – ohnehin der Kammer vorbehaltene – Entscheidung über die Erfolgsaussichten der Klage ist damit nicht verbunden.