Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 22.03.2023 – Au 6 K 21.2527
Titel:

Unbegründete Klagen gegen die Rücknahme, Rückforderung und Ablehnung der Gewährung von Novemberhilfe bzw. Dezemberhilfe 

Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 20, Art. 28
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5
BayVwVfG Art. 10 S. 2, Art. 26 Abs. 2 S. 1, Art. 40, Art. 48 Abs. 1, Art. 49a
BayHO Art. 7 Abs. 1 S: 1
Leitsatz:
Vertrauensschutz ist im im Regelfall ausgeschlossen, falls keine atypischen Umstände vorliegen, zu denen der Zuwendungsempfänger aber vor Bescheidserlass substantiierte Angaben hätte machen müssen, soweit die Rechtswidrigkeit des Bescheides durch unrichtige Angaben mitverursacht wurde. (Rn. 83) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Novemberhilfe, Dezemberhilfe, fehlende Antragsberechtigung (Betroffenheit), endgültige Ablehnung der begehrten Förderung, Rücknahme der Bewilligung und Rückerstattung, Verwaltungspraxis, Ermessen, Förderrichtlinien, Verwaltungsvorschrift, Zuwendungsverfahren, Zuwendungsempfänger,, Schließungsanordnung, Zuwendungsbescheid, Vertrauen, Selbstbindung
Fundstelle:
BeckRS 2023, 14282

Tenor

I. Die Klagen werden abgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme, Rückforderung und Ablehnung der Billigkeitsleistung des Bundes in Form einer außerordentlichen Wirtschaftshilfe für November 2020 („Novemberhilfe“) in Höhe von 2.933,28 EUR (Au 6 K 21.2527) sowie für Dezember 2020 („Dezemberhilfe“) in Höhe von 646,06 EUR (Au 6 K 22.357).
2
Der Kläger vertreibt seit Juli 2009 zusammen mit seiner Ehefrau Wachs-, Pflege- und Sportartikel. Es handelt sich um Produkte des Skisportbedarfs, aber auch um Wachse und Pflegemittel für Schiffe und Wohnwagen. Für die Tätigkeit wurde ein Reisegewerbe angemeldet, die Waren werden überwiegend vor Ort präsentiert und verkauft. Dabei werden Camping- und Wohnmobilstellplätze angefahren, im Winter werden die Produkte auf Sportveranstaltungen und bei Skiwettkämpfen angeboten. Zudem wird ein Online-Handel betrieben.
3
Der Kläger begehrte mit Antrag vom 11. Januar 2021 die Gewährung einer Billigkeitsleistung in Form der Novemberhilfe in Höhe von 2.933,28 EUR. Diese wurde mit Bewilligungsbescheid vom 11. Januar 2021 bewilligt, der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
4
Mit Antrag vom 11. Januar 2021 beantragte der Kläger die Gewährung einer Billigkeitsleistung in Form der Dezemberhilfe in Höhe von 646,06 EUR. Diese wurde mit Bewilligungsbescheid vom 12. Januar 2021 bewilligt, der Bescheid erging unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
5
Mit Schreiben vom 8. Oktober 2021 erfolgte betreffend die November- und Dezemberhilfe eine Anhörung durch die Beklagte mit der Aufforderung zur schriftlichen Stellungnahme zur Antragsberechtigung. Dieser Aufforderung kam der Kläger mit Schreiben vom 18. Oktober 2021 nach.
6
Mit Bescheid vom 26. November 2021 wurde der Bescheid vom 11. Januar 2021 über die Novemberhilfe gemäß Art. 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) zurückgenommen (Ziff. 1). Der Antrag auf Gewährung einer Novemberhilfe wurde abgelehnt (Ziff. 2) und der zu erstattende Betrag auf 2.933,28 € festgesetzt (Ziff. 3). Es wurde angekündigt, dass gemäß Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG Zinsen auf den Erstattungsbetrag erhoben werden, sofern der zu erstattende Betrag nicht innerhalb der gesetzten Frist eingehe (Ziff. 4).
7
Mit Bescheid vom 17. Januar 2022 wurde der Bescheid vom 12. Januar 2021 über die Dezemberhilfe gemäß Art. 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BayVwVfG zurückgenommen (Ziff. 1). Der Antrag auf Gewährung einer Dezemberhilfe vom 10. April 2021 wurde abgelehnt (Ziff. 2) und der zu erstattende Betrag auf 646,06 EUR festgesetzt (Ziff. 3). Es wurde angekündigt, dass gemäß Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG Zinsen auf den Erstattungsbetrag erhoben werden, sofern der zu erstattende Betrag nicht innerhalb der gesetzten Frist eingehe (Ziff. 4).
8
Begründet wurden die Bescheide über die November- und Dezemberhilfe damit, dass der jeweils ursprüngliche Bescheid (vom 11. Januar 2021 bzw. 12. Januar 2021) rechtswidrig gewesen sei. Der Kläger sei nicht antragsberechtigt gemäß Ziff. 2.1 der Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe) – Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom 24. November 2020, Az. PGÜ-3560-3/2/185 – BayMBl. Nr. 680 bzw. der Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für Dezember 2020 (Dezemberhilfe) – Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie vom 21. Dezember 2020, Az. PGÜ-3560-3/2/251 – BayMBl. Nr. 816 (im Folgenden „Richtlinie“). Er sei nicht direkt betroffen, weil er seine Tätigkeit als Einzelhändler nicht habe einstellen müssen. Die indirekte Betroffenheit sei ebenfalls nicht gegeben, weil der Kläger seine Umsätze nicht mit einem direkt betroffenen Unternehmen erzielt habe. Der für die indirekte Betroffenheit sowie die Betroffenheit über Dritte erforderliche Nachweis, dass regelmäßig mindestens 80% der Umsätze mit direkt Betroffenen oder durch Lieferungen und Leistungen im Auftrag direkt Betroffener über Dritte erzielt werden, sei zudem nicht vom Kläger dargelegt worden. Mangels Antragsberechtigung entspreche es daher unter Beachtung von Art. 7 Bayerische Haushaltsordnung (BayHO) der Ausübung pflichtgemäßen Ermessens, den Antrag abzulehnen. Es liege kein Vertrauensschutz vor.
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Mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2021 erhob der Kläger Klage (Novemberhilfe) und beantragt,
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Der mit dem Aktenzeichen ... ergangene Bescheid vom 26. November 2021 wird aufgehoben.
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Der Kläger begründet die Klage mit Schriftsätzen vom 17. Dezember 2022 und 17. Februar 2022 damit, dass er antragsberechtigt sei. Dies richte sich nach Ziff. 2 der Richtlinie. Der Kläger sei als Soloselbständiger in Bezug auf seine wirtschaftliche Tätigkeit vom Lockdown betroffen.
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Letztlich liege bereits direkte Betroffenheit vor, da er auf Grundlage des Beschlusses von Bund und Ländern vom 28. Oktober 2020 seinen Geschäftsbetrieb einstellen musste. Die Situation des Klägers mit Reisegewerbe sei mit der einer Ladenschließung gleichzusetzen. Er habe bereits in den Sommermonaten Ausgaben für die Wintermonate tätigen müssen. Es haben bereits die Rohmaterialien für die Winterwachse angeschafft werden müssen, verschiedene Wachse für den Skisport würden eigens vom Kläger mit den bereits eingekauften Rohstoffen hergestellt. Auch würden Ausgaben für Zubehör, Verpackungen, Etiketten etc. anfallen. Da der Kläger keinen Verkauf der Produkte mehr bei Skisprung-, Skialpin- oder Langlaufveranstaltungen vornehmen konnte, sei er wie ein örtliches Geschäft direkt betroffen. Er sei so zu stellen, als hätte er seinen Laden schließen müssen. Er verkaufe seine Produkte direkt vor Ort bei den Skisportanlagen, hierzu führt der Kläger Beispiele auf. Aufgrund des Wegfalls der Veranstaltungen habe der Kläger seine Produkte nicht mehr vor Ort verkaufen können, die Einschränkung des Lockdowns habe den Kläger daher direkt betroffen. Auch habe kein Trainingsbetrieb der Skivereine stattgefunden.
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Jedenfalls sei der Kläger indirekt betroffen, da in den Wintermonaten das Hauptgeschäft des Klägers stattfinde. Veranstaltungen wie Skisprung-, Skialpin- oder Langlaufwettkämpfe und Schlittenhunderennen hätten nicht stattgefunden, dort habe der Kläger in den Vorjahren gut seine Produkte verkauft. Auch seien sämtliche Sportgeschäfte und Service-Werkstätten geschlossen gewesen. Auch von diesen seien daher keine Bestellungen eingegangen. Auch Skivereine hätten so gut wie nichts mehr gekauft, da die Trainings- und Wettkampftätigkeit verboten gewesen sei. Durch die Schließung habe es von Oktober bis Dezember 2020 einen Einnahmenrückgang von 12.710,99 EUR gegenüber dem Jahr 2019 gegeben. Im Schreiben vom 17. Februar 2022 führt der Kläger die Einnahmen aus dem Vergleichsmonat November 2019 in Höhe von gesamt 8.351,72 EUR auf. Demnach habe er mit den Einnahmen der Händler/Firmen/Geschäfte (77,83%), den Vereinen (2,59%) und dem Reisegewerbe (7,63%) über 88,05% Umsatz mit Unternehmen gemacht, die direkt von den Schließungsanordnungen betroffen gewesen seien. Die Höhe der Gesamteinnahmen im November 2020 betrage lediglich 1.373,75 EUR. Der Kläger fügte eine Aufstellung der Beträge unterteilt nach Händler/Firma/Geschäft und Monat für das gesamte Jahr 2019 bei. Auch auf das gesamte Jahr 2019 gesehen betrage der Anteil der privaten Kunden/Sportler lediglich 16,17%, der Anteil der übrigen Umsätze 83,83%.
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Auch habe der Kläger nicht alternativ in den Süden fahren können. Zum einen habe er zunächst keine Impfung erhalten, zum anderen seien auch sämtliche Camping- und Wohnmobilstellplätze im In- und Ausland geschlossen gewesen. Er habe also auch keine Produkte für Wohnmobile oder Schiffe bzw. Boote verkaufen können. Das Geschäft des Klägers lebe aus den Vorführungen direkt vor Ort auf Camping- oder Wohnmobilstellplätzen. Nur so könnten neue Kunden gewonnen und Bestellungen aufgenommen werden.
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Dasselbe gelte für den Online-Handel des Klägers. Aufgrund des Lockdowns habe kaum Nachfrage an Skiwachsen und Skizubehör bestanden. Aufgrund der Schließung der Liftanlagen und Sportstätten seien auch keine Skiwachse, Skihelme und Skibrillen verkauft worden. Gleiches gelte für die Pflegeprodukte für die Wohnmobile, Wohnwägen, Schiffe und Boote aufgrund der Schließungen. Der Online-Handel stelle auch nicht das Hauptgeschäft dar, sondern laufe nebenher. Mit dem Online-Handel habe kein Ausgleich des Umsatzeinbruches erfolgen können.
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Der Kläger erziele daher nachweislich und regelmäßig mindestens 80% seiner Umsätze mit direkt von der Maßnahme betroffenen Unternehmen, hier Sport- und Wettkampfveranstaltungen.
17
Zudem habe der Kläger auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut. Er habe den bewilligten Betrag bereits für seine monatlich anfallenden Ausgaben verbraucht. Der Kläger habe im November 2020 mehr Ausgaben als Einnahmen gehabt.
18
Der Kläger sehe sich als Soloselbständiger mit Reisegewerbe gegenüber ortsansässigen Läden als ungerecht behandelt und berufe sich diesbezüglich auf den Gleichbehandlungsgrundsatz. Sportgeschäfte, die ihre Waren rechtzeitig für den Winter anschaffen mussten und diese nicht verkaufen konnten, könnten diese zu 90% beim Finanzamt abschreiben, dies könne der Kläger als Soloselbständiger mit Reisegewerbe nicht. Die Novemberhilfe müsse auch für die reisegewerblichen Unternehmen entsprechende Anwendung finden.
19
Mittlerweile sei der Kläger in Rente. Lediglich der Online-Handel laufe noch, aufgrund der anhaltenden Corona-Lage allerdings mit geringen Umsätzen.
20
Mit Schriftsatz vom 18. Januar 2022 stellt sich die Beklagte der Klage entgegen und beantragt,
21
Die Klage wird abgewiesen.
22
Zur Begründung bringt der Bevollmächtigte der Beklagten vor, dass der Kläger im Verwaltungsverfahren angegeben habe, im Sinne des Förderprogramms über die Branche „Betrieb von Sportanlagen“ aufgrund der Tätigkeit in der Branche „Einzelhandel mit Sport- und Getränkeartikeln (ohne Campingmöbel)“ indirekt betroffen zu sein. Daraufhin habe der Kläger mit Bewilligungsbescheid vom 11. Januar 2021 zunächst eine Förderleistung auf der Grundlage der Novemberhilfe erhalten. Diese stehe unter dem Vorbehalt der abschließenden eingehenden Prüfung (vgl. Ziffer 9 der Nebenbestimmungen des Bescheides). Im Rahmen dieser eingehenden Prüfung im Nachgang habe die Beklagte festgestellt, dass der Kläger aufgrund der im Antrag angegebenen Branche nicht antragsberechtigt für die Billigkeitsleistung sei und habe ihm mit Schreiben vom 8. Oktober 2021 zur beabsichtigten Rücknahme des Bewilligungsbescheides die Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Beklagte habe die Einwände des Klägers in der Stellungnahme vom 25. Oktober 2021 berücksichtigt, sie rechtfertigten aber keine andere Entscheidung als den Erlass des hier streitgegenständlichen Ablehnungs-, Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides.
23
Die Klage sei unbegründet. Ein gesetzlicher Anspruch auf die streitgegenständliche Förderleistung in Form der Novemberhilfe bestehe nicht. Nachweise dafür, dass der Kläger regelmäßig mindestens 80% seiner Umsätze mit direkt von den Schließungsanordnungen betroffenen Unternehmen erzielt habe, seien nicht erbracht worden. Das Erreichen dieser Umsatzschwelle werde ebenfalls bestritten. Ebenso verhalte es sich mit der pauschalen Behauptung, er habe die Fördermittel zur Deckung seiner monatlichen „laufenden Ausgaben“ eingesetzt. Es seien keine Unterlagen vorgelegt worden, zudem sei offen, ob es sich nicht teilweise um private Lebenshaltungskosten handele, die ohnehin nicht ersetzt werden könnten.
24
Ein gesetzlicher Anspruch auf die streitgegenständliche Förderleistung in Form der Novemberhilfe bestehe nicht. Der Beklagten sei auch kein anspruchsbegründender Ermessensfehlgebrauch vorzuwerfen. Der Kläger sei, wie in der Begründung des angefochtenen Bescheids zutreffend dargelegt werde, nicht vom Kreis der förderberechtigten Unternehmen erfasst. Dies beruhe auf einer politischen Abwägung der zuständigen Organe des Bundes, gegen die verfassungsrechtlich nichts zu erinnern sei. Es fehle insofern an der nach Nr. 2.1 der Richtlinie erforderlichen Betroffenheit.
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Der Kläger unterfalle als Betreiber eines Reisegewerbes und Onlinehandels für Sport- und Caravanbedarf nicht dem Kreis derjenigen, die aufgrund des Beschlusses von Bund und Ländern vom 28. Oktober 2020 erlassenen Bestimmungen auf Landesebene den Geschäftsbetrieb einstellen mussten (direkt Betroffene), vgl. Nr. 1.2 der FAQs. Die Schließung der Geschäftsbetriebe von Einzelhändlern sei erst nach dem Bund-Länder-Beschluss vom 13. Dezember 2020 mit Wirkung vom 16. Dezember 2020 angeordnet worden. Aber selbst von dieser Schließungsanordnung dürfte der Kläger nicht direkt betroffen gewesen sein. Er betreibe schon kein Ladengeschäft oder einen durch die Schließungsverordnung untersagten Abholdienst. Ebenfalls habe er seinen Onlinehandel weiter betreiben können. Es sei deshalb auch unklar, ob die vom Kläger behaupteten Umsatzeinbrüche nicht teilweise durch die Umsätze im Onlinehandel ausgeglichen werden konnten.
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Ebenso führe auch der Vortrag des Klägers, sein zu diesem Zeitpunkt noch fehlender Impfschutz sowie Reisebeschränkungen hätten ihm Reisen unmöglich gemacht, nicht zur Förderung im Rahmen der Novemberhilfe. Eine Corona-Erkrankung sei im Zusammenhang mit dem kaum vorhersehbaren Pandemiegeschehen ein Risiko, dem Unternehmen und Soloselbständige aller Branchen gleichermaßen ausgesetzt gewesen seien. Nach der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten führe dies allein jedoch nicht zu einer Förderung im Rahmen der Novemberhilfe. Auch Reisen seien im Förderzeitraum, insbesondere nicht im geschäftlichen Zusammenhang, untersagt gewesen.
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Eine willkürliche Ungleichbehandlung zu Einzelhändlern mit einem Ladengeschäft liege offensichtlich auch nicht vor. Vielmehr fehle es ihm ebenso wie anderen Einzelhändler, die im November 2020 keiner Schließungsanordnung unterlagen, an der Antragsberechtigung aufgrund einer direkten Betroffenheit im Sinne der Richtlinie für die Novemberhilfe.
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Weiter sei zur Abfederung der wirtschaftlichen Folgen durch die späteren Schließungen der Einzelhändler aufgrund des Bund-Länder Beschlusses vom 13. Dezember 2020 die Überbrückungshilfe III vorgesehen. Diese sehe unter bestimmten Voraussetzungen eine Erstattung betrieblicher Fixkosten, einen Eigenkapitalzuschuss und weitere Förderungen von Modernisierungs-, Renovierungs- oder Umbaumaßnahmen vor. Warenwertabschreibungen seien als förderfähige Fixkosten nach der Richtlinie zur Überbrückungshilfe III und den zugehörigen FAQ nicht den Einzelhandelsunternehmen mit Verkaufsräumen vorbehalten. Der Kläger könne als Reisegewerbetreibender zwar keine Kosten für eine Ladenmiete absetzen oder hierfür eine Zahlung auf der Grundlage der Corona-Überbrückungshilfe III erhalten. Diese Kosten würden bei dem Kläger ohne Ladengeschäft aber schon gar nicht anfallen, sodass er im Ergebnis sogar besser stehe als ein Unternehmer mit Ladengeschäft, der schon keinen gesicherten Anspruch auf den Ersatz seiner Ladenmiete durch staatliche Subventionen habe.
29
Er sei auch nicht durch diese Schließungen indirekt betroffen. Dies setze nach der Verwaltungspraxis der Beklagten voraus, dass ein Unternehmen oder Soloselbstständiger nachweislich und regelmäßig mindestens 80% seiner Umsätze mit direkt von den auf dieser Grundlage ergangenen Schließungen betroffenen Unternehmen erziele (Nr. 2.1 Satz 1 b) bb) der Richtlinie zur Novemberhilfe). Für den Nachweis der indirekten Betroffenheit sei erforderlich, dass jene wirtschaftlichen Aktivitäten der Kunden per Verordnung untersagt seien und daher als direkt betroffen gelten, aufgrund derer das indirekt betroffene Unternehmen nachweislich und regelmäßig mindestens 80% der Umsätze erziele. Als Unternehmen gelte jede rechtlich selbständige Einheit unabhängig von ihrer Rechtsform, die wirtschaftlich am Markt tätig sei und zumindest einen Beschäftigten habe, vgl. Nr. 1.3 der FAQs. Diese Voraussetzung liege im Hinblick auf den Kläger nicht vor. Entsprechende Nachweise einer indirekten Betroffenheit durch die Vorlage geeigneter Unterlagen (z.B. Umsatzaufstellungen, betriebliche Auswertungen, Auswertung einer Debitorenliste, der Analyse von Erlöskonten oder der Auswertung der Aufträge und Rechnungen) habe der Kläger bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der Beklagten nicht erbracht. Dabei treffe den Zuwendungsempfänger im Zuwendungsverfahren eine substantiierte Darlegungslast. So sei er gehalten, die für das Zuwendungsverhältnis relevanten Angaben vollumfänglich vorzutragen und alle Unterlagen einzureichen, denn er allein besitze aufgrund der Sachnähe die umfassende Kenntnis der relevanten Informationen. Dies bedeute zugleich, dass alles, was im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen worden oder erkennbar gewesen sei, in den Ermessenserwägungen auch nicht berücksichtigt werden müsse. Würden Tatsachen, die für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Ermessensausübung relevant seien, erst im Klageverfahren vorgetragen, könnten diese folglich keine Berücksichtigung mehr finden.
30
Ebenso wie ein prüfender Dritter sei der Kläger auch als Direktantragsteller gemäß Ziff. 6.3 Satz 7 der Richtlinie zur Novemberhilfe zur Plausibilisierung seiner im Antrag gemachten Angaben verpflichtet gewesen. Entsprechend habe die Beklagte den Kläger im Rahmen der Anhörung dazu aufgefordert, alle für die Antragsberechtigung relevanten Informationen vorzulegen und darauf hingewiesen, dass sie auf der Basis seiner Stellungnahme eine abschließende Entscheidung treffen werde. Eine solche Plausibilisierung sei mit der Stellungnahme des Klägers vom 25. Oktober 2021 nicht verbunden gewesen.
31
Indes ergebe sich selbst aus seinem weiteren Vortrag nicht, dass der Kläger 80% seiner Umsätze im Jahr 2019 mit direkt von den Schließungsverordnungen betroffenen Unternehmen erzielt habe. Es würden schon keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass es sich bei den Kunden des Klägers überwiegend um Unternehmen nach dem vorgenannten Maßstab handle. Wenn der Kläger vortrage, er fahre Campingplätze und Sportveranstaltungen an, um dort seine Produkte zu verkaufen, könnten hiervon ebenso gut Privatpersonen erfasst sein. Selbst bei unterstellter Unternehmenseigenschaft der Kunden des Klägers sei es diesen jedenfalls nicht durch die staatlichen Schließungsverordnungen auf der Grundlage des vorgenannten Bund-Länder-Beschlusses untersagt gewesen, Leistungen in Auftrag zu geben. Unabhängig von infektionsschutzrechtlichen Beschränkungen sei es Campingplatz-, Skiliftanlagenbetreibern, Sportgeschäften sowie Sportstätten nicht untersagt gewesen, die Produkte des Klägers zu erwerben, etwa auch für die Zeit nach der Pandemie.
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Ebenso wenig würden Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Kläger im Jahr 2019 regelmäßig mindestens 80% seiner Umsätze durch Lieferungen und Leistungen im Auftrag direkt von den Maßnahmen betroffener Unternehmen über Dritte erzielt habe (Nr. 2.1 Satz 1 b) cc) der Richtlinie zur Novemberhilfe). Entsprechende Nachweise einer indirekten Betroffenheit über Dritte habe der Kläger zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der Beklagten ebenfalls nicht erbracht. Allein der vom Kläger diesbezüglich behauptete Rückgang an Bestellungen führe auch nicht zu einer Förderung im Rahmen der Novemberhilfe.
33
Der Umsatzrückgang des Klägers in diesen Bereichen lasse sich damit nicht auf an Unternehmen gerichtete Schließungsanordnungen auf der Grundlage des Bund-Länder-Beschlusses vom 28. Oktober 2020 zurückführen. Er beruhe vielmehr auf anderen Umständen, etwa der nachvollziehbar infolge der infektionsschutzrechtlichen Beschränkungen des öffentlichen Lebens zurückgegangenen Kundennachfrage. Diese Beschränkungen, die letztlich in vergleichbarer Weise eine Vielzahl von Wirtschaftsteilnehmern getroffen und die zu einem Rückgang der allgemeinen Wirtschaftstätigkeit in der Pandemie geführt hätten, würden nach ständiger Verwaltungspraxis der Beklagten nicht durch die Förderung im Rahmen der Novemberhilfe ausgeglichen.
34
Dass der Kläger damit ungeachtet der ihn treffenden Belastungen durch infektionsschützende Auflagen nicht in den Kreis der Berechtigten für die streitgegenständliche Novemberhilfe einbezogen worden sei, begründe keinen rechtlich relevanten Ermessensfehler. Dass ein aussagekräftiger Nachweis des Erreichens der relevanten Umsatzschwelle bereits im Förderverfahren gefordert werde, stelle sich nicht als willkürlich dar. Dies diene der Ermöglichung einer zügigen und bayernweit gleichmäßigen Fördermittelbereitstellung. Es werde nicht verkannt, dass damit gerade für Kleinunternehmen ohne gesonderten Verwaltungsunterbau durchaus hohe Hürden für die Leistungsgewährung bestehen würden. Die für die Verfahrensausgestaltung angeführten Erwägungen seien vor dem Hintergrund eines Mindestmaßes an Schutz vor unberechtigten Fördermittelvergaben für den vorliegend allein relevanten Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG ausreichende Differenzierungsgründe.
35
Zur Rücknahme des Bescheides wird vorgebracht, die Beklagte habe zu Recht den Bescheid vom 11. Januar 2021, durch den die Billigkeitsleistung zunächst gewährt worden sei, zurückgenommen und die Fördersumme zurückgefordert. Der Kläger könne sich insbesondere nicht auf Vertrauensschutz berufen.
36
Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2022 erhob der Kläger Klage (Dezemberhilfe) und beantragt,
37
Der mit dem Aktenzeichen ... ergangene Bescheid vom 17. Januar 2022 wird aufgehoben.
38
Der damalige Klägerbevollmächtigte begründete dies damit, dass ordnungsgemäß Klage erhoben wurde und eine Antragsberechtigung bestehe. Das Vorbringen entspricht der Klagebegründung zur Novemberhilfe.
39
Mit Schriftsatz vom 1. April 2022 stellt sich die Beklagte der Klage entgegen und beantragt,
40
Die Klage wird abgewiesen.
41
Zur Begründung bringt der Bevollmächtigte der Beklagten dieselben Erwägungen wie im Verfahren zur Novemberhilfe vor.
42
Mit Schreiben vom 13. Februar 2023 bat die Klägerbevollmächtigte um Terminsverlegung, der Antrag wurde mit Beschluss vom 14. Februar 2023 abgelehnt.
43
Der Kläger hat sich mit Schreiben des damalig Bevollmächtigten vom 17. Februar 2023, die Beklagte mit Schreiben vom 18. Januar 2022 mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
44
Mit Beschluss vom 22. Februar 2023 wurde die ... als Prozessbevollmächtigte des Klägers zurückgewiesen. Der Kläger wurde mit Schreiben vom 22. Februar 2023 auf die Möglichkeit der Bestellung eines anderen Bevollmächtigten, die vorläufige Einschätzung des Gerichts (vorbehaltlich einer Würdigung und Entscheidung durch die Kammer) über die Erfolgsaussichten und auf die Wirksamkeit des durch den (zu diesem Zeitpunkt noch nicht zurückgewiesenen) Bevollmächtigten erklärten Verzichts auf mündliche Verhandlung hingewiesen und eine Frist zur Äußerung bis zum 10. März 2023 gesetzt und auf Wunsch des Klägers hin bis zum 20. März 2023 verlängert. Eine Stellungnahme erfolgte nicht.
45
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

46
Die Klagen sind zulässig, aber unbegründet. Über die Klagen konnte wegen des Verzichts der Beteiligten nach § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung entschieden werden. Der Verzicht des Klägers konnte gemäß § 67 Abs. 3 Satz 2 VwGO wirksam durch die damals noch nicht zurückgewiesene Bevollmächtigte erklärt werden.
47
I. Die Klagen sind zulässig.
48
1. Die Klagen sind statthaft als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO gegen den Verwaltungsakt der Beklagten vom 26. November 2021 bzw. 17. Januar 2022, soweit der ursprüngliche Bescheid über die Gewährung einer Überbrückungshilfe zurückgenommen und aufgehoben (Ziff. 1) und der ausbezahlte Betrag unter Ankündigung der Verzinsung (Ziff. 4) zurückgefordert (Ziff. 3) wurde. Hinsichtlich der Ablehnung des Antrags auf Gewährung der Novemberhilfe bzw. Dezemberhilfe (Ziff. 2) ist die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage nach § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft.
49
2. Die Klagefrist nach § 74 Abs. 2, Abs. 1 Satz 2 VwGO ist gewahrt, denn gegen den Bescheid vom 26. November 2021 hat der Kläger am 17. Dezember 2021 – und damit vor Ablauf der Klagefrist am 29. Dezember 2021 um 24 Uhr – Klage erhoben. Gegen den Bescheid vom 17. Januar 2022 hat der Kläger am 14. Februar 2022 – und damit vor Ablauf der Klagefrist am 21. Februar 2022 um 24 Uhr – Klage erhoben.
50
3. Die Klagen konnten trotz des späteren Zurückweisungsbeschlusses ordnungsgemäß durch die damalige Bevollmächtigte erhoben werden, da Prozesshandlungen bis zur Zurückweisung wirksam bleiben, § 67 Abs. 3 Satz 2 VwGO.
51
II. Die Klagen sind unbegründet.
52
Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig, der Kläger ist dadurch nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 und 2 VwGO).
53
1. Die Rechtmäßigkeit der Ziff. 2 der streitgegenständlichen Bescheide (Ablehnung der Gewährung einer Novemberhilfe bzw. Dezemberhilfe) richtet sich allein nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis. Maßgeblich dafür sind insbesondere die Richtlinien für die Gewährung von Hilfen sowie die FAQ (dazu VG Würzburg, U.v. 24.10.2022 – W 8 K 21.1263 – juris Rn. 28 ff. m.w.N.).
54
Die Förderrichtlinien stellen zwar keine Rechtsnormen dar, begründen aber als Verwaltungsvorschriften über den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) und das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes (Art. 20 und Art. 28 GG) Außenwirkung in der Gestalt, die sie durch die ständige Verwaltungspraxis gefunden haben (BayVGH, B.v. 3.5.2021 – 6 ZB 21.301 – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 18.5.2020 – 6 ZB 20.438 – juris Rn. 6).
55
Die Richtlinien begründen vom Ansatz her keinen gebundenen Anspruch auf eine Billigkeitsleistung in bestimmter Höhe, sondern es besteht zusammen mit Art. 40 BayVwVfG, wonach die Behörde, wenn sie ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten hat, ein Anspruch eines jeden Antragstellers auf ermessensfehlerfreie Entscheidung der Behörde über den Antrag. Dabei ist gemäß § 114 Satz 1 VwGO die gerichtliche Kontrolle auf die Prüfung beschränkt, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist oder sonst ein Ermessensfehler vorliegt (BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 6; VG Düsseldorf, U.v. 15.9.2022 – 16 K 5167.21 – juris Rn. 29).
56
Im Rahmen des behördlich auszuübenden Ermessens kommt den Förderrichtlinien, bei denen es sich nicht um eine Rechtsnorm, d.h. nicht einen Rechtssatz mit Außenwirkung, sondern um eine (bloße) interne Verwaltungsvorschrift handelt, die Funktion zu, für die Verteilung der Fördermittel einheitliche Maßstäbe zu setzen und dadurch das Ermessen der Bewilligungsbehörde intern zu binden und zu steuern. Als ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften unterliegen derartige Förderrichtlinien auch keiner eigenständigen richterlichen Auslegung wie Rechtsnormen. Entscheidend ist vielmehr, wie die zuständigen Behörden die Verwaltungsvorschrift im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger Praxis gehandhabt haben und in welchem Umfang sie infolgedessen durch den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gebunden sind. Durch den Gleichheitssatz aus Art. 3 Abs. 1 GG ist die Bewilligungsbehörde nämlich in ihrem rechtlichen Verhältnis zum Förderempfänger – abgesehen von den sonstigen gesetzlichen Grenzen des Verwaltungshandelns – gebunden. Wenn sich die Behörde an ihre Förderrichtlinien hält, ist sie daher durch das Gleichbehandlungsgebot verpflichtet, dies auch weiterhin zu tun, sofern nicht sachliche Gründe im Einzelfall eine Abweichung rechtfertigen oder gar gebieten. Weicht sie hingegen generell von den Förderrichtlinien ab, so verlieren diese insoweit ihre ermessensbindende Wirkung; ob das Verwaltungshandeln mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar ist, beurteilt sich dann nur nach der tatsächlichen Verwaltungspraxis. Dem Zuwendungsgeber steht es frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden und diese konsequent anzuwenden. Die allein relevante Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute oder ggf. bessere Gründe gäbe. Eine Verletzung liegt nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen (BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 6 und 13; VG Düsseldorf, U.v. 15.9.2022 – 16 K 5167.21 – juris Rn. 30 m.w.N.).
57
Zur Feststellung der tatsächlich ausgeübten Verwaltungspraxis kann dabei neben den Förderrichtlinien ergänzend auf öffentliche Verlautbarungen der Bewilligungsbehörde, der dieser übergeordneten Landesbehörde oder der aufgrund Verwaltungsvereinbarung in die Förderung eingebundenen zuständigen Bundesbehörde zurückgegriffen werden, wenn diese Aufschluss über die tatsächlich geübte Verwaltungspraxis geben (VG Düsseldorf, U.v. 15.9.2022 – 16 K 5167.21 – juris Rn. 32 m.w.N.). Relevant insoweit sind namentlich die gemeinsam vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz und dem Bundesministerium der Finanzen veröffentlichten FAQs. Insbesondere unter dem Gesichtspunkt einer möglichst bundeseinheitlichen Verwaltungspraxis ist es legitim und sachgerecht, die Entscheidungspraxis an den FAQs des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie zu orientieren (VG Magdeburg – U.v. 30.11.2021 – 3 A 61/21MD – juris Rn. 38).
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In Ziff. 1.1 der FAQs („Wer ist antragsberechtigt?“) ist – in Übereinstimmung mit Ziff. 2.1 und Ziff. 2.2 der Richtlinie – geregelt:
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„Grundsätzlich sind Unternehmen aller Größen (auch öffentliche und gemeinnützige), Selbstständige, Vereine und Einrichtungen, Soloselbstständige und selbstständige Angehörige der Freien Berufe im Haupterwerb (Fußnote 1: Unternehmen mit Beschäftigten sind auch dann antragsberechtigt, wenn sie im Nebenerwerb geführt werden.) aller Branchen antragsberechtigt (mit Ausnahme der unten explizit genannten Ausschlusskriterien), deren wirtschaftliche Tätigkeit vom coronabedingten Lockdown im November und Dezember 2020 auf eine der folgenden Weisen betroffen ist:
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- Direkt Betroffene im November: Unternehmen und Soloselbstständige, die aufgrund der auf Grundlage des Beschlusses von Bund und Ländern vom 28. Oktober 2020 erlassenen Schließungsverordnungen der Länder den Geschäftsbetrieb einstellen mussten. Hiervon nicht umfasst sind regionale Schließungen von Branchen und Einrichtungen, die nicht in diesem Beschluss genannt werden.
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- Direkt Betroffene im Dezember: Unternehmen und Soloselbstständige, die aufgrund der auf Grundlage des Beschlusses von Bund und Ländern vom 28. Oktober 2020 erlassenen Schließungsverordnungen der Länder den Geschäftsbetrieb bereits im November einstellen mussten und auf Grundlage der Beschlüsse von Bund und Ländern vom 25. November 2020 und vom 2. Dezember 2020 auch im Dezember noch von diesen Schließungen betroffen waren. Hiervon nicht umfasst sind regionale Schließungen von Branchen oder Einrichtungen, die nicht in diesen Beschlüssen genannt werden, sowie Schließungen auf Grundlage späterer Beschlüsse (zum Beispiel der Bund-Länder Beschluss vom 13. Dezember 2020).
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- Indirekt Betroffene: Unternehmen und Soloselbstständige, die nachweislich und regelmäßig mindestens 80 Prozent ihrer Umsätze mit direkt von den oben genannten Maßnahmen betroffenen Unternehmen erzielen.
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- Über Dritte Betroffene: Unternehmen und Soloselbstständige, die regelmäßig mindestens 80 Prozent ihrer Umsätze durch Lieferungen und Leistungen im Auftrag direkt von den Maßnahmen betroffener Unternehmen über Dritte (zum Beispiel Veranstaltungsagenturen) erzielen. Diese Antragstellenden müssen zweifelsfrei nachweisen, dass sie im November 2020 beziehungsweise im Dezember 2020 wegen der Schließungsverordnungen auf der Grundlage der Ziffern 5 bis 8 des Beschlusses von Bund und Ländern vom 28. Oktober 2020 einen Umsatzeinbruch von mehr als 80 Prozent gegenüber dem Vergleichsumsatz erleiden (für den Dezember in Verbindung mit den Beschlüssen von Bund und Ländern vom 25. November 2020 und 2. Dezember 2020).“
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a) Für den vorliegenden Fall ergibt sich daraus keine Förderberechtigung für den Kläger. Die Verneinung der Antragsberechtigung durch die Beklagte ist nicht ermessensfehlerhaft.
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(1) Eine direkte Betroffenheit kommt nicht in Betracht, da der Kläger selbst nicht aufgrund der genannten Anordnungen seinen Betrieb schließen musste. Die abnehmende Nachfrage der Kunden aufgrund der Pandemielage und der Maßnahmen führt nicht zu einer direkten Betroffenheit, ebenso wie die örtlich eingeschränkte Vertriebsmöglichkeit.
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(2) Die indirekte Betroffenheit konnte ermessensfehlerfrei verneint werden, weil im allein maßgeblichen Verwaltungsverfahren keine entsprechenden Nachweise vorgelegt wurden.
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Grundsätzlich liegt es gerade in Zuwendungsverfahren in der Sphäre des Zuwendungsempfängers, die Voraussetzungen für die Gewährung einer Zuwendung bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt darzulegen und nachzuweisen (VG München, U.v. 20.9.2021 – M 31 K 21.2632 – BeckRS 2021, 29655 Rn. 24 u. 26 ff.; VG Würzburg, U.v. 26.7.2021 – W 8 K 20.2031 – juris Rn. 21; VG Weimar, U.v. 29.1.2021 – 8 K 795/20 We – juris Rn. 31; U.v. 17.9.2020 – 8 K 609/20 – juris Rn. 26). Alles, was im Verwaltungsverfahren nicht vorgetragen oder erkennbar war, konnte und musste auch im Rahmen der konkreten Ermessensausübung nicht berücksichtigt werden, so dass ermessensrelevante Tatsachen, die erstmals im Klageverfahren vorgebracht werden, keine Berücksichtigung finden können (VG Weimar, U.v. 17.9.2020 – 8 K 609/20 – juris Rn. 25/26 m.w.N.; VG München, U.v. 25.6.2020 – M 31 K 20.2261 – juris Rn. 19). Denn maßgeblich ist allein die tatsächlich ausgeübte Verwaltungspraxis. Dabei ist weiterhin zu beachten, dass dem verwaltungsverfahrensrechtlichen Effektivitäts- und Zügigkeitsgebot (Art. 10 Satz 2 BayVwVfG) bei der administrativen Bewältigung des erheblichen Förderantragsaufkommens im Rahmen der Coronabeihilfen besondere Bedeutung zukommt; dies gerade auch deswegen, um den Antragstellern möglichst schnell Rechtssicherheit im Hinblick auf die Erfolgsaussichten ihrer Förderanträge und damit über die (Nicht-) Gewährung von Fördermitteln zu geben (VG München, U.v. 20.9.2021 – M 31 K 21.2632 – BeckRS 2021, 29655 Rn. 24 u. 26 ff. m.w.N.). Die Anforderung geeigneter Nachweise für die Anspruchsberechtigung nach der Richtlinie ist auch vor dem Hintergrund des Grundsatzes der sparsamen Verwendung von Haushaltsmitteln (Art. 7 Abs. 1 Satz 1 BayHO) gerade im Bereich der Leistungsverwaltung sachgerecht und nicht zu beanstanden. Ferner entspricht eine gewisse Verpflichtung zur Mitwirkung seitens des Antragstellers bzw. der Antragstellerin allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grundsätzen, Art. 26 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG (vgl. VG Würzburg, U.v. 26.4.2021 – W 8 K 20.1487 – juris Rn. 31 m.w.N.).
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Der Kläger hat die erforderlichen Erläuterungen und Nachweise zur indirekten Betroffenheit im Verwaltungsverfahren gerade nicht abgegeben bzw. eingereicht. Aus den im Verwaltungsverfahren eingereichten Unterlagen und Ausführungen ergibt sich keine Antragsberechtigung.
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(3) Zur indirekten Betroffenheit über Dritte wurde nichts vorgetragen und ist auch sonst nichts ersichtlich.
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b) Insofern liegt auch keine Ungleichbehandlung vor, es wird danach unterschieden, ob eine staatliche Schließungsanordnung vorlag. Dieser Differenzierungsgrund genügt dem Maßstab des Art. 3 Abs. 1 GG.
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Der Allgemeine Gleichheitssatz gebietet nur, ein gleichheitsgerechtes Verteilungsprogramm zu erstellen und in diesem Rahmen einen Anspruch zu gewähren, mithin die Einhaltung einer gleichmäßigen Verwaltungspraxis. Die Willkürgrenze wird selbst dann nicht überschritten, wenn es auch für eine alternative Förderpraxis gute Gründe gäbe. Eine Verletzung des Willkürverbots liegt mithin nur dann vor, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten. Auch in der vorliegenden Subventionssituation ist es allein Sache des Richtlinien- bzw. Zuwendungsgebers, den Kreis der Antragsberechtigten unter Rückgriff über sein eigenes autonomes Verständnis der direkten oder indirekten Betroffenheit festzulegen. Der sachliche Differenzierungsgrund in Form der zeitlich längeren und dadurch intensiveren Betroffenheit ist nicht zu beanstanden (vgl. VG Würzburg, U.v. 15.11.2021 – W 8 K 21.1000 – juris Rn. 38 ff. m.w.N.).
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c) Eine hiervon abweichende Verwaltungspraxis der Beklagten (vgl. dazu VG München, U.v. 29.11.2021 – M 31 K 21.2819 –, juris Rn. 25) ist nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.
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2. Auch die Ziffern 1, 3 und 4 der streitgegenständlichen Bescheide erweisen sich als rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (vgl. allgemein VG Würzburg, U.v. 15.11.2021 – W 8 K 21.1000 – juris Rn. 47 ff.).
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a) Rechtsgrundlage für die Ziff. 1 der streitgegenständlichen Bescheide über die Rücknahme der ursprünglichen Bescheide ist Art. 48 Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, weil der Zuwendungsbescheid zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war. Der Kläger durfte auch nicht in schutzwürdiger Weise auf den Bestand der Verwaltungsakte, die eine einmalige Geldleistung gewährten, vertrauen (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 BayVwVfG).
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Nach Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Sofern es sich – wie hier – um einen begünstigenden Verwaltungsakt handelt, ist bei der Rücknahme die Vertrauensschutzregelung des Art. 48 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 48 Abs. 2 bis 4 BayVwVfG zu berücksichtigen. Ein Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, wenn der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit den öffentlichen Interessen an einer Rücknahme schutzwürdig ist (Art. 48 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG). Das Vertrauen ist dabei in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht und eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann (Art. 48 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Auf Vertrauen kann sich der Betroffene nicht berufen, wenn die Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 bis 3 BayVwVfG vorliegen, insbesondere wenn der begünstigte Verwaltungsakt durch im Wesentlichen unrichtige oder unvollständige Angaben erwirkt wurde (Nr. 2) oder der Begünstigte die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte (Nr. 3). In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG).
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aa) Die Rücknahmevorschrift des Art. 48 BayVwVfG ist die korrekte einschlägige Rechtsgrundlage, da der aufzuhebende Zuwendungsbescheid mangels Vorliegens der Fördervoraussetzungen nach der einschlägigen Verwaltungspraxis – wie ausgeführt – rechtswidrig war. Denn eine Förderentscheidung unter Verstoß gegen die richtliniengeleitete Verwaltungspraxis ist rechtswidrig (VG Gießen, U.v. 3.8.2021 – 4 K 573/21.GI – juris Rn. 21 ff.).
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bb) Die rechtswidrigen Zuwendungsbescheide konnten auch ohne Verstoß gegen Vertrauensschutzgesichtspunkte (Art. 48 Abs. 1 Satz 2 und Art. 48 Abs. 2 BayVwVfG) zurückgenommen werden.
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Der Kläger kann sich nicht auf Vertrauen berufen, weil er die Zuwendung durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG). Ausreichend für das Vorliegen der Voraussetzungen des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG ist, dass die Angaben, mit Hilfe derer der Begünstigte den Verwaltungsakt erwirkt hat, objektiv unrichtig oder unvollständig waren; ob der Begünstigte dies wusste, ist unerheblich. Ebenso kommt es nicht auf ein Verschulden an (vgl. Müller in BeckOK, VwVfG, 57. Edition Stand: 1.10.2022, § 48 Rn. 78 m.w.N.). In Abgrenzung zu Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 BayVwVfG ist zudem keine Täuschungsabsicht erforderlich. Im Onlineantrag erklärte der Kläger ausdrücklich, dass er antragsberechtigt sei, ohne dass dies – wie oben ausgeführt – den Tatsachen entspricht. Es ist anzunehmen, dass die Beklagte bei richtiger Angabe den Bescheid über die Abschlagszahlung nicht erlassen hätte.
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Die Beklagte hat in den streitgegenständlichen Bescheiden dazu nachvollziehbar ausgeführt: Die Rücknahme des Bescheids stütze sich auf Art. 48 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BayVwVfG. Dem Kläger sei es anhand der Richtlinie sowie den FAQ mit anschaulichen Beispielen (auf die in der Antragstellung mehrfach verwiesen werde) ohne großen Aufwand möglich gewesen, herauszufinden, dass in ihrem Fall die Voraussetzungen für eine Antragstellung nicht vorlägen. Dennoch sei im Antrag die Förderberechtigung angegeben worden. Der Bescheid über die Abschlagszahlung beruhe gemäß Art. 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 BayVwVfG auf unrichtigen Angaben, so dass von keinem schutzwürdigen Vertrauen ausgegangen werden könne.
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Die erforderliche Kausalität ist gegeben. Denn ursächlich sind die unvollständigen bzw. unrichtigen Angaben, wenn anzunehmen ist, dass die Behörde bei vollständiger bzw. richtiger Angabe den Fehler – hier die Gewährung der Abschlagszahlung der Novemberhilfe trotz fehlender Antragsberechtigung mangels direkter oder indirekter Betroffenheit – nicht gemacht und den Verwaltungsakt nicht mit der erlassenen oder nur mit einer ungünstigeren Regelung erlassen hätte (Schoch in Schoch/Schneider, VwVfG, Werkstand: 2. EL April 2022, § 48 Rn. 172; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 48 Rn. 154).
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cc) Die Beklagte hat des Weiteren auch ermessensfehlerfrei von ihrer Rücknahmebefugnis Gebrauch gemacht.
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Das Gericht hat insoweit nur zu überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 114 Satz 1 VwGO). Die Beklagte konnte die Ermessenserwägungen auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen (§ 114 Satz 2 VwGO). Die angeführten Ermessenserwägungen der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Die Ermessensausübung deckt sich mit ihrer Verwaltungspraxis. Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.
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Im vorliegenden Fall des Art. 48 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG entfällt nicht nur die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, sondern es erfolgt zudem in der Regel eine Reduzierung des Rücknahmeermessens. Anders wäre es nur bei einem atypischen Ausnahmefall (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 48 Rn. 127b u. 127 c). Gründe, die ein Abweichen von dem gesetzlich normierten Regelfall rechtfertigen würden, sind indes weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Überdies erfordert der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwendung öffentlicher Mittel regelmäßig die Rücknahme rechtswidriger Subventionsbescheide, damit öffentliche Mittel sparsam und effektiv verwendet werden (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.1996 – BVerwG 3 C 22.96 – juris, Rn. 16; vgl. auch: HessVGH, U.v. 13.5.2014 – 9 A 2289/12 – juris Rn. 44). Dies gilt auch bei einer Bewilligung einer Coronabeihilfe (vgl. VG Gießen, U.v. 3.12.2020 – 4 K 3429/20.GI – juris Rn. 39 f.). Demnach ist in der vorliegenden Fallkonstellation auch bei einer Coronabeihilfe von einem intendierten Ermessen infolge der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit (VG Gießen, U.v. 3.8.2021 – 4 K 573/21.GI – juris Rn. 32 f. m.w.N.) auszugehen. Infolgedessen ist ein Vertrauensschutz im Regelfall ausgeschlossen, falls keine atypischen Umstände vorliegen, zu denen der Zuwendungsempfänger aber vor Bescheidserlass substantiierte Angaben hätte machen müssen, soweit die Rechtswidrigkeit des Bescheides durch unrichtige Angaben mitverursacht wurde (vgl. SächsOVG, U.v. 14.7.2020 – 6 A 565/18 – juris LS und Rn. 34 ff.).
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Die Beklagte hat in den Bescheiden nachvollziehbar ausgeführt, dass Art. 7 BayHO bei haushaltsrechtlich relevanten Ermessensentscheidungen zur sorgfältigen Beachtung des Gebots der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung der Haushaltsmittel verpflichte und dies den Ermessensspielraum einschränke. Gründe, die gegen diese Entscheidung sprechen würden oder eine Abweichung von der regelmäßigen Entscheidungspraxis begründen würden, seien nicht ersichtlich.
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b) Die Verpflichtung des Klägers zur Rückzahlung der gewährten Novemberhilfe bzw. Dezemberhilfe (Ziff. 3) ist ebenfalls rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Rückforderung der Abschlagszahlung findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 49a Abs. 1 Satz 1 BayVwVfG, wonach im Falle der Rücknahme eines Verwaltungsaktes mit Wirkung für die Vergangenheit (Art. 48 Abs. 2 Satz 4 BayVwVfG) bereits erbrachte Leistungen zu erstatten sind. Die Erstattung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen (Art. 49a Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG). Wie dargestellt wurden die Bescheide vom 11. Januar 2021 und 12. Januar 2021 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen, weshalb die Voraussetzungen für die Rückforderung des bereits ausgezahlten Betrages vorliegen, wie er in Ziff. 3 des angegriffenen Rücknahmebescheides festgesetzt wurde. Die Behörde hat kein Ermessen bezüglich des „Ob“ der Rückforderung (vgl. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Aufl. 2018, § 49a Rn. 37; Falkenbach in BeckOK, VwVfG, 57. Edition Stand: 1.10.2022, § 49a Rn. 23 m.w.N.). Vielmehr besteht eine Pflicht zur Rückerstattung bei einer Rücknahme mit Wirkung für die Vergangenheit (VG Gießen, U.v. 3.8.2021 – 4 K 573/21.GI – juris Rn. 36). Der Rückerstattungsanspruch kann mit Leistungsbescheid geltend gemacht werden (BayVGH, U.v. 10.11.2021 – 4 B 20.1961 – BeckRS 2021, 36762 Rn. 19 u. 28; OVG NRW, B.v. 16.4.2021 – 4 A 3435/20 – juris Rn. 24).
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Der Kläger kann sich hinsichtlich der Rückforderung nicht auf einen eventuellen Wegfall der Bereicherung berufen. Für den Umfang der Erstattung gelten mit Ausnahme der Verzinsung nach Art. 49a Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) entsprechend, weshalb grundsätzlich auch eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung nach § 818 Abs. 3 BGB in Frage kommt. Danach ist grundsätzlich nur noch eine im Vermögen vorhandene Bereicherung herauszugeben. Die Feststellung der Entreicherung erfolgt nach wirtschaftlichen Kriterien durch einen Vergleich des Vermögensstands beim Empfang der Leistung mit dem Vermögensstand im Zeitpunkt der Rückforderung der empfangenen Leistung (sog. Saldotheorie). Eine Entreicherung ist danach nicht eingetreten, wenn die rechtsgrundlos erlangte Leistung im Vermögen des Empfängers noch vorhanden ist. Beispiele hierfür sind die Ersparnis eigener Aufwendungen und die Befreiung von eigenen Verbindlichkeiten sowie eine Gegenleistung für den Verbrauch der empfangenen Mittel. Vermögensdispositionen wirken sich nur dann bereicherungsmindernd aus, wenn der Empfänger den Bereicherungsgegenstand zu Ausgaben verwendet hat, die er sonst nicht geleistet hätte (sog. Luxusausgaben); das Empfangene muss für außergewöhnliche Zwecke verwendet worden sein. Es obliegt dem Schuldner, hier also der Kläger, die Umstände einer Entreicherung substantiiert vorzutragen, da ihn insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft (vgl. BayVGH, U.v. 10.11.2021 – 4 B 20.1961 – BeckRS 2021, 36762 Rn. 30 ff.; Schoch in Schoch/Schneider, VwVfG, Stand 2. EL April 2022, § 49a Rn. 72 ff.).
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Gemessen hieran hat der Kläger nichts vorgebracht, weshalb eine Entreicherung im obigen Sinne vorliegen sollte, insbesondere trägt der Kläger gerade keine Verwendung für „außergewöhnliche Zwecke“, sondern eine Verwendung für monatlich anfallende laufende Ausgaben vor.
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Des Weiteren scheitert eine Berufung auf den Wegfall der Bereicherung bei dem Kläger, für sich selbstständig tragend, auch an Art. 49a Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG. Auf den Wegfall der Bereicherung kann sich der Begünstigte danach nicht berufen, soweit er die Umstände kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsakts geführt haben. Dies gilt insbesondere dann, wenn er die zurückgeforderte Zuwendung durch in wesentlichen Punkten unzutreffende oder unvollständige Angaben erwirkt hat (vgl. OVG NW, U.v. 17.8.2018 – 1 A 2675/15 – juris Rn. 68; Falkenbach in BeckOK, VwVfG, 57. Edition Stand: 1.10.2022, § 49a Rn. 31; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 49a Rn. 15). Dies ist hier – wie bereits ausgeführt – der Fall.
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c) Die Verzinsung des Rückforderungsbetrages (Ziff. 4) ist in Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG vorgesehen und ebenfalls nicht zu beanstanden. Zwar ist nach der gesetzlichen Vorgabe der zu erstattende Betrag vom Eintritt der Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes an zu verzinsen, wobei für den Fall der – wie hier – rückwirkenden Aufhebung des Verwaltungsakts der Zeitpunkt des Erlasses des ursprünglichen Zuwendungsbescheides bzw. der Zeitpunkt der Leistung anzusetzen wäre, so dass der Erstattungsbetrag in der Regel rückwirkend zu verzinsen wäre (vgl. Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG, 23. Aufl. 2022, § 49a Rn. 20 f.). Die Regelung in Ziff. 4 des streitgegenständlichen Bescheides, wonach eine Verzinsung erst bei Nichteinhaltung der Zahlungsfrist erfolgt, weicht hiervon zugunsten des Klägers ab und begegnet damit keinen rechtlichen Bedenken. Insoweit kann auf die Ausführungen in der Bescheidsbegründung verwiesen werden (§ 117 Abs. 5 VwGO).
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III. Die Kostenentscheidung richtet sich nach § 154 Abs. 1 VwGO.
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IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).