Inhalt

LG München I, Beschluss v. 07.06.2023 – 20 T 6917/23
Titel:

Keine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis bei im Beschwerdeverfahren gegen Eintragungsanordnung getroffener Ratenzahlungsvereinbarung 

Normenkette:
ZPO § 567, § 775 Nr. 4, § 882c Abs. 1, § 882d Abs. 1
Leitsatz:
Durch eine im Beschwerdeverfahren getroffene Ratenzahlungsvereinbarung entsteht ein Vollstreckungshindernis gem. § 775 Nr. 4 ZPO, das dazu führt, dass eine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis zu unterbleiben hat (im Anschluss an BGH BeckRS 2016, 2249). (Rn. 3 – 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eintragungsanordnung, Eintragung in das Schuldnerverzeichnis, Eintragungshindernis, Ratenzahlungsvereinbarung, Stillhaltevereinbarung, Vereinbarung im Beschwerdeverfahren, Eintragungsgrund bei tatsächlicher Veränderung
Vorinstanz:
AG München, Beschluss vom 03.05.2023 – 1534 M 30406/23
Fundstellen:
DGVZ 2024, 17
BeckRS 2023, 14152
LSK 2023, 14152

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 03.05.2023, Az. 1534 M 30406/23, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
1
Mit der sofortigen Beschwerde wendet sich die Gläubigerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts, in dem dem Widerspruch der Schuldnerin gegen die Eintragungsanordnung vom 22.12.2022 stattgegeben wurde, weil im Februar 2023 zwischen den Parteien eine Ratenzahlungsvereinbarung geschlossen wurde.
II.
2
Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet.
3
Durch die im Beschwerdeverfahren getroffene Ratenzahlungsvereinbarung ist ein Vollstreckungshindernis gemäß § 775 Nr. 4 ZPO entstanden, das dazu führt, dass die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis zu unterbleiben hat.
4
Siehe dazu Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 21.12.2015, Az.: I ZB 107/14 in Auszügen:
Die Frage, ob eine der Vorschrift des § 775 Nr. 4 ZPO unterfallende Stundungs- oder Stillhaltevereinbarung der Eintragungsanordnung entgegensteht, wenn die Parteien sie erst nachträglich – also im Widerspruchs- oder Beschwerdeverfahren – treffen, wird in Rechtsprechung und Literatur kontrovers beurteilt.
Im Kern geht es um die Frage, bis zu welchem Zeitpunkt die Herbeiführung der Eintragungsvoraussetzungen noch der im Vollstreckungsrecht geltenden Parteiherrschaft (vgl. hierzu Zöller/Stöber, ZPO, 31. Aufl., vor § 704 Rn. 19) unterliegt. Mit der Gesetzesreform ist neben einer Modernisierung der Zwangsvollstreckung das weitere Ziel verfolgt worden, durch eine Neuregelung des Schuldnerverzeichnisses den Schutz des Rechtsverkehrs vor illiquiden oder zahlungsunwilligen Schuldnern zu verbessern (vgl. Begr. des GE des BR zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, BT-Drs. 16/10069, 20, 37, 40). Die drohende Eintragung in das Schuldnerverzeichnis mag zwar faktisch auf Seiten des Schuldners einen gewissen Druck erzeugen, die Forderung zu begleichen; die Eintragung erfolgt aber nicht im Interesse des die Zwangsvollstreckung betreibenden Gläubigers. Vielmehr ist das Schuldnerverzeichnis ein reines Auskunftsregister über die Kreditunwürdigkeit einer Person (vgl. Begr. des GE des BR zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, BT-Drs. 16/10069, 37; Mock in Gottwald/Mock, § 882 c ZPO Rn. 1; MüKoZPO/Eickmann, § 882 c Rn. 1). Dem mit dem Schuldnerverzeichnis verfolgten Allgemeininteresse trägt die Neuregelung dadurch Rechnung, dass die Eintragung in das Schuldnerverzeichnis nicht auf Grund eines Antrags des Gläubigers, sondern von Amts wegen erfolgt. Es handelt sich mithin nicht um eine Vollstreckungsmaßnahme, sondern es liegt ein amtliches Folgeverfahren auf Grund einer begonnenen oder durchgeführten Zwangsvollstreckungsmaßnahme vor (vgl. Wassert, DGVZ 2013, 85 [86]). Aus dem Charakter des Eintragungsverfahrens als Amtsverfahren folgt, dass sich Gläubiger und Schuldner nicht darüber einigen können, dass eine Eintragung in das Schuldnerverzeichnis unterbleibt (vgl. BeckOKZPO/Utermark/FIeck, § 882 b Rn. 1; Mock in Gottwald/Mock, § 882c ZPO Rn. 2).
Aus dem Umstand, dass das Schuldnerverzeichnis dem Schutz der Allgemeinheit vor zahlungsunfähigen oder zahlungsunwilligen Schuldnern dient, wird teilweise geschlossen, dass eine erst nachträglich vereinbarte Stundung den Eintragungsgrund i.S.d. § 882 c I ZPO nicht mehr beseitigen kann, weil mit dem erstmaligen Vorliegen der Eintragungsvoraussetzungen, spätestens aber mit der Anordnung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis der öffentliche Schutzzweck greift und das Verfahren deshalb der Parteidisposition entzogen ist (LG Arnsberg, DGVZ 2014, 43 = BeckRS 2014, 03447; LG Braunschweig, DGVZ 2015, 37 = BeckRS 2016, 02661; AG Böblingen, DGVZ 2014, 174 = BeckRS 2014, 14168; vgl. auch [zu einem Fall des § 802 b II ZPO] LG Karlsruhe, DGVZ 2013, 211 = BeckRS 2016, 03459).
Demgegenüber vertreten Teile der Rechtsprechung und Literatur den Standpunkt, dass erst ab dem Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch oder einer nachfolgenden Beschwerde gegen die Anordnung der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis die Berücksichtigung der allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen endet und bis dahin folglich eine Stundung gem. § 775 Nr. 4 ZPO bei der Prüfung der Eintragungsvoraussetzungen zu berücksichtigen ist (LG Berlin, DGVZ 2013, 213; LG Darmstadt, Beschl. v. 30.10.2013 – 5 T 353/13; LG Detmold, DGVZ 2015, 22 = BeckRS 2015, 00840; Musielak/Voit, § 882 d Rn. 3).
Der letztgenannten Ansicht ist der Vorzug zu geben. 26 Es entspricht bereits der Vorstellung des Gesetzgebers, dass für die Entscheidung über die Begründetheit von Widerspruch und Beschwerde auf den jeweiligen Entscheidungszeitpunkt abzustellen ist und dass zwischen der Eintragungsanordnung und dem Entscheidungszeitpunkt eingetretene tatsächliche Veränderungen den Eintragungsgrund entfallen lassen (Begr. des GE des BR zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, BT-Drs. 16/10069, 39). Dies steht mit der Vorschrift des § 571 II 1 ZPO in Einklang, wonach die Beschwerde auf neue Angriffs- und Verteidigungsmittel gestützt werden kann (vgl. Zöller/Stöber, § 882 d Rn. 4).
Der Umstand, dass die Gesetzesbegründung ausdrücklich eine im Widerspruchsverfahren abgeschlossene Ratenzahlungsvereinbarung als Eintragungshindemis benennt (vgl. BT-Drs. 16/10069, 39), steht dem nicht entgegen. Die Aussage bezieht sich allein auf eine Ratenzahlungsvereinbarung nach § 802 b II ZPO, so dass hieraus für die entsprechende Wirkung einer zwischen den Parteien ohne Mitwirkung des Gerichtsvollziehers geschlossenen Vereinbarung nichts hergeleitet werden kann.
Die Gleichbehandlung der Zahlungsvereinbarung i.S.d. § 802 b II ZPO und einer ohne Mitwirkung des Gerichtsvollziehers getroffenen Stundungsvereinbarung als Eintragungshindernis ist durch Sinn und Zweck der Vereinbarungen begründet. Es besteht kein Grund, einer zwischen den Parteien getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung, die materiell-rechtlich die Fälligkeit der zu vollstreckenden Forderung beseitigt, die nach § 775 Nr. 4 ZPO vorgesehene vollstreckungsrechtliche Wirkung zu versagen, wenn der Gesetzgeber zugleich einer unter Mitwirkung des Gerichtsvollziehers herbeigeführten Parteivereinbarung, die den Charakter eines bloßen vollstreckungsrechtlichen Vertrags ohne materiell-rechtliche Wirkung hat (vgl. Musielak/Voit, § 802 b Rn. 3, 11; Hergenröder, DGVZ 2012, 112 [115]; Gothe, DGVZ 2013, 197), in § 802 b II 2 ZPO die Wirkung eines Vollstreckungsaufschubs zuspricht. Gleiches gilt für ein Stillhalteabkommen der vorliegenden Art, das der gerichtlichen Geltendmachung der Forderung ebenso entgegensteht wie die Stundung (s. o. III 2 b aa [Rn. 16]). Soll im Fall des § 802 b II ZPO der aus der Zahlungsvereinbarung folgende Vollstreckungsaufschub das Eintragungshindemis bewirken (vgl. Begr. des GE des BR zur Reform der Sachaufklärung in der Zwangsvollstreckung, BT-Drs. 16/10069, 39), kann einer materiell-rechtlich und zugleich gem. § 775 Nr. 4 ZPO vollstreckungsrechtlich wirkenden Stundungs- oder Stillhaltevereinbarung die entsprechende Wirkung nicht versagt werden. Auch angesichts der Ausgestaltung des Eintragungsverfahrens als Amtsverfahren wirken nach der Konzeption des Gesetzgebers Zwangsvollstreckungsvoraussetzungen auf die Eintragungsgründe des § 882 c ZPO ein. Eine die Anwendung des § 775 Nr. 4 ZPO ausschließende Wirkung kann den §§ 802 b, 882 c ZPO danach nicht entnommen werden.
Soweit die Vorschrift des § 802 b II ZPO qualifizierte Anforderungen an eine der Eintragung in das Schuldnerverzeichnis entgegenstehende Zahlungsvereinbarung regelt, stehen diese einer Gleichbehandlung nicht entgegen. Diese qualifizierten Anforderungen – insbesondere die dem Schuldner auferlegte Last zur Glaubhaftmachung seiner Zahlungsfähigkeit – haben lediglich den Zweck, im Interesse des Gläubigerschutzes die dem Gerichtsvollzieher zugleich gem. § 754 ZPO eingeräumte Ermächtigung zum Abschluss einer für den Gläubiger verbindlichen Zahlungsvereinbarung zu begrenzen. Vereinbart der Gläubiger selbst mit dem Schuldner eine Ratenzahlungsvereinbarung, so bedarf er eines solchen Schutzes nicht, weil der Gläubiger sein Interesse selbst wahrzunehmen vermag. Der Schutzzweck des Schuldnerverzeichnisses, die Allgemeinheit vor zahlungsunfähigen oder -unwilligen Schuldnern zu warnen, hat damit im Fall einer zwischen den Parteien ohne Beteiligung des Gerichtsvollziehers getroffenen Ratenzahlungsvereinbarung regelmäßig kein wesentlich stärkeres Gewicht als im Fall der nach § 802 b II ZPO getroffenen Zahlungsvereinbarung, weil in beiden Fällen eine positive Zahlungsprognose gestellt worden ist.
Nach allem begründet die vorliegend erst im Beschwerdeverfahren zwischen den Parteien ohne Mitwirkung des Gerichtsvollziehers abgeschlossene Stillhaltevereinbarung, die gem. § 775 Nr. 4 ZPO die Einstellung der Zwangsvollstreckung rechtfertigt, ein Hindernis gegenüber der Eintragung des Schuldners im Schuldnerverzeichnis.
5
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da es sich beim Eintragungsverfahren nicht um ein kontradiktorisches Verfahren handelt.