Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 23.05.2023 – W 1 K 23.271
Titel:

Ruhensberechnung, Anrechenbarkeit von Rentenbezügen für Pflegepersonen auf Versorgungsbezüge

Normenketten:
BayBeamtVG Art. 85
GG Art. 3 Abs. 1
Schlagworte:
Ruhensberechnung, Anrechenbarkeit von Rentenbezügen für Pflegepersonen auf Versorgungsbezüge
Fundstelle:
BeckRS 2023, 13798

Tenor

I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor-her in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

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Der am … … 1956 geborene Kläger stand bis zum Eintritt in den vorzeitigen Ruhestand mit Ablauf des … … 2016 als P* … im Dienst des Beklagten.
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Mit Bescheid vom 3. Mai 2016 des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle Ansbach, (künftig: Landesamt) wurden die monatlichen Versorgungsbezüge des Klägers ab 1. Mai 2016 auf 2.960,64 EUR (brutto) festgesetzt.
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Seit dem … … 2022 erhält der Kläger eine Rente der Deutschen Rentenversicherung i.H.v. 47,00 EUR monatlich (zzgl. eines Zuschusses zur Krankenversicherung i.H.v. 3,74 EUR), die auf Beiträge im Rahmen der Pflichtbeitragszeiten für Pflegetätigkeiten vom 1. Januar 2017 bis 22. März 2022 zurückzuführen ist.
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Mit – streitgegenständlichem – Bescheid vom 20. September 2022 des Landesamtes wurden die monatlichen Versorgungsbezüge des Klägers ab … … 2022 auf 3.290,91 EUR (brutto) festgesetzt. In diesem Zusammenhang wurde eine Ruhensberechnung gemäß Art. 85 BayBeamtVG durchgeführt. Dies führte zu einem Ruhen der Versorgungsbezüge in voller Höhe der monatlichen Rente der Deutschen Rentenversicherung (47,00 EUR).
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Mit Schreiben vom 11. Oktober 2022 legte der Kläger Widerspruch gegen diese Entscheidung ein und trug zur Begründung im Wesentlichen vor, dass eine Anrechnung nach Art. 85 BayBeamtVG nicht stattfinden dürfe, da eine Überversorgung nicht gegeben sei. Zudem sei nicht berücksichtigt worden, dass die Anwartschaft erst nach der Zurruhesetzung des Klägers entstanden sei, da diese auf der häuslichen Pflege seiner Mutter im Zeitraum von Mitte 2016 bis März 2022 beruhe. Schließlich widerspreche die Anrechnung der Intention des Gesetzgebers, Pflegende zu stärken, und stelle einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar, da der Kläger zu Unrecht mit Beamten gleichstellt werde, die keine Pflegeleistungen erbracht hätten.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 2023 trat das Landesamt den Argumenten des Klägers entgegen und wies den Widerspruch als unbegründet zurück.
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Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger am 27. Februar 2023 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg. Zur Begründung wiederholte der Kläger im Wesentlichen sein bisheriges Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren.
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Der Kläger beantragt daher schriftsätzlich: 1) Der Bescheid vom 20. September 2022 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 2023 wird aufgehoben und es wird festgestellt, dass die monatlichen Versorgungsbezüge des Klägers nicht i.H.v. 47,00 EUR ruhen.
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2) Hilfsweise wird der Beklagte verpflichtet, die monatlichen Versorgungsbezüge des Klägers erneut und ohne Berücksichtigung der monatlichen Rente der Deutschen Rentenversicherung in derzeitiger Höhe von 47,00 EUR festzustellen.
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Der Beklagte, vertreten durch das Landesamt, beantragt die Klage abzuweisen.
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Rechtsgrundlage für die Ruhensberechnung sei Art. 85 BayBeamtVG. Danach sei im Fall des Zusammentreffens von Versorgungsbezügen mit Renten zu prüfen, ob die Versorgungsbezüge zzgl. der Rente die Höchstgrenzen gemäß Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG übertreffen. In diesem Fall würden die Versorgungsbezüge in entsprechender Höhe ruhen. Bei der vom Kläger bezogenen Rente handle es sich zweifelsfrei um eine Rente i.S.d. Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBeamtVG. Eine Ruhensberechnung sei also durchzuführen. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Rente auf einer Pflegetätigkeit für die Mutter des Klägers nach dessen Eintritt in den Ruhestand beruhe. Eine Ausnahme für derartige Renten sei in Art. 85 BayBeamtVG nicht ersichtlich. Zwar habe es die Intention des Gesetzgebers sein mögen, pflegende Angehörige zu unterstützen. Maßgeblich für das Landesamt als Behörde sei aber die geltende gesetzliche Regelung, nicht eine bloße Intention des Gesetzgebers, solange sich diese nicht in der gesetzlichen Regelung niedergeschlagen habe. Dabei sei auch zu bedenken, dass es bei den politischen Überlegungen zur Unterstützung pflegender Angehörige in erster Linie natürlich um solche Angehörige gehe, die berufstätig seien. Diese seien durch eine Pflegetätigkeit neben der Berufstätigkeit oder eine sogar notwendige Reduzierung oder Einstellung der Berufstätigkeit besonders belastet. Auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz liege nicht vor. Der Gesetzgeber dürfe bei der Ausgestaltung des Besoldungs- und Versorgungssystems pauschalieren und typisieren. Unebenheiten, Friktionen und Mängel müssten in Kauf genommen werden, solange sich für die Gesamtregelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lasse. Im vorliegenden Fall stelle sich bereits die Frage, ob tatsächlich ungleiche Sachverhalte gleichbehandelt werden bzw. welcher Sachverhalt überhaupt als Vergleichsgrundlage herangezogen werden könne. Der Kläger habe einen Vergleich zu Beamten angestellt, die keine Angehörigen gepflegt hätten und folglich keine Rente erhalten würden. Es würde sich aber vielmehr aufdrängen, einen Vergleich anzustellen zwischen Beamten, die Renten aus einer gesetzlichen Rentenversicherung beziehen. Denn von einigen Ausnahmen abgesehen, werde bei diesen Beamten stets eine Ruhensberechnung gemäß Art. 85 BayBeamtVG durchgeführt ohne Rücksicht darauf, was der Grund für den Rentenanspruch sei. Es würden also alle Beamten, die eine Rente bezögen, finanziell gleichgestellt. Denn bei allen käme es bei Überschreiten der Höchstgrenzen des Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG zu einem Ruhen der Versorgungsbezüge. Auf diese Weise würden wiederum alle Beamten, die zusätzlich eine Rente bezögen, gleichgestellt mit solchen Beamten, die keine Rente bezögen (z. B. weil sie keine Angehörigen gepflegt haben). Es erfolge also letztlich eine finanzielle Gleichbehandlung aller Beamten. Die einen würden sowieso nur Versorgungsbezüge erhalten. Die anderen würden im Ergebnis so behandelt, als ob sie ausschließlich Versorgungsbezüge erhalten würden. Diese Gleichbehandlung sei gerade das Ziel der Ruhensvorschriften. Eine Überversorgung oder Doppelversorgung solle vermieden werden. Dies sei als sachlicher Grund i.S.d. Art. 3 Abs. 1 GG und als solcher durch die Rechtsprechung anerkannt. Es stelle somit einen sachlichen Grund für die Gleichbehandlung auch unterschiedlicher Sachverhalte im Rahmen des Versorgungsrechts dar. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz liege somit nicht vor.
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4. Die Beteiligten erklärten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung.
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5. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegten Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage kann nach erfolgtem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, § 101 Abs. 2 VwGO.
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1. Der Kläger begehrt im Hauptantrag die Feststellung, dass die monatlichen Versorgungsbezüge des Klägers nicht i.H.v. 47,00 EUR pro Monat ruhen unter gleichzeitiger Aufhebung des angegriffenen Bescheids vom 20. September 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2023.
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Im Kern begehrt er jedoch die Neufestsetzung seines Ruhensbetrages, nicht jedoch die Neufestsetzung seiner Versorgungsbezüge generell. Das Gericht legt daher den vorliegenden Hauptantrag unter Berücksichtigung des übrigen Klagevorbringens im wohlverstandenen Interesse des Klägers sachgerecht dahingehend aus (vgl. § 88 VwGO), dass die Aufhebung des Bescheids vom 20. September 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2023 nur insoweit begehrt wird als darin der Ruhensbetrags i.H.v. 47,00 EUR festgestellt wird.
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Die so verstandene Klage ist im Hauptantrag bereits unzulässig. Sie scheitert an der Subsidiarität der Feststellungsklage nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO.
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Denn ist, wie vorliegend, hinsichtlich der Ruhensanordnung, bereits ein feststellender Verwaltungsakt ergangen (vgl. zum feststellenden Charakter eines Ruhensbescheids ausführlich BVerwG, U.v. 15.11.2016 – 2 C 9/15 – NVwZ-RR 2017, 576/77 Rn. 18 m.w.N.), ist eine Feststellungsklage im Sinne von § 43 Abs. 1 VwGO in Bezug auf das durch Verwaltungsakt festgestellte Rechtsverhältnis unstatthaft (vgl. BVerwG, U.v. 16.01.2003 – 7 C 31/02 – NVwZ 2003, 864), da der Rechtsschutzsuchende seine Rechte in einem solchen Fall auch mit einer – vorrangigen – isolierten Gestaltungs- oder Leistungsklage geltend machen könnte, die in der Regel rechtsschutzintensiver sind. Umstritten ist zwar, ob dies auch im Verhältnis zu einer Klage auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts gilt (vgl. NK-VwGO/Helge Sodan, 5. Aufl. 2018, VwGO § 43 Rn. 132 m.w.N.; BeckOK VwGO/Möstl, 65. Ed. 1.1.2023, VwGO § 43 Rn. 14; Kopp/Schenke, VwGO, 28. Aufl. 2022, § 43 Rn. 2 m.w.N.). Ungeachtet der hierzu vertretenen Ansichten im Detail überzeugt jedoch nach Ansicht der erkennenden Kammer die Auffassung, dass durch den Grundsatz der Subsidiarität die allgemeine Feststellungsklage jedenfalls in den Fällen, und somit auch hier, ausgeschlossen ist, wenn die Behörde bereits einen feststellenden Verwaltungsakt erlassen hat (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, a.a.O., § 43 Rn. 2 m.w.N). Denn durch die Erhebung einer Verpflichtungsklage wird dem Rechtsschutzziel eines Betroffenen wirkungsvoll und umfassend Rechnung getragen.
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So liegt der Fall hier. Denn der Kläger möchte gerichtlich festgestellt wissen, dass – entgegen der Feststellung des Beklagten in dem angegriffenen Bescheid – seine monatlichen Versorgungsbezüge nicht i.H.v. 47,00 EUR ruhen. Der vom Kläger erhobene Feststellungsantrag betrifft somit das durch Verwaltungsakt bereits festgestellte Rechtsverhältnis unmittelbar. Der Kläger ist daher vorrangig auf seine im Hilfsantrag gestellte Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gerichtet auf Erlass eines feststellenden Verwaltungsakts unter entsprechender Aufhebung des Bescheids vom 20. September 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2023 zu verweisen.
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2. Das hilfsweise geäußerte Begehren des Klägers, den Beklagten zu verpflichten, die monatlichen Versorgungsbezüge des Klägers erneut und ohne Berücksichtigung der monatlichen Rente der Deutschen Rentenversicherung in derzeitiger Höhe von 47,00 EUR festzustellen, ist dagegen zulässig, aber in der Sache unbegründet.
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Denn der Kläger hat ersichtlich keinen Anspruch darauf, dass ihm Versorgungsbezüge ohne Anrechnung des in Rede stehenden, aus der Pflegetätigkeit resultierenden Rentenanteils i.H.v. 47,00 EUR gewährt werden. Der Bescheid vom 20. September 2022 des Landesamts für Finanzen in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Januar 2023, soweit hierdurch die Anrechnung der dem Kläger neben der beamtenrechtlichen Versorgung gewährten Rente der Deutschen Rentenversicherung und das teilweise Ruhen der Versorgungsbezüge i.H.v. 47,00 EUR monatlich geregelt werden, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
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2.1 Die angegriffene Entscheidung des Landesamts für Finanzen findet ihre Rechtsgrundlage in Art. 85 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1, Abs. 2 BayBeamtVG. Sie begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Im Einzelnen:
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Art. 85 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG bestimmt, dass Versorgungsbezüge neben Renten nur bis zum Erreichen der in Abs. 2 bezeichneten Höchstgrenze bezahlt werden. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die Gesamtversorgung aus beamtenrechtlichen Versorgungsbezügen und sonstigen Renten die Höchstversorgung eines „Nur-Beamten“ nicht übersteigt (vgl. LT-Drs. 16/3200 v. 26.01.2010, S. 508). Nach Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BeamtVG gelten Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen als Renten im Sinne des Satzes 1. Damit sind die auf der Grundlage des Sozialgesetzbuchs Sechstes Buch – Gesetzliche Rentenversicherung – (SGB VI) gezahlten Renten gemeint (vgl. zur gleichlautenden Vorschrift des Bundesbeamtenversorgungsrecht: Zahn in Stegmüller/Schmalhofer/Bauer, Beamtenversorgungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: April 2023, § 55 BeamtVG, Rn. 33; OVG NW, B.v. 11.09.2018 – 1 E 317/18 – juris Rn. 13 m.w.N.). Art. 85 Abs. 5 Satz 1 BayBeamtVG regelt darüber hinaus, dass bei Ermittlung der nach Abs. 1 anzusetzenden Rente der Teil der Rente außer Ansatz bleibt, der auf freiwilligen Beitragsleistungen oder auf eine Höherversicherung beruht.
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2.2 Die genannten Voraussetzungen der Ruhensregelung gemäß Art. 85 Abs. 1 BayBeamtVG, wonach Versorgungsbezüge neben Renten nur bis zum Erreichen der in Art. 85 Abs. 2 BayBeamtVG bezeichneten Höchstgrenzen gezahlt werden, sind vorliegend erfüllt.
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Die von dem Kläger neben seinem Ruhegehalt bezogene Rente zählt zu den in Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBeamtVG ausdrücklich genannten Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen. Das ergibt sich aus dem insoweit maßgeblichen Bescheid der Deutschen Rentenversicherung vom 8. September 2022, wonach dem Kläger eine ab dem 1. September 2022 zu zahlende Altersrente in Höhe von 47,00 EUR gezahlt wird, bei der es sich um eine Rente wegen Alters nach § 33 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI handelt. Diese Altersrente stellt daher eine bei der Ermittlung der zu zahlenden Versorgungsbezüge zu berücksichtigende Rente i.S.v. Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBeamtVG dar, für die Art. 85 Abs. 1 Satz 1 BayBeamtVG festlegt, dass Versorgungsbezüge daneben nur bis zum Erreichen der in Abs. 2 bezeichneten Höchstgrenze gezahlt werden.
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Da es sich ausweislich des Bescheids der Deutschen Rentenversicherung vom 8. September 2022 bei dem vom Kläger im Zeitraum vom 1. Januar 2017 bis 22. März 2022 geleisteten Beiträgen in die Allgemeine Rentenversicherung um Pflichtbeiträge für Pflegetätigkeit gehandelt hat, kommt eine Anwendung von Art. 85 Abs. 5 Satz 1 BayBeamtVG nicht in Betracht.
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Fehler hinsichtlich der vom Landesamt für Finanzen ermittelten Höchstgrenze und dem daraus errechneten Ruhensbetrag in Höhe von 47,00 EUR wurden im Übrigen weder vorgetragen noch sind solche ersichtlich.
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2.3 Entgegen des Klägervortrags besteht auch kein Raum, Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBeamtVG wider seinem klaren und eindeutigen Wortlaut einschränkend in einer Weise auszulegen, dass Renten aus den gesetzlichen Rentenversicherungen insoweit anrechnungsfrei bleiben, als sie auf einer Tätigkeit des Rentenberechtigten als nicht erwerbsmäßig tätige Pflegeperson beruhen. Insoweit schließt sich die erkennende Kammer den überzeugenden und auf den vorliegenden Fall übertragbaren Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 11. September 2018 zur gleichlautenden Vorschrift des Bundesbeamtenversorgungsrecht an: „Eine solche Auslegung widerspräche der Natur des geltenden Beamtenversorgungsrechts und gerade auch der für verschiedene Fälle des Zusammentreffens mehrerer Altersversorgungen geltenden Ruhensregelungen. In diesen sind grundsätzlich die einzelnen Ansprüche bzw. die einzelnen Anrechnungsfälle nach Grund und Höhe durch formelle und zwingende Vorschriften stark kasuistischen Inhalts festgelegt. Eine Regelung dieser Art ist nach dem darin erkennbaren Willen des Gesetzgebers einer ausdehnenden Auslegung und Ergänzung der ausdrücklichen Regelungen durch allgemeine Grundsätze nicht zugänglich. Ebenso wenig ist eine solche Regelung einer einschränkenden Auslegung entgegen dem Wortlaut zugänglich. Gerade auch bei den Anrechnungsregelungen hat der Gesetzgeber nicht etwa nur einen Grundsatz ausgesprochen und dessen Ausfüllung der Verwaltungspraxis und der Rechtsprechung überlassen, sondern die Konkretisierung selbst vorgenommen und sich dabei auf eine gewisse, typisierende Differenzierung von Fallgruppen beschränkt, um die Regelung praktikabel zu halten. Zudem hätten dem Gesetzgeber, wenn er den auf der Pflegetätigkeit im o.g. Sinne beruhenden Teil einer Regelaltersrente hätte grundsätzlich von der Anrechnung ausnehmen wollen, hierfür unterschiedliche – auf den Einzelfall abstellende oder wiederum typisierende – Möglichkeiten der Berechnung zur Verfügung gestanden; es ist nicht Sache der Gerichte, sich anstelle des Gesetzgebers für eine der denkbaren Möglichkeiten zu entscheiden.“ (OVG NW, B.v. 11.09.2018 – 1 E 317/18 – juris Rn. 19 ff. m.w.N.).
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2.4 Ebenso überzeugt das klägerseits vorgetragene Argument, einer Anrechnung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung stünde der Umstand entgegen, dass die Rentenanwartschaft erst nach seiner Zurruhesetzung aus dem Beamtenverhältnis entstanden ist, nicht, da ausweislich des eindeutigen Wortlauts des Art. 85 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBeamtVG eine Anrechnung nicht voraussetzt, dass die Rentenanwartschaft zeitlich vor der Zurruhesetzung erworben wurde.
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2.5 Rechtlich nicht zu beanstanden ist auch der Umstand, dass der bayerische Gesetzgeber die hier in Rede stehenden Rentenanteile nicht von einer Anrechnung freistellen will, obwohl diese ihre Grundlage nicht im Arbeitsleben haben. Zwar unterscheidet die Regelung in Art. 85 Abs. 5 Satz 1 BayBeamtVG danach, ob eine Rente ihre Grundlage tatsächlich im Arbeitsleben hat oder ob ihr keine unmittelbare Arbeitsleistung, sondern etwa die Zahlung freiwilliger Beitragsleistungen zugrunde liegt, wobei im zweiten Fall eine Rentenanrechnung nicht stattfinden soll. Diese vom bayerischen Gesetzgeber vorgenommene Differenzierung führt aber bezogen auf die hiesige Fallkonstellation nach Ansicht der erkennenden Kammer nicht zu der Annahme, dass der bayerische Gesetzgeber die hier in Rede stehenden Rentenanteile ebenfalls von einer Anrechnung freistellen wollte. Denn diese beruhen zwar nicht auf einem Arbeitsverhältnis im herkömmlichen Sinne, wohl aber auf einer tatsächlich ausgeübten Beschäftigung (Pflegetätigkeit), während derer der Kläger versicherungspflichtig war (§ 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI), beitragspflichtige Einnahmen aus der Versicherung des Pflegebedürftigen (§ 28 Abs. 1 Nr. 10 i.V.m. § 44 SGB XI) in Höhe eines bestimmten Vom-Hundert-Betrages der sich am durchschnittlichen Arbeitsentgelt aller Rentenversicherten in den alten Bundesländern des jeweils vorvergangenen Jahres orientierenden Bezugsgröße vorlagen (§§ 161 Abs. 1, 166 Abs. 2 SGB VI) und die Beiträge nicht von ihm, sondern von der in § 170 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI bezeichneten Stelle getragen wurden.
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2.6 Ebenso führen die in diesem Zusammenhang ferner angestellten allgemeinen Erwägungen des Klägers zur sozialpolitischen Zielrichtung der gesetzlichen Anerkennung von Pflegezeiten als rentenrelevante Zeiten und die von ihm daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen vorliegend nicht weiter.
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Zweck der angesprochenen Anerkennung war es nach der Vorstellung des Bundesgesetzgebers zwar tatsächlich die Pflegebereitschaft im häuslichen Bereich weiter zu fördern und den hohen Einsatz der Pflegepersonen anzuerkennen (vgl. BT-Drs. 12/5262 v. 04.09.1993, Entwurf eines Gesetzes zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit, Pflege-Versicherungsgesetz – PflegeVG, S. 82, Gesetzesbegründung A., Allgemeiner Teil, VIII. A. 6.; ebenso bereits BT-Drs. 11/4124 v. 07.03.1989, Entwurf eines Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung, Rentenreformgesetz 1992 – RRG 1992, S. 142).
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Gemessen an dieser gesetzgeberischen Zwecksetzung und den die Ermittlung des Rentenanspruchs betreffenden Regelungen ist gleichwohl nicht erkennbar, dass der gesetzlichen Anerkennung von Pflegezeiten als rentenrelevante Zeiten, wie der Kläger meint, auch eine darüber hinaus verallgemeinerungsfähige Zielsetzung entnommen werden könnte, der auch für den Regelungsbereich der Beamtenversorgung Geltung beanspruchen kann. Ferner ist nicht ersichtlich, dass es dem dargelegten generellen Zweck der gesetzlichen Anerkennung von Pflegezeiten als rentenrelevante Zeiten widerspricht, wenn der Dienstherr sich in Bezug auf die zu versorgenden Ruhestandsbeamten von seiner Alimentationspflicht dadurch teilweise entlastet, dass er den Versorgungsberechtigten nach Maßgabe des Art. 85 BayBeamtVG auf die aus der Pflegetätigkeit resultierenden, aus einer anderen öffentlichen Kasse stammenden Renteneinkünfte verweist, die ebenfalls der Existenzsicherung des Versorgungsberechtigten und seiner Familie zu dienen bestimmt sind (so bereits überzeugend zur gleichlautenden Vorschrift des Bundesbeamtenversorgungsrechts OVG NW, B.v. 11.9.2018 – 1 E 317/18 – juris Rn. 47).
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2.7 Auch die klägerseits vorgebrachten verfassungsrechtlichen Zweifel gegen die von Gesetzes wegen vorzunehmende Anrechnung des fraglichen Rententeils auf die Ruhestandsbezüge rechtfertigen keine abweichende Bewertung. Insbesondere liegt kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vor.
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Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Das hieraus folgende, auch im Bereich des Besoldungs- und Versorgungsrechts geltende Gebot, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln, gilt für ungleiche Belastungen und ungleiche Begünstigungen. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Gesetzgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Ziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind. Dabei gilt ein stufenloser am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit orientierter verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab, dessen Inhalt und Grenzen sich nicht abstrakt, sondern nur nach den jeweils betroffenen unterschiedlichen Sach- und Regelungsbereichen bestimmen lassen (vgl. statt vieler: BVerfG, U.v. 18.07. 2018 – 1 BvR 1675/16 – u. a., juris Rn. 64 m.w.N.)
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Gemessen daran stellt, entgegen der Ansicht des Klägers, die Anrechnung der auf Pflegezeiten beruhenden Altersrente keine nicht gerechtfertigte Schlechterstellung gegenüber anderen Ruhestandsbeamten dar, die solche Pflegeleistungen nicht erbracht haben. Insofern fehlt es bereits an einer unzulässigen Ungleichbehandlung im Verhältnis zum Kläger. Verfassungsrechtlich relevant ist nämlich nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem. Demgegenüber handelt es sich bei den von der Klägerseite genannten Vergleichsgruppen bereits tatbestandlich nicht „um im Wesentlichen gleiche Sachverhalte“, die eine Gleichbehandlung gebieten würden. Denn während Beamte, die entsprechende Pflegeleistungen erbracht haben, eine Rentenanwartschaft im Sinne von § 3 Satz 1 Nr. 1a SGB VI erworben haben, die mitunter zu einer Anrechnung im Sinne von Art. 85 Abs. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBeamtVG führt, haben Beamte, die keinen solchen Pflegeleistungen erbracht haben, bereits keine entsprechende Rentenanwartschaft erworben, die eine Anrechnung mit Versorgungsleistungen nach sich zöge. Vielmehr werden, wie der Beklagte zu Recht ausführt, alle Beamten, die eine Rente der gesetzlichen Rentenversicherungen beziehen, durch die Regelung in Art. 85 Abs. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBeamtVG gleichgestellt, was wiederum in der Tat verfassungsrechtlich geboten ist, um eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung im Sinn von Art. 3 Abs. 1 GG zu vermeiden.
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Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der dem Kläger zustehende Rentenanspruch, der grundsätzlich den Schutz nach Art. 14 Abs. 1 GG bzw. Art. 103 Abs. 1 BV genießt, durch die Anrechnung nach Art. 85 Abs. 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BayBeamtVG weder in seinem Bestand noch in seiner Höhe entwertet oder in sonstiger Weise tangiert wird. Vielmehr wird die Altersrente i.H.v. 47,00 EUR ungekürzt von der Deutschen Rentenversicherung an den Kläger ausbezahlt und bleibt ihm somit vollständig erhalten. Für seine erbrachten Pflegeleistungen erhält er nach wie vor ein vollwertiges Äquivalent (vgl. hierzu BayVerfGH, E.v. 27.4.2021 – Vf. 6-VII-19 – juris Rn. 29). Insofern wird trotz der Anrechnung der Altersrente auf die Versorgungsbezüge des Klägers der Intention des Gesetzgebers eine Verbesserung der Versicherungsbedingungen für nicht erwerbsmäßig tätige Pflegepersonen zu erreichen vollumfänglich Rechnung getragen und die Pflegeleistungen des Klägers gewürdigt.
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3. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.