Titel:
Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts bei einer Darlehensrückzahlungsforderung
Normenketten:
ZPO § 29 Abs. 2, § 36 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2
EGZPO § 9
GmbHG § 13 Abs. 3
BGB § 133, § 157, § 269 Abs. 1, § 305 Abs. 1, § 307, § 310 Abs. 1 S. 1, S. 2
Leitsätze:
1. Der Antrag der Antragstellerin auf Bestimmung des Landgerichts München I oder II als das zuständige Gericht ist lediglich als Anregung zu verstehen, denn die Auswahl im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO obliegt dem bestimmenden Gericht, das seine Entscheidung nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie trifft. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Im nationalen Bereich befindet sich bei Darlehensverträgen der Leistungsort (§ 269 Abs. 1 BGB) und damit auch der für den besonderen Gerichtsstand des § 29 Abs. 1 ZPO maßgebliche Erfüllungsort am Wohnsitz bzw. Sitz des jeweiligen Schuldners zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses, soweit vertraglich nichts Abweichendes geregelt ist oder sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Auswahl unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie, wobei das bestimmende Gericht ein Auswahlermessen hat. Auszuwählen ist im Regelfall ein Gericht am allgemeinen Gerichtsstand eines der beklagten Streitgenossen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zuständigkeitsbestimmung, Gerichtsstandsvereinbarung, zuständige Gericht, vereinbarte Zuständigkeit, Vertragsklausel, Prozessökonomie, Darlehensforderung, Bürgschaftsverträge, Streitgenosse
Fundstelle:
BeckRS 2023, 13708
Tenor
Als (örtlich) zuständiges Gericht wird das Landgericht Berlin bestimmt.
Gründe
1
I. Die Antragstellerin, ein im Bezirk des Landgerichts München II ansässiges Unternehmen, beabsichtigt, die Antragsgegnerin zu 1) als Hauptschuldnerin und die Antragsgegner zu 2) und 3) als Bürgen auf Rückzahlung zweier Darlehensforderungen nebst Zinsen und Vertragsstrafen gerichtlich in Anspruch zu nehmen. Sie begehrt die Bestimmung des örtlich zuständigen Gerichts für die beabsichtigte Klage.
2
Die Antragsgegnerin zu 1) ist ein Bauunternehmen mit Sitz im Landgerichtsbezirk Berlin. Der im Bezirk des Landgerichts Frankfurt (Oder) wohnhafte Antragsgegner zu 2) ist deren Geschäftsführer, der im Bezirk des Landgerichts Berlin wohnhafte Antragsgegner zu 3) ist deren Prokurist. Die Antragstellerin trägt zur Begründung der beabsichtigten Klage vor, sie habe mit der Antragsgegnerin zu 1), vertreten durch den Antragsgegner zu 3), am 15./16. September 2021 einen schriftlichen Darlehensvertrag über 178.500,00 € und am 16./18. Oktober 2021 einen weiteren schriftlichen Darlehensvertrag über 50.000,00 € geschlossen. Es seien jeweils eine feste Laufzeit von 3 Monaten, eine Verzinsung von 1% p.a. sowie eine Vertragsstrafe von 20.000,00 € für den Fall des Zahlungsverzugs der Antragsgegnerin zu 1) vereinbart und die Kredite ausbezahlt worden. In einem Anhang zu beiden Darlehensverträgen hätten sich die Antragsgegner zu 2) und 3) für die aus den Verträgen resultierenden Verpflichtungen der Antragsgegnerin zu 1) unter Ausschluss der Einrede der Vorausklage verbürgt. Trotz Fälligkeit und Mahnung hätten weder die Antragsgegnerin zu 1) noch die Antragsgegner zu 2) und 3) Zahlungen geleistet.
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§ 8 der von der Antragstellerin in Kopie vorgelegten Darlehensverträge enthält unter der Überschrift „Sonstige Vereinbarungen“ folgende Regelung:
„c) Erfüllungsort für alle Zahlungen ist der Sitz des Darlehensgebers. Gerichtsstand ist München (Gerichtsstandsvereinbarung gem. § 29 ZPO).“
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Die Antragstellerin macht geltend, das Landgericht München I sei für die Klage gegen die als Gesamtschuldner haftenden Antragsgegner örtlich zuständig, da dies in den Darlehensverträgen so geregelt sei. Würde man entgegen dem Wortlaut der Verträge auf den Sitz der Antragstellerin abstellen, sei das Landgericht München II zuständig. Dem materiell-rechtlichen Vorrang der Haftung des Hauptschuldners entspreche verfahrensrechtlich der Vorrang seines Gerichtsstands. Er sei grundsätzlich gerechtfertigt, wenn der Schwerpunkt des beabsichtigten Rechtsstreits voraussichtlich die Hauptschuld sein werde. Das sei in der Regel zu erwarten, wenn die Bürgschaft übernommen worden sei, um Beschränkungen der Haftung des Hauptschuldners für seine Verbindlichkeit nicht greifen zu lassen, wie bei Bürgschaften von Gesellschaftern oder Geschäftsführern einer GmbH. In entsprechenden Fällen werde stets der (allgemeine oder prorogierte) Gerichtsstand des Hauptschuldners auch auf den Bürgen erstreckt. Wie das Bayerische Oberste Landesgericht im Beschluss vom 12. Juni 2019 (Az. 1 AR 62/19) entschieden habe, könne bei der Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands mit einem der Streitgenossen nur dieser Gerichtsstand für eine gemeinsame Klage bestimmt werden, vorausgesetzt, es sei den anderen Streitgenossen zumutbar, sich vor dem im Verhältnis zu einer Partei prorogierten Gericht verklagen zu lassen. Bei einem bürgenden Vorstand einer Gesellschaft habe das Bayerische Oberste Landesgericht die Zumutbarkeit bejaht, die vorliegende Fallgestaltung sei vergleichbar. Die Antragstellerin beantragt,
das Landgericht München I, hilfsweise das Landgericht München II als das zuständige Gericht zu bestimmen.
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Die Antragsgegner, denen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden ist, haben sich zum Antrag auf Zuständigkeitsbestimmung nicht geäußert.
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II. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO liegen vor. Auf den zulässigen Antrag bestimmt der Senat das Landgericht Berlin als (örtlich) gemeinsam zuständiges Gericht für die beabsichtigte Klage.
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1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO in Verbindung mit § 9 EGZPO für das Bestimmungsverfahren zuständig. Die Antragsgegner haben ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13, 17 Abs. 1 ZPO) in verschiedenen Oberlandesgerichtsbezirken (Brandenburgisches Oberlandesgericht und Kammergericht), weshalb das im Rechtszug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof ist. An dessen Stelle befindet das Bayerische Oberste Landesgericht über den Bestimmungsantrag, weil es bei noch nicht anhängigem Rechtsstreit zuerst um die Bestimmung des zuständigen Gerichts ersucht worden ist. Unerheblich ist, dass kein Antragsgegner seinen Sitz bzw. Wohnsitz in Bayern hat, denn im Hinblick auf das auf der Gerichtsstandsvereinbarung mit der Antragsgegnerin zu 1) beruhende Ansinnen der Antragstellerin, das Landgericht München I oder II als zuständiges Gericht zu bestimmen, besteht ein hinreichender Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des Bayerischen Obersten Landesgerichts (vgl. BGH, Beschluss vom 21. August 2008, X ARZ 105/08, NJW 2008, 3789 Rn. 11 f.).
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2. Die Voraussetzungen für eine Zuständigkeitsbestimmung nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO sind gegeben.
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a) Der Antrag der Antragstellerin auf Bestimmung des Landgerichts München I oder II als das zuständige Gericht wird lediglich als Anregung verstanden, denn die Auswahl im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO obliegt dem bestimmenden Gericht, das seine Entscheidung nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie trifft. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urt. v. 16. Mai 2017, XI ZR 586/15, NJW 2017, 2340 Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 19. August 2022, 102 AR 77/22, juris Rn. 8).
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b) Die Antragsgegner, die ihre jeweiligen allgemeinen Gerichtsstände bei verschiedenen Gerichten haben, sind nach dem im Bestimmungsverfahren maßgeblichen (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 36 Rn. 28), insoweit auch schlüssigen Vortrag der Antragstellerin hinsichtlich der geltend gemachten Ansprüche Streitgenossen i. S. v. § 60 ZPO. Dass sich die Antragstellerin auf unterschiedliche Anspruchsgrundlagen (Darlehens- und Bürgschaftsverträge) stützt, ändert hieran nichts.
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c) Ein – der Bestimmung grundsätzlich entgegenstehender – gemeinsamer besonderer Gerichtsstand ist nicht gegeben. Insbesondere folgt aus der Akzessorietät der Bürgschaft kein gemeinsamer Gerichtsstand am Erfüllungsort der Hauptleistung, für den in den Darlehensverträgen in § 8 c) Satz 1 eine besondere Regelung getroffen worden ist. Vielmehr ist Erfüllungsort der Bürgschaftsverpflichtung im Allgemeinen der Wohnort (oder Sitz) des Bürgen zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses, wenn nicht etwas Abweichendes vereinbart ist oder sich aus den Umständen etwas anderes ergibt (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, § 29 Rn. 25.14 „Bürgschaft u Garantie“ m. w. N.). Hierfür bieten die vorgelegten schriftlichen Bürgschaftserklärungen keinen Anhalt, insbesondere wurde nicht festgelegt, dass der Erfüllungsort der Hauptverbindlichkeit auch für die Bürgschaftsverpflichtung maßgeblich sein soll. Gemäß § 29 Abs. 1 ZPO i.V. m. § 269 BGB wäre für die von der Antragstellerin beabsichtigte Klage gegen den Antragsgegner zu 2) das Landgericht Frankfurt (Oder) und gegen den Antragsgegner zu 3) das Landgericht Berlin örtlich zuständig. Denn die Antragsgegner zu 2) und 3) waren bereits bei Eingehung der Bürgschaftsverpflichtung in den Bezirken dieser Gerichte wohnhaft, weswegen sich dort auch der Erfüllungsort für deren Zahlungspflichten befindet.
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Zudem ist nicht dargetan, dass im Verhältnis zu den Antragsgegnern zu 2) und 3) die Voraussetzungen des § 29 Abs. 2 ZPO erfüllt wären, insbesondere dass es sich bei diesen um Kaufleute handeln würde.
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d) Die zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zu 1) in § 8 c) Satz 2 der Darlehensverträge getroffene Gerichtsstandsvereinbarung steht einer Zuständigkeitsbestimmung weder entgegen noch begrenzt sie die Auswahl auf ein bestimmtes Gericht, da die Vertragsklausel nicht als ausschließliche Zuständigkeitsregelung ausgelegt werden kann.
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aa) Es kann dahinstehen, welches Gericht nach dem Inhalt der Vereinbarung – ihre Wirksamkeit unter dem Gesichtspunkt der Transparenz gegebenenfalls unterstellt – als das prorogierte Gericht anzusehen wäre.
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Im nationalen Bereich befindet sich bei Darlehensverträgen der Leistungsort (§ 269 Abs. 1 BGB) und damit auch der für den besonderen Gerichtsstand des § 29 Abs. 1 ZPO maßgebliche Erfüllungsort am Wohnsitz bzw. Sitz des jeweiligen Schuldners zur Zeit der Entstehung des Schuldverhältnisses, soweit vertraglich nichts Abweichendes geregelt ist oder sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. Vorliegend haben die Antragstellerin und die Antragsgegnerin zu 1) in § 8 c) Satz 1 der Darlehensverträge eine solche abweichende Vereinbarung geschlossen, indem sie festgelegt haben, dass Erfüllungsort für alle Zahlungen, also auch die aus dem Darlehensvertrag resultierenden Zahlungspflichten der in Berlin ansässigen Darlehensschuldnerin, der Sitz der Darlehensgeberin ist. Dieser befindet sich in Holzkirchen und somit im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts München II.
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An die Vereinbarung zum Erfüllungsort anknüpfend ist in § 8 c) Satz 2 geregelt, dass „Gerichtsstand München (Gerichtsstandsvereinbarung gem. § 29 ZPO)“ ist. Zwar sind die Antragstellerin und die Antragsgegnerin zu 1) als Formkaufleute prorogationsfähig (§ 38 Abs. 1 ZPO, § 13 Abs. 3 GmbHG), es steht ihnen damit frei, durch eine Vereinbarung über den Erfüllungsort eine Zuständigkeit des dort befindlichen Gerichts zu begründen (§ 29 Abs. 2 ZPO). Fraglich ist jedoch, wie die Vertragsklausel zu verstehen ist; im Allgemeinen ist mit der Formulierung „Gerichtsstand ist München“ das für das Gemeindegebiet der Landeshauptstadt München örtlich zuständige Gericht (mithin das Landgericht München I) gemeint (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Juli 1996, X ARZ 683/96, NJW 1996, 3013 [3014, juris Rn. 7]). Diese, von der Antragstellerin vorrangig vertretene Auslegung der Vereinbarung steht jedoch im Widerspruch zu dem unmittelbar nachfolgenden Zusatz „Gerichtsstandsvereinbarung gem. § 29 ZPO“. Damit wird der Inhalt der Gerichtsstandsvereinbarung mit der in § 8 c) Satz 1 erfolgten Festlegung des Erfüllungsorts am Sitz der Darlehensgeberin verknüpft, der sich nicht im Bezirk des Landgerichts München I, sondern im Bezirk des Landgerichts München II befindet. Dies spricht für eine Vereinbarung des letztgenannten Gerichts als örtlich zuständiges Gericht.
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Nähere Angaben zum Hintergrund der Vereinbarung und den konkreten Umständen des Vertragsschlusses haben die Parteien nicht vorgetragen. Aufgrund des weitgehend inhaltsgleichen Textes beider Darlehensverträge, des äußeren Erscheinungsbilds und des Vertragsinhalts ist davon auszugehen, dass es sich bei dem Vertragstext, in den § 8 c) eingebettet ist, um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Antragstellerin nach § 305 Abs. 1 BGB handelt (vgl. auch ein ähnliches Vertragsmuster für Darlehensverträge zwischen Handelsgesellschaften bei Haag in Gebele/Scholz, Beck´sches Formularhandbuch, Bürgerliches, Handels- und Wirtschaftsrecht, 14. Aufl. 2022, Anm. 1 - 12, dort Ziffer 9 c). Als solche unterliegen sie gemäß § 310 Abs. 1 Sätze 1 und 2 BGB auch bei Verwendung gegenüber einem Unternehmer (§ 14 BGB) der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB. Klauseln dürfen den Vertragspartner des Verwenders nicht unangemessen benachteiligen, etwa weil sie nicht hinreichend klar und verständlich sind. Die Anforderungen an die Transparenz von Vertragsbestimmungen sind im Geschäftsverkehr mit Unternehmern nicht generell geringer als im Rechtsverkehr mit Verbrauchern, wenngleich bei Unternehmern aufgrund ihrer Geschäftserfahrung und der berücksichtigungsfähigen Gewohnheiten und Gebräuche des Handelsverkehrs von einer besseren Erkenntnis- und Verständnismöglichkeit als bei Verbrauchern auszugehen ist (BayObLG, Beschluss vom 26. Oktober 2021, 101 AR 148/21, juris Rn. 33 m. w. N.). Vorliegend hat im Zeitpunkt des Vertragsschlusses möglicherweise nicht einmal die Antragstellerin erkannt, dass sie nicht beim Landgericht München I, sondern beim Landgericht München II ihren allgemeinen Gerichtsstand hat, was für eine objektive Unklarheit der von ihr verwendeten Klausel sprechen könnte.
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Letztlich kann dahinstehen, ob die Regelung in § 8 c) als intransparent und damit als unwirksam anzusehen ist oder ob sie als eindeutige Vereinbarung zugunsten des Landgerichts München II ausgelegt werden könnte. Denn aus den unter Ziffer 2 d) bb) dargelegten Gründen kann jedenfalls nur von der Eröffnung einer zusätzlichen und nicht von einer ausschließlichen gerichtlichen Zuständigkeit ausgegangen werden.
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bb) Nach der gebotenen Auslegung ist vorliegend nur ein besonderer, nicht aber ein ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart worden. Im rein inländischen Kontext streitet – anders als nach Art. 25 Abs. 1 Satz 2 Brüssel-Ia-VO – weder für die Annahme eines ausschließlichen noch für die eines nur besonderen Gerichtsstands eine Vermutung. Vielmehr ist durch Auslegung festzustellen, ob die vereinbarte Zuständigkeit als ausschließliche gewollt gewesen ist (vgl. BGH, Urt. v. 21. Januar 2015, VIII ZR 352/13, NJW 2015, 1118 Rn. 22; Urt. v. 23. Juli 1998, II ZR 286/97, NJW-RR 1999, 137 [juris Rn. 14]; Beschluss vom 16. August 1995, X ARZ 699/95, juris Rn. 7; Urt. v. 5. Juli 1972, VIII ZR 118/71, BGHZ 59, 116 [juris Rn. 12 ff.]; BayObLG, Beschluss vom 28. Oktober 2020, 1 AR 78/20, juris Rn. 34; Beschluss vom 23. Dezember 2004, 1Z AR 86/04, juris Rn. 26; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 44. Aufl. 2023, § 38 Rn. 32; Schultzky in Zöller, ZPO, § 38 Rn. 18; Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 38 Rn. 42) .
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Maßgebend für die Auslegung einer vertraglichen Regelung ist der wirkliche Wille der Parteien, so wie Treu und Glauben es mit Rücksicht auf die Verkehrssitte erfordern (§§ 133, 157 BGB). Geboten ist dabei insbesondere eine nach beiden Seiten interessengerechte Auslegung (BGH, Urt. v. 6. Dezember 2018, IX ZR 22/18, juris Rn. 26). Handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen, wovon aus den unter Ziffer 2 d) aa) dargelegten Gründen auszugehen ist, sind die Verständnismöglichkeiten des typischen Vertragspartners des Verwenders maßgeblich (BGH, Urt. v. 27. Mai 2020, VIII ZR 45/19, BGHZ 225, 352 Rn. 119; Urt. v. 17. Oktober 2019, III ZR 42/19, BGHZ 223, 269 Rn. 34; BayObLG, Beschluss vom 17. Oktober 2022, 101 AR 80/22, NJW-RR 2023, 68 [juris Rn. 26] m. w. N.). Ansatzpunkt für die bei einer Formularklausel gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist dabei in erster Linie ihr Wortlaut.
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Aus dem Vortrag der Parteien ergibt sich nicht, dass sie die fragliche Vertragsklausel übereinstimmend als ausschließliche Gerichtsstandsvereinbarung verstanden hätten. Zwar kann der kategorische Wortlaut einer Klausel („Gerichtsstand ist München“) auf die Vereinbarung eines ausschließlichen Gerichtsstands hindeuten, denn das Fehlen einer die Ausschließlichkeit ausdrücklich regelnden Formulierung stellt kein Indiz dafür dar, dass die Bestimmung lediglich fakultativer Natur sei (vgl. BGH, Urt. v. 17. Oktober 2019, III ZR 42/19, BGHZ 223, 269 Rn. 39). Allein der „imperative“ Wortlaut der vertraglichen Regelung genügt jedoch nicht. Vielmehr bedarf es zusätzlicher Umstände, aus denen sich mit der erforderlichen Klarheit der obligatorische Charakter ergibt (vgl. etwa BayObLG, Beschluss vom 28. Oktober 2020, 1 AR 78/20, juris Rn. 38, 41). Solche liegen hier nicht vor, vielmehr legen die konkreten Umstände die gegenteilige Annahme nahe. Schon der durch den Klammerzusatz („Gerichtsstandsvereinbarung gem. § 29 ZPO“) vorgenommene Verweis auf den besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts spricht für die Vereinbarung einer zusätzlichen und nicht einer ausschließlichen gerichtlichen Zuständigkeit. 29 ZPO eröffnet lediglich einen besonderen Gerichtsstand, der neben die übrigen gesetzlichen Gerichtsstände tritt. Indem die Gerichtsstandsvereinbarung als eine solche „gemäß § 29 ZPO“ bezeichnet wird, wird dem so vereinbarten Gerichtsstand nur der Charakter eines besonderen, nicht aber der eines ausschließlichen Gerichtsstands zugewiesen. Zudem findet sich keine Festlegung dahingehend, dass das vereinbarte Gericht für „alle“ Streitigkeiten aus dem Vertrag zuständig sein soll. Auch die Vereinbarung eines Gerichtsstands am Sitz der Verwenderin (sofern man die Klausel in diesem Sinne auslegt) lässt im konkreten Fall keine Rückschlüsse auf eine Ausschließlichkeit zu. Die Regelung lässt lediglich erkennen, dass es der Antragstellerin als Verwenderin maßgeblich darauf angekommen ist, sich unabhängig von den gesetzlichen Gerichtsständen die Möglichkeit einer Klageerhebung an einem für sie vertrauten, ortsnahen Gericht zu sichern, falls die Antragsgegnerin zu 1) ihrer Pflicht zur Rückzahlung des Kredits nicht nachkommt. Umstände für die Annahme, dass sich die Antragstellerin als Verwenderin und Klägerin mit der getroffenen Erfüllungsortabrede eigene Wahlmöglichkeiten nehmen wollte, sind nicht ersichtlich (vgl. auch Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 29 Rn. 44; Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2020, § 29 Rn. 100: in der Regel begründet eine Erfüllungsortvereinbarung nur einen zusätzlichen Gerichtsstand).
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Selbst wenn es sich um eine Individualvereinbarung handeln würde, wäre die Klausel aus den dargelegten Gründen nur als fakultative Gerichtsstandsvereinbarung zu verstehen.
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3. Die Auswahl unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie, wobei das bestimmende Gericht ein Auswahlermessen hat. Auszuwählen ist im Regelfall ein Gericht am allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 13, 17 ZPO) eines der beklagten Streitgenossen (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2018, X ARZ 252/18, juris Rn. 29; NJW 2008, 3789 Rn. 11; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 29; Toussaint in BeckOK ZPO, 48. Ed. Stand: 1. März 2023, § 36 Rn. 24). Nur im Ausnahmefall kann von diesem Grundsatz abgewichen werden.
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a) Zwar kann es gerechtfertigt sein, das Gericht zu bestimmen, bei dem für einen von mehreren Streitgenossen ein ausschließlicher Gerichtsstand besteht (BGH NJW 2008, 3789 Rn. 11). Bei baurechtlichen Streitigkeiten kommt in Betracht, zur Erleichterung einer zu erwartenden Beweisaufnahme den besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts am Standort des Bauwerks auszuwählen (BayObLG, Beschluss vom 18. Juli 2019, 1 AR 54/19, juris Rn. 26 m. w. N.).
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Vergleichbare gewichtige Umstände, die ein Abweichen vom Grundsatz der Klage am Gerichtsstand der Beklagten („actor sequitur forum rei“) rechtfertigen könnten, liegen hier aber nicht vor. Ein ausschließlicher Gerichtsstand ist – wie dargelegt – für keinen Antragsgegner begründet. Es kann dahinstehen, ob die Klausel in § 8 c) im Verhältnis zur Antragsgegnerin zu 1) den besonderen Gerichtsstand des Erfüllungsorts beim Landgericht München II begründet, da dies für sich genommen keinen gewichtigen Grund darstellt, dieses Gericht als zuständig zu bestimmen. Die Auswahl eines bloß fakultativ vereinbarten Gerichtsstands scheidet im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO aus. Denn in diesem Fall kann der Antragsteller seine Vertragspartner ohne weiteres in ihrem allgemeinen Gerichtsstand verklagen, mit der Folge, dass § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO wortlautgemäß angewendet werden kann. Insoweit besteht kein Bedürfnis für eine entsprechende Anwendung des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (BGH, Beschluss vom 16. August 1995, X ARZ 699/95, juris Rn. 8). Abgesehen davon wären auch objektive Erleichterungen bei der Aufklärung des Sachverhalts, der der beabsichtigten Klage zugrunde liegt, mit der Auswahl eines in München gelegenen Gerichts nicht verbunden. Vielmehr käme eine solche Bestimmung nur der in der Nähe der Landeshauptstadt ansässigen Antragstellerin zugute, die damit den Antragsgegnern trotz fehlender ausschließlicher Gerichtsstandsvereinbarung das Gericht ihrer Wahl aufzwingen könnte.
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b) Unter den in Betracht kommenden Gerichten wählt der Senat das Landgericht Berlin aus, in dessen Bezirk zwei der drei Antragsgegner – darunter die Hauptschuldnerin – ihren allgemeinen Gerichtsstand haben. Zudem vertritt der einzige nicht im Landgerichtsbezirk Berlin wohnhafte Antragsgegner zu 2) ohnehin als Geschäftsführer die Hauptschuldnerin, die Antragsgegnerin zu 1).