Inhalt

VGH München, Beschluss v. 16.05.2023 – 8 ZB 22.2586
Titel:

Klage gegen Beseitigung von Straßenbaumaßnahmen

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
BayStrWG Art. 17 Abs. 1, Abs. 2 S. 1
BGB § 275 Abs. 2
GG Art. 14 Abs. 1
Leitsätze:
1. Straßenanliegern steht kein Anspruch darauf zu, dass die Straße nicht geändert oder eingezogen wird. Nur wenn Zufahrten auf Dauer unterbrochen werden oder ihre Benutzung erheblich erschwert wird, hat der Straßenbaulastträger – soweit zumutbar – einen angemessenen Ersatz zu schaffen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die uneingeschränkte Anfahrmöglichkeit mit Kraftfahrzeugen bei einem innerörtlichen Wohngrundstück gehört selbst bei vorhandenen Garagen oder Stellplätzen nicht zum geschützten Kernbereich des Anliegergebrauchs. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
3. Art. 14 Abs. 1 GG gebietet nicht, jede Wertminderung auszugleichen, die einem staatlichen Verhalten zugerechnet werden kann; solange das Grundstück bewohnbar bleibt und die Wertminderung nicht eine unzumutbare Höhe erreicht, sind solche vom Eigentümer hinzunehmen. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Berufungszulassung (abgelehnt), Erhöhung eines Gehwegs, nichtförmliche Straßenplanung, Anliegergebrauch, Rangieraufwand bei Garageneinfahrt, Überbau, grobes Missverhältnis (bejaht)
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 01.12.2022 – B 1 K 20.427
Fundstelle:
BeckRS 2023, 13706

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Kläger begehren die Beseitigung von Straßenbaumaßnahmen, die zu einer Erhöhung des Gehwegs an ihrer Grundstückszufahrt und einer Überbauung geführt haben.
2
Die Kläger sind Eigentümer des Grundstücks FlNr. …3 Gemarkung O. …, das mit einem Wohnhaus und einem Garagengebäude bebaut ist. Nördlich des Grundstücks verläuft die Ortsdurchfahrt der Kreisstraße … … („Hauptstraße“). Die Zufahrt zu der „Hauptstraße“ auf dem Grundstück der Kläger ist nicht asphaltiert.
3
Im Zuge der Fahrbahnsanierung der „Hauptstraße“ durch den Beklagten zu 2 mit Anbau eines neuen Gehwegs durch die Beklagte zu 1 (beginnend am nordöstlichen Rand des Grundstücks der Kläger) wurde der bestehende Gehweg im Bereich der Grundstückszufahrt der Kläger um 12 cm erhöht. Zudem wurde das klägerische Grundstück im Bereich der Zufahrt zur Garage überbaut. Der Überbau wird von der Beklagten zu 1 mit 2 m2 (vgl. Plan, Behördenakte [BA] Nr. IV S. 3) bzw. 3 m2 (vgl. Beschlussbuchauszug aus der Sitzung des Gemeinderats vom 13.8.2019, BA Nr. III S. 18) veranschlagt; aus Sicht der Kläger steht der Umfang des Überbaus nicht fest.
4
Der Gemeinderat der Beklagten zu 1 lehnte am 13. August 2019 die von den Klägern verlangte Beseitigung der Gehwegerhöhung und des Überbaus ab. Auch der Beklagte zu 2 lehnte Änderungen ab; die Straßenführung sei nicht erheblich erhöht worden.
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Am 12. Mai 2020 ließen die Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Bayreuth erheben. Sie haben zuletzt beantragt,
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1. die Beklagten zu verurteilen, die vorgenommene Erhöhung im Bereich ihrer Grundstückszufahrt um insgesamt mindestens 30 cm zu beseitigen,
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2. hilfsweise die Beklagten zu verurteilen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, die es ihnen ermöglichen, die auf ihrem Grundstück befindliche Garage wieder zu befahren,
8
3. weiterhin hilfsweise die Beklagten zu verurteilen, geeignete Abhilfemaßnahmen unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Gerichts zu ergreifen,
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4. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, die von ihr vorgenommene Überbauung des Gehwegs auf dem klägerischen Grundstück mit einer Breite von ca. 20 cm zu entfernen,
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5. die Beklagte zu 1 zu verurteilen, die dort von ihr auf dem klägerischen Grundstück an der Grenze zum Nachbargrundstück FlNr. …2 dort auf einer Tiefe von ca. 2 m errichtete Mauer zu entfernen.
11
Das Verwaltungsgericht hat die Klagen nach Einnahme eines Augenscheins durch die beauftragte Richterin am 11. August 2022 mit Gerichtsbescheid vom 1. Dezember 2022 abgewiesen. Die Kläger hätten keinen Anspruch auf Rückbau der Gehwegerhöhung. Die Zufahrt zu ihrem auffällig tief liegenden Grundstück sei nicht erheblich erschwert. Die Garagen seien mit zumutbarem Rangieraufwand zu erreichen. Den Klägern sei es auch zuzumuten, ihre Grundstückssituation umzuorganisieren, zumal ihr Grundstück durch Absenkung des Gehwegs auf der gesamten Länge in einem sehr großen Bereich angefahren werden könne; ein Anfahren der Garage sei jedenfalls höhengleich über die bisher nicht befestigte Grünfläche am rechten Grundstücksrand möglich. Im Hofbereich könne das Gefälle durch Aufschüttung abgemildert werden.
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Die Beseitigung des Überbaus dürfe die Beklagte zu 1 verweigern, weil sie einen Aufwand erforderte, der unter Beachtung der Gebote von Treu und Glauben in einem groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse der Kläger stehe (§ 275 Abs. 2 BGB). Der finanzielle Aufwand für den Rückbau sei hoch, während sein Nutzen für die Kläger nur marginal sei. Mit ca. 2 m2 sei der Überbau sehr geringfügig. Den Klägern wäre allenfalls eine Geldentschädigung für die Duldung der Überbauung zuzuerkennen; einen darauf gerichteten Klageantrag hätten sie aber nicht gestellt.
13
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Die Zufahrt zu ihrer Garage sei erheblich erschwert, weil sie ein aufwendiges Rangieren erfordere. Die Nutzung des Grünstreifens zur Zufahrt mindere den Wert des Grundstücks, weil mehr Grundfläche als reine Zufahrtsfläche verwendet würde. Die Garage lasse sich als ortsfeste Anlage nicht durch Umorganisation verändern. Die Beseitigung des Überbaus dürfe die Beklagte zu 1 nicht verweigern. Sie habe den Überbau grob fahrlässig verschuldet, weil sie im Bereich der Grundstücksgrenze gebaut habe, ohne sich zu vergewissern, dass die Grenze nicht überschritten werde. Grobe Fahrlässigkeit führe in der Regel dazu, dem Überbauenden die Einrede zu versagen. Der Überbau sei auch nicht geringfügig, sondern stelle einen erheblichen Teil des erhöhten Gehwegs dar. Zugunsten der Kläger sei zu beachten, dass ein Rückbau zur Folge hätte, dass sich der Abstand zwischen dem erhöhten Gehweg und der Garage vergrößern und sich so eine Zufahrt und damit die Nutzung erleichtern würde.
14
Die Beklagten treten dem Zulassungsantrag entgegen.
II.
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A. Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die von den Klägern geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt und liegen nicht vor (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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I. Aus dem Vorbringen der Kläger ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
17
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 18.3.2022 – 2 BvR 1232/20 – NVwZ 2022, 789 = juris Rn. 23 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 15). Bei der Beurteilung ist nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung abzustellen (vgl. BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – NVwZ 2021, 325 = juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9).
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1. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht angenommen, dass die Kläger keinen Anspruch auf Beseitigung der Erhöhung des Gehwegs an ihrer Grundstückszufahrt oder andere Maßnahmen zur Verbesserung ihrer Zufahrt (Klageanträge 1 bis 3) haben.
19
a) Das Recht der Kläger aus ihrer Stellung als Straßenanlieger (Anliegergebrauch) wird durch die Änderung der Höhenlage des Gehwegs nicht in seinem Kern verletzt.
20
aa) Straßenanliegern steht kein Anspruch darauf zu, dass die Straße nicht geändert oder eingezogen wird. Nur wenn Zufahrten auf Dauer unterbrochen werden oder ihre Benutzung erheblich erschwert wird, hat der Straßenbaulastträger – soweit zumutbar – einen angemessenen Ersatz zu schaffen (vgl. Art. 17 Abs. 1 und 2 Satz 1 Bay-StrWG). Damit wird die Erreichbarkeit eines innerörtlichen Grundstücks von dem einfachgesetzlichen Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs nicht uneingeschränkt, sondern nur in seinem Kern geschützt. Sein Schutz erstreckt sich lediglich auf einen notwendigen Zugang von der Straße zum Grundstück, gewährt aber keinen Anspruch auf optimale Zufahrt und schützt nicht vor Einschränkungen oder Erschwernissen bei den Zufahrtsverhältnissen, solange die Straße als Verkehrsmittler erhalten bleibt. Zudem wird es dem Straßenanlieger zugemutet, zunächst die Zufahrtsverhältnisse auf dem eigenen Grundstück umzuorganisieren, bevor ihm ein Anspruch gegen den Straßenbaulastträger einräumt wird (stRspr, vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2018 – 8 ZB 18.734 – NVwZ-RR 2018, 758 = juris Rn. 9; B.v. 19.8.2009 – 8 ZB 09.1065 – BayVBl 2010, 84 = juris Rn. 9; U.v. 15.3.2006 – 8 B 95.1356 – BayVBl 2007, 45 = juris Rn. 38).
21
Diese ständige Rechtsprechung des Senats genügt entgegen der Auffassung der Kläger der Eigentumsgarantie aus Art. 14 Abs. 1 GG und Art. 103 Abs. 1 BV. Das Rechtsinstitut des Anliegergebrauchs ist nicht aus Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG, sondern aus dem einfachen Recht herzuleiten (vgl. BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 VR 7.99 – NVwZ 1999, 1341 = juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 10.8.2021 – 8 CE 21.1989 – NVwZ-RR 2022, 15 = juris Rn. 49). Die Gewährleistung der Zugänglichkeit eines Grundstücks bedeutet weder eine Bestandsgarantie hinsichtlich der Ausgestaltung und des Umfangs der Grundstücksverbindung mit der Straße noch die Gewährleistung einer Bequemlichkeit oder Leichtigkeit des Zu- und Abgangs (vgl. BayVerfGH, E.v. 27.7.1995 – Vf. 8-VII-93 – BayVBl 1995, 687 = juris Rn. 65; BVerwG, U.v. 8.9.1993 – 11 C 38.92 – BVerwGE 94, 136 = juris Rn. 12; Wiget in Zeitler, BayStrWG, Stand September 2021, Art. 17 Rn. 45). Da die Straße als öffentliche Einrichtung nicht allein der Erschließung der Anlieger, sondern auch dem allgemeinen Verkehrsbedürfnis in seinen unterschiedlichen Ausgestaltungen dient, muss ein Ausgleich zwischen einer Vielzahl von Interessen erfolgen; die Bedürfnisse der Anlieger sind von Verfassungs wegen nur in ihrem Kern geschützt (vgl. BVerfG, B. v. 11.9.1990 – 1 BvR 988/90 – NVwZ 1991, 358 = juris Rn. 5).
22
bb) Das Verwaltungsgericht hat die für den Anliegergebrauch geltenden rechtlichen Maßstäbe zutreffend auf den vorliegenden Fall angewandt (vgl. UA S. 9 ff.). Es ist unter Würdigung des von der beauftragten Richterin eingenommenen Augenscheins zu der Einschätzung gelangt, dass die Erhöhung des Gehwegs um 12 cm die Zufahrt auf das – auffällig tief liegende – Grundstück der Kläger und die Nutzung der dortigen Garagen nicht erheblich erschwert. Der Rangieraufwand beim Befahren der Garagen – insbesondere der ersten Garage nahe der Grundstücksgrenze – sei zumutbar. Im Übrigen könne eine höhengleiche Einfahrt durch Umnutzung der unbefestigten Grünfläche vor dem Wohngebäude als Zufahrt hergestellt werden; das Gefälle am rechten Grundstücksrand könne durch Aufschüttung im Hofbereich abgemildert werden.
23
Die Kläger ziehen diese Sachverhalts- und Beweiswürdigung (vgl. § 96 Abs. 1 Satz 2, § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) nicht ernstlich in Zweifel. Der Zulassungsantrag zeigt keine guten Gründe auf, wonach die tatsächlichen Feststellungen des Ausgangsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweisen (vgl. zu diesem Maßstab BayVGH, B.v. 21.1.2020 – 8 ZB 19.193 – juris Rn. 15; B.v. 1.2.2023 – 16a DZ 22.2493 – juris Rn. 9; NdsOVG, B.v. 6.4.2020 – 2 LA 373/19 – juris Rn. 13; OVG NW, B.v. 30.3.2022 – 6 A 1776/20 – juris Rn. 8 f.).
24
(1) Das Befahren aller auf dem Grundstück der Kläger vorhandenen Garagen ist unstreitig möglich (vgl. Protokoll des VG über die Einnahme eines Augenscheins vom 11.8.2022 S. 4). Weshalb der damit verbundene Rangieraufwand unzumutbar sein sollte (vgl. dazu auch VG Neustadt [W.straße], U.v. 16.6.2011 – 4 K 228/11.NW – juris Rn. 27; Wiget in Zeitler, BayStrWG, Art. 17 Rn. 42; Herber in Kodal, Handbuch Straßenrecht, 8. Aufl. 2021, Kap. 25 Rn. 124), legt der Zulassungsantrag nicht konkret dar. Dass ein Befahren der Garagen vor dem Straßenausbau und Gehweganbau ohne jedes Rangieren möglich war, genügt dafür nicht. Die uneingeschränkte Anfahrmöglichkeit mit Kraftfahrzeugen bei einem innerörtlichen Wohngrundstück gehört selbst bei vorhandenen Garagen oder Stellplätzen nicht zum geschützten Kernbereich des Anliegergebrauchs (vgl. BayVGH, U.v. 15.3.2006 – 8 B 05.1356 – BayVBl 2007, 45 = juris Rn. 38; OVG LSA, B.v. 13.1.2015 – 2 L 162/13 – NJW 2015, 2281 = juris Rn. 10). Die Behauptung der Klägerseite, die Garagen könnten mit steigendem Alter der Kläger faktisch nicht mehr genutzt werden, ist auf künftige Nutzungseinschränkungen gerichtet. Insoweit wird nicht näher dargestellt, inwiefern Rangiermanöver erforderlich wären, die von älteren Fahrzeugführern – ohne fahreignungsrelevante altersbedingte Defizite – nicht oder nur mit erheblichen Schwierigkeiten vollbracht werden könnten.
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(2) Auch die Einschätzung des Verwaltungsgerichts, die Kläger könnten die Zufahrtsverhältnisse auf ihrem Grundstück – insbesondere unter Nutzung einer bisher nicht befestigten Grünfläche – so umorganisieren, dass eine Zufahrt zu den Garagen leichter möglich sei (vgl. UA S. 12), zieht der Zulassungsantrag nicht ernstlich in Zweifel. Der Zulassungsantrag legt nicht dar, dass der bauliche Aufwand einer solchen Umorganisation unvertretbar wäre (vgl. BayVGH, B.v. 11.4.2005 – 8 CE 05.451 – juris Rn. 14; VGH BW, U.v. 22.3.2016 – 5 S 531/13 – VBlBW 2016, 382 = juris Rn. 37; VGH LSA, B.v. 13.1.2015 – 2 L 162/13 – NJW 2015, 2281 = juris Rn. 10). Die Grünfläche im nordwestlichen Bereich des Grundstücks ist nicht befestigt; der Gehweg ist auch in diesem Bereich abgesenkt. Auch die Grundstücksfläche vor den Garagen, auf der das Gefälle mit Aufschüttungen abgemildert werden könnte, ist nicht befestigt. Auf alle diese Aspekte hat das Verwaltungsgericht abgestellt (vgl. UA S. 12). Zudem hat es eine Vorbelastung des Grundstücks aufgrund seiner tieferen Lage im Vergleich zu den nachbarschaftlichen Grundstücken festgestellt (vgl. UA S. 12 f; vgl. dazu auch BVerfG, B.v. 11.9.1990 – 1 BvR 988/90 – NVwZ 1991, 358 = juris Rn. 5; BVerwG, B.v. 11.5.1999 – 4 VR 7.99 – NVwZ 1999, 1341 = juris Rn. 7). Der Zulassungsantrag zeigt nicht auf, dass die tragenden verwaltungsgerichtlichen Erwägungen augenscheinlich nicht zuträfen oder gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufwiesen.
26
Eine etwaige Minderung des Werts des klägerischen Grundstücks infolge der vom Verwaltungsgericht als realisierbar aufgezeigten Möglichkeit einer Anpassung der Zufahrtsverhältnisse zu den vorhandenen Garagen führt nicht zur Unzumutbarkeit dieser Option. Art. 14 Abs. 1 GG gebietet nicht, jede Wertminderung auszugleichen, die einem staatlichen Verhalten zugerechnet werden kann; solange das Grundstück bewohnbar bleibt und die Wertminderung nicht eine unzumutbare Höhe erreicht, sind solche vom Eigentümer hinzunehmen (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2017 – 3 A 1.16 – DVBl 2018, 187 = juris Rn. 142 m.w.N.). Noch viel weniger lässt sich hierauf regelmäßig ein Abwehr- oder Beseitigungsanspruch gegenüber einer hoheitlichen Planung stützen. Anhaltspunkte für eine unzumutbare Wertminderung zeigen die Kläger nicht auf.
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Die Behauptung der Kläger, sie müssten infolge der gemeindlichen Gehwegplanung eine neue Garage errichten, erweist sich nach alldem als nicht haltbar.
28
b) Ein Anspruch auf Beseitigung der Erhöhung des Gehwegs oder auf Maßnahmen zur Wiederherstellung der „rangierfreien“ Befahrbarkeit der Garagen der Kläger ergibt sich auch nicht daraus, dass die zugrundeliegende nicht-förmliche Straßenplanung rechtlich geschützte Interessen der Kläger abwägungsfehlerhaft verkannt hätte.
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Örtliche Straßenplanungen, die keines förmlichen Planungsverfahrens bedürfen (vgl. Art. 35 ff. BayStrWG), unterliegen ebenfalls dem Abwägungsgebot (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.1978 – IV C 79.76 – BVerwGE 56, 110 = juris Rn. 59; BVerfG, B.v. 11.11.2002 – 1 BvR 218/99 – NVwZ 2003, 197 = juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 10.8.2021 – 8 CE 21.1989 – NVwZ-RR 2022, 15 = juris Rn. 56). Die in die Abwägung einzustellenden privaten Belange beschränken sich nicht auf subjektive Rechte; relevant sind alle mehr als geringfügigen schutzwürdigen Interessen, die von der Planung in beachtlicher Weise betroffen werden (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 13.19 – BVerwGE 170, 262 = juris Rn. 13; U.v. 20.12.2011 – 9 A 30.10 – NVwZ 2012, 573 = juris Rn. 16).
30
Die Beklagte zu 1 hat die Zufahrtssituation auf dem Grundstück der Kläger abgewogen (vgl. Gemeinderatsbeschluss vom 13.8.2019, Beschlussbuchauszug BA Nr. III S. 18 und das dort in Bezug genommene Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 1.8.2019, BA Nr. III S. 20 f.). Dass eine Abwägung im Planungsstadium aus den Unterlagen, die dem Senat vorliegen, nicht hervorgeht, ist nicht entscheidungserheblich. Für die Dokumentation der Abwägung bei einer nichtförmlichen Planung können nicht ohne Weiteres die in einem förmlichen Planfeststellungsverfahren geltenden Maßstäbe angewandt werden (vgl. BayVGH, B.v. 29.9.2022 – 8 CE 22.1865 – juris Rn. 35). Im Übrigen kann die Abwägung im nichtförmlichen Planungsverfahren – wie hier zumindest geschehen – bis zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nachgeholt werden (vgl. VG Hamburg, B.v. 16.5.2019 – 15 E 1775/19 – juris Rn. 50).
31
Auch das Zulassungsvorbringen, die Erhöhung des Gehwegs sei nicht erforderlich gewesen, um einen Wasserabfluss von der Straße auf das klägerische Grundstück zu vermeiden, weil dies auch durch schonendere Maßnahmen – z.B. dem Einbau eines Gullys – erreicht hätte werden können, führt nicht zu einem Abwägungsfehler. Mit einer solchen spekulativen Behauptung kann die gutachterlich ausgearbeitete Planung (vgl. auch die Aussage des Herrn B. der Ingenieursgesellschaft W. beim Augenscheintermin des VG am 11.8.2022, Protokoll S. 2), nicht ernstlich in Zweifel gezogen werden.
32
2. Nicht ernstlich zweifelhaft ist auch die Wertung des Verwaltungsgerichts, ein Folgenbeseitigungsanspruch der Kläger hinsichtlich des Überbaus ihres Grundstücks (Klageanträge Nr. 4, 5 [VG Nr. 5, 6]) sei analog § 275 Abs. 2 BGB ausgeschlossen.
33
Ein Anspruch auf Folgenbeseitigung entfällt, wenn die Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes für den verpflichteten Rechtsträger unzumutbar ist. Dies ist dann der Fall, wenn damit ein unverhältnismäßig hoher Aufwand – insbesondere finanzieller Art – verbunden ist, der zu dem erreichbaren Erfolg bei allem Respekt für das Verlangen nach rechtmäßigen Zuständen in keinem vernünftigen Verhältnis mehr steht (vgl. BVerwG, U.v. 26.8.1993 – 4 C 24.91 – BVerwGE 94, 100 = juris Rn. 59; B.v. 12.7.2004 – 7 B 86.04 – NVwZ 2004, 1511 = juris Rn. 7). Voraussetzung ist ein grobes Missverhältnis zwischen dem Leistungsinteresse des Anspruchsberechtigten und dem Erfüllungsaufwand beim Schuldner (vgl. § 275 Abs. 2 BGB analog); an einen solchen Ausnahmefall sind hohe Anforderungen zu stellen (vgl. BVerwG, B.v. 21.12.2017 – 9 B 65.16 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 11.11.2022 – 8 ZB 22.1469 – juris Rn. 33; OVG RhPf, U.v. 4.4.2017 – 1 A 10865/16 – NVwZ-RR 2017, 605 = juris Rn. 33).
34
a) Das Verwaltungsgericht hat angenommen, der Rückbau des Gehwegs sei mit hohen Kosten verbunden (vgl. UA S. 14); dies greift der Zulassungsantrag nicht an. Das Leistungsinteresse der Kläger am Rückbau hat es als geringfügig bewertet, weil die überbaute Fläche mit ca. 2 m2 sehr gering (vgl. hierzu auch BayVGH, U.v. 27.10.1998 – 8 B 97.1604 – NVwZ 1999, 1237 = juris Rn. 28) und der Nutzen der Kläger für die bestimmungsgemäße Nutzung des Grundstücks marginal sei. Der Vorhalt der Kläger, bei der Bewertung ihres Leistungsinteresses hätte beachtet werden müssen, dass ein Rückbau des Gehwegs dessen Abstand zur Garage vergrößern und damit die Zufahrt erleichtern würde, verhilft dem Zulassungsantrag nicht zum Erfolg. Im Hinblick auf das geringe Ausmaß der überbauten Fläche (ca. 2 m2) und deren Lage (schmaler Streifen, an der breitesten Stelle nur 15 cm, vgl. Plan des Ingenieurbüros W., VG-Akte S. 97) lässt ein Rückbau eine nennenswerte Verbesserung der Zufahrtssituation nicht erkennen; dies deckt sich mit der Einschätzung der Kläger beim Augenscheinstermin des Erstgerichts, wonach das Grundstück (erst dann) besser befahrbar wäre, wenn der Gehweg um 15 m2 weniger breit wäre (vgl. Protokoll des VG vom 11.8.2022 S. 5).
35
Für das Zulassungsvorbringen, die Beklagte habe das Grundstück grob fahrlässig überbaut, spricht der Umstand, dass die Bauausführung bekannter Weise an der Grundstücksgrenze erfolgt ist (vgl. BGH, U.v. 19.9.2008 – V ZR 152/07 – BauR 2009, 101 = juris Rn. 12; U.v. 19.9.2003 – V ZR 360/02 – BGHZ 156, 170 = juris Rn. 8). Allerdings hat das Verwaltungsgericht auch für den Fall, dass die Beklagte grobe Fahrlässigkeit trifft, einen Folgenbeseitigungsanspruch aufgrund der Geringfügigkeit der Überbauung verneint (vgl. UA S. 15). Dies ist – im Ausnahmefall – nicht rechtlich ausgeschlossen (vgl. BayVGH, U.v. 26.4.2022 – 8 B 20.1655 – NVwZ-RR 2022, 657 = juris Rn. 110 m.w.N.); das Vorliegen eines Ausnahmefalls zieht der Zulassungsantrag nicht ernstlich in Zweifel. Auch wenn das exakte Ausmaß des Überbaus noch nicht vermessen wurde, steht dessen Größenordnung hinreichend fest. Im Übrigen verkennt der Vorhalt der Kläger, der Überbau von 2 m2 sei nicht geringfügig, sondern stelle einen erheblichen Teil des erhöhten Gehwegs dar, den für die Interessenabwägung maßgeblichen Bezugspunkt. Das Interesse der Grundstückseigentümer am Rückbau wird nicht geprägt vom Anteil der überbauten Fläche am Bauwerk des Überbauenden, sondern vom Ausmaß der Einschränkung ihres individuellen Nutzungsinteresses.
36
b) Aus welchen Gründen die Klageabweisung betreffend die Entfernung des Überbaus durch eine Mauer (Klageantrag Nr. 5 [VG Nr. 6]) ernstlich zweifelhaft sein sollte (vgl. UA S. 15 Nr. b), ist dem Zulassungsantrag nicht zu entnehmen.
37
II. Der Zulassungsgrund der besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt ebenfalls nicht vor.
38
Die von dem Zulassungsantrag angesprochenen Gesichtspunkte lassen sich aus den oben dargestellten Gründen ohne Weiteres aufgrund des Gesetzes und der hierzu vorliegenden Rechtsprechung beantworten und bedürfen nicht der Klärung in einem Berufungsverfahren. Die Geringfügigkeit des Überbaus lässt sich auf Grundlage der verwaltungsgerichtlichen Feststellungen problemlos beantworten (vgl. oben Rn. 34 f.). In rechtlicher Hinsicht ist die den Klägern angeführte Reichweite des Art. 17 Abs. 2 BayStrWG in der ständigen Rechtsprechung des Senats geklärt (vgl. oben Rn. 20).
39
B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 2 VwGO.
40
C. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG; sie folgt der Festsetzung des Erstgerichts, gegen die keine Einwände erhoben wurden.
41
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).