Inhalt

VGH München, Beschluss v. 02.05.2023 – 24 CS 23.318
Titel:

Waffenrecht: Unzuverlässigkeit durch Versendung einer Waffe ohne Sicherstellung, dass diese nur an einen waffenrchtlich Berechtigten ausgehändigt wird; Verpackungsfehler

Normenkette:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 34 Abs. 2 S. 1, § 45 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Weist der Versender einer Waffe den Transporteur nicht an, den waffenrechtlich relevanten Inhalt nur an die berechtigte Person iSd § 34 Abs. 1 S. 1 WaffG nach Prüfung ihrer waffenrechtlichen Legitimation auszuhändigen, um so insbesondere die Zustellung an einen unberechtigten „Ersatzempfänger“ auszuschließen, so verstößt er gegen eine grundlegende waffenrechtliche Verpflichtung, die im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verhindern soll, dass Waffen oder Munition in die Hände unberechtigter Dritter und damit solcher Personen gelangen, bei denen insbesondere die waffenrechtliche Zuverlässigkeit, Eignung und Sachkunde nicht überprüft wurden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Mit den Anforderungen des § 34 Abs. 1 S. 1 WaffG ist es (auch) nicht zu vereinbaren, wenn es der Versender einer Waffe durch seine Wahl der Versandmethode gleichsam dem Zufall überlassen hat, ob die versendete Waffe dem berechtigten Empfängeradressaten oder einem unberechtigten „Ersatzempfänger“ ausgehändigt wird. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
3. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht bei der Gesamtbewertung im Rahmen der Prognose hinsichtlich der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit wertend den Umstand herangezogen hat, dass dem Waffenversender aufgrund seiner Erfahrungen in der Vergangenheit (hier: eine an ihn früher adressierte Lieferung von Waffenteilen war vollständig abhanden gekommen) die Verlustgefahren hätten bekannt sein müssen. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse, Unzuverlässigkeit, Überlassen von Waffen an Dritte, Waffenversand mit D..., Empfangsberechtigung, Verpackung der Waffe, Waffenversand, Waffenrecht, Zuverlässigkeit, Versendung, Verpackung, Adressierung, Verlustgefahr
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 27.01.2023 – AN 16 S 23.36
Fundstelle:
BeckRS 2023, 13698

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 21.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 8. Dezember 2022, mit dem seine waffenrechtlichen Erlaubnisse widerrufen wurden und einschlägige Nebenbestimmungen getroffen wurden.
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Der Antragsteller versandte eine in seiner Waffenbesitzkarte eingetragene halbautomatische Büchse zerlegt mit dem Transportdienstleister D... an Herrn H. L., einen gewerblichen Waffenhändler und Inhaber der Firma „A.“. Dieser teilte dem Antragsteller wenige Tage später mit, dass das Paket stark beschädigt und ohne den zur Waffe zugehörigen Verschluss angekommen sei. Ausweislich der D...-Sendungsverfolgung wurde das Paket aufgrund einer Beschädigung im Güterverkehrszentrum neu verpackt und an die Mutter des Empfängers – Frau A. L. –, die keine waffenrechtliche Erlaubnis hat, ausgehändigt.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 8. Dezember 2022 widerrief das Landratsamt A. die dem Antragsteller ausgestellten Waffenbesitzkarten (Nr. 1), den Kleinen Waffenschein (Nr. 2) sowie den Europäischen Feuerwaffenpass (Nr. 3) und gab ihm auf, die in Nr. 4 des Bescheids genannten Schusswaffen und Munition unbrauchbar zu machen oder einem Berechtigten zu überlassen (Nr. 5), sowie die Waffenbesitzkarten, den Kleinen Waffenschein und den Feuerwaffenpass zurückzugeben (Nrn. 6, 8 und 9). Bei Nichterfüllung der Verpflichtung unter Nr. 5 wurde die Sicherstellung der Schusswaffen und Munition durch die Polizei angedroht (Nr. 10) und die sofortige Vollziehbarkeit der Nrn. 5, 6, 8 und 9 wurde angeordnet (Nr. 12).
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Hiergegen erhob der Antragsteller am 5. Januar 2023 Klage, über die noch nicht entschieden ist. Seinen zugleich gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz hat das Verwaltungsgericht Ansbach mit Beschluss vom 27. Januar 2023 abgelehnt. Der Bescheid sei nach summarischer Überprüfung rechtmäßig, da die Widerrufsvoraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2 und § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG erfüllt seien. Durch den Versand der erlaubnispflichtigen halbautomatischen Büchse habe der Antragsteller gegen grundlegende waffenrechtliche Pflichten verstoßen, da er nicht sichergestellt habe, dass zum einen die Waffe nicht an unberechtigte Dritte – wie hier die Mutter des Empfängers- ausgehändigt werde und zum anderen durch Verpackung der Waffe in einem einfachen, offenbar wiederverwerteten Karton und dem bloßen Einschlagen der Waffenteile in etwas Zeitungs- bzw. Packpapier ohne weitere Umverpackung keine Vorkehrungen zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßes Beförderung und gegen ein Abhandenkommen getroffen habe. Der Antragsteller habe weder den Transportdienstleister angewiesen, die Sendung ausschließlich an den waffenrechtlich berechtigten Adressaten auszuhändigen noch ihn über den Inhalt der Sendung informiert. Durch die Bezeichnung des Adressaten mit „A. Waffen“ habe der Antragsteller unnötigerweise leicht erkennbar gemacht, dass es sich bei dem Inhalt des Pakets um eine Waffe bzw. Waffenteile handeln könnte. Die vorliegenden Verstöße rechtfertigten die Annahme, dass der Antragsteller auch künftig mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder ordnungsgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren oder Waffen oder Munition an nicht hierzu berechtigten Personen überlassen werde. Die vorliegenden Verstöße gegen § 34 Abs. 1 und 2 WaffG ließen beim Antragsteller das Vertrauen dahingehend, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen werde, entfallen. Dies gelte insbesondere, weil dem Antragsteller Verlustgefahren bei einem solchen Versand bekannt gewesen seien, nachdem 2019 an ihn adressierte Waffenteile beim Versand durch D... gänzlich abhandengekommen seien. Der Antragsteller habe damit einen erneuten Verlust billigend in Kauf genommen, was seine sorglose Fehleinstellung im Umgang mit Waffen zeige. Sein jahrelanges beanstandungsfreies Engagement beim Schützenverein vermöge keine günstige Prognose zu veranlassen, da dem Antragsteller seine waffenrechtlichen Pflichten in Anbetracht seiner verantwortlichen Position im Schützenverein umso präsenter sein müssten. Die Rückgabe der Waffenbesitzkarten, des Kleinen Waffenscheins und des Feuerwaffenpasses beruhe auf § 46 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 WaffG, gegen den Bescheid bestünden auch im Übrigen keine Bedenken.
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Mit der Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter und beantragt,
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den Beschluss vom 27. Januar 2023 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich der Ziffern 1, 2, 3, 5, 6, 7, 8, 9 und 12 des Bescheides vom 8. Dezember 2022 wiederherzustellen bzw. anzuordnen.
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Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, er habe nicht gegen waffenrechtliche Pflichten verstoßen, da der Versand der Waffe den Vorgaben entsprochen habe. Gewerbsmäßige Beförderer erlaubnispflichtiger Gegenstände seien gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 2 WaffG von der Erlaubnispflicht befreit. Der Transport von Waffen, Waffenteilen und Munition könne somit von jedem nationalen und internationalen Express- und Kurierdienst wahrgenommen werden. So versende der Marktführer F. Waffen exakt in derselben Form. Soweit das Gericht auf die AGB von D... verweise, seien diese rein zivilrechtlicher Natur und könnten nicht im Verwaltungsverfahren angewendet werden. Zudem habe die Sendung den waffenrechtlich berechtigten Händler H.-H. L. erreicht und nicht, wie das Gericht ausführt, seine Mutter. Vielmehr sei die Mutter ebenfalls an der Tür gewesen, als der Postbote gekommen sei. Die Adressierung an den Empfänger „A.“ sei entgegen der Auffassung des Gerichts unproblematisch, da dieses Wort nicht zwingend auf Waffen hinweisen müsse, sondern diverse andere Bedeutungen habe. Der Verweis auf den Verlust von Waffenteilen 2019 sei wenig dienlich, da damals der Antragsteller als Empfänger keinen Einfluss auf die Sendung habe nehmen können.
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Der Antragsgegner, vertreten durch die Landesanwaltschaft Bayern, beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen,
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und verteidigt den erstinstanzlichen Beschluss.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
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Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die im Beschwerdeverfahren fristgerecht dargelegten Gründe, auf die sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, rechtfertigen es nicht, die angefochtene Entscheidung abzuändern oder aufzuheben.
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1. Mit dem Verwaltungsgericht ist nach der gebotenen summarischen Prüfung davon auszugehen, dass sich der Bescheid des Antragsgegners im Hauptsacheverfahren aller Voraussicht nach als rechtmäßig erweisen wird. Die waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers waren nach § 45 Abs. 2 Satz 1 des Waffengesetzes (WaffG) i.d.F. d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (BGBl I S. 3970), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328), zu widerrufen, weil nachträglich Tatsachen eingetreten sind, die zu ihrer Versagung hätten führen müssen. Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass daran zu zweifeln, dass der Antragsteller die für eine waffenrechtliche Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt, weil Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass er Waffen oder Munition Personen überlassen wird, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind und damit ein absoluter Unzuverlässigkeitsgrund i.S.v. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. c WaffG vorliegt. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Beschlusses und sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO). Ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen zu bemerken:
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a) Das Verwaltungsgericht stellt im angegriffenen Beschluss als Basis für seine Prognose zutreffend darauf ab, dass der Antragsteller seiner Pflicht aus § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG, Waffen nur berechtigten Personen zu überlassen, nicht nachgekommen ist, da er – obwohl ausweislich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der D... P. GmbH (D...) die Möglichkeit besteht – es unterlassen hat, den Dienstleister anzuweisen, die Sendung ausschließlich an eine berechtigte Person auszuhändigen (aa). Überdies ist durch die Art und Weise der Verpackung keine ordnungsgemäße Beförderung sichergestellt worden. Die Beschwerdebegründung vermag an dieser Einschätzung nichts zu ändern (bb).
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(aa) Ausweislich § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG obliegt jedem Waffenbesitzer die Pflicht, Waffen und Munition nur berechtigten Personen zu überlassen. Gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 WaffG muss die Berechtigung offensichtlich sein oder nachgewiesen werden, Der Antragsteller überließ bereits mit der Übergabe des Pakets an den Transporteur D... die Waffe dem Empfänger (vgl. § 34 Abs. 2 Satz 3 WaffG). Der Antragsteller hätte deshalb den Transporteur anweisen müssen, den waffenrechtlich relevanten Inhalt nur an die berechtigte Person im Sinn des § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG nach Prüfung ihrer waffenrechtlichen Legitimation auszuhändigen, um so insbesondere die Zustellung an einen unberechtigten „Ersatzempfänger“ auszuschließen. Dem ist der Antragsteller nach Aktenlage nicht nachgekommen und trägt es auch nicht vor. Damit verstieß er gegen eine grundlegende waffenrechtliche Verpflichtung, die im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verhindern soll, dass Waffen oder Munition in die Hände unberechtigter Dritter und damit solcher Personen gelangen, bei denen insbesondere die waffenrechtliche Zuverlässigkeit, Eignung und Sachkunde nicht überprüft wurden.
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Wenn der Antragsteller vorträgt, das Paket sei nicht an die Mutter, sondern an den Inhaber des Waffengeschäfts ausgehändigt worden, lässt sich dies nicht mit der in der Behördenakte befindlichen Sendungsverfolgung von D... (Bl. 6 d.A.) vereinbaren. Die im Beschwerdeverfahren vorgelegte E-Mail des Inhabers des Waffengeschäfts L. vom 16. Januar 2023 vermag nicht das Gegenteil nachzuweisen. Ungeachtet der Tatsache, ob der Inhaber L. selbst oder dessen Mutter das Paket entgegennahm, hatte es der Antragsteller durch die Wahl seiner Versandmethode nach dem oben Gesagten gleichsam dem Zufall überlassen, ob die versendete Waffe dem berechtigten Empfängeradressaten oder einem unberechtigten „Ersatzempfänger“ ausgehändigt wird. Dies ist mit den Anforderungen des § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG nicht zu vereinbaren.
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Außerdem muss gemäß § 34 Abs. 1 Satz 2 WaffG die Berechtigung offensichtlich oder nachgewiesen sein, wobei Offensichtlichkeit nur dann vorliegt, wenn sie sich einem geradezu aufdrängt, aber nicht schon dann, wenn nur eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für eine Berechtigung spricht (Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 34 Rn. 9). Demnach durfte der Antragsteller davon ausgehen, dass der Geschäftsinhaber L. eine solche Berechtigung besitzt, er hätte jedoch sicherstellen müssen, dass sie nur ihm persönlich zugestellt wird. Nachdem der Antragsteller vorliegend die Waffe als Privatperson versendete, geht der Verweis auf Gepflogenheiten im Waffenhandelsgewerbe ins Leere. Zwar ist der Versand von Waffen in Deutschland nicht verboten, dies entbindet jedoch den waffenrechtlich Verantwortlichen nicht von der Einhaltung seiner Pflichten, da die Übergabe an den Transporteur vom Gesetzgeber der Übergabe an den Dritten gleichgesetzt wird (§ 34 Abs. 2 Satz 3 WaffG). Damit stellt der Gesetzgeber klar, dass bereits im Zeitpunkt der Übergabe der Waffe oder Munition an den gewerbsmäßigen Beförderer die Erwerbsberechtigung des Empfängers sichergestellt sein muss (Gade, WaffG, § 34 Rn. 14). Folglich muss der Versender durch Auswahl eines geeigneten Transporteurs bzw. einer passenden Transportleistung sicherstellen, dass sämtliche waffenrechtliche Vorgaben eingehalten werden (vgl. auch Nr. 34.1 WaffVwV). Vorliegend hat der Antragsteller den Transporteur offenkundig nicht über den Inhalt der Sendung informiert. Im Übrigen weist auch der hier beauftragte Transporteur D... auf seiner Homepage darauf hin, dass Waffen zwar national transportiert werden könnten, aber nur dann, wenn der Absender durch geeignete Maßnahmen einen waffengesetzkonformen Transport sicherstellt; in der Verantwortung des Absenders lägen demnach die Auswahl eines geeigneten (Versand-)Produktes und die Einhaltung waffenrechtlicher Vorschriften (siehe Reiter „Kann ich eine Waffe über D... verschicken?“, https://www.dhl.de/de/geschaeftskunden/suche.html?pagePath=& q=waffe).
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(bb) Darüber hinaus war durch die sehr dürftige Verpackung und loses Hineinlegen der in ihre Bestandteile zerlegten Waffe nicht die ordnungsgemäße Beförderung sichergestellt, § 34 Abs. 2 Satz 1 WaffG, was durch den Verlust des Verschlusses bewiesen wird. Wie aus den in der Behördenakte befindlichen Lichtbildern (Bl. 8 bis 10 d.A.) ersichtlich wird, lagen die Einzelteile lose und nur mit ein wenig geknülltem Zeitungs- bzw. Packpapier in einem Karton. Nach allgemeiner Lebenserfahrung kann es beim Transport von Paketen immer wieder zu Beschädigungen der Kartonage kommen. Selbst bei kleinen Öffnungen oder Rissen wäre bei dieser Verpackungsart nicht sichergestellt, dass Einzelteile nicht verloren gehen oder von außen der Inhalt für Dritte ersichtlich wird. In Anbetracht der vorhandenen Lichtbilder, die ein vollständiges Fehlen der oberen Deckelhälfte zeigen, erscheint die nachgereichte Behauptung des Inhabers des Waffengeschäfts L. in seiner E-Mail vom 16. Januar 2023, das „Paket (welches nun zerstört war), war ausreichend gesichert, verpackt“ ob ihrer Widersprüchlichkeit wenig überzeugend. Auch ansonsten bestehen Zweifel an der Aussagekraft der E-Mail vom 16. Januar 2023, da nicht ersichtlich ist, weshalb sich L. an den Empfang eines konkreten Pakets und dessen Empfangsmodalitäten vor einem halben Jahr (6.7.2022) erinnern sollte, wenn er – wie er selbst in dieser E-Mail ausführt – „laufend Waffen mit der D...“ bekommt.
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c) Das vorliegend festgestellte Verhalten des Antragstellers bildet eine Tatsache, die es rechtfertigt, von einer hinreichenden Widerholungswahrscheinlichkeit und damit von der Unzuverlässigkeit des Antragstellers nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG auszugehen.
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Zwar besteht kein Automatismus in dem Sinne, dass ein nachgewiesener Verstoß unweigerlich eine negative Prognose ergibt, vielmehr ist entscheidend, ob die ermittelten Tatsachen nach aller Lebenserfahrung ein plausibles Risiko dafür begründen, dass der Betroffene künftig das prognoserelevante Verhalten begehen wird. Hinsichtlich der Prognosemethode genügt es, heuristisch auf die Erfahrung abzustellen, dass Wiederholung den Verhaltenskanon des Menschen prägt (vgl. VG München, B.v. 19.7.2022 – M 2 S 22.2183 – Rn. 42; Eifert, JuS 2004, 565/568) und es insoweit grundsätzlich auch möglich ist, bei einmaligen Verhaltensweisen vom Vorliegen der erforderlichen gewissen bzw. hinreichenden Wahrscheinlichkeit auszugehen. Hierbei ist zu beachten, dass die Annahme der Wiederholung umso mehr gerechtfertigt ist, je mehr in dem nachgewiesenen Verhalten eine allgemeine Distanz des Betroffenen zu den gesetzlich, insbesondere waffenrechtlich begründeten (Sorgfalts-)Pflichten zum Ausdruck kommt. Je geringfügiger der Verstoß ist, umso eher kann die schlichte Annahme einer Wiederholung verneint werden (vgl. zum Ganzen auch BayVGH, B.v. 21.4.2023 – 24 CS 23.495 – juris Rn. 20 ff.).
21
Das vorliegend festgestellte Verhalten des Antragstellers widerspricht § 34 Abs. 1 Satz 1 WaffG und stellt Tatsachen dar, die mit den Anforderungen an die Zuverlässigkeit gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 i.V.m. § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG nicht zu vereinbaren sind. Mit seinem Verhalten hat der Antragsteller ein fehlendes Bewusstsein über ihm obliegende waffenrechtliche Pflichten in einem solchen Ausmaß offenbart, das es rechtfertigt, von einer hinreichenden Widerholungswahrscheinlichkeit auszugehen, sodass im Rahmen einer prognostischen Entscheidung von seiner Unzuverlässigkeit auszugehen ist. In diesem Zusammenhang ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht bei der Gesamtbewertung im Rahmen der Prognose wertend den Umstand herangezogen hat, dass dem Antragsteller aufgrund seiner Erfahrungen in der Vergangenheit, als 2019 eine an ihn adressierte Lieferung mit Waffenteilen beim Versand durch D... vollständig abhandengekommen ist, die Verlustgefahren hätten bekannt sein müssen. Hiermit wird dem Antragsteller kein von ihm nicht beeinflussbares Ereignis vorgeworfen, sondern nur zutreffend darauf hingewiesen, dass ihm Probleme und Gefahren beim Versand aus eigener Erfahrung bekannt gewesen sein mussten. Dieses Erfahrungswissen lässt sein Verhalten umso sorgloser erscheinen.
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Der Verweis darauf, dass dem Bevollmächtigten erst kürzlich eine Waffe von einem bekannten Händler mittels Paket übersandt worden ist, ist unbehelflich, da es sich bei dem Produkt („Alarmapparat“) nicht um eine erlaubnispflichtige Waffe i.S.v. § 2 Abs. 2 i.V.m. Anl. 2 WaffG handelt, sodass für dessen Erwerb nur das Mindestalter von 18 Jahren gilt (§ 2 Abs. 1 WaffG), auch wenn für das Führen der Kleine Waffenschein benötigt wird. Die Ausführungen zu den möglichen Bedeutungen des Wortes „A.“ sind unbeachtlich, da das Verwaltungsgericht nicht die Aufschrift „A.“, sondern den – unnötigen – Zusatz „Waffen“ moniert hat. Der Name der Firma des Waffenhändlers L. lautet nämlich nur „A.“, nicht „A. Waffen“.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 50.2 und 20.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).