Titel:
Erfolglose Streitwertbeschwerde: Auslegung der Klageanträge
Normenketten:
GKG § 52, § 68
VwGO § 67 Abs. 4, § 88
RVG § 32 Abs. 2
Leitsätze:
1. § 88 VwGO ist auch für die Bestimmung des Antrags iSd § 52 GKG von Relevanz. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Selbst bei anwaltlicher Vertretung darf die Auslegung vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei einer Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage stellt die Aufhebung des Ablehnungsbescheids nur einen Anfechtungsannex dar und bleibt daher für die Bestimmung des Streitwerts außer Betracht. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Streitwertbeschwerde der Bevollmächtigten der Beklagten, Novemberhilfe, Anfechtungsklage gegen Rücknahme des Abschlagsbescheids, hilfsweise Verpflichtungsklage auf Neuverbescheidung des Förderantrags, Hilfsantrag abhängig vom Erfolg des Hauptantrags, Klagerücknahme in mündlicher Verhandlung, keine wortlautabweichende Auslegung von Klageanträgen bei Antragstellung durch Rechtsanwalt und Steuerberater, Streitwertbeschwerde, Subvention, Verpflichtungsklage, Neuverbescheidung, Auslegung, Antragswortlaut, Klageziel, Versagungsgegenklage
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 17.08.2022 – M 31 K 21.4489
Fundstellen:
DVBl 2023, 1303
BayVBl 2023, 786
LSK 2023, 13694
BeckRS 2023, 13694
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Die Bevollmächtigten der Beklagten begehren mit ihrer Streitwertbeschwerde eine annähernde Verdopplung des vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwerts.
2
Mit Bescheid vom 23. Juli 2021 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin vom 19. Januar 2021 auf Gewährung einer Novemberhilfe in Höhe von 72.934,47 € gemäß den einschlägigen Richtlinien des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie ab (1.). Der unter Vorbehalt der vollständigen Prüfung des Antrags der Klägerin ergangene Bescheid über eine Abschlagszahlung vom 19. Januar 2021 wurde gem. Art. 48 BayVwVfG zurückgenommen (2.). Der – bis zum 23. August 2021 – zu erstattende Betrag wurde auf 36.467,24 € festgesetzt (3.). Bei nicht fristgerechter Erstattung würden Zinsen gem. Art. 49a Abs. 3 Satz 1 BayVwVfG erhoben (4.).
3
Die Klägerin erhob durch ihren früheren Bevollmächtigten zunächst ohne Antragstellung Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München.
4
Mit Schriftsatz ihres nunmehrigen Bevollmächtigten vom 16. November 2021 beantragte die Klägerin, den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2021 in den Ziffern 2, 3 und 4 aufzuheben (1.), hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, den Antrag der Klägerin vom 19. Januar 2021 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden und den Bescheid der Beklagten vom 23. Juli 2021 auch in Ziffer 1 aufzuheben (2.). Diese Anträge wurden im Folgenden begründet; dabei wurde zum Hilfsantrag ausgeführt, dass dieser unter der Bedingung gestellt sei, dass sich das Gericht den Ausführungen zum Hauptantrag anschließe.
5
In der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 17. August 2022 nahm die Klägerin die Klage nach Erörterung der Sach- und Rechtslage sowie nach Hinweisen des Vorsitzenden zur prozessualen Antragstellung und zu seiner vorläufigen Rechtsauffassung zum Zuwendungsrecht zurück. Mit im Anschluss an die Schließung der mündlichen Verhandlung verkündetem Beschluss stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren ein (I.), sprach aus, dass die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen hat (II.) und setzte den Streitwert auf 36.467,24 € fest (III.).
6
Mit Schriftsatz vom 12. September 2022, eingegangen beim Verwaltungsgericht am gleichen Tag, erhoben die Beklagtenbevollmächtigten im eigenen Namen Beschwerde mit dem Antrag,
7
den Streitwertfestsetzungsbeschluss vom 17. August 2022 abzuändern und den Streitwert auf 72.934,47 € festzusetzen.
8
Zur Begründung führt die Beschwerde im Wesentlichen aus: Nach § 52 Abs. 1 GKG sei der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Der Streitwert müsse dem wirtschaftlichen Wert des Klageziels entsprechen, das der Kläger erreichen wolle. Vorliegend habe das Klageziel der Klägerin nicht lediglich in der Abwehr des Verlangens der Beklagten bestanden, 36.467,24 € zurückzuzahlen, vielmehr sei das Klagebegehren auf die Gewährung der Novemberhilfe in Höhe der beantragten 72.934,47 € gerichtet gewesen. Entsprechend seien die Klageanträge gem. § 88 VwGO auszulegen. Die Klägerin habe sowohl in der schriftlichen Klagebegründung als auch in der mündlichen Verhandlung umfangreich dargelegt, warum ihr ein Anspruch auf Zahlung der beantragten Novemberhilfe zustehe und dass deshalb die ihr gewährte Abschlagszahlung nicht rechtswidrig sei. Die Klägerin habe sich also durchgehend eines Anspruchs auf Zahlung der vollen Novemberhilfe gerühmt. Sonstige Argumente dafür, warum es mit Art. 48 f. BayVwVfG nicht vereinbar sein solle, die von der Beklagten geleistete Abschlagszahlung zurückzahlen zu müssen, habe die Klägerin hingegen nicht vorgetragen; namentlich habe sie sich diesbezüglich nicht auf ein schutzwürdiges Vertrauen berufen. Dass die Klägerin gestaffelte Haupt- und Hilfsanträge in Gestalt einer uneigentlichen eventuellen Klagehäufung (Stufenklage) angekündigt habe, stehe der Festsetzung des Streitwerts in der begehrten Höhe nicht entgegen. Diese Ankündigungen seien allein von der klägerischen Vorstellung motiviert gewesen, den Streitwert gering halten zu können. Das Gericht sei zwar grundsätzlich bei Geltendmachung mehrerer Begehren des Klägers im Wege der objektiven Klagehäufung nach § 44 VwGO an deren Rangverhältnis gebunden. Reiche das Hilfsbegehren jedoch – wie hier – weiter als das Hauptbegehren, entfalle die Bindung des Gerichts. Wäre es zu einer Antragstellung in der mündlichen Verhandlung gekommen, hätte der Vorsitzende gem. § 86 Abs. 3 VwGO darauf hinwirken müssen, dass sachdienliche Anträge gestellt würden. Der Vorsitzende habe auch auf Bedenken gegen die angekündigte Antragstellung hingewiesen.
9
Die Klägerin äußerte sich im Beschwerdeverfahren nicht.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge verwiesen.
11
Die nach Maßgabe insbesondere von § 32 Abs. 2 Satz 1 RVG, § 68 Abs. 1 Satz 1, Satz 3 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG zulässige Beschwerde der Klägerbevollmächtigten, über die gem. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 GKG der Berichterstatter als Einzelrichter entscheidet, ist nicht begründet. Aus dem Antrag der Klägerin (vgl. § 52 GKG) ergibt sich kein Streitwert in Höhe von 72.934,47 €.
12
1. Die für die Streitwertbestimmung in Betracht kommenden Klageanträge (zur Maßgeblichkeit des Klageantrags i.R.d. § 52 GKG vgl. BayVGH, B.v. 19.8.2020 – 10 C 20.1853 u.a. – juris Rn. 3; Dörndorfer in Binz/ders./Zimmermann, GKG, FamGKG, JVEG, 5. Aufl. 2021, § 52 GKG Rn. 2 f.) ergeben sich – wovon auch die Beschwerde ausgeht – allein aus dem Schriftsatz vom 16. November 2021. Für eine abweichende Antragstellung in der mündlichen Verhandlung (vor Klagerücknahme) ist nichts ersichtlich; eine solche hätte zu Protokoll erklärt und von der Klägerin genehmigt werden müssen (vgl. § 105 VwGO i.V.m. § 162 Abs. 1 ZPO).
13
2. Die Beschwerde trägt im Kern vor, das wirkliche und damit maßgebliche Rechtsschutzziel der Klägerin sei es gewesen, die Beklagte verpflichten zu lassen, ihr die volle Novemberhilfe und damit einen Subventionsbetrag von insgesamt 72.934,47 € zu gewähren. Der Sache nach macht die Beschwerde also geltend, der Antrag der Klägerin betreffe i.S.d. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG einen auf eine bezifferte Geldleistung in der genannten Höhe bezogenen Verwaltungsakt. Auf die Ausführungen der Beschwerde zur Bedeutung der Sache im Sinne des § 52 Abs. 1 GKG kommt es damit nicht an. Denn § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG bringt zum Ausdruck, dass die sich aus dem Antrag der Klagepartei für sie ergebende Bedeutung der Sache im Sinne des § 52 Abs. 1 GKG in diesen Fällen identisch ist mit der Höhe der bezifferten Geldleistung; weitere Überlegungen zur Bedeutung der Sache im Sinne des § 52 Abs. 1 GKG dürfen nicht angestellt werden (vgl. BayVGH, B.v. 9.3.2022 – 22 C 21.3021 – juris Rn. 13; OVG NW, B.v. 9.4.2019 – 1 E 258.19 – juris Rn. 16 f.).
14
3. Ein Streitwert in Höhe von 72.934,47 € wäre festzusetzen, wenn die Klägerin im Wege der Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Halbs. 2 Alt. 1 VwGO) beantragt hätte, die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine Novemberhilfe in dieser Höhe zu gewähren. Eine solche Verpflichtungsklage hatte die Klägerin jedoch nicht erhoben (3.1). Die klägerischen Anträge sind auch nicht dahingehend auszulegen (3.2). Schließlich macht die Beschwerde ohne Erfolg geltend, der Streitwert ergebe sich aus dem als Verpflichtungsantrag formulierten Hilfsantrag, weil dieser weiterreiche als der Hauptantrag (3.3).
15
3.1 Bei dem Klageantrag 1 handelte es sich um einen Anfechtungsantrag, der auf diejenigen Ziffern des Bescheids vom 23. Juli 2021 (2., 3., 4.) beschränkt war, die die Rücknahme des Bescheids vom 19. Januar 2021 über die Gewährung einer Abschlagszahlung in Höhe von 36.467,24 € und die Rückforderung dieses Betrags betrafen. Mit dem Klageantrag 2 wurde zwar eine Verpflichtungsklage in Gestalt der Versagungsgegenklage erhoben. Die Klägerin begehrte damit aber nicht den vollen Förderbetrag gemäß ihrem Antrag vom 19. Januar 2021, sondern ausdrücklich nur die Verpflichtung der Beklagten zur erneuten Verbescheidung dieses Antrags (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Zudem war der Klageantrag 2 lediglich hilfsweise für den Fall des Erfolgs des Klageantrags 1 gestellt (vgl. zu dieser Bedingung Schriftsatz vom 16.11.2021 S. 10 unter II.2 sowie S. 11 unter III.).
16
3.2 Die Anträge der Klägerin sind auch nicht als Verpflichtungsklage auf Gewährung des beantragten Förderbetrags in voller Höhe auszulegen.
17
3.2.1 Nach § 88 VwGO darf das Gericht nicht über das Klagebegehren hinausgehen, es ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Diese Vorschrift ist auch für die Bestimmung des Antrags i.S.d. § 52 GKG von Relevanz (vgl. BayVGH, B.v. 19.8.2020 – 10 C 20.1853 – juris Rn. 4; B.v. 12.7.2010 – 20 C 10.1571 – juris Rn. 3). Die Antragsauslegung findet ihre Grenze indes in dem ausdrücklich und eindeutig bekundeten Willen der Klägerin. An die Stelle dessen, was eine Partei erklärtermaßen will, darf nicht das gesetzt werden, was die Partei – nach Meinung des Gerichts bzw. hier des Prozessgegners – zur Verwirklichung ihres Bestrebens wollen sollte (vgl. BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 14.14 – juris Rn. 30 m.w.N.). Namentlich darf sich das Gericht nicht über ein bewusstes Antragsverhalten der Klagepartei – etwa eine Staffelung von Haupt- und Hilfsanträgen – hinwegsetzen (vgl. BayVGH, B.v. 23.6.2022 – 6 CS 22.563 – juris Rn. 30; SächsOVG, B.v. 26.1.2021 – 4 B 421/20 – juris Rn. 43; Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 88 Rn. 8). Überdies kommt dann, wenn die Klagepartei bei der Fassung des Klageantrags – wie hier – anwaltlich vertreten worden ist, der Antragsformulierung gesteigerte Bedeutung für die Ermittlung des tatsächlich Gewollten zu (vgl. etwa BVerwG, B.v. 9.4.2014 – 8 C 50.12 – juris Rn. 17 m.w.N.). Dieser Grundsatz kommt vorliegend umso mehr zum Tragen, als der Klägerbevollmächtigte auch Steuerberater ist, er damit zum Kreis möglicher prüfender Dritter (vgl. Nr. 6.2 der Novemberhilfe-Richtlinie) und mithin auch zu den nach § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3a VwGO Vertretungsbefugten zählt. Dabei ist unerheblich, ob er im konkreten Einzelfall tatsächlich schon im Rahmen des Antragsverfahrens beteiligt war; dass er nach den Vorgaben des streitgegenständlichen Programms hätte tätig werden können, reicht aus (vgl. BT-Drs. 19/30503 S. 24).
18
Selbst bei anwaltlicher und zudem einer Vertretung nach dem gerade für Streitsachen wie die vorliegende geschaffenen § 67 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3a VwGO darf die Auslegung jedoch vom Antragswortlaut abweichen, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht (vgl. BVerwG, B.v. 17.8.2021 – 7 B 16.20 – juris Rn. 7 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Klägerin die Klageanträge im Schriftsatz vom 16. November 2021 bewusst und in Übereinstimmung mit ihrem Klageziel formuliert hat.
19
3.2.1.1 Einzelne Formulierungen in der Klagebegründung vom 16. November 2021, die darauf hindeuten könnten, dass die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung des gesamten Förderbetrags geltend machen wolle (vgl. S. 3 vorletzter und drittletzter Absatz), rechtfertigen nicht die Annahme, dass die gestellten Anträge hinter dem Klageziel zurückbleiben.
20
Für ein bewusstes und gezieltes Antragsverhalten der Klägerin spricht vielmehr der eng an den Klageanträgen orientierte Aufbau der Klagebegründung. Schon aus der einleitenden Formulierung von deren Abschnitt II.1, wonach „der angefochtene Bescheid vom 23.07.2021 über die Aufhebung des Bescheids vom 19. Januar 2021 und über die Rückforderung der bereits ausbezahlten Fördersumme (Ziffern 2, 3 und 4) … rechtswidrig“ sei, „die Klägerin in ihren Rechten“ verletze und „daher gem. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben“ sei, ergibt sich eindeutig, dass mit dem Klageantrag 1 (Hauptantrag) eine Anfechtungsklage beabsichtigt war. Der Schwerpunkt der Ausführungen der Klägerin in diesem Abschnitt der Klagebegründung lag zudem auf dem Vorwurf, die Förderpraxis der Beklagten sei willkürlich (S. 4 ff. dieses Schriftsatzes). Insofern hat sich die Klägerin auf die Fehlerhaftigkeit des Handelns der Beklagten berufen und somit eine Rechtswidrigkeit i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO geltend gemacht. Zum Klageantrag 2 (Hilfsantrag) führte die Klägerin in Abschnitt II.2 der Klagebegründung insbesondere aus (S. 11), dass „der Behörde noch ein Ermessen gem. Art. 40 BayVwVfG auf Bestimmung der konkreten Höhe der Billigkeitsförderung“ zustehe, dass die Klägerin „einen Anspruch gegen die Beklagte auf eine erneute, ermessensfehlerfreie Entscheidung über den Antrag der Klägerin“ habe und dass die Beklagte damit „zu einer erneuten, ermessensfehlerfreien Bescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verurteilen sowie gleichzeitig Ziffer 1 des Bescheids der Beklagten aufzuheben [sei], § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO“. Diese Formulierungen stützen und bestätigen den Wortlaut des Klageantrags 2 als reinen Verbescheidungsantrag.
21
Für eine bewusste und gezielte Antragstellung spricht schließlich, dass die Klägerin mit Schriftsatz vom 10. Januar 2022 nochmals vorgetragen hatte, dass sie die Anträge aus der Klagebegründung stellen werde.
22
3.2.2.2 Das Vorbringen der Beschwerde über den Verlauf der mündlichen Verhandlung und das dortige Vorbringen der Klägerin über einen ihr zustehenden Anspruch auf Gewährung der Novemberhilfe rechtfertigt nicht, die Klageanträge abweichend vom Wortlaut und von der Klagebegründung auszulegen. Die von der Klägerin gestellten Anträge waren Gegenstand eines gerichtlichen Hinweises (vgl. § 86 Abs. 3 VwGO), wobei der Vorsitzende die offene Beurteilung für den vorliegenden Fall darstellte (Sitzungsprotokoll S. 2). Es ist weder dem Sitzungsprotokoll zu entnehmen noch von der Beschwerde vorgetragen, dass die Klägerin auf diesen Hinweis erklärt hätte, dass das Verständnis des Gerichts von ihren schriftsätzlichen Anträgen unzutreffend sei, und auch nicht, dass die Klägerin von ihren Anträgen abgerückt war oder zumindest eine Abweichung beabsichtigte. Von den schriftsätzlichen Anträgen abweichende Anträge lassen sich dem Sitzungsprotokoll ohnehin nicht entnehmen (vgl. oben 1.).
23
3.2.2.3 Der Beschwerde ist zuzugeben, dass die klägerischen Anträge für eine Streitigkeit über Subventionen ungewöhnlich sind. Dies ändert aber nichts daran, dass der Wortlaut der Antragstellung eindeutig ist und das damit zum Ausdruck kommende Klageziel durch die schriftsätzlichen Ausführungen der anwalt- und steuerberaterlich vertretenen Klägerin bestätigt wird. Die klägerischen Anträge können jedenfalls auch nicht deshalb abweichend von Antragswortlaut und Klagebegründung ausgelegt werden, weil die VwGO eine solche Antragstellung von vornherein ausschließt. Insbesondere die hier vorliegende „uneigentliche eventuelle Klagehäufung“ bzw. „Stufenklage“ – der Hilfsantrag wird für den Fall des Erfolgs des Hauptantrags gestellt – wird auch im Verwaltungsprozess grundsätzlich für zulässig gehalten (vgl. BVerwG, U.v. 5.4.2016 – 1 C 3.15 – BVerwGE 154, 328 – juris Rn. 52; Wysk in ders., VwGO, 3. Aufl. 2020, § 44 Rn. 2 f.; Sodan in ders./Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 44 Rn. 6). Ob eine Zulässigkeit auch im vorliegenden Falle gegeben gewesen wäre, spielt für die Streitwertfestsetzung keine Rolle.
24
3.3 Die Festsetzung eines Streitwerts in Höhe von 72.934,47 € rechtfertigt auch nicht der Vortrag der Beschwerde, dass die Bindung des Gerichts an die Reihenfolge der Klagebegehren entfalle, wenn das Hilfsbegehren weiter reiche als das Hauptbegehren.
25
3.3.1 Jedenfalls aus der von der Beschwerde (S. 5) genannten Rechtsprechung ergibt sich ein solcher Grundsatz nicht. Vielmehr ist die Staffelung von Haupt- und Hilfsantrag entsprechend der von der Klagepartei aufgestellten Bedingung regelmäßig maßgeblich (vgl. oben 3.2.1). Nicht anders lässt sich auch die von der Beschwerde u.a. angeführte Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 23. Oktober 2007 (1 C 10.07 – juris Rn. 38) verstehen.
26
3.3.2 Im Übrigen liegt der Wert des Hilfsantrags vorliegend nicht über demjenigen des Hauptantrags.
27
3.3.2.1 Der Hilfsantrag zielte nicht auf die Verpflichtung der Beklagten zur Gewährung des beantragten Förderbetrags, sondern nur auf erneute Verbescheidung des von der Klägerin gestellten Antrags (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO, s.o.). Unter Berücksichtigung von Nr. 1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 ist daher für den Hilfsantrag lediglich die Hälfte der beantragten Fördersumme anzusetzen. Der sich so ergebende Betrag entspricht bzw. liegt nicht über dem vom Verwaltungsgericht festgesetzten Streitwert (vgl. zur Anwendung von Nr. 1.4 des Streitwertkatalogs mit der Folge der Halbierung des Streitwerts BVerwG, B.v. 16.9.2014 – 4 B 48.14 – juris Rn. 9; B.v. 12.1.2023 – 2 B 38.22 – juris Rn. 15 [vgl. zum Verbescheidungsantrag vorgehend OVG NW, U.v. 21.7.2022 – 6 A 2092/20 – juris Rn. 11]; BayVGH, U.v. 18.1.2023 – 11 B 22.1153 – juris Rn. 54).
28
3.3.2.2 Der Wert des Hilfsantrags ist auch nicht deshalb höher zu bewerten, weil im Rahmen der Versagungsgegenklage die Aufhebung von Ziff. 1 des Bescheids vom 23. Juli 2021 beantragt worden war, mit der die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung einer Förderung in der beantragten Höhe (72.934,47 €) abgelehnt hatte. Denn bei einer Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage stellt die Aufhebung des Ablehnungsbescheids nur einen Anfechtungsannex dar, so dass die ablehnende behördliche Entscheidung im engeren Sinne grundsätzlich nicht selbständiger Gegenstand des Verfahrens ist (vgl. BayVGH, B.v. 21.1.2022 – 22 ZB 21.2116 – juris Rn. 18 m.w.N.). Die Feststellung, dass der Verwaltungsakt, in dem die Ablehnung nach außen Gestalt gefunden hat, rechtswidrig ist, gehört mithin nicht zum Streitgegenstand (OVG NW, U.v. 25.1.2023 – 2 A 1534/21 – juris Rn. 61). Die beantragte Aufhebung der Antragsablehnung muss daher auch für die Bestimmung des Streitwerts außer Betracht bleiben; hiervon geht erkennbar auch Nr. 1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 aus.
29
3.3.3 Damit kommt es vorliegend auch nicht darauf an, ob sich der Streitwert angesichts der hier vorliegenden „uneigentlichen eventuellen Klagehäufung“ in Anwendung von § 45 Abs. 1 Satz 2, Satz 3 GKG nach dem höherwertigen Klageantrag bestimmt (vgl. zur Problematik etwa OLG Braunschweig, B.v. 3.12.2019 – 11 W 41/19; FG Münster, B.v. 19.5.2021 – 5 Ko 1247/21 GK; beide juris).
30
4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Beschwerdeverfahren ist nach § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG gebührenfrei. Kosten werden gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht erstattet. Demnach erübrigt sich die Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren.
31
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG; § 152 Abs. 1 VwGO).