Titel:
Ausweisung eines Ausländers mit Niederlassungserlaubnis wegen erheblicher Straftaten
Normenketten:
AufenthG § 53 Abs. 3, § 54 Abs. 1 Nr. 1, § 55 Abs. 1 Nr. 1
GG Art. 6
EMRK Art. 8
ARB 1/80 Art. 7 S. 1
Leitsätze:
1. Bei Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen führt § 53 Abs. 3 AufenthG nicht zu einer Verdrängung der wertenden und gewichtenden Bestimmungen nach §§ 53 Abs. 1 AufenthG, §§ 54, 55 AufenthG; ihnen kommt auch iRd § 53 Abs. 3 AufenthG die Bedeutung von gesetzlichen Umschreibungen spezieller Interessen mit jeweiligem Gewicht zu. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2. Selbst im Falle des Bestehens einer schützenswerten familiären Beziehung ist insbesondere bei besonders schweren Straftaten eine Aufenthaltsbeendigung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht generell und unter allen Umständen ausgeschlossen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausweisung, Drogendelikte, Abwägung, Niederlassungserlaubnis, Verwurzelung, Entwurzelung, familiäre Bindung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 13.07.2022 – AN 5 K 22.80
Fundstelle:
BeckRS 2023, 13690
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg.
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1. Der Kläger (ein am 29.12.1972 im Bundesgebiet geborener lediger türkischer Staatsangehöriger, der in Deutschland die Grundschule besuchte, anschließend einige Jahre lang in der Türkei die Schule besuchte, nach Aktenlage am 3.9.1987 in das Bundesgebiet zurückkehrte und hier den Schulbesuch bis zum qualifizierenden Hauptschulabschluss fortsetzte, der nach einer Ausbildung zum Dreher bis zur Kündigung infolge der Haft im Jahr 2021 in seinem Ausbildungsbetrieb arbeitete, dem am 22.9.1995 eine Aufenthaltsberechtigung nach dem AuslG 1990 erteilt wurde, welche ab dem 1.1.2005 als Niederlassungserlaubnis nach dem AufenthG fortgalt, der seit etwa 1996 Betäubungsmittel konsumierte <zunächst Ephedrin, ab etwa 2002 Amphetamin, seit etwa 2006 Methamphetamin> und der im Bundesgebiet mehrfach strafrechtlich auffällig wurde <u.a. AG N. vom 17.9.2015: 1 Jahr 9 Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung wegen vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 24 Fällen und vorsätzlichen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Bewährungszeit zunächst 3 Jahre, später verlängert bis 24.9.2019, Therapie nach § 35 BtMG von Juni bis November 2020 wegen eines Rückfalls abgebrochen, Strafaussetzung widerrufen; AG N. vom 18.10.2018: 120 Tagessätze Geldstrafe wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung; AG N. vom 4.7.2019: 7 Monate Freiheitsstrafe wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und vorsätzlichen Besitzes einer verbotenen Waffe; AG N. vom 11.8.2020: 10 Monate Freiheitsstrafe wegen Diebstahls in zwei Fällen und unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln; AG N. vom 17.9.2020: 6 Monate Freiheitsstrafe wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in zwei Fällen; AG N. vom 17.6.2021: 1 Jahr 6 Monate Freiheitsstrafe wegen Diebstahls in einem besonders schweren Fall mit Sachbeschädigung; LG N.-F. vom 9. Juli 2021: 5 Jahre Freiheitsstrafe wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln in fünf Fällen und vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln in zehn Fällen, wobei die drei letzten vorgenannten Verurteilungen in die nachträglich gebildete Gesamtfreiheitsstrafe einbezogen wurden und der Vorwegvollzug von einem Jahr Freiheitsstrafe sowie die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet wurden>) wendet sich mit seinem Antrag auf Berufungszulassung gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 13. Juli 2022, mit welchem seine Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2021 abgewiesen wurde. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte den Kläger nach Anhörung aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziffer I des Bescheids), ein auf die Dauer von sieben Jahren ab der Ausreise bzw. Abschiebung befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen (Ziffer II des Bescheids), die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffer II angeordnet (Ziffer III des Bescheids), die Abschiebung des Klägers unmittelbar aus der Haft bzw. dem Maßregelvollzug in die Türkei bzw. in einen anderen Staat, in den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist, angeordnet, wobei die Abschiebung frühestens eine Woche nach Zustellung des Bescheides erfolge (Ziffer IV des Bescheids) und für den Fall, dass die Abschiebung während der Haft bzw. des Maßregelvollzugs nicht möglich sein sollte, den Kläger zur Ausreise innerhalb einer Woche ab Entlassung aufgefordert, anderenfalls die Abschiebung in die Türkei bzw. in einen anderen Staat, in den der Kläger einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist, angedroht (Ziffer V des Bescheids). Ziffer IV des Bescheides wurde mit Schriftsatz der Beklagten vom 12. Juli 2022 dahingehend geändert, dass die Abschiebung frühestens eine Woche nach Unanfechtbarkeit der Verfügung erfolge. Zugleich wurde der Kläger in Ziffer V nunmehr unter Androhung der Abschiebung insbesondere in die Türkei zum Verlassen des Bundesgebietes innerhalb einer Woche nach Unanfechtbarkeit der Verfügung aufgefordert.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage (u.a.) mit der Begründung abgewiesen, in Anbetracht der konkreten Umstände des Falles müsse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden, dass von dem Kläger auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgehe, die auch im konkreten Einzelfall ein Grundinteresse der Gesellschaft – das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Bürger – berühre. Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 AufenthG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise des Klägers mit den Interessen an seinem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergebe, dass die Ausweisung für die Wahrung des bereits dargestellten Grundinteresses der Gesellschaft unerlässlich sei. Im Fall des Klägers liege aufgrund der Verurteilung durch das Landgericht vom 9. Juli 2021 unter Einbeziehung von drei weiteren Freiheitsstrafen aus den Urteilen des Amtsgerichts zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG vor. Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse stehe das besonders schwerwiegende Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegenüber, weil der Kläger im Besitz einer Niederlassungserlaubnis gewesen sei und sich seit fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. In der Gesamtabwägung erweise sich die Ausweisung trotz des besonders schwerwiegenden Bleibeinteresses als rechtmäßig. Die streitgegenständliche Ausweisung sei weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG nicht abschließend aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig. Die Beklagte habe im Rahmen der Interessenabwägung insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger seit seiner Geburt im Bundesgebiet lebe, die Schule mit dem qualifizierenden Hauptschulabschluss beendet und nach erfolgreich bestandener Ausbildung bis zu seiner Inhaftierung durchgängig als Dreher gearbeitet habe. Zudem habe sie ausgeführt, dass es ihm nicht gelungen sei, einen rechtstreuen Lebenswandel zu führen und dass die bestehende Integration im Bundesgebiet durch den Betäubungsmittelkonsum sowie die Begehung von Straftaten infrage gestellt werde. Demgegenüber habe der ledige und kinderlose Kläger in der mündlichen Verhandlung selbst insbesondere auf die familiäre Bindung zu seiner Mutter hingewiesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gewährten jedoch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt, sondern begründeten lediglich eine Verpflichtung der Ausländerbehörden, die familiären Bindungen entsprechend ihrem Gewicht angemessen in die Abwägung einzustellen. Die Beklagte habe insoweit zutreffend darauf hingewiesen, dass die Mutter des Klägers laut Bericht der JVA vom 22. Mai 2022 überwiegend im Herkunftsland des Klägers lebe. Zudem sei weder vorgetragen noch ersichtlich, inwieweit die Mutter des Klägers auf dessen Beistand gerade im Bundesgebiet angewiesen sein solle. Es sei auch davon auszugehen, dass der Kläger nicht zuletzt aufgrund seines Schulbesuchs in seinem Herkunftsland mit der dortigen Sprache, Kultur und Tradition vertraut sei. Ihm sei es daher – auch vor dem Hintergrund seiner dort lebenden Verwandtschaft – möglich und zumutbar, sich sprachlich und kulturell im Land seiner Staatsangehörigkeit zu integrieren. Im Rahmen der Gesamtabwägung unter Berücksichtigung des verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie des Art. 6 GG und Art. 8 EMRK überwiege damit das öffentliche Interesse an der Ausreise. Vor dem Hintergrund der Schwere der Tat, die Anlass für die Ausweisung sei, ihrer Folgen, der Persönlichkeit des Klägers und der fehlenden nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Integration im Bundesgebiet stelle sich die Ausweisung unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles auch vor dem verschärften Maßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG darüber hinaus als unerlässlich für die Wahrung des vom Kläger bedrohten Grundinteresses der Gesellschaft dar.
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2. Das der rechtlichen Überprüfung durch den Senat ausschließlich unterliegende Vorbringen in der Begründung des Zulassungsantrags (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) rechtfertigt keine Zulassung der Berufung. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegt nicht vor.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts bestehen nur dann, wenn der Rechtsmittelführer im Zulassungsverfahren einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten infrage stellt (BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – juris Rn. 11; B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – juris Rn. 16). Solche schlüssigen Gegenargumente liegen bereits dann vor, wenn im Zulassungsverfahren substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufgezeigt werden, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – juris Rn. 19). Es reicht nicht aus, wenn Zweifel lediglich an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen bestehen, auf welche das Urteil gestützt ist. Diese müssen vielmehr zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründen. Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente schlagen jedoch nach dem Rechtsgedanken des § 144 Abs. 4 VwGO nicht auf das Ergebnis durch, wenn das angefochtene Urteil sich aus anderen Gründen als richtig darstellt (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Maßgeblich für die Beurteilung dieses Zulassungsgrundes ist grundsätzlich der Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 12), so dass eine nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage bis zum Zeitpunkt der Entscheidung in dem durch die Darlegung des Rechtsmittelführers vorgegebenen Prüfungsrahmen zu berücksichtigen ist (BayVGH, B.v. 20.2.2017 – 10 ZB 15.1804 – juris Rn. 7).
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Der Kläger trägt zur Begründung seines Zulassungsantrags vor, das Verwaltungsgericht habe im Rahmen der Abwägung gemäß § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG die Bleibeinteressen des Klägers nicht in ausreichendem Maße gewürdigt. So seien das Ausmaß der „Verwurzelung“ bzw. die für den Ausländer mit einer „Entwurzelung“ verbundenen Folgen unter Berücksichtigung der verfassungsrechtlichen Vorgaben sowie des Art. 8 EMRK zu ermitteln, zu gewichten und mit den Gründen, die für eine Aufenthaltsbeendigung sprächen, abzuwägen (m.V.a. OVG LSA, BeckRS 2014, 55103 Rn. 8). Für den Grad der Verwurzelung des Ausländers seien insbesondere die Dauer seines Aufenthalts im Bundesgebiet, sein rechtlicher Aufenthaltsstatus, das Ausmaß der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und sozialen Integration und die Rechtstreue seines Verhaltens in der Vergangenheit von Relevanz. Der Grad der Entwurzelung bestimme sich nach dem Vorhandensein und Ausmaß der Kenntnisse der dort gesprochenen und geschriebenen Sprache, nach der Vertrautheit mit den Lebensverhältnissen in dem Herkunftsstaat und nach der Aussicht, bei der Reintegration durch Verwandte und Dritte unterstützt zu werden. Von besonderer Bedeutung sei in diesem Zusammenhang, in welchem Alter der Ausländer sein Heimatland verlassen und ob er dort eine soziale schulische oder gar berufliche Prägung erfahren habe. Das Ausmaß der Verwurzelung bzw. die für den Ausländer mit einer Entwurzelung verbundenen Folgen seien zu ermitteln, zu gewichten und mit den Gründen, die für eine Aufenthaltsbeendigung sprechen, abzuwägen. Je ausgeprägter Verwurzelung und Entwurzelung seien, desto schwerer müsse das öffentliche Ausweisungsinteresse wiegen. Sämtliche Belange seien einzelfallbezogen festzustellen, zu gewichten und im Rahmen einer Gesamtbewertung unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit abzuwägen. Im Rahmen dieser Abwägung sei auch dem Gedanken der Resozialisierung Rechnung zu tragen. Diesem komme indes nur Bedeutung als einem von mehreren Abwägungsgesichtspunkten zu. Resozialisierungsbemühungen ständen einer Ausweisung selbst dann weder zwingend noch regelmäßig entgegen, wenn der Betroffene längere Zeit in dem Aufnahmemitgliedstaat gelebt und dort seine Sozialisierung erfahren habe und wenn ein Verlassen des Aufnahmemitgliedstaats für die weitere Resozialisierung nachteilig wäre. Denn das Ausweisungsrecht sei der Gefahrenabwehr, nicht der Resozialisierung des Betroffenen zu dienen bestimmt (m.V.a. BVerwG, BeckRS 2013, 49782 Rn. 7). Ausgehend von diesen Grundsätzen sei das Bleibeinteresse des Klägers höher zu gewichten als das öffentliche Ausweisungsinteresse. Der Kläger sei in Deutschland geboren worden und lebe seit dem 3. September 1987 durchgängig hier. Er sei den Großteil seines Lebens in Deutschland sozialisiert worden und habe eigene Integrationsleistungen aufzuweisen. Insbesondere habe er einen Schulabschluss in Deutschland erlangt und habe bis zu seiner Inhaftierung in seinem Ausbildungsbetrieb gearbeitet. In der Türkei könne er auf kein funktionierendes familiäres Netzwerk zurückgreifen. Der Kläger wäre auf sich allein gestellt. Seine Kernfamilie lebe in Deutschland. Zuletzt habe das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt, dass eine Ausweisung bzw. etwaige Abschiebung auch dem Resozialisierungsgedanken zuwiderlaufen würde. Eine Resozialisierung des Klägers würde durch eine Rückführung in die Türkei wesentlich erschwert bzw. unmöglich werden.
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Diese Rügen zeigen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf.
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Der Kläger hat die mit seinem Zulassungsvorbringen allein angegriffene Gesamtabwägung des Verwaltungsgerichts gemäß § 53 Abs. 1 und 2 AufenthG nicht im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ernstlich in Zweifel gezogen.
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Ein Ausländer kann – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – nur dann ausgewiesen werden, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt (§ 53 Abs. 1 AufenthG). In die Abwägung sind somit die in § 54 AufenthG und § 55 AufenthG vorgesehenen Ausweisungs- und Bleibeinteressen mit der im Gesetz vorgenommenen grundsätzlichen Gewichtung einzubeziehen (BT-Drs. 18/4097, S. 49). Die gesetzliche Unterscheidung in besonders schwerwiegende und schwerwiegende Ausweisungs- und Bleibeinteressen ist für die Güterabwägung zwar regelmäßig prägend (BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 39). Eine schematische und allein in den gesetzlichen Typisierungen und Gewichtungen verhaftete Betrachtungsweise, die einer umfassenden Bewertung der den Fall prägenden Umstände, jeweils entsprechend deren konkretem Gewicht, zuwiderlaufen würde, ist aber unzulässig (BVerfG, B.v. 10.5.2007 – 2 BvR 304/07 – juris Rn. 41 bereits zum früheren Ausweisungsrecht). Im Rahmen der Abwägung ist mithin nicht nur von Belang, wie der Gesetzgeber das Ausweisungsinteresse abstrakt einstuft. Vielmehr ist das dem Ausländer vorgeworfene Verhalten, das den Ausweisungsgrund bildet, im Einzelnen zu würdigen und weiter zu gewichten, da gerade bei prinzipiell gleichgewichtigem Ausweisungs- und Bleibeinteresse das gefahrbegründende Verhalten des Ausländers näherer Aufklärung und Feststellung bedarf (BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28.16 – juris Rn. 39). Der Gesetzgeber hat im Ausweisungsrecht in differenzierter Weise die Schutzwürdigkeit familiärer Bindungen ausdrücklich berücksichtigt und ihnen normativ verschieden gewichtete Bleibeinteressen zugeordnet (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 3 und 4, Abs. 2 Nr. 3 bis 6 AufenthG). Die Katalogisierung schließt es aber nicht aus, dass andere, nicht ausdrücklich in § 55 Abs. 1 AufenthG benannte Interessen und Umstände bei der zu treffenden Abwägungsentscheidung jeweils mit einem Gewicht einzustellen sein können, das einem besonders schwerwiegenden Bleibeinteresse entsprechen kann (vgl. Bauer in Bergmann/Dienelt/Bauer, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 55 Rn. 5).
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Im Falle der Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen führt § 53 Abs. 3 AufenthG nicht zu einer Verdrängung der wertenden und gewichtenden Ausweisungsbestimmungen nach §§ 53 Abs. 1, 54, 55 AufenthG; ihnen kommt auch im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG die Bedeutung von gesetzlichen Umschreibungen spezieller Interessen mit dem jeweiligen Gewicht zu (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 24; U.v. 25.7.2017 – 1 C 12.16 – juris Rn. 14 ff., 30; U.v. 16.2.2022 – 1 C 6.21 – juris Rn. 27). Soweit die Entwurfsbegründung von einer „Sonderregelung“ spricht (BT-Drs. 18/4097, S. 50), bezieht sich diese Wendung jedoch ersichtlich auf das in § 53 Abs. 3 AufenthG festgelegte Maß der Sicherheitsgefahr und statuiert im Übrigen keine Verdrängung der wertenden und gewichtenden Ausweisungsbestimmungen. Das Verwaltungsgericht hat die angefochtene Ausweisungsverfügung unter Zugrundelegung eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts des Klägers nach Art. 7 Satz 1 ARB 1/80 zu Recht am Maßstab des § 53 Abs. 3 AufenthG gemessen, der exakt die Voraussetzungen wiedergibt, die nach ständiger Rechtsprechung (vgl. EuGH, U.v. 8.12.2011 – C-371/08, Ziebell – Rn. 82 ff., und vom 29.3.2012 – verb. Rs. C-7/10 und C-9/10, Kahveci und Inan – Rn. 40) für die Ausweisung eines assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen gemäß Art. 14 ARB 1/80 erfüllt sein mussten (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, U.v. 28.3.2017 – 10 BV 16.1601 – juris Rn. 31 m.w.N.; B.v. 20.2.2019 – 10 ZB 18.2343 – juris Rn. 6).
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Im Rahmen der Prüfung der Unerlässlichkeit der Ausweisung nach § 53 Abs. 3 AufenthG ist zu beachten, dass die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein müssen, wobei sämtliche konkreten Umstände, die für die Situation der Betroffenen kennzeichnend sind, zu berücksichtigen sind (vgl. BayVGH, U.v. 3.2.2015 – 10 BV 13.421 – juris Rn. 77 m.w.N.). Unerlässlichkeit ist dabei nicht im Sinne einer „ultima ratio“, also eines äußersten zur Verfügung stehenden Mittels, zu verstehen, sondern bringt den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern und Assoziationsberechtigten entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, dass das nationale Gericht eine sorgfältige und umfassende Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen hat (BayVGH, B.v. 27.9.2017 – 10 ZB 16.823 – juris Rn. 20). Auch im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG ist unter Berücksichtigung des besonderen Gefährdungsmaßstabs für die darin bezeichneten Gruppen von Ausländern eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach § 53 Abs. 1 (i.V.m. Abs. 2) und unter Einbeziehung der §§ 54 und 55 AufenthG durchzuführen (BVerwG, U.v. 16.2.2022 – 1 C 6.21 – juris Rn. 27 m.V.a. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 36 ff., 57 ff.; U.v. 25.7.2017 – 1 C 12.16 – juris Rn. 14 ff. und 30; BT-Drs. 18/4097, S. 50; ebenso BayVGH, B.v. 13.5.2016 – 10 ZB 15.492 – juris Rn. 20).
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Nach der gesetzlichen Typisierung hat der Kläger ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 1b AufenthG (aufgrund der Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln in fünf Fällen und vorsätzlichem unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Erwerb von Betäubungsmitteln in zehn Fällen zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren) verwirklicht. Auch die Bejahung eines kausalen Zusammenhangs zwischen einem Abhängigkeitssyndrom und des den Ausweisungsanlass bietenden strafrechtlichen Schuldspruchs vermag das Gewicht des Ausweisungsinteresses nicht maßgeblich zu reduzieren, zumal dieser Umstand bereits bei der Strafzumessung zu Gunsten des Klägers Berücksichtigung fand, aber gleichwohl eine Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren zu verhängen war.
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Diesem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht zwar das gleich gewichtige besonders schwerwiegende Bleibeinteresse des Klägers nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG gegenüber, da dieser eine Niederlassungserlaubnis besitzt und sich seit mindestens fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Dagegen kann der Kläger hinsichtlich der – von ihm erst in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorgetragenen und im Folgenden unterstellten – persönlichen Bindung zu seiner Mutter (die im Jahr 1954 geboren wurde, die nach unwidersprochenem Vortrag der Beklagten überwiegend im gemeinsamen Herkunftsland lebt, den Kläger mehrmals in der JVA besucht hat und mit der der Kläger regelmäßigen telefonischen Kontakt hat) kein gegenüber den vertypten schwerwiegenden Bleibeinteressen nach § 55 Abs. 2 AufenthG gleichrangiges, unbenanntes schwerwiegendes Bleibeinteresse geltend machen. Zwar sind die dort aufgezählten Interessen nicht abschließend erfasst (Wortlaut „insbesondere“; vgl. dazu VGH BW, U.v. 15.4.2021 – 12 S 2505/20 – juris Rn. 124; Fleuß in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 35. Edition, Stand 1.10.2022, AufenthG § 55 Rn. 77). Das Gewicht der jeweiligen Bleibeinteressen orientiert sich an dem Gewicht der durch sie verkörperten Schutzgüter und ist unter Berücksichtigung einerseits der von dem Gesetzgeber vorgenommenen Typisierung, andererseits aber auch etwaiger atypischer Umstände im Einzelfall zu bestimmen (Fleuß in Kluth/Heusch, Ausländerrecht, 35. Edition, Stand 1.10.2022, AufenthG § 55 Rn. 6). Art. 6 Abs. 1 GG gewährt nicht von vornherein einen Schutz vor Ausweisung, sondern verpflichtet dazu, die familiären Bindungen entsprechend ihrem Gewicht angemessen in die Abwägung einzustellen (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – NVwZ 2013, 1207, Rn. 12). Die Beziehung zwischen erwachsenen Verwandten ist in ihrem verfassungsrechtlichen Kern nicht auf eine Lebens- oder Haushaltsgemeinschaft, sondern in aller Regel auf eine Begegnungsgemeinschaft angelegt und kann deshalb regelmäßig durch wiederholte Besuche oder Brief- und Telefonkontakte aufrechterhalten werden (vgl. BVerfG, B.v. 18.4.1989 – 2 BvR 1169/84 – juris Rn. 42, 44).
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Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht im Rahmen der Abwägung die Bleibeinteressen des Klägers zutreffend gewürdigt, ist jedoch in nicht zu beanstandender Weise in Anbetracht des Gewichts der begangenen Straftaten von einem Überwiegen des öffentlichen Ausweisungsinteresses ausgegangen. Zu Recht geht das Verwaltungsgericht davon aus, dass die streitgegenständliche Ausweisung weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG nicht abschließend aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig ist. Die Beklagte und das Verwaltungsgericht haben im Rahmen der Interessenabwägung zutreffend insbesondere berücksichtigt, dass der Kläger seit seiner Geburt im Bundesgebiet lebt, die Schule mit dem qualifizierenden Hauptschulabschluss beendet und nach erfolgreich bestandener Ausbildung bis zu seiner Inhaftierung durchgängig in seinem Ausbildungsberuf gearbeitet hat. Zudem wurde zutreffend gesehen, dass es dem Kläger nicht gelungen ist, einen rechtstreuen Lebenswandel zu führen und dass die bestehende Integration im Bundesgebiet durch den Betäubungsmittelkonsum sowie die Begehung von Straftaten infrage gestellt wird. Des Weiteren haben die Beklagte sowie das Verwaltungsgericht erkannt, dass der – ledige und kinderlose – Kläger in der mündlichen Verhandlung insbesondere auf die familiäre Bindung zu seiner Mutter hingewiesen hat, dass jedoch Art. 6 GG und Art. 8 EMRK keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt gewähren, sondern lediglich eine Verpflichtung der Ausländerbehörden begründen, die familiären Bindungen entsprechend ihrem Gewicht angemessen in die Abwägung einzustellen. Insoweit stellt das Verwaltungsgericht beanstandungsfrei darauf ab, dass die Beklagte zutreffend darauf hingewiesen habe, dass die Mutter des Klägers laut dem Bericht der JVA vom 22. Mai 2022 überwiegend im Herkunftsland des Klägers lebt, dass zudem weder vorgetragen noch ersichtlich ist, inwieweit die Mutter des Klägers auf dessen Beistand gerade im Bundesgebiet angewiesen sein sollte, und dass davon auszugehen ist, dass der Kläger nicht zuletzt aufgrund seines Schulbesuchs in seinem Herkunftsland mit der dortigen Sprache, Kultur und Tradition vertraut ist.
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Diese Schlussfolgerungen des Verwaltungsgerichts sind nicht zu beanstanden. Selbst im Falle des Bestehens einer schützenswerten familiären Beziehung ist insbesondere bei besonders schweren Straftaten eine Aufenthaltsbeendigung aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung nicht generell und unter allen Umständen ausgeschlossen (vgl. BVerwG, B.v. 10.2.2011 – 1 B 22.10 – juris Rn. 4). Des Weiteren wurde nicht dargelegt, dass zwischen dem Kläger und seiner mittlerweile im Rentenalter stehenden Mutter eine sog. Beistandsgemeinschaft besteht, bei der ein Familienmitglied auf eine auch tatsächlich erbrachte Lebenshilfe des anderen angewiesen ist. Die in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vorgetragene Unterstützung seiner Mutter hat der Kläger nicht substantiiert. Zudem hat die Mutter des Klägers diesen nicht von der Begehung gravierender Straftaten abhalten können, was zusätzlich gegen ein – hinsichtlich der Schutzwürdigkeit der betroffenen Bindungen mit Blick auf die Wertungen des Art. 6 GG – schwerwiegendes Bleibeinteresse spricht. Des Weiteren ist es dem Kläger und seiner Mutter angesichts der geringen Schutzbedürftigkeit des persönlichen Kontaktes bei Beendigung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet zumutbar, trotz räumlicher Trennung die Bindung zueinander – zumindest für die Dauer der Wiedereinreisesperre – in anderweitiger Form, z.B. durch Kommunikationsmittel wie Telefon, Internet und Briefverkehr aufrechtzuerhalten. Überdies ist auch ohne eine behördliche Zusage in § 11 Abs. 8 AufenthG die Möglichkeit einer kurzfristigen Betretenserlaubnis geregelt, um im Einzelfall unbillige Härten zu vermeiden.
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Zu Recht kommt das Verwaltungsgericht des Weiteren zu dem Schluss, dass es dem Kläger, der sich seit seiner Geburt – mit einer mehrjährigen Unterbrechung während seiner Kindheit – im Bundesgebiet aufhält und der über eine zum dauerhaften Aufenthalt berechtigende Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 1990 bzw. Niederlassungserlaubnis verfügte bzw. verfügt, auch vor dem Hintergrund seiner im Herkunftsland lebenden Verwandtschaft, möglich und zumutbar ist, sich dort sprachlich und kulturell (wieder) zu integrieren. Es ist nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht somit im Rahmen der Gesamtabwägung unter Berücksichtigung des verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sowie des Art. 6 GG und Art. 8 EMRK zu einem Überwiegen des öffentlichen Interesses an der Ausreise des Klägers gelangt und feststellt, dass die Ausweisung sich vor dem Hintergrund der Schwere der Tat, die Anlass für die Ausweisung ist, ihrer Folgen, der Persönlichkeit des Klägers und der fehlenden nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Integration im Bundesgebiet unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles auch in Anwendung des verschärften Maßstabs des § 53 Abs. 3 AufenthG als unerlässlich für die Wahrung des vom Kläger bedrohten Grundinteresses der Gesellschaft darstellt.
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Diese Abwägung des Verwaltungsgerichts stellt der Kläger mit seinem Vorbringen nicht ernsthaft in Frage. Offenbleiben kann, ob der Kläger, der in seinem Zulassungsvorbringen über weite Strecken allgemeine Grundsätze der Rechtsprechung referiert, jedoch wenig substantiiert zum konkreten Sachverhalt vorträgt, überhaupt dem Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügt hat. Soweit er geltend macht, er sei in Deutschland geboren, lebe seit dem 3. September 1987 durchgängig hier, sei den Großteil seines Lebens in Deutschland sozialisiert worden und habe eigene Integrationsleistungen aufzuweisen, er habe insbesondere einen Schulabschluss in Deutschland erlangt und bis zu seiner Inhaftierung in seinem Ausbildungsbetrieb gearbeitet, trifft es zwar zu und war in die Abwägung mit einem entsprechend hohen Gewicht einzustellen, dass der Kläger sich seit seiner Geburt – mit einer mehrjährigen Unterbrechung während seiner Kindheit – im Bundesgebiet aufhält und hier über eine zum dauerhaften Aufenthalt berechtigende Aufenthaltsberechtigung nach altem Recht bzw. Niederlassungserlaubnis verfügte bzw. verfügt. Dennoch ist auf der anderen Seite – und damit zugunsten des Ausweisungsinteresses – mit erheblichem Gewicht in die Abwägung einzustellen, dass der Kläger durch seine zahlreichen, über viele Jahre hinweg wiederholten und gravierenden Rechtsverstöße aus dem Bereich des Drogenhandels und sonstiger Betäubungsmittelkriminalität ebenso wie aus anderen Bereichen der Kriminalität, insbesondere der Vermögensdelikte, seine mehrfach verhängten mehrjährigen Haftstrafen und seine Betäubungsmittelabhängigkeit gezeigt hat, dass ihm die Integration in die Rechts- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland nicht gelungen ist. Dieser Annahme steht nicht entgegen, dass der Kläger durch seine mit dem qualifizierenden Hauptschulabschluss abgeschlossene Schulbildung, seine erfolgreich abgeschlossene Berufsausbildung und seine langjährige Beschäftigung in seinem Ausbildungsbetrieb (bis zum Antritt der Haft) wirtschaftliche und kulturelle Integrationsleistungen gezeigt hat. Denn diese vom Kläger vorgewiesenen Integrationsleistungen decken lediglich einen Teilausschnitt der von einem Ausländer in der Bundesrepublik Deutschland geforderten Integration in gesellschaftlicher, kultureller und wirtschaftlicher Hinsicht insgesamt ab. Zu diesen zu erbringenden Integrationsleistungen gehört gleichermaßen auch die Anerkennung und Beachtung der Rechtsordnung sowie der grundlegenden gesellschaftlichen Regeln, welche der Kläger wiederholt in gravierendem Maße missachtet hat.
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Soweit der Kläger darauf hinweist, dass er in seinem Herkunftsland nicht auf ein funktionierendes familiäres Netzwerk zurückgreifen könne, sondern auf sich allein gestellt wäre, da seine Kernfamilie in Deutschland lebe, sowie dass das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt habe, dass eine Ausweisung bzw. etwaige Abschiebung auch dem Resozialisierungsgedanken zuwiderlaufen würde, da eine Resozialisierung des Klägers durch eine Rückführung in die Türkei wesentlich erschwert bzw. unmöglich gemacht werde, greift er die tatsächlichen Feststellungen und die rechtliche Begründung des Verwaltungsgerichts schon nicht substantiiert an. Dieses hat aufgrund des unwidersprochenen Vortrags der Beklagten festgestellt, dass sich im Herkunftsland des Klägers dessen Bruder und überwiegend auch dessen Mutter aufhalten. Der dem durch den Kläger entgegengesetzte pauschale Vortrag, er sei dort auf sich allein gestellt, weil die Kernfamilie in Deutschland lebe, vermag diese Feststellungen nicht ernstlich in Zweifel zu ziehen. Zudem ist die Würdigung des Verwaltungsgerichts, dass es dem erwachsenen, gut ausgebildeten und ledigen Kläger, der sich bereits als Kind mehrere Jahre im Herkunftsland aufgehalten hat und der auf dort lebende Verwandte zurückgreifen kann, zumutbar ist, sich in die dort bestehenden Lebensverhältnisse zu integrieren nicht zu beanstanden. Inwieweit dies einer Resozialisierung entgegenstehen könnte, hat der Kläger nicht substantiiert vorgetragen.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§§ 152 Abs. 1, 158 Abs. 1 VwGO).
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Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).