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OLG München, Hinweisbeschluss v. 14.04.2023 – 24 U 671/23 e
Titel:

Verjährung eventueller Ansprüche gegen Audi wegen des dort entwickelten, hergestellten und eingebauten 3,0-Liter-Motors bei Klageerhebung im Jahr 2022 (hier: VW Touareg BMT V6TDI)

Normenketten:
BGB § 195, § 199 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, § 823 Abs. 2, § 826, § 852
ZPO § 522 Abs. 2
Leitsätze:
1. Vgl. zu 3,0 Liter-Motoren von Audi mit unterschiedlichen Ergebnissen auch: BGH BeckRS 2021, 37683; BeckRS 2022, 21374; KG BeckRS 2023, 2608; OLG Bamberg BeckRS 2023, 10858; BeckRS 2023, 10853; BeckRS 2023, 11790; OLG Brandenburg BeckRS 2022, 32170; OLG Braunschweig BeckRS 2022, 28824; BeckRS 2022, 27100; OLG Nürnberg BeckRS 2023, 5896; BeckRS 2023, 5895; BeckRS 2023, 8575; BeckRS 2023, 9333; OLG Zweibrücken BeckRS 2022, 39887; BeckRS 2022, 39888; BeckRS 2022, 18797; BeckRS 2022, 34107; BeckRS 2022, 36850; BeckRS 2022, 41600; OLG München BeckRS 2022, 43580; BeckRS 2023, 7833; BeckRS 2023, 12847; BeckRS 2022, 36080 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1); OLG Bamberg BeckRS 2022, 28703 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1) sowie OLG Brandenburg BeckRS 2021, 52227 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1). (redaktioneller Leitsatz)
2. Kenntnis von der konkreten Betroffenheit seines Dieselfahrzeugs vom Diesel-Abgasskandal hat ein Fahrzeugkäufer, der ein Informationsschreiben der Herstellerin betreffend den Rückruf seines Fahrzeugs wegen einer „unzulässigen Abschalteinrichtung“ erhalten hat, in dem es heißt: „ … In einem begrenzten Fertigungszeitraum sind Dieselmotoren mit einer Motorsteuergeräte-Software verbaut worden, durch welche die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstand (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden. Aus diesem Grund ist eine Umprogrammierung des Motorsteuergeräts erforderlich. …“ (Rn. 13 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Diese Kenntnis gerät nicht dadurch in Wegfall, dass der Käufer von seinem Autohaus später die Auskunft erhält, „das Update habe nichts mit der Abgasproblematik zu tun“. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, Audi AG, 3.0 l V6 Dieselmotor, unzulässige Abschalteinrichtung, Gebrauchtwagen, Verjährung, Kenntnis von der konkreten Betroffenheit, Informationsschreiben, Software-Update, Auskunft
Vorinstanz:
LG Memmingen, Endurteil vom 10.01.2023 – 36 O 956/22
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 12.06.2023 – 24 U 671/23 e
Fundstelle:
BeckRS 2023, 13677

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 10.01.2023, Az. 36 O 956/22, durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses. Mit einer Verlängerung der Frist kann nicht gerechnet werden.

Entscheidungsgründe

I.
1
Der Kläger erwarb mit verbindlicher Bestellung vom 06.10.2016 von der Autohaus GmbH einen gebrauchten VW Touareg BMT V6TDI (Erstzulassung 11.08.2015, Kilometerstand: 18.565 km) zum Kaufpreis von 44.748,84 €. Er finanzierte das Fahrzeug über Darlehensverträge. Es hatte am 06.12.2022 eine Laufleistung von 151.837 km.
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In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter 3.0l V6 Dieselmotor (Schadstoffklasse Euro 6) verbaut, der vom sog. „Dieselskandal“ betroffen ist. Für das Fahrzeug besteht ein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts mit der Referenznummer 007257 vom 07.12.2012 wegen Vorliegens einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Der Kläger erhielt Anfang 2018 ein Informationsschreiben der Volkswagen AG mit folgendem Inhalt:
„MUSTERBRIEF (bei Benachrichtigung durch die Volkswagen AG)
Update Motorsteuergerät
Ihr Touareg mit der Fahrgestellnummer Rückrufaktion 23Y3 Sehr geehrte an Touareg EU6 Fahrzeugen mit 3.0 TDI Motorisierung ist aufgrund einer angeordneten Rückrufaktion ein Software-Update notwendig. In einem begrenzten Fertigungszeitraum sind Dieselmotoren mit einer Motorsteuergeräte-Software verbaut worden, durch welche die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstandlauf (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden. Aus diesem Grund ist eine Umprogrammierung des Motorsteuergerätes erforderlich. Das benötigte Software-Update, dessen Eignung und Wirksamkeit umfassend überprüft wurde, steht nunmehr auch für Ihr Fahrzeug zur Verfügung.
In Bezug auf dieses Software-Update bestätigt die Volkswagen AG die bisherigen Herstellerangaben hinsichtlich Kraftstoffverbrauch und CO₂-Emissionen. Die Emissionsgrenzwerte der Euro-6-Abgasnorm werden eingehalten. Auch die ursprünglich ermittelte maximale Motorleistung und das maximale Drehmoment bleiben mit der neuen Software unverändert gültig. Die Dauerhaltbarkeit des Motors und des Abgasnachbehandlungssystems werden durch das Software-Update nicht negativ verändert.
Wir möchten Sie bitten, sich umgehend mit einem autorisierten Partner für Volkswagen in Verbindung zu setzen, damit ein Termin vereinbart werden kann. Die Maßnahme wird ungefähr eine Stunde in Anspruch nehmen und ist für Sie selbstverständlich kostenlos. Haben Sie bitte Verständnis, wenn die Maßnahme aus organisatorischen Gründen im betrieblichen Ablauf einen längeren Zeitraum in Anspruch nehmen kann.
Zur reibungslosen Abwicklung ist es sinnvoll, wenn Sie zu dem vereinbarten Termin dieses Schreiben und den Serviceplan für die notwendigen Eintragungen mitbringen.
Sollten Sie im Zusammenhang mit dieser Überprüfung Fragen haben, wenden Sie sich bitte an Ihren Partner für Volkswagen oder an das Servicetelefon unter der Telefonnummer ...
Auch wenn Ihnen dieser außerplanmäßige Werkstattaufenthalt Unannehmlichkeiten bereiten sollte, hoffen wir auf Ihr Verständnis und Ihre Unterstützung bei der Abwicklung dieser vorsorglichen Maßnahme. Wir schätzen Ihr Vertrauen in die Marke Volkswagen und bedanken uns für Ihre Loyalität.
Sollten Sie nicht mehr im Besitz dieses Fahrzeuges sein, so geben Sie uns bitte den Namen und die Anschrift des neuen Halters beziehungsweise den Verbleib des Fahrzeuges an. Nutzen Sie dazu unser Angebot im Internet (https://www.rueckruf-aktion.de/).
Mit freundlichen Grüßen
Hinweis: Ihre Anschrift haben wir für diese Maßnahme gemäß § 35 Abs. 2 Nr.1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) vom Kraftfahrt-Bundesamt erhalten.“
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Im Mai 2018 ließ der Kläger das Software-Update bei seinem Fahrzeug aufspielen. Er behauptet, ihm sei hierbei von der Verkäuferin (Autohaus GmbH) auf Nachfrage mitgeteilt worden, dass das Update nichts mit der Abgasproblematik zu tun habe, da das streitgegenständliche Fahrzeug bereits die neuere Generation (Euro 6) sei. Es müsse lediglich die Motorsteuerung geändert werden. Bei einem TÜV-Termin am 03.09.2018 sei ihm auch vom Autohaus mitgeteilt worden, dass der Motor seines VW Touareg nicht betroffen sei. Er habe erst Ende 2021 aus den Medien erfahren, dass sein Fahrzeug doch betroffen sein könnte.
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Mit seiner am 12.07.2022 beim Landgericht Memmingen eingereichten Klage begehrte der Kläger zuletzt, die Beklagte zu verurteilen, an die Klagepartei 29.634,98 € abzgl. einer Nutzungsentschädigung in Höhe von 17.993,78 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen sowie die Klagepartei von sämtlichen Verpflichtungen gegenüber der Bank aus dem als Anlage K1b beigefügten Darlehensvertrag mit der Finanzierungsnummer freizustellen Zug um Zug gegen Herausgabe des Fahrzeugs der Marke Volkswagen, Touareg BMT V6TDI mit der Fahrgestellnumsowie Übertragung der Anwartschaftsrechte an dem Fahrzeug, Abtretung etwaiger Herausgabeansprüche an dem Fahrzeug und dem Fahrzeugbrief gegenüber aus dem Darlehensvertrag mit der Finanzierungsnummer ...
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Er machte geltend, das Fahrzeug sei mit mehreren unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen. Ihm stehe daher gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch wegen der Eingehung einer für ihn ungünstigen Verbindlichkeit zu.
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Die Beklagte berief sich auf die Verjährung des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs.
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Mit dem angegriffenen Endurteil vom 10.01.2023 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Die Schadensersatzansprüche des Klägers wegen des streitgegenständlichen Sachverhalts seien bei Klageerhebung bereits verjährt gewesen. Der Kläger hat gegen das Urteil form- und fristgerecht Berufung eingelegt. Er verfolgt den geltend gemachten Schadensersatz- und Freistellungsanspruch weiter.
II.
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Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
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1. Soweit der Kläger gegen die Beklagte einen Freistellungsanspruch hinsichtlich Verpflichtungen aus einem Darlehensvertrag geltend macht, ist seine Klage bereits unzulässig. Die Freistellungsklage ist eine Form der Leistungsklage. Der Kläger muss dementsprechend (neben dem Grund) auch die Höhe der Schuld, von der er freigestellt werden will, konkret bezeichnen. Dem Klageantrag fehlt es hinsichtlich der begehrten Freistellung daher an der erforderlichen Bestimmtheit gemäß § 253 Abs. 2 Alt. 2 ZPO.
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2. Davon unabhängig sind die vom Kläger mit seiner Klage verfolgten Ansprüche gegen die Beklagte insgesamt verjährt.
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a) Gemäß § 195 BGB beträgt die regelmäßige Verjährungsfrist drei Jahre. Sie beginnt gemäß § 199 Abs. 1 BGB mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist (§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB) und der Gläubiger von den seinen Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB).
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Kenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB vorhanden, wenn dem Geschädigten die Erhebung einer Schadensersatzklage, sei es auch nur in Form der Feststellungsklage, Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos, möglich ist (BGH, Urteil vom 12. Mai 2009 – VI ZR 294/08, VersR 2009, 989 Rn. 17; Urteile vom 17. Juni 2016 – V ZR 134/15, NJW 2017, 248 Rn. 10; vom 8. Mai 2014 – I ZR 217/12, BGHZ 201, 129 Rn. 38). § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB stellt nur auf die Kenntnis der tatsächlichen Umstände ab, mithin des Lebenssachverhalts, der die Grundlage des Anspruchs bildet (BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2015 – XII ZB 516/14, BGHZ 208, 210 Rn. 39 mwN). Dabei ist weder notwendig, dass der Geschädigte alle Einzelumstände kennt, die für die Beurteilung möglicherweise Bedeutung haben, noch muss er bereits hinreichend sichere Beweismittel in der Hand haben, um einen Rechtsstreit im Wesentlichen risikolos führen zu können (BGH Urteil vom 31. Oktober 2000 – VI ZR 198/99, NJW 2001, 885, 886, juris Rn. 14; Urteile vom 8. Mai 2014 – I ZR 217/12, BGHZ 201, 129 Rn. 38; vom 3. Juni 2008 – XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576 Rn. 27). Die erforderliche Kenntnis ist vielmehr bereits vorhanden, wenn die dem Geschädigten bekannten Tatsachen ausreichen, um den Schluss auf ein schuldhaftes Fehlverhalten des Anspruchsgegners als naheliegend erscheinen zu lassen. Es muss dem Geschädigten lediglich zumutbar sein, aufgrund dessen, was ihm hinsichtlich des tatsächlichen Geschehensablaufs bekannt ist, Klage zu erheben, wenn auch mit dem verbleibenden Prozessrisiko, insbesondere hinsichtlich der Nachweisbarkeit von Schadensersatz auslösenden Umständen (BGH Urteil vom 8. November 2016 – VI ZR 594/15, VersR 2017, 165 Rn. 11, 13; BGH, Urteile vom 11. September 2014 – III ZR 217/13, VersR 2015, 332 Rn. 15; vom 3. Juni 2008 – XI ZR 319/06, NJW 2008, 2576 Rn. 28). Die dreijährige Verjährungsfrist gibt dem Geschädigten dann noch hinreichende Möglichkeiten, sich für das weitere Vorgehen noch sicherere Grundlagen, insbesondere zur Beweisbarkeit seines Vorbringens, zu verschaffen (vgl. BGH Urteil vom 31. Oktober 2000 – VI ZR 198/99, NJW 2001, 885, 886, juris Rn. 14).
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b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Erwerber eines Fahrzeugs mit Dieselmotor, dem der „sogenannte Diesel- oder Abgasskandal allgemein“ und die „konkrete Betroffenheit seines Dieselfahrzeugs“ bekannt sind, regelmäßig Kenntnis im Sinn von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (BGH Urteil vom 17.12.2020 – VI ZR 839/20, Rn. 21 ff.; Urteil vom 15.09.2021 – VII ZR 294/20, Rn. 7 ff.). Diese Kenntnis war beim Kläger bereits im Frühjahr 2018 vorhanden:
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aa) Es ist unstreitig, dass der Kläger im Jahr 2018 Kenntnis vom Diesel- und Abgasskandal hatte.
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bb) Ebenso unstreitig ist, dass der Kläger im Frühjahr 2018 das Informationsschreiben betreffend den Rückruf seines Fahrzeugs erhielt. Durch das Schreiben erlangte der Kläger Kenntnis davon, dass bei seinem Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt. Dem Musterschreiben ist zunächst mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, dass das Fahrzeug von einem behördlichen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts betroffen war. Dass es um eine „angeordnete“ – also zwingende und behördliche – Rückrufaktion ging, wird bereits in der ersten Zeile des ersten Absatzes des Schreibens ausgeführt. Dass der Rückruf wegen einer „unzulässigen Abschalteinrichtung“ erfolgte, konnte für einen Erwerber, der – wie der Kläger – Kenntnis vom allgemeinen Diesel- und Abgasskandal hatte, mit Blick auf die Formulierung
„ … In einem begrenzten Fertigungszeitraum sind Dieselmotoren mit einer Motorsteuergeräte-Software verbaut worden, durch welche die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstand (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert werden. Aus diesem Grund ist eine Umprogrammierung des Motorsteuergeräts erforderlich. …“
keinen ernsthaften Zweifeln unterliegen (zur Kenntniserlangung durch Rückrufschreiben vgl. BGH Urteil vom 15.09.2021 – VII ZR 294/20, Rn. 10). Wollte man – entgegen der Auffassung des Senats – davon ausgehen, dass das Informationsschreiben die Betroffenheit des Fahrzeugs vom Abgasskandal nicht ausreichend deutlich erkennen ließ, wäre dem Kläger zumindest eine grob fahrlässige Unkenntnis der den Anspruch begründenden Umstände (§ 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB) anzulasten, wenn er das Schreiben nicht zum Anlass nahm, sich weitere Informationen zu beschaffen. Dies wäre unschwer möglich gewesen, da das Informationsschreiben den Hersteller-Code der Rückrufaktion (23Y3) auswies und eine simple Google-Recherche ergeben hätte, dass der Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung erfolgt war. Das Unterlassen weiterer Ermittlungen nach Erhalt des Informationsschreibens wäre als schwerer Obliegenheitsverstoß in eigenen Angelegenheiten zu bewerten.
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c) Im Ergebnis hatte der Kläger im Jahr 2018 Kenntnis von den seinen Anspruch begründendenUmständen und der Person des Schuldners. Die dreijährige Verjährungsfrist begann somit Ende 2018 zu laufen und endete mit Ablauf des Jahres 2021. Durch die Erhebung der Klage im Jahr 2022 konnte die Verjährung der geltend gemachten Ansprüche nicht gehemmt werden. Darauf, ob der Kläger bereits im Jahr 2018 aus den ihm bekannten Umständen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zog, insbesondere aus ihnen einen Anspruch aus § 826 BGB oder aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit der Verletzung eines Schutzgesetzes herleitete, kommt es nicht an. Der eng begrenzte Ausnahmefall, dass die Erhebung einer Klage wegen unsicherer und zweifelhafter Rechtslage unzumutbar war und der Verjährungsbeginn daher hinausgeschoben wurde, liegt hier nicht vor (vgl. BGH Urteil vom 17.12.2020 – VI ZR 739/20, Rn. 26).
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d) Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, er habe die im Frühjahr 2018 vorhandene Kenntnis von den anspruchsbegründenden Tatsachen aufgrund unzutreffender Auskünfte seitens der „Autohaus GmbH“ (Mai 2018) bzw. des Autohauses (September 2018) „wieder verloren“.
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aa) Ein späterer „Wegfall der Kenntnis“ ist für den Beginn des Laufs der Verjährungsfrist im Rahmen des § 199 BGB irrelevant (vgl. Staudinger, Kommentar zum BGB, Neubearbeitung 2019, § 199 Rdnr. 92).
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bb) Davon unabhängig ist auch nicht ersichtlich, dass die vom Kläger behaupteten Äußerungen der „Autohäuser“ in der Sache geeignet gewesen wären, die bereits erlangte Kenntnis von der Betroffenheit des Fahrzeugs nachträglich entfallen zu lassen. Dass für sein Fahrzeug ein behördlicher Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorlag, stand nach dem Inhalt des Informationsschreibens fest und wurde beim Besuch in den Autohäusern auch nicht in Abrede gestellt. Insbesondere wurde bei der Autohaus GmbH ein die Motorsteuerung betreffendes Software-Update aufgespielt. Die Auskunft, „das Update habe nichts mit der Abgasproblematik zu tun“ ist inhaltlich unbestimmt und besagt nicht, dass kein Rückruf für das Fahrzeug wegen unzulässiger Abschalteinrichtung besteht. Sie kann ebenso gut in der Weise verstanden werden, dass (nur) die hinsichtlich der Motoren der Baureihe EA 189 bekannt gewordene „Schummelsoftware“ beim streitgegenständlichen Fahrzeug nicht vorhanden ist.
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cc) Selbst wenn der Kläger, aus den Äußerungen der „Autohäuser“ den Schluss gezogen hätte, eine unzulässige Abschalteinrichtung habe bei seinem Fahrzeug gar nicht vorgelegen, hätte die Verjährungsfrist mit Ablauf des Jahres 2018 zu laufen begonnen, da ihm in diesem Fall zumindest grob fahrlässige Nichtkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände anzulasten wäre.
21
e) Der Kläger kann sich auch nicht darauf berufen, dass es der Beklagten wegen der behaupteten Äußerungen der „Autohäuser“ verwehrt sei, die Einrede der Verjährung zu erheben. Es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte in irgendeiner Weise für die behaupteten Äußerungen der „Autohäuser“ verantwortlich ist. Der Kläger hat für seinen in diese Richtung gehenden unsubstantiierten Vortrag keinen Beweis angeboten.
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3. Dem Kläger steht kein „Restschadensersatzanspruch“ nach § 852 BGB zu. Ein solcher Anspruch scheidet bereits deshalb aus, weil der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug weder als Neuwagen noch von der Beklagten, sondern als Gebrauchtwagen von einem Fahrzeughändler erworben hat.
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Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).