Titel:
Entschädigung wegen Störung der Anbindung von Offshore-Windenergieanlagen
Normenketten:
EnWG § 17d, § 17e, § 17f
ZPO § 254, § 287, § 304, § 318
BGB § 280
Leitsätze:
1. Bei der Bemessung von Entschädigungen wegen einer Störung der Anbindung von Offshore-Anlagen nach § 17e Abs. 1 EnWG ist der sogenannte Abschattungseffekt (Wake-Effekt) – der bei Windkraftanlagen auftritt, die aus der jeweiligen Windrichtung nicht in der ersten Reihe des Windparks liegen – zu berücksichtigen, wenn und soweit ein solcher aus technischen Gründen festzustellen ist. (Rn. 38)
2. Für den Entschädigungsanspruch ist allein maßgeblich, wann die Störung mit Wiederzuschaltung der Netzanbindung durch den Übertragungsnetzbetreiber beendet wurde, unabhängig davon, wann die Netzzuschaltung tatsächlich erfolgen und die Einspeisung durch den Windparkbetreiber wieder aufgenommen werden konnte. (Rn. 82)
3. Der zehntägige Selbstbehalt gemäß § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG beginnt erst dann, wenn die jeweilige Windanlage selbst betriebsbereit ist. (Rn. 95)
4. Dem Windparkbetreiber steht in der Regel kein Anspruch auf Vorlage des Schadensminderungskonzepts, welches der Übertragungsnetzbetreiber der Bundesnetzagentur vorzulegen hat, zu. Eine andere Beurteilung kann dann veranlasst sein, wenn der Betreiber die Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs wegen Vorsatzhaftung nach § 17e Abs. 1 S. 4 EnWG hinreichend darlegt. (Rn. 111 – 115)
5. Nach Ablauf der Selbstbehaltsfrist ist auch Entschädigung für untertägige Nichtverfügbarkeiten der Netzanbindung zu leisten. (Rn. 121)
1. Der Wake-Effekt ist gem. § 17e Abs. 1 S. 1 iVm S. 2 EnWG bei der Ermittlung der Höhe der Entschädigung zu berücksichtigen. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die spezialgesetzliche Entschädigungsregelung des § 17e Abs. 1 S. 4 EnWG berücksichtigt den Vorsatz des Übertragungsnetzbetreibers nicht allein bei der Höhe des Entschädigungsanspruchs. (Rn. 103) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Schadensminderungsmaßnahmen nach § 17f Abs. 3 S. 1 EnWG dienen im Ergebnis vor allem dazu, eine Belastung der Letztverbraucher mit Entschädigungskosten gegenüber den Betreibern von Offshore-Anlagen zu vermeiden und die möglichst störungsfreie Einspeisung des von Offshore-Anlagen erzeugten Stroms zu gewährleisten. (Rn. 110) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entschädigung, Störung, Offshore-Windenergieanlage, Bundesnetzagentur, Berufung, Schadensersatzanspruch, Auslegung, Selbstbehalt, Auskunftsanspruch, Berechnung, Darlegungs- und Beweislast, Abschattungseffekt, Wake-Effekt, Windparkbetreiber, Zwischenurteil, Aufklärungspflichtverletzung, Stufenklage
Vorinstanzen:
LG Bayreuth, Berichtigungsbeschluss vom 24.03.2022 – 31 O 939/20
LG Bayreuth, Berichtigungsbeschluss vom 01.03.2022 – 31 O 939/20
LG Bayreuth, Grund- und Teilurteil vom 20.01.2022 – 31 O 939/20
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
EnWZ 2023, 371
LSK 2023, 13665
BeckRS 2023, 13665
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 20.01.2022, Az. 31 O 939/20, werden zurückgewiesen.
2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 63% und die Beklagte 37% zu tragen.
3. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils vollstreckende Partei zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 5.386.780,17 € (Ziffer 1. der Klage: 4.886.780,17 €; Ziffer 2. der Klage: 500.000,00 €) festgesetzt.
Entscheidungsgründe
1
Die Klägerin ist Betreiberin eines Windparks in der deutschen Bucht mit 40 Windenergieanlagen (T. Windpark). Die Beklagte ist die anbindungsverpflichtete Übertragungsnetzbetreiberin und hat den klägerischen Windpark seit 2015 mit einer Gleichstrom-Hochenergieübertragungsleitung („D[…] 1“) angeschlossen.
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Unterbrochen war die Netzanbindung:
- vom 25.12.2017, 10:46 Uhr bis 16. Februar 2018, 18:58 Uhr; zu diesem Zeitpunkt waren 38 Windkraftanlagen betriebsbereit, die Anlagen Nrn. 40 und 41 waren gestört, die Anlage 40 wurde am 26.12.2017 um 15:15 Uhr und die Anlage 41 am 27.12.2017 um 12:30 Uhr entstört, die Beklagte hatte den Zeitpunkt der voraussichtlichen Entstörung ursprünglich mit 28.02.2018, 20:00 Uhr angekündigt und erst am 16.02.2018 um 16:30 Uhr eine frühere Entstörung (an diesem Tag um 20:00) bekannt gegeben;
- vom 29.04.2018, 9:46 Uhr bis 02.05.2018, 15:49 Uhr, zu diesem Zeitpunkt waren wenigstens 20 Windkraftanlagen betriebsbereit;
- Vom 28.08.2018, 9:10 Uhr bis 30.08.2018, 13:03 Uhr, zu diesem Zeitpunkt waren 26 Windenergieanlagen betriebsbereit.
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Untertägige Störungen ereigneten sich außerdem an folgenden Tagen (Zeitangaben in MEZ beziehungsweise MESZ):
- am 13.04.2018 von 10:45 Uhr bis 12:17 Uhr, betriebsbereite Anlagen: 35;
- am 25.09.2018 von 1:23 Uhr bis 15:58 Uhr, betriebsbereite Anlagen: 32;
- am 02.12.2018 von 1:28 Uhr bis 1:57 Uhr sowie von 21:21 Uhr bis 23:09 Uhr, betriebsbereite Anlagen: 36.
4
Liegt die einzelne Windkraftanlage unter Berücksichtigung der Windrichtung nicht in der ersten Reihe des Parks, wird der bei ihr auftreffende Wind durch den Abschattungseffekt (Wake-Effekt) der im Luv voranstehenden Anlagen beeinflusst. Unter diesen Effekten versteht man Abschattungen und Verwirbelungen des Windes, die während des tatsächlichen Betriebs innerhalb eines Windparks auftreten können. Regelmäßig sinkt die Windgeschwindigkeit, und die Turbulenzen verstärken sich, insgesamt kommt es zu einer niedrigeren Leistung als bei den in erster Reihe stehenden Anlagen. Der Effekt ist abhängig von Windgeschwindigkeit, Temperatur und Windrichtung. Die Klägerin berechnete ihre Forderung außergerichtlich ohne Berücksichtigung dieses Effekts; die Beklagte zog ihn von der in Rechnung gestellten Ausfallarbeit pauschal ab.
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Die Beklagte setzte viertelstundenweise die von der Klägerin geltend gemachten Werte der Ausfallarbeit für jede einzelne Anlage auf 1.260,515 kWh limitiert, d.h. höhere geltend gemachte Werte nicht an. Die Klägerin berechnete außergerichtlich ihre Ansprüche auf Basis eines Preises von 19,4 Cent/kWh, die Beklagte setzte lediglich 19,0 Cent/kWh an. Die Beklagte erfüllte die Forderung wegen der Unterbrechungen der Offshore-Netzanbindung D[…]1 in den Jahren 2017 und 2018 zum großen Teil in Höhe von insgesamt 20.249.106,86 €.
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Für den ersten Unterbrechungszeitraum (Dezember 2017 bis Februar 2018) legte die Beklagte der Bundesnetzagentur ein Schadensminderungskonzept vor und veröffentlichte die Tatsache, dass dies geschehen sei; das Konzept selbst wurde nicht veröffentlicht. Die Klägerin forderte die Beklagte noch im Dezember 2017 auf, zur Ursache der Störung und zu den Schadensbeseitigungsmaßnahmen Auskunft zu erteilen, dies lehnte die Beklagte ab. Auch das Schadensminderungskonzept stellte die Beklagte der Klägerin nicht zur Verfügung.
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Das Landgericht Bayreuth erließ am 20.01.2022 das nachfolgende (mit Beschluss vom 01.03.2022 berichtigte) Grund- und Teilurteil:
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1. Die Klage ist in Antrag 1) – mit einem Entschädigungssatz von 19,4 Cent/kWh mal 0,90 – dem Grunde nach gerechtfertigt für die Zeiträume
- 04.01.2018, 0:00 Uhr MEZ, bis 16.02.2018, 18:58 Uhr MEZ;
- jedoch für die Anlage Nummer 40 erst ab dem 05.01.2018 0:00 Uhr MEZ;
- und für die Anlage Nummer 41 erst ab dem 06.01.2018 0:00 Uhr MEZ;
- 13.04.2018, von 10:45 Uhr MESZ bis 12:17 Uhr MESZ, mit 35 betriebsbereiten Anlagen;
- 29.04.2018, 9:46 Uhr MESZ, bis 02.05.2018, 15:49 Uhr MESZ, mit 21 betriebsbereiten Anlagen, jedoch ohne die Anlage BW1 für die Wartungszeiträume o 29.04. 9:46 Uhr MESZ bis 14:45 Uhr MESZ sowie o 29.04. 20:00 Uhr MESZ bis 30.04. 2:45 Uhr MESZ, o 30.04. 10:45 Uhr MESZ bis 18:30 Uhr MESZ o 01.05. 8:45 Uhr MESZ bis 12:00 Uhr MESZ
- 28.08.2018, 9:10 Uhr MESZ, bis 30.08.2018, 13:03 Uhr MESZ, mit 26 betriebsbereiten Anlagen;
- 25.09.2018, von 1:23 Uhr bis 15:58 Uhr MESZ, mit 32 betriebsbereiten Anlagen;
- 02.12.2018, von 1:28 Uhr bis 1:57 Uhr sowie von 21:21 Uhr bis 23:09 Uhr MESZ, je mit 36 betriebsbereiten Anlagen.
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2. Im Übrigen und im Antrag 2) wird die Klage abgewiesen.
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1. In folgenden Punkten der Klage wies das Landgericht die Klage ab:
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Zum einen wies das Landgericht Bayreuth den Leistungsantrag ab, soweit die Klägerin Entschädigung über den 16.02.2018 (18:58 Uhr MEZ) hinaus, d.h. bis zum 17.02.2018 (23:20 Uhr MEZ), verlangt. Denn die Netzanbindung sei bereits – unstreitig – zu diesem Zeitpunkt wiederhergestellt gewesen, nur eine Einspeisung des Windparks sei aus technischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt, d.h. am 17.02.2018 (23:20 Uhr MEZ), möglich gewesen. Für das Ende der Unterbrechung sei maßgeblich, wann die Netzanbindung wiederhergestellt, jedoch nicht wann der Offshore-Windpark wieder einsatzbereit sei. Das Landgericht Bayreuth lehnte auch den von der Klägerin hilfsweise geltend gemachten Schadensersatzanspruch wegen einer Informationspflichtverletzung ab.
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Zum anderen wies das Landgericht Bayreuth einen Anspruch auf Entschädigung für die Anlage BW41 für den 04. und 05.01.2018 aufgrund der gesetzlichen Selbstbehaltsfristen ab. Der zeitliche Selbstbehalt des Windpark-Betreibers von zehn Tagen beginne erst dann zu laufen, wenn die Netzanbindung gestört und die jeweilige Windenergieanlage zusätzlich betriebsbereit sei. Für die Anlage BW41 sei die gesetzliche Selbstbehaltsfrist von 10 Tagen zwei Tage später als für die anderen Anlagen abgelaufen, d.h. erst am 06.01.2018.
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Ferner verneinte das Landgericht Bayreuth für den Unterbrechungszeitraum 29.04.2018 (9:46 Uhr MESZ) bis 02.05.2018 (15:49 Uhr MESZ) einen Entschädigungsanspruch für die Anlage BW01 für vier untertägige Wartungszeiträume während der genannten Unterbrechung. In diesen Zeiträumen sei die Anlage BW01 aus von der Netzanbindung unabhängigen Gründen nicht betriebsbereit gewesen und folglich nicht entschädigungspflichtig.
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Schließlich wies das Landgericht Bayreuth den in Ziffer 2.a) der Klage gestellten Auskunftsantrag für einen etwaigen Vorsatzanspruch nach § 17e Abs. 1 S. 4 EnWG als unbegründet ab. Ein Anspruch auf Vorlage des Schadensminderungskonzepts folge nicht aus § 17f Abs. 3 EnWG, da diese Rechtsgrundlage kein subjektives öffentliches Recht vermittle. Ein Anspruch nach § 242 BGB komme ebenfalls nicht in Betracht, da der auf Vorsatz gegründete Anspruch nach § 17e Abs. 1 S. 4 EnWG durch die Auskunft erst begründet werden solle und die Klägerin einen entsprechenden Vorsatzanspruch nicht substantiiert dargelegt habe.
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2. Nach Ansicht des Landgerichts Bayreuth seien auch untertägige Störungszeiträume nach § 17e Abs. 1 Satz 1 und 2 EnWG dem Grunde nach zu entschädigen. Untertägige Störungen sind solche Unterbrechungen der Netzanbindung, die innerhalb von weniger als 24 Stunden wieder behoben werden können. Darunter fallen ferner solche Tage eines länger als 24 Stunden andauernden Unterbrechungszeitraums, an denen eine Einspeisung zeitweise möglich war.
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Schließlich nimmt das Landgericht Bayreuth an, dass für sämtliche Störungszeiträume dem Grunde nach Entschädigung zu einem Entschädigungssatz von 19,4 Cent/kWh mal 0,90 zu gewähren sei. Das Landgericht Bayreuth verweist zur Begründung für die höhere Vergütung insbesondere auf den Beschluss des Senats vom 21.09.2020 (Az. 3 U 1099/20).
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3. Gegenstand des Grundurteils war im Übrigen auch die Frage des Abzugs wegen des Wake-Effekts, den die Beklagte in Höhe von 9,81% vornahm. Hierzu führte das Landgericht Bayreuth aus, dass dem Grunde nach ein Wake-Abzug zu berücksichtigen sei. Es könne nicht unterstellt werden, dass eine durchschnittliche und vergleichbare Anlage unbeeinflusst von anderen Anlagen des Parks im Wind steht. Über die Höhe des Wake-Effekts entschied das Landgericht nicht. Die Entscheidung darüber ist Gegenstand des Betragsverfahrens vor dem Landgericht Bayreuth; am 20.01.2022 beschloss das Landgericht, durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens Beweis über die Behauptung der Klagepartei zu erheben, dass sie die von ihr angegebene Menge an Ausfallarbeit korrekt berechnet und dabei den Abschattungseffekt des klägerischen Windparks korrekt berücksichtigt habe.
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Gegen dieses Urteil wendet sich die Klägerin in ihrer Berufung. Sie beantragt, unter teilweiser Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts Bayreuth vom 20.01.2022:
1. Die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 4.886.780,17 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
a) für einen Betrag in Höhe von 1.708.736,70 € seit dem 17.02.2018;
b) für einen weiteren Betrag in Höhe von 1.578.373,04 € seit dem 09.03.2018;
c) für einen weiteren Betrag in Höhe von 975.104,15 € seit dem 24.08.2018;
d) für einen weiteren Betrag in Höhe von 443.899,25 € seit dem 22.01.2019;
e) für einen weiteren Betrag in Höhe von 180.666,99 € seit dem 16.12.2020 zu zahlen.
2. die Beklagte zu verurteilen,
a) der Klägerin das Schadensminderungskonzept gemäß § 17f Abs. 3 EnWG im Hinblick auf die Störung der Netzanbindung D[…] 1 während des Zeitraums vom 25.12.2017 um 10:46 Uhr MEZ bis zum 17.02.2018 um 23:20 Uhr MEZ vorzulegen;
b) an die Klägerin Entschädigung in einer nach Erteilung der Auskunft noch zu bestimmenden Höhe nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Zur Begründung führt die Klägerin u.a. aus, dass das Landgericht zu Unrecht entschieden habe, dass bei der Ermittlung der Höhe der gesetzlichen Entschädigung gemäß § 17e Abs. 1 S. 2 EnWG hypothetische Abschattungseffekte zu berücksichtigen seien. Vielmehr sei die Berücksichtigung dieser Nachlaufströmungseffekte im Rahmen der Entschädigung nach § 17e Abs. 1 S. 2 EnWG mit dem Wortlaut des Gesetzes – der auf die durchschnittliche Einspeisung einer vergleichbaren Anlage abstelle – und der Gesetzessystematik – um § 17e Abs. 1 S. 2 EnWG handele es sich um einen spezialgesetzlichen Entschädigungsanspruch – nicht zu vereinbaren. Vor allem aber stünde einer Berücksichtigung der Sinn und Zweck der Entschädigungsregelungen entgegen. Dem Gesetzgeber sei es darum gegangen, die Planungs- und Rechtssicherheit für die von der Nichtverfügbarkeit der Netzanbindung betroffenen Windpark-Betreiber durch die Einführung der verschuldensunabhängigen Entschädigungsregel zu erhöhen. Damit sei es nicht zu vereinbaren, die Entschädigungshöhe unter Berücksichtigung von Nachlaufströmungseffekten mit hohem Aufwand und unter Einbindung von Sachverständigen zu ermitteln.
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Das LG Bayreuth habe zudem rechtsfehlerhaft entschieden, dass es der Klägerin bei Ermittlung der Entschädigungshöhe obliege, die Auswirkungen der Nachlaufströmungseffekte in ihrem Windpark während der Störung darzulegen und zu beweisen. Denn die pauschalierte Entschädigung nach § 17e Abs. 1 Satz 2 EnWG setze gerade keinen Schaden voraus.
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Darüber hinaus habe das LG Bayreuth unzutreffenderweise nicht berücksichtigt, dass die monatelange Störung der Netzanbindung D[…]1 ab dem 25.12.2017 erst am 17.02.2018 um 23:20 Uhr MEZ geendet habe. Es sei zwar richtig, dass die Beklagte die Betriebsbereitschaft der Netzanbindung D[…]1 bereits am 16.02.2018 um 18:58 Uhr MEZ wiederhergestellt hatte. Das Landgericht habe jedoch nicht berücksichtigt, dass das Netz aufgrund der monatelangen Störung der Netzanbindung nicht kurzfristig ferngesteuert zugeschaltet werden konnte, sondern manuell auf dem Umspannwerk BW0 der Klägerin habe zugeschaltet werden müssen. Dies sei erst am 17.02.2018 um 23:20 Uhr MEZ möglich gewesen. Auf diesen Zeitpunkt sei gemäß § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG abzustellen. Jedenfalls stünde der Klägerin ein Schadensersatzanspruch gemäß § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2 BGB i.V.m. § 17d, § 17f EnWG gegen die Beklagte zu, weil diese die Klägerin zu spät – nämlich erst am 16.02.2018 um 16:30 Uhr MEZ – über die bevorstehende Wiederzuschaltung der Netzanbindung informiert habe.
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Zu Unrecht habe das Landgericht außerdem entschieden, dass der zeitliche Selbstbehalt des Windpark-Betreibers von zehn Tagen erst dann zu laufen beginne, wenn die Netzanbindung gestört sei und die jeweilige Windkraftanlage zusätzlich betriebsbereit sei. Vielmehr ergebe die Auslegung des § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG, dass sich der Selbstbehalt allein nach dem Beginn der Störung richte.
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Schließlich sei die Entscheidung fehlerhaft, soweit das Landgericht Bayreuth der Klägerin weder einen energiewirtschaftsrechtlichen noch einen zivilrechtlichen Auskunftsanspruch gegen die Beklagte zusprach. Vielmehr stünde der Klägerin gemäß § 17d Abs. 1 S. 1, § 17f Abs. 3 EnWG ein gesetzlicher Auskunftsanspruch gegen die Beklagte auf Vorlage des Schadensminderungskonzepts gemäß § 17f Abs. 3 Satz 5 EnWG zu. Dieser Auskunftsanspruch bestünde darüber hinaus gemäß § 17d Abs. 1 Satz 1 EnWG, § 17 Abs. 2a, § 118 Abs. 12 EnWG a.F. i.V.m. § 242 BGB.
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Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der klägerischen Berufung.
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Auch die Beklagte ist gegen das landgerichtliche Urteil in Berufung gegangen. Sie beantragt,
Das Urteil des Landgerichts Bayreuth vom 20.01.2022 teilweise abzuändern und wie folgt neu zu fassen:
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a) Die Klage ist im Antrag zu 1. – mit einem Entschädigungssatz von 19,0 Cent/kWh mal 0,90 – soweit sie sich auf Kürzungen der Entschädigung durch die Beklagte wegen des Wake-Effekts bezieht – dem Grunde nach für folgende Zeiträume gerechtfertigt:
- 04.01.2018 (0:00 Uhr MEZ) bis 15.02.2018 (24:00 Uhr MEZ) für 40 betriebsbereite Anlagen, jedoch für die Anlage BW40 erst ab dem 05.01.2018 (0:00 Uhr MEZ) und für die Anlage BW41 erst ab dem 06.01.2018 (0:00 Uhr MEZ);
- 30.04.2018 (0:00 Uhr MESZ) bis 01.05.2018 (24:00 Uhr MESZ) für 20 betriebsbereite Anlagen;
- 29.08.2018 (0:00 Uhr bis 24:00 Uhr MESZ) für 26 betriebsbereite Anlagen.
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b) Zudem ist die Klage im Antrag zu 1. – mit einem Entschädigungssatz von 19,0 Cent/kWh mal 0,90 sowie abzüglich des Wake-Effekts – für die Anlage BW01 gerechtfertigt für den 30.04.2018 (0:00 Uhr MESZ) bis 01.05.2018 (24:00 Uhr MESZ), jedoch ohne die Zeiträume:
- 30.04.2018: 0:00 Uhr MESZ bis 2:45 Uhr MESZ sowie 10:45 Uhr MESZ bis 18:30 Uhr MESZ und
- 01.05.2018: 08:45 Uhr MESZ bis 12:00 Uhr MESZ.
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c) Eine Entscheidung über die Höhe des Wake-Effekts ist nicht Teil dieses Grund- und Teilurteils und bleibt vorbehalten.
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d) Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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Die Beklagte ist der Ansicht, dass eine Entschädigung für untertägige Störungen nicht zu gewähren sei. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut des § 17e Abs. 1 S. 2 EnWG, der sich auf Entschädigungstage beziehe. Auch die historische und die systematische Auslegung spreche für eine tagesscharfe Entschädigung. Schließlich würde die Auslegung des Landgerichts zugunsten einer viertelstundenscharfen Entschädigung dem Sinn und Zweck des § 17e Abs. 1 EnWG widersprechen.
31
Die Beklagte meint darüber hinaus, dass die Entschädigung auf Grundlage von 19,4 Cent/kWh unzulässig sei. Zutreffend betrage die Entschädigung lediglich 90% von 19,0 Cent/kWh. Die Grundsätze des vom Senat rechtskräftig entschiedenen Falls (Offshore-Windpark Butendiek) könnten nicht auf den vorliegenden Fall übertragen werden. Im rechtskräftig entschiedenen Fall hätten die Parteien um den Entschädigungssatz für Ansprüche aus § 17e Abs. 2 EnWG für den Zeitraum Januar 2015 bis März 2015 gestritten. Vorliegend gehe es jedoch um Entschädigungszeiträume im Jahr 2018, d.h. nach der Änderung des § 17e Abs. 1 EnWG und nach der Einführung von § 118 Abs. 21 EnWG.
32
Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Berufung der Beklagten.
33
Das Landgericht durfte – soweit es die Klage nicht abgewiesen hat – durch Grundurteil entscheiden, was der Senat von Amts zu prüfen hat (vgl. BGH, Urteil vom 04.12.2012 – II ZR 159/10, Rn. 14).
34
Nach § 304 Abs. 1 ZPO kann das Gericht, wenn ein Anspruch nach Grund und Betrag streitig ist, über den Grund vorab entscheiden. Voraussetzung ist, dass grundsätzlich alle Fragen, die zum Grund des Anspruchs gehören, erledigt sind, sowie dass nach dem Sach- und Streitstand zumindest wahrscheinlich ist, dass der Anspruch in irgendeiner Höhe besteht (BGH, Urteil vom 15.11.2018 – IX ZR 229/17, Rn. 29).
35
Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall erfüllt. Das Landgericht führte zutreffend aus, dass der Zahlungsantrag Ziffer 1. nach Grund und Höhe streitig und dem Grunde nach entscheidungsreif ist. Es besteht auch – wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen – eine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der geltend gemachte Entschädigungsanspruch in irgendeiner Höhe besteht. Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, vor der Beweisaufnahme gemäß landgerichtlichem Beschluss vom 20.01.2022 zu klären, dass der Anspruch dem Grunde nach besteht, und bestimmte Parameter – insbesondere die vom Sachverständigen zu untersuchenden Zeiten und Anlagen – festzulegen.
36
Eine andere Beurteilung ist auch nicht vor dem Hintergrund der Erfordernisse der Prozessökonomie veranlasst. Zwar ist der Erlass eines Grundurteils immer dann unzulässig, wenn dies zu einer ungerechtfertigten Verzögerung und Verteuerung des Prozesses führen würde. Diese Umstände liegen im Streitfall jedoch nicht vor. Insbesondere sind vorliegend die Tatsachen für Grund und Höhe des Anspruchs nicht annähernd dieselben und stehen auch nicht in einem so engen Zusammenhang, dass die Herausnahme einer Grundentscheidung unzweckmäßig und verwirrend wäre (vgl. BGH, Urteil vom 23.09.2020 – KZR 4/19, Rn. 69). Vor diesem Hintergrund und dem bereits vom Landgericht erlassenen Beweisbeschluss ist es auch nicht sachgerecht, dass der Senat sich – unter An-Sich-Ziehen des beim Landgericht anhängigen Betragsverfahrens – unmittelbar dem Grund und der Höhe eines etwaigen Schadens der Klägerin zuwendet (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.2021 – KZR 19/20, Rn. 88).
37
Die Berufung der Klägerin ist, soweit sie zulässig ist, zur Überzeugung der Mitglieder des Senats vollumfänglich unbegründet.
38
Das Landgericht ging zutreffend davon aus, dass bei der Bemessung des klägerischen Entschädigungsbegehrens die Berücksichtigung des Abschattungseffekts in Betracht kommt.
39
1. In Bezug auf diesen im landgerichtlichen Urteil geäußerten Rechtsstandpunkt liegt – obwohl das Landgericht durch ein Grundurteil entschied – eine zulässige Berufung der Klägerin vor.
40
a) Zwar kommt der Abschattungseffekt als Faktor der Entschädigungsberechnung erst im Betragsverfahren zum Tragen. Auch ist die Frage, ob aus rechtlichen Gründen ein Abschattungseffekt bei der Bemessung der Entschädigung nach § 17e EnWG in Betracht kommt oder nicht, kein maßgebliches Kriterium dafür, ob das Landgericht ein Grundurteil erlassen durfte. Denn die klägerischen Entschädigungsansprüche sind auch dann nicht entscheidungsreif und das vom Landgericht eingeholte Sachverständigengutachten nicht ohne Relevanz, wenn die klägerische Auffassung zutreffen und im Rahmen der pauschalierten Entschädigung nach § 17 Abs. 1 S. 2 EnWG der Abschattungseffekt bzw. Nachlaufströmungseffekt keine Auswirkungen haben sollte. Dies ergibt sich bereits daraus, dass sich der Beweisbeschluss des Landgerichts auf Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens nicht nur auf die korrekte Berücksichtigung des Abschattungseffekts des klägerischen Windparks, sondern allgemein darauf bezieht, ob die Klägerin die von ihr angegebene Menge an Ausfallarbeit korrekt berechnet hat.
41
b) Die Auslegung des erstinstanzlichen Urteils einschließlich der sonstigen prozessualen Umstände ergibt jedoch, dass das Landgericht mit Bindungswirkung für das nachfolgende Betragsverfahren über die Möglichkeit der Beeinflussung des Entschädigungsanspruchs durch den Abschattungseffekt entscheiden wollte.
42
aa) Ein Zwischenurteil über den Grund (§ 304 ZPO) beschwert die Klagepartei in Höhe eines abgewiesenen Bruchteils oder insoweit, als es hinsichtlich des nachfolgenden Betragsverfahrens eine für sie negative Bindungswirkung (§ 318 ZPO) auslöst; ob Letzteres vorliegt, ist durch Auslegung der Urteilsformel unter Heranziehung der Entscheidungsgründe zu ermitteln (BGH, Beschluss vom 18.08.2016 – III ZR 325/15, Rn. 11). Eine Bindungswirkung für das Betragsverfahren ist zu bejahen, soweit das Grundurteil den Klageanspruch bejaht hat und dessen Höhe durch den anerkannten Klagegrund gerechtfertigt ist, es also festlegt, auf welcher Grundlage das Betragsverfahren aufzubauen hat und welche Umstände bereits – für die Parteien bindend – abschließend im Grundverfahren geklärt sind (BGH, Urteil vom 28.06.2016 – VI ZR 559/14, Rn. 29).
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bb) Im vorliegenden Fall berechnete die Klägerin ihre Forderung außergerichtlich ohne Berücksichtigung des Wake-Effekt, während die Beklagte ihn von der in Rechnung gestellten Ausfallarbeit pauschal abzog. Auch im Prozess – sowohl erstinstanzlich als auch im Berufungsverfahren – war die Frage, ob bei der Entschädigung ein Abzug für den Abschattungseffekt vorzunehmen ist, einer der Hauptstreitpunkte der Parteien.
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Das Landgericht machte zum Abschattungseffekt sowohl im Tatbestand als auch in den Entscheidungsgründen des angegriffenen Urteils ebenfalls umfangreiche Ausführungen. Es legte sich dabei ausdrücklich fest, dass ein Abschattungseffekt der einzelnen Anlagen des Parks zu berücksichtigen und die Höhe des Anspruchs durch Sachverständigengutachten zu klären sei, weshalb es am Tag des Urteils einen entsprechenden Beweisbeschluss verkündete.
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Vor diesem Hintergrund ergibt die Auslegung des Grundurteils, dass das Landgericht sich in Bezug auf diese Streitfrage für das nachfolgende Betragsverfahren bindend dahingehend festlegen wollte, dass aus Rechtsgründen der Entschädigungsanspruch grundsätzlich nicht losgelöst vom Abschattungseffekt berechnet werden kann und es vom Sachverständigenbeweis abhängt, ob und in welcher Höhe sich im konkreten Fall der Wake-Effekt auf die Entschädigung auswirkt. Vor diesem Hintergrund ist die Berufung der Klägerin gegen das (zusprechende) Grundurteil in Bezug auf diese Rechtsfrage (ausnahmsweise) zulässig, da der Umstand der grundsätzlichen Berücksichtung dieses Effektes für die Parteien bindend bereits abschließend im Grundverfahren geklärt wird, und die Klägerin durch dieses Grundurteils deswegen beschwert ist, weil mit Bindungswirkung für das Betragsverfahren die generelle Berücksichtigungspflicht dieses Abzugspostens feststeht.
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2. Die Berufung ist allerdings unbegründet, da das Landgericht zutreffend feststellte, dass der unstreitig physikalisch existierende Abschattungseffekt aus Rechtsgründen zu berücksichtigen ist. Auf die von der Klägerin problematisierten Schwierigkeiten bei der Berechnung des Wake-Effekts komm es an dieser Stelle nicht an.
47
a) Die Existenz des Wake-Effekts beim Betrieb einer Windenergieanlage ist – wie sich auch aus dem insoweit unangegriffenen Tatbestand des landgerichtlichen Urteils ergibt – unstreitig. Er beruht auf der physikalischen Tatsache, dass in einem Parkaufbau – abhängig von der jeweiligen Windrichtung – stets bestimmte Windkraftanlagen eines Windparks im Windschatten anderer Windenergieanlagen arbeiten. Dieser Windschatten entsteht, weil die im Betrieb stattfindende Rotorbewegung der Windkraftanlage eine Windströmung mit eigener Dynamik verursacht, die als Nachlaufströmung oder Wake bezeichnet wird.
48
Dies ergibt sich auch aus einem von der Klägerin vorgelegten Evaluierungsbericht des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie gemäß § 17i EnWG (Anlage K 24), in dem es zu Abschattungseffekten heißt:
49
Windenergieanlagen auf See schatten ggf. weitere Windenergieanlagen ab, sodass die Windgeschwindigkeit die hinteren Gondeln eines Windparks ggf. verwirbelt oder nur abgeschwächt erreicht; dieser so genannte Wake-Effekt hat Auswirkungen auf die Höhe der Entschädigungen (Seite 3). […] In diesem Zusammenhang hat sich mit der steigenden Zahl der in Betrieb genommenen Windenergieanlagen auf See gezeigt, dass sich die Anlagen innerhalb eines Parks bzw. verschiedener Parks untereinander im normalen Betrieb gegenseitig abschatten. Das bedeutet, dass die Windverhältnisse nicht pauschal für jede Anlage gleich sind. Dieser sogenannte Wake-Effekt ist nach den oben genannten Grundsätzen daher auch bei der Berechnung der Höhe von Entschädigungszahlungen nach § 17e EnWG zu berücksichtigen (Seite 12).
50
Die durch den Wake-Effekt entstehenden Ertragsverluste sind wirtschaftlich relevant. So geht etwa eine Studie im Auftrag der Stiftung Offshore-Windenergie davon aus, dass die durchschnittlichen „internen Abschattungsverluste […] zwischen 9,75% und 11% des Brutto-Windertrags“ betragen (P. AG, Kostensenkungspotenziale der Offshore-Windenergie in Deutschland, Studie im Auftrag der Stiftung Offshore-Windenergie, August 2013, S. 33, Anlage B 24). Auch von Windpark-Betreibern wird der Wake-Effekt bereits im Vorfeld der Planung des konkreten Offshore-Windparks berücksichtigt (Auszug Website Danish Wind Power, Anlage B 23; P. AG, Kostensenkungspotenziale der Offshore-Windenergie in Deutschland, Studie im Auftrag der Stiftung Offshore-Windenergie, August 2013, S. 98 ff., Anlage B 24). Schließlich zeigt das von der Klägerin selbst vorgelegte Sachverständigengutachten aus dem Parallelverfahren vor dem LG Bayreuth mit dem Az. 34 O 734/17 (Anlage K 48) über einen Betrachtungszeitraum von ca. zwei Jahren einen Wake-Effekt im Offshore-Windpark der Klägerin von mindestens 5,75%.
51
b) Aus rechtlichen Gründen ist der Wake-Effekt gemäß § 17e Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 2 EnWG bei der Ermittlung der Höhe der Entschädigung zu berücksichtigen.
52
aa) Der Wortlaut des § 17e Abs. 1 S. 2 EnWG steht einer Berücksichtigung des Wake-Effekts nicht entgegen.
53
Zwar ist nach § 17e Abs. 1 S. 2 EnWG bei der Ermittlung der Höhe der Entschädigung die „durchschnittliche Einspeisung einer vergleichbaren Anlage in dem entsprechenden Zeitraum der Störung“ zugrunde zu legen. Der Wortlaut verlangt somit lediglich eine Vergleichbarkeit mit der von der Störung betroffenen Windenergieanlage und stellt auf durchschnittliche Einspeisewerte ab.
54
Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass nach § 17e Abs. 1 S. 2 EnWG bei der Ermittlung der Entschädigungshöhe der „entsprechende[n] Zeitraum der Störung“ zugrunde zu legen ist. Außerdem ist diese Ermittlung „für jeden Tag“ des Störungszeitraums vorzunehmen. Damit stellt diese Vorschrift auf eine zur Vereinfachung zwar teilweise pauschalierte, aber dennoch im Grundsatz konkrete Betrachtung ab. Denn vergleichbar sind nur die Windenergieanlagen, die den gleichen Windbedingungen wie die Vergleichsanlage – und damit auch dem Wake-Effekt – unterliegen. Gleiches gilt hinsichtlich des Merkmals „durchschnittliche Einspeisung“; es soll den Bezug zu den tatsächlich erzielbaren, durchschnittlichen Einspeiseerträgen im Realbetrieb der Anlage absichern.
55
Zur Ermittlung der nicht eingespeisten Strommenge stellt somit der Verweis auf die tägliche, durchschnittliche Einspeisung einer vergleichbaren Anlage in dem entsprechenden Zeitraum auf eine im Grundsatz konkrete – und nur zur Vereinfachung teilweise pauschalierte – Betrachtung ab: Die Höhe der Ausfallarbeit soll von der Leistung der jeweiligen Anlage und der Wettersituation an dem jeweiligen Tag abhängen und eine generalisierte Berechnung nur in gewissem Umfang zulässig sein (Broemel, in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl. 2015, § 17e Rn. 11). Eine unter Ausblendung des Wake-Effekts errechnete Ausfallarbeit würde vor diesem Hintergrund keine „durchschnittliche Einspeisung“, die im Realbetrieb der Windenergieanlage festzustellen wäre, reflektieren.
56
bb) Das systematische Verhältnis von § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG zu den Anspruchsausschlüssen nach § 17e Abs. 1 S. 5 und Abs. 5 EnWG sowie der Sinn und Zweck der Regelungen spricht für eine grundsätzliche Berücksichtigung des Abschattungseffekts bei Entschädigungsberechnung.
57
(1) Die Vorschriften enthalten zwar detaillierten Regelungen zu den Selbstbehalten und den schadensersatzrechtlichen Beschränkungen, was eher dagegen spricht, die pauschalierte Entschädigung durch die Anwendung schadensrechtlicher Grundsätze weiter zu reduzieren. So ist nach § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG die Entschädigung auf 90% der im Fall der Einspeisung erfolgenden Vergütung beschränkt; auch wird der Windpark-Betreiber für die ersten zehn Tage der Störung nicht entschädigt. Darüber hinaus ist die Inanspruchnahme des ÜNB für Vermögensschäden aufgrund einer gestörten Netzanbindung gemäß § 17e Abs. 1 S. 5 EnWG ausgeschlossen. Schließlich führt § 17e Abs. 5 EnWG aus, dass auf Vermögensschäden aufgrund einer gestörten Netzanbindung die allgemeinen Schadensersatzregelungen des § 32 Abs. 3, 4 EnWG nicht anzuwenden sind.
58
Es soll jedoch nach § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG die Entschädigung nur „entstandene Vermögensschäden“ kompensieren. Dabei ist für die Ermittlung der Höhe des Entschädigungsanspruchs zunächst die nicht eingespeiste Strommenge zu ermitteln (sog. Ausfallarbeit). Diese Ausfallarbeit ist in einem nächsten Schritt mit dem Zahlungsanspruch, den der Anlagenbetreiber im Falle der Direktvermarktung und der Verfügbarkeit der Netzanbindung gehabt hätte zu multiplizieren. Von dem so ermittelten Vermögensschaden erhält der Betreiber der WEA-S. 90% (Rohrer, in Elspas/Graßmann/Rasbach, EnWG, 1. Aufl. 2018, § 17e Rn. 26).
59
Ein Ersatzanspruch soll daher nur in Höhe der Vergütung bestehen, die für eine vergleichbare Anlage im betreffenden Zeitraum durchschnittlich erzielt worden ist (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.12.2017 – VI-3 Kart 123/16 (V), Rn. 68). Wenn deshalb, z. B. wegen vorherrschender Windstille, die Offshore-Anlage ohnehin nicht einspeisen konnte, soll der Betreiber der OffshoreAnlage keine Entschädigung erhalten, da in diesem Fall kein Schaden beim Betreiber der Offshore-Anlage entstanden ist (Regierungsbegründung, BT-Drucks. 17/10754, S. 27; Schink, in Kment, EnWG, 2. Aufl. 2019, § 17e Rn. 15). Durch die Entschädigungsregelungen soll der Betreiber der Windenergieanlagen auf See so gestellt werden, wie er ohne die Störung, Wartung oder Verzögerung der Netzanbindung stünde; die Berechnung der Entschädigungszahlungen muss sich also möglichst eng an den Parametern orientieren, die auch für die Bestimmung der Höhe der tatsächlichen Einspeisevergütung maßgeblich sind. Es geht also im Ergebnis darum, den Ertrag, den die an der Einspeisung gehinderte Windenergieanlage bei ihrer Anbindung erzielt hätte, so genau wie möglich zu ermitteln (OLG Düsseldorf, a.a.O., Rn. 68).
60
Aus den vorstehenden Ausführungen kann der Schluss gezogen werden, dass das Gesetz zwar – vor allem in Bezug auf die Haftung dem Grunde nach – bestimmte pauschalierende Regelungen aufstellt, um insbesondere den Umstand der verschuldensunabhängigen Haftung zu kompensieren. Diese Pauschalierung schlägt jedoch nicht auf die Berechnung der Höhe der jeweiligen Entschädigung durch, weil die konkrete Entschädigungshöhe von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls – darunter der Effekt der Abschattung beim Betrieb einer Windenergieanlage – abhängt.
61
(2) Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch die Gesetzeshistorie. So stellte § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung bei der Höhe der Entschädigung auf die „im Fall der Einspeisung erfolgenden Vergütung“ ab. Grundlage der Berechnung sollte somit die „sonst fällige Einspeisevergütung nach dem EEG“ (BT-Drucks. 17/10754, S. 27) sein. Die ab dem 01.01.2017 geltende Gesetzesfassung – die auf den „im Fall der Direktvermarktung bestehenden Zahlungsanspruch“ abstellt – sollte die Terminologie an die des EEG 2016 („Zahlungsanspruch“ statt „Vergütung“) anpassen (BT-Drucks. 18/8860, S. 337). Dies spricht dafür, dass Bezugspunkt der Entschädigungsberechnung die dem Windparkbetreiber tatsächlich entgangene Vergütung nach dem EEG ist (vgl. BMWK, Evaluierungsbericht gemäß § 17i EnWG vom 22.04.2016, S. 12).
62
(3) Zu beachten sind darüber hinaus die sich insbesondere aus der Gesetzesbegründung ergebenden Vorstellungen des Gesetzgebers.
63
So soll zwar die Stromerzeugung auf Hoher See im Wege von Offshore-Erzeugungsanlagen zukünftig einen wesentlichen Beitrag zur Deckung des Gesamtenergiebedarfs der Bundesrepublik Deutschland leisten. Die Einführung der Entschädigungsregelung dient dem Ziel, den Ausbau der Offshore-Windenergie mit größtmöglicher Planungssicherheit auszustatten, um die energiepolitischen Ziele der Bundesregierung zu erreichen. Um dieses Ziel zu erreichen ist es ebenfalls erforderlich, im Gesetz zu regeln, unter welchen Voraussetzungen der anbindungsverpflichtete Übertragungsnetzbetreiber in welchem Umfang gegenüber dem Offshore-Windparkbetreiber haftet (Regierungsbegründung, BT-Drs. 17/10754, S. 1). Diesen allgemeinen Ausführungen kann der Wille des Gesetzgebers entnommen werden, die Finanzierbarkeit von Windkraftanlagen zu erhöhen. Dies spricht dafür, den Entschädigungsanspruch für den Fall, dass die Stromeinspeisung an der Verzögerung oder Störung der Anbindungsleitung scheitert, nicht durch Reduzierungen niedrig ausfallen zu lassen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.09.2020 – 3 U 1099/20, Rn. 41).
64
Dies führt jedoch nicht dazu, dass eine Entschädigung ohne Berücksichtigung des Wake-Effekts zugesprochen werden müsse. Vielmehr ist nach der Gesetzesbegründung Zweck des Belastungsausgleichs und der in § 17e Abs. 5 EnWG geregelten Entschädigungsumlage auf die Letztverbraucher, mögliche Risiken und Entschädigungspflichten, die mit dem Offshore-Ausbau verbunden sind, gleichmäßig auf mehrere Schultern zu verteilen (BT-Drucks. 17/10754, S. 31). Durch die Regelung soll vermieden werden, dass der Offshore-Windparkbetreiber mit der Entschädigung überkompensiert wird (BT-Drucks. 17/10754, S. 27). Damit steht den zeitlichen und finanziellen Selbstbehalten – wodurch der Betreiber der OffshoreAnlage am unternehmerischen Risiko beteiligt werden soll (BT-Drucks. 17/10754, S. 27) – sowie dem Ausschluss weiterer Vermögensschäden die Zubilligung eines verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruchs gegenüber. Vor diesem Hintergrund sprechen Sinn und Zweck der Regelung überwiegend dafür, dass über das Kriterium der „durchschnittlichen Einspeisung einer vergleichbaren Anlage“ möglichst exakt berechnet werden soll, welche Einspeisevergütung der Anlagenbetreiber im Verzögerungszeitraum erzielt hätte, wenn die Anbindung wie zugesagt erfolgt wäre. Der Gesetzgeber bezweckte mit der Entschädigungsregelung, eventuelle unternehmerische Risiken im Wesentlichen vorhersehbar zu halten. Im Sinne dieses gesetzgeberischen Willens liegt es daher nahe, die Messdaten heranzuziehen, die eine größtmögliche Vergleichbarkeit mit der Realität gewährleisten (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.12.2017 – VI-3 Kart 123/16 (V), Rn. 70). Schadenersatzrechtliche Kategorien sind deshalb bei der Auslegung und Anwendung der Bestimmung durchaus heranzuziehen, soweit dies geboten ist, den Normzweck – den Windpark-Betreiber so stellen, wie er ohne die Störung der Netzanbindung stünde – zu verwirklichen (vgl. OLG Nürnberg, Urteil 28.02.2023 – 3 U 2465/20). Es wäre kaum verständlich, eine Entschädigung in einem Umfang zuzubilligen, in dem die eigentlich erstrebte Vergütung nicht beansprucht hätte werden können (OLG Nürnberg, a.a.O.).
65
Diese Ratio wird auch in dem Evaluierungsbericht des BMWK gemäß § 17i EnWG vom 22.04.2016 (S. 12) festgehalten:
66
Durch die Entschädigungsregelungen soll der Betreiber der Windenergieanlagen auf See so gestellt werden, wie er ohne die Störung, Wartung oder Verzögerung der Netzanbindung stünde. […] Die Berechnung der Entschädigungszahlungen muss sich also möglichst eng an den Parametern orientieren, die auch für die Bestimmung der Höhe der tatsächlichen Einspeisevergütung maßgeblich sind. Dies sind im Wesentlichen die gemessenen Windgeschwindigkeiten und die jeweiligen tatsächlichen Leistungskennlinien der Windenergieanlage. Nur so kann eine Überkompensation des Windpark-Betreibers zulasten der Netznutzer verhindert werden. […]
67
(4) Eine andere Beurteilung ist auch nicht vor dem Hintergrund der von der Klägerin vorgenommenen Unterscheidung in Entschädigungs- und Schadensersatzansprüche veranlasst. Denn die Entschädigung tritt an die Stelle der Einspeiseerlöse und sonstigen Vergütungen wie die Marktprämie, weil diese infolge des Verhaltens des Übertragungsnetzbetreibers nicht verdient werden konnten. Schadenersatzrechtliche Kategorien sind daher bei der Auslegung und Anwendung der Bestimmung durchaus heranzuziehen, soweit dies geboten ist, den Normzweck zu verwirklichen (OLG Nürnberg, Urteil vom 14.03.2023, Az. 3 U 2465/20).
68
Auch das weitere Argument der Klägerin – wonach eine Verschattung der Windkraftanlagen untereinander bzw. Verwirbelung des Windes innerhalb des Offshore-Windparks im Fall der Störung oder Verzögerung der Netzanbindung nicht auftrete, weil die Windenergieanlage dann nicht in Betrieb sei – führt nicht zwingend zu einem anderen Auslegungsergebnis. Denn mit einer nicht in Betrieb befindlichen Windenergieanlage hätte die Klägerin auch keinen Einspeiseertrag erzielt und könnte damit überhaupt keine Entschädigung geltend machen.
69
dd) Eine andere rechtliche Beurteilung ist nicht deshalb veranlasst, weil der „Leitfaden zur Ermittlung einer umlagefähigen Entschädigung bei Störung, Verzögerung oder Wartung der Netzanbindung von Offshore-Anlagen“ der Bundesnetzagentur vom Oktober 2013 (Anlage B 11) nicht die Vorgabe enthält, im Rahmen der Ermittlung der Entschädigung „Abschattungseffekte“ zu berücksichtigen.
70
Zum einen ist der Leitfaden – der weder eine Festlegung darstellt noch den Charakter einer Verwaltungsvorschrift hat – für die Gesetzesauslegung nicht verbindlich. Es handelt sich vielmehr um eine zusammenfassende Verlautbarung der Regulierungsbehörde, mit der sie ihre Haltung zu bestimmten Themenkomplexen und den davon betroffenen Rechtsfragen bekannt macht (OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.04.2023 – 26 U 6/22, Rn. 29). Auch kann aus der Tatsache, dass der Leitfaden eine Thematik nicht anspricht, nicht der Schluss gezogen werden, dass sich die Bundesnetzagentur darin in eine bestimmte Richtung positionieren wollte.
71
Zum anderen kann in diesem Zusammenhang kann nicht außer Acht gelassen werden, dass die Bundesnetzagentur in dem Leitfaden zu dem von der Klägerin für die Berechnung des Klageantrags 1. zugrunde gelegten Spitzabrechnungsverfahren ausführt:
72
Im Rahmen des Spitzabrechnungsverfahrens wird die Ausfallarbeit in Abhängigkeit von der tatsächlichen Windgeschwindigkeit und unter Berücksichtigung der zertifizierten Leistungskennlinie der jeweiligen Offshore-Windenergieanlage ermittelt.
73
Da somit die für die konkrete Windenergieanlage tatsächlich gemessene – und damit nach der Natur der Sache vom Wake-Effekte beeinflusste – Windgeschwindigkeit maßgeblich sein soll, kann aus dem Leitfaden der Bundesnetzagentur kein Petitum gegen einen grundsätzlichen Einfluss des Abschattungseffekts auf die Entschädigung entnommen werden.
74
c) Der im Grundurteil getroffenen Feststellung, dass grundsätzlich der Wake-Effekt die Höhe der Entschädigung gemäß § 17e Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 2 EnWG beeinflussen kann, stehen die von der Klägerin problematisierten Schwierigkeiten bei der Berechnung dieses Effekts nicht entgegen.
75
Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung, dass die Klage auf Zahlung einer Entschädigung dem Grunde nach nur unter grundsätzlicher Berücksichtigung des Abschattungseffekts gerechtfertigt ist, unter anderem mit den Argumenten, dass es verschiedene Wake-Berechnungsmodelle zur Kalkulierung parkinterner Abschattungseffekte gebe, dass die konkreten Auswirkungen einer Verschattung von einer Windkraftanlage durch eine andere Anlage komplex seien und von vielen unterschiedlichen Faktoren und Einflussgrößen abhängen würden, sowie dass der Abschattungseffekt nicht sämtliche Windenergieanlagen eines Offshore-Windparks gleichermaßen betreffe.
76
Diese Argumente stehen der Feststellung im Grundurteil, dass die Berücksichtigung des Abschattungseffekts bei der Bemessung des klägerischen Entschädigungsbegehrens in Betracht kommt, nicht entgegen. Denn im Grundurteil ist nur bindend geklärt, dass aus Rechtsgründen der Wake-Effekt ein Abzugsposten für den klägerischen Schadensersatzanspruch sein kann. Auf welcher Basis die Berechnung des Wake-Effekts im Offshore-Windpark der Klägerin im hiesigen Verfahren letztendlich erfolgt, wird Gegenstand des (nachgeschalteten) Betragsverfahrens sein, in dem unter Zuhilfenahme der Sachkunde eines gerichtlichen Sachverständigen die Frage der Entschädigungshöhe einschließlich der Berechnungsmethodik und den damit verbundenen Berechnungsschwierigkeiten zu klären ist. Dabei wird jede Methode nur rechnerische Ergebnisse liefern können, die Grundlage und Anhaltspunkte für die Schätzung des Gerichts nach § 287 ZPO bilden (vgl. BGH, Beschluss vom 21.02.2023 – II ZB 12/21, Rn. 17).
77
In Bezug auf die zwischen den Parteien streitige Frage, ob der Klage- oder der beklagten Partei die Darlegungs- und Beweislast für den Wake-Effekt obliegt, liegt kein zulässiger Berufungsangriff der Klägerin vor.
78
1. Zwar führte das Landgericht in den Entscheidungsgründen aus, dass die Klägerin darlegungs- und beweisbelastet für die Höhe der zu entschädigenden Ausfallarbeit einschließlich der Grunddaten, aus denen sie abgeleitet werden, sei. Dies betreffe auch den Abschattungseffekt.
79
Die Auslegung des erstinstanzlichen Urteils ergibt jedoch, dass das Landgericht nicht mit Bindungswirkung für das nachfolgende Betragsverfahren eine Entscheidung über die Frage treffen wollte, wem es bei Ermittlung der Entschädigungshöhe obliegt, die Auswirkungen der Nachlaufströmungseffekte im Windpark während der Störung darzulegen und zu beweisen. Vielmehr handelt es sich bei diesem kurzen Abschnitt der Entscheidungsgründe des Ersturteils ersichtlich – im Gegensatz zur Problematik der generellen Berücksichtigungsfähigkeit des Abschattungseffekts – um ein bloßes obiter dictum des Landgerichts, welches im Rahmen einer Berufung gegen das Grundurteil nicht mit Erfolg angegriffen werden kann. Denn die Beweislast in Bezug auf einen Faktor der Schadensberechnung wird ausschließlich im Betragsverfahren relevant, wenn dort eine Beweislastentscheidung erforderlich ist, weil das Gericht sich weder eine Überzeugung bilden kann noch hinreichende Anhaltspunkte für eine Schätzung gegeben sind.
80
2. Der Senat weist bereits an dieser Stelle darauf hin, dass es nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen Sache der Klägerin sein wird, die den Tatbestand ihres Anspruchs begründenden Tatsachen vorzutragen und zu beweisen (BGH, Urteil vom 23.01.2014 – III ZR 37/13, Rn. 25). Daher trägt die Klägerin als Windpark-Betreiberin ebenfalls die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des Entschädigungsanspruchs. Soweit die Klägerin meint, dass die pauschalierte Entschädigung nach § 17e Abs. 1 Satz 2 EnWG keinen Schaden voraussetze, weshalb sie auch keinen konkreten Schaden darlegen oder beweisen müsse, schließt sich der Senat dem nicht an. Zu den tatbestandsbegründenden Voraussetzungen zählen gemäß § 17e Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 2 EnWG der Umfang der zu entschädigenden Ausfallarbeit (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.12.2017 – VI-3 Kart 123/16, Rn. 83). Und indem die Beklagte bei der Abrechnung einen Abzug für den Wake-Effekt vorgenommen hat, bestreitet sie, dass der Entschädigungsanspruch der Klägerin in diesem Umfang entstanden ist.
81
Die Berufung ist unbegründet, soweit die Klägerin sich dagegen wendet, dass das Landgericht ihr in Ziffer 1., erster Spiegelstrich, Entschädigung dem Grunde nach nur bis 16.02.2018 (18:58 MEZ) zusprach.
82
1. Zutreffend entschied das Landgericht, dass für den Entschädigungsanspruch allein maßgeblich ist, dass die Störung der Netzanbindung mit Wiederzuschaltung der Netzanbindung am 16.02.2018 (18:58 MEZ) beendet wurde, unabhängig davon, wann die Netzzuschaltung tatsächlich erfolgen und die Einspeisung durch die Klägerin wieder aufgenommen werden konnte. Dies ergibt die Auslegung von § 17e Abs. 1 Satz 1 EnWG.
83
Der Wortlaut des § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG stellt für den Entschädigungsanspruch ausschließlich darauf ab, ob die Einspeisung aus einer betriebsbereiten Windenergieanlage auf See wegen einer Störung der Netzanbindung nicht möglich war. Ist daher die Nichteinspeisung auf andere Gründe als auf die Nichtverfügbarkeit der Netzanbindung zurückzuführen, entfällt der Entschädigungsanspruch (Schink, in Kment, EnWG, 2. Aufl. 2019, § 17e Rn. 5), d.h. der Zeitraum, den die Anlage ggf. zur Wiederinbetriebnahme benötigt, bleibt unberücksichtigt (Schulz/Rösler, EnWZ 2013, 531 (534)). Die damit nach dem Wortlaut notwendige Kausalität besteht nur so lange, wie die Einspeisung unmittelbar aufgrund einer Pflichtwidrigkeit aus der Sphäre der Beklagten nicht realisierbar ist; eine bloße fort- oder nachwirkende Kausalität mit einer Ursache aus dem Bereich der Windenergieanlage der Klägerin – wie der Zuschaltung des Umspannwerkes – ist für den Kausalzusammenhang nicht ausreichend.
84
Ein anderes Auslegungsergebnis ergibt sich nicht aus dem Vortrag der Klägerin, dass die Zuschaltung des Netzes auf eine längere störungsbedingte Nichtverfügbarkeit der Netzanbindung zurückzuführen sei und deshalb nicht im üblichen Betriebsrisiko der Klägerin liege. Denn entscheidend ist nach dem Sinn und Zweck von § 17e Abs. 1 Satz 1 EnWG, dass die Netzzuschaltung außerhalb des Herrschaftsbereichs der Beklagten liegt und von ihr auch nicht vorgenommen werden kann. Auch nach der Gesetzesbegründung hängt die Realisierung der Ansprüche des Betreibers der Offshore-Anlage auf Anbindung der Offshore-Anlage sowie auf Abnahme und Vergütung des eingespeisten Stroms wesentlich „von der Verfügbarkeit der Netzanbindungsleitung ab, die jedoch von dem Betreiber der Offshore-Anlage in der Regel nicht beeinflussbar ist“ (BT-Drs. 17/10754, Seite 26). „Zudem ist eine klare Regelung auch erforderlich, um allen Betroffenen eine bessere Abschätzung des von ihnen zu tragenden unternehmerischen bzw. Investitionsrisikos zu ermöglichen“ (BT-Drs. 17/10754, Seite 29). Vor dem Hintergrund der durch die Vorschrift beabsichtigten Rechtsklarheit und der damit verbundenen Rechtssicherheit widerspricht eine Auslegung über den Wortlaut hinaus der ratio legis.
85
In diesem Zusammenhang kann nicht außer Acht gelassen werden, dass der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vom 28.06.2021 vor dem Landgericht Bayreuth nicht sagen konnte, „ob tatsächlich eine Fernsteuerung nicht möglich war oder ob wir den Techniker vorsorglich die Zuschaltung erledigen lassen wollten“.
86
2. Der Klägerin steht auch kein Schadensersatzanspruch aufgrund einer angeblichen Informationspflichtverletzung der Beklagten in Bezug auf das Ende der Störung bzw. den Zeitpunkt der voraussichtlichen Wiederzuschaltung der Netzanbindung zu.
87
a) Zwar ist ein derartiger Anspruch nicht gemäß § 17e Abs. 1 S. 5 EnWG ausgeschlossen. Dieser Ausschlusstatbestand bezieht sich lediglich auf Vermögensschäden auf Grund einer gestörten Netzanbindung. Für Nachteile, die sich aus anderen Sachverhalten ergeben und bei denen der Vorwurf nicht darauf lautet, die Netzanbindung zu spät hergestellt zu haben oder nicht zuverlässig zu betreiben, ergibt sich hieraus jedoch nichts. Insoweit verbleibt es bei den allgemeinen Grundsätzen und Haftungstatbeständen des Zivilrechts. Da im vorliegenden Fall die Klägerin die Verletzung einer Nebenpflichtverletzung auf rechtzeitige Mitteilung des Störungsendes behauptet, ist der Anwendungsbereich des Haftungsausschlusses nicht eröffnet.
88
b) Ein Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 17d Abs. 1 EnWG bzw. nach § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 17f Abs. 3 Satz 1 EnWG scheitert jedoch daran, dass die Anspruchsvoraussetzungen einer Nebenpflichtverletzung nicht dargetan sind.
89
aa) Die Klägerin ist darlegungs- und beweispflichtig für das Vorliegen einer Aufklärungspflichtverletzung. Denn die Problematik der Rechtzeitigkeit der Mitteilung der Entstörung gehört nicht zum Verschulden des Entschädigungsanspruchs (weshalb nicht § 280 Abs. 1 S. 2 BGB einschlägig ist), sondern zur Frage des Vorliegens einer Pflichtverletzung. Und die im Streit stehende Aufklärungspflicht ist eine rein verhaltensbezogene Pflicht, bei welcher der Gläubiger den vollen Beweis einer Pflichtverletzung erbringen muss (vgl. Grüneberg, in Grüneberg, BGB, 82. Aufl. 2023, § 280 Rn. 36).
90
bb) Im vorliegenden Fall ist unstreitig, dass die Beklagte – neben der nachträglichen Meldung der Entstörung mittels der sog. REMIT-Mitteilungen – die Klägerin nach der Störung der Netzanbindung D[…]1 mit einem Vorlauf von 2,5 Stunden über die Wiederzuschaltung der Netzanbindung informierte. Vor diesem Hintergrund bleibt die Klägerin darlegungsfällig für eine pflichtwidrig verspätete Mitteilung der Entstörung durch die Beklagte. Denn das entsprechende Vorbringen der Klägerin – wonach der Beklagten aufgrund des eingesetzten Kabelverlegeschiffs bereits vorher bekannt gewesen sei, wann die Kabelreparatur ausgeführt und diese voraussichtlich abgeschlossen sein werde – ist eine reine Vermutung, die für die Darlegung einer Pflichtverletzung nicht genügt.
91
cc) Eine andere Beurteilung ist auch nicht vor dem Hintergrund des Rechtsinstituts der sekundären Darlegungslast veranlasst.
92
In bestimmten Fällen ist es Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substantiiert zu äußern. Dabei hängen die Anforderungen an die Substantiierungslast des Bestreitenden zunächst davon ab, wie substantiiert der darlegungspflichtige Gegner – hier die Klagepartei – vorgetragen hat. In der Regel genügt gegenüber einer Tatsachenbehauptung der darlegungspflichtigen Klägerin das einfache Bestreiten der Beklagten. Ob und inwieweit die nicht darlegungsbelastete Partei ihren Sachvortrag substantiieren muss, lässt sich nur aus dem Wechselspiel von Vortrag und Gegenvortrag bestimmen, wobei die Ergänzung und Aufgliederung des Sachvortrags bei hinreichendem Gegenvortrag immer zunächst Sache der darlegungs- und beweispflichtigen Partei ist (BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, Rn. 36). Um Ausforschung zu vermeiden, muss der unstreitige oder zu beweisende Vortrag des Beweispflichtigen greifbare Anhaltspunkte für seine Behauptung liefern (BGH, Urteil vom 08.03.2021 – VI ZR 505/19, Rn. 28) oder der Klagevortrag zumindest die behauptete Pflichtverletzung mit gewisser Wahrscheinlichkeit nahelegen (BGH, Urteil vom 13.06.2012 – I ZR 87/11, Rn. 17).
93
Im vorliegenden Fall trägt die Beklagte vor, dass zum einen die Klägerin die Beklagte weder darüber informiert habe, dass eine Wiederzuschaltung per Fernsteuerung im konkreten Fall nicht möglich gewesen sei, noch darüber aufgeklärt habe, wie viel Vorlauf sie aufgrund der ausnahmsweise nicht möglichen Wiederzuschaltung per Fernsteuerung benötigen würde, um ihren Offshore-Windpark manuell wiederzuzuschalten. Zum anderen liege es in der Natur der Sache, dass die Beseitigung einer Störung kein vollständig planbarer Arbeitsvorgang ist, also durchaus einmal weniger Zeit beanspruchen kann als ursprünglich angenommen. Daher sei es der Beklagten schon rein tatsächlich nicht möglich gewesen, im Falle einer Störung den genauen Zeitpunkt einer Wiederzuschaltung früher als geschehen zu benennen und die Klägerin früher zu informieren.
94
Vor diesem Hintergrund sind die Voraussetzungen für darüber hinausgehende Darlegungen durch die Beklagte im Rahmen der sekundären Darlegungslast nicht gegeben. Denn die Klägerin hat diese Einwände der Beklagten nicht entkräftet, weshalb eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht nahe liegt und ein weiteres substantiiertes Bestreiten der Beklagten nicht veranlasst ist.
95
Das Landgericht führte zutreffend aus, dass – wie die Auslegung der einschlägigen Norm ergibt – der 10-tägige Selbstbehalt gemäß § 17e Abs. 1 Satz 1 EnWG erst dann beginnt, wenn die Anlagen selbst betriebsbereit sind. Das war unstreitig bei den Anlagen BW 40 und BW 41 (aufgrund von Wartungen) erst am 26.12.2017 (BW40) bzw. am 27.12.2017 (BW41) der Fall. Folglich sind die beiden Anlagen auch erst ab dem 05. (BW40) bzw. 06.01.2018 (BW41) zu entschädigen.
96
Bereits aus dem Wortlaut des § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG folgt, dass der Lauf der Selbstbehaltsfrist eine betriebsbereite Anlage voraussetzt, denn darin wird als Bedingung aufgestellt, dass „die Einspeisung aus einer betriebsbereiten Windkraftanlage auf See länger als zehn aufeinander folgende Tage nicht möglich“ ist. Anderenfalls fehlt es an der nach dem Wortlaut notwendigen Kausalität zwischen der Störung der Netzanbindung und dem Nichtbetrieb der Windenergieanlage auf See (vgl. Schink, in Kment, EnWG, 2. Aufl. 2019, § 17e Rn. 10).
97
Ein entsprechendes Verständnis ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung. Danach ist Voraussetzung für die Entschädigungspflicht, „dass die Offshore-Anlage selbst betriebsbereit ist und die Nichteinspeisung lediglich auf die Nichtverfügbarkeit der Netzanbindung zurückzuführen ist, d.h. ein Entschädigungsanspruch entfällt, wenn aus anderen Gründen eine Einspeisung aus der Offshore-Anlage, z.B. wegen eines Defekts oder laufender Wartungsarbeiten, nicht möglich wäre.“ (BT-Drucks. 17/10754, S. 26; Broemel, in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl. 2015, § 17e Rn. 10).
98
Das Erfordernis der Betriebsbereitschaft entspricht schließlich dem Sinn und Zweck der Selbstbehaltsfrist des § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG. Danach soll „auch der Betreiber der Offshore-Anlage durch einen Selbstbehalt am unternehmerischen Risiko beteiligt werden“ (BT-Drucks. 17/10754, S. 27). Der Entschädigungsanspruch soll daher in solchen Fällen nicht greifen, die im Verantwortungsbereich des Betreibers der Windenergieanlagen liegen (Grüner, in BeckOK EnWG, 5. Ed. 01.12.2022, § 17e EnWG Rn. 4).
99
Das Landgericht hat zu Recht die Klage in Bezug auf das Auskunftsbegehren gemäß Ziffer 2. der Klage abgewiesen.
100
1. Vorab ist darauf hinzuweisen, dass – worauf der Senat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich hinwies, ohne dass die Klägerin ihren Klageantrag anpasste – die Voraussetzungen für die in den Anträgen zu 2.a) und 2.b) enthaltene Stufenklage vorliegend nicht gegeben sind, weshalb der unbezifferte Zahlungsantrag Ziffer 2.b) als unzulässig abzuweisen ist.
101
a) Bei einer Stufenklage muss das Auskunftsbegehren ein notwendiges Hilfsmittel sein, um die (noch) fehlende Bestimmbarkeit des auf der letzten Stufe verfolgten Leistungsanspruchs vorzubereiten und herbeiführen zu können (BAG, Urteil vom 25.11.2021 – 8 AZR 226/20, Rn. 20). Die der Stufenklage eigene Verknüpfung von unbestimmtem Leistungsanspruch und vorbereitendem Auskunftsanspruch steht dagegen nicht zur Verfügung, wenn die Auskunft nicht dem Zwecke einer Bestimmbarkeit des Leistungsanspruchs dienen, sondern dem Kläger sonstige mit der Bestimmbarkeit als solcher nicht im Zusammenhang stehende Informationen über seine Rechtsverfolgung verschaffen soll (BGH, Urteil vom 17.10.2012 – XII ZR 101/10, Rn. 13; BGH, Versäumnisurteil vom 06.04.2016 – VIII ZR 143/15, Rn. 15).
102
Diese Voraussetzungen des § 254 ZPO liegen im vorliegenden Fall nicht vor. Denn die Klägerin begehrt mit dem Klageantrag Ziffer 2.a) die Vorlage des Schadensminderungskonzepts gemäß § 17f Abs. 3 EnWG im Hinblick auf die Störung der Netzanbindung D[…]1 während eines bestimmten Zeitraums, um dafür einen Entschädigungsanspruch nach § 17e Abs. 1 S. 4 EnWG geltend machen zu können. Damit dient das Auskunftsbegehren in Ziffer 2.a) nicht dazu, den Leistungsanspruch in Ziffer 2.b) zu beziffern oder in sonstiger Weise zu konkretisieren. Vielmehr sollen damit der Klägerin Informationen zur Verfügung gestellt werden, um feststellen zu können, ob ihr ein Anspruch dem Grunde nach überhaupt zusteht. Der erforderliche Zusammenhang zwischen Auskunfts- und Leistungsbegehren fehlt aber, wenn die Auskunft der Klagepartei die Beurteilung ermöglichen soll, ob ihr dem Grunde nach ein Anspruch zusteht (vgl. BGH, Urteil vom 02.03.2000 – III ZR 65/99, Rn. 19).
103
Der Senat schließt sich insoweit nicht der Rechtsauffassung der Klägerin an, dass die spezialgesetzliche Entschädigungsregelung des § 17e Abs. 1 S. 4 EnWG den Vorsatz des Übertragungsnetzbetreibers allein bei der Höhe des Entschädigungsanspruchs berücksichtige. Die Frage, ob die Verzögerung vorsätzlich herbeigeführt wurde, betrifft nicht lediglich die Anspruchshöhe. Vielmehr gehört im Fall des § 17e Abs. 2 S. 2 EnWG der Vorsatz zum haftungsbegründenden Tatbestand (BGH, Urteil vom 13.11.2018 − EnZR 39/17 Rn. 66; OLG Nürnberg, Urteil vom 14.03.2022 – 3 U 2465/20). Gleiches gilt bei § 17e Abs. 1 S. 4 EnWG. Wie bei § 17e Abs. 2 EnWG ist der in § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG statuierte Entschädigungsanspruch nicht nur verschuldensunabhängig ausgestaltet, sondern weist noch eine weitere tatbestandliche Voraussetzung in Gestalt der Karenzzeit auf, und reduziert im Gegenzug den zu ersetzenden „Schaden“ um 10 Prozent. Schadenersatz i.S. der Totalreparation ist dagegen gemäß § 17e Abs. 1 S. 4 EnWG nur bei Vorsatz des Übertragungsnetzbetreibers geschuldet. Dies legt ein Verständnis nahe, dass § 17e Abs. 1 S. 4 EnWG im Verhältnis zu § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG eine selbstständige Haftungsnorm darstellt, die eine abweichende strengere i.S.v. weitergehende Haftung vorsieht (vgl. BGH, a.a.O. Rn. 69).
104
b) Da es vorliegend an dem erforderlichen Zusammenhang zwischen Auskunfts- und Leistungsbegehren fehlt, sind die Anträge Ziffern 1.a) und 1.b) in eine von der Stufung unabhängige objektive Klagehäufung umzudeuten, da anzunehmen ist, dass das Auskunftsbegehren auch unabhängig von der Stufung verfolgt werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 18.04.2002 – VII ZR 260/01, Rn. 21). Dies ergibt sich daraus, dass die Klagepartei – obwohl der Senat in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich auf das Nichtvorliegen der Voraussetzungen der Stufenklage hinwies und empfahl, den Klageantrag Ziffer 2.b) zurückzunehmen – an dem Zahlungsantrag festhielt.
105
Die Umdeutung hat zur Folge, dass – da die Klägerin ihren Zahlungsantrag nicht unabhängig von der Erteilung der Auskunft beziffern kann – dieser Antrag nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO als unzulässig abzuweisen ist (vgl. BGH, Urteil vom 26.05.1994 – IX ZR 39/93, Rn. 11 ff.).
106
2. Die Klägerin hat – worauf bereits das Landgericht und die Beklagte hinwiesen – die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Vorlage des Schadensminderungskonzepts nach § 17f Abs. 3 EnWG im Hinblick auf die Störung der Netzanbindung D[…]1 während des Zeitraums vom 25.12.2017 um 10:46 Uhr MEZ bis zum 17.02.2018 um 23:20 Uhr MEZ nicht dargetan.
107
a) Ein allgemeiner Auskunftsanspruch, der auf die Ausforschung der tatsächlichen Grundlagen und Beweismittel für etwaige Ansprüche gerichtet ist, besteht nicht (BGH, Urteil vom 28.07.2022 – I ZR 141/20, Rn. 122 – Elektronischer Pressespiegel II).
108
b) Der Klägerin steht auch kein Anspruch auf Vorlage des Schadensminderungskonzepts nach § 17f Abs. 3 S. 5 EnWG zu.
109
aa) Zum einen bezweckt die Vorschrift des § 17f Abs. 3 S. 5 EnWG keinen Individualrechtsschutz zugunsten von Windpark-Betreibern, d.h. auch nicht der Klägerin. Die nach dem Wortlaut von § 17f Abs. 3 S. 5 EnWG vorgesehene Pflicht zur Information auf der Internetseite des Übertragungsnetzbetreibers besteht lediglich gegenüber der Allgemeinheit, zumal die Informationspflicht im Kontext der Modalitäten des sogenannten Belastungsausgleichs angesiedelt ist. Durch den Belastungsausgleich werden im Ergebnis die Letztverbraucher belastet. Damit korrespondiert die Möglichkeit der Information über Schadensereignisse im Internet, einem Medium, das grundsätzlich jedermann zugänglich ist.
110
Nach dem Bundesgerichtshof dienen die Schadensminderungsmaßnahmen nach § 17f Abs. 3 Satz 1 EnWG im Ergebnis vor allem dazu, eine Belastung der Letztverbraucher mit Entschädigungskosten gegenüber den Betreibern von Offshore-Anlagen zu vermeiden und die möglichst störungsfreie Einspeisung des von Offshore-Anlagen erzeugten Stroms zu gewährleisten. Die Stromerzeugung auf Hoher See soll zur Verwirklichung der Klimaziele der Bundesregierung einen wesentlichen Beitrag zur Deckung des Gesamtenergiebedarfs der Bundesrepublik Deutschland leisten, um den Umbau des Energieversorgungssystems voranzutreiben (BGH, Urteil vom 12.07.2016 – EnVR 10/15, Rn. 25). Auch diese Ausführungen sprechen gegen ein subjektives Recht auf Offenlegung und Übermittlung eines Schadensminderungskonzepts gegenüber einem Windpark-Betreiber.
111
bb) Zum anderen hat nach § 17f Abs. 3 S. 5 EnWG der anbindungsverpflichtete Übertragungsnetzbetreiber zwar den Schadenseintritt, das der Bundesnetzagentur vorlegte Schadensminderungskonzept und die ergriffenen Schadensminderungsmaßnahmen zu dokumentieren und darüber auf seiner Internetseite zu informieren. Diese Informationspflicht bezieht sich nach dem klaren Gesetzeswortlaut jedoch lediglich darauf, dass ein Schaden eingetreten ist, sowie, dass der Bundesnetzagentur Schadensminderungskonzepte vorgelegt und Schadensminderungsmaßnahmen ergriffen worden sind. Pflichteninhalt ist damit weder eine Veröffentlichung des Schadensminderungskonzepts noch eine Vorlage dieses Konzepts an den Anlagenbetreiber. Das Schadensminderungskonzept selbst ist gemäß § 17f Abs. 3 S. 2 EnWG allein der Bundesnetzagentur vorzulegen.
112
c) Schließlich hat die Klägerin – worauf bereits das Landgericht und die Beklagten hinwiesen – die Voraussetzungen für den unselbständigen Auskunftsanspruch nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB nicht hinreichend dargelegt.
113
aa) Zur Vorbereitung der Durchsetzung eines Leistungsanspruchs, namentlich eines Schadensersatzanspruchs, kann unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben (§ 242 BGB) ein Auskunftsanspruch als Nebenverpflichtung begründet sein. Ein solcher setzt – wenn zwischen den Parteien vertragliche Beziehungen gegeben sind – voraus, dass für den Leistungsanspruch, dessen Durchsetzung die begehrte Auskunft vorbereiten soll, eine überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht. Bei gesetzlichen Ansprüchen muss sogar dargetan werden, dass der Leistungsanspruch dem Grunde nach tatsächlich vorliegt; es genügt nicht, dass das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen wahrscheinlich ist. Nur für die Schadensentstehung reicht die bloße Wahrscheinlichkeit (BGH, Urteil vom 18.02.2021 – III ZR 175/19, Rn. 44).
114
Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin die Vorlage des Schadensminderungskonzepts, um die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch nach § 17e Abs. 1 S. 4 EnWG darlegen und beweisen zu können. Die in dieser Vorschrift geregelte Haftungsverschärfung bei vorsätzlicher Herbeiführung der Störung ist – wie bereits unter Ziffer C.V.1.a) ausgeführt – ein (selbständiger) gesetzlicher Anspruch, da er nicht nur die Höhe des Entschädigungsanspruchs tangiert, sondern der Vorsatz ein anspruchsbegründendes Tatbestandsmerkmal für einen Anspruch nach § 17e Abs. 1 S. 4 EnWG ist. Daher ist nicht ausreichend, dass (unstreitig) der Klägerin der verschuldensunabhängige Anspruch gemäß § 17e Abs. 1 Satz 1 EnWG zusteht. Vielmehr müssen die Voraussetzungen für den Anspruch nach § 17e Abs. 1 S. 4 EnWG wegen vorsätzlicher Unterbrechung der Netzanbindung dem Grunde nach vollumfänglich dargetan und unter Beweis gestellt sein, damit ein vorbereitender Auskunftsanspruch gegeben ist.
115
bb) Die darlegungs- und beweisbelastete Klägerin hat einen Zahlungsanspruch nach § 17e Abs. 1 S. 4 EnWG nicht hinreichend dargetan.
116
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Betreiber eines Offshore-Windparks für einen Anspruch wegen vorsätzlicher Verzögerung der Netzanbindung nach § 17e Abs. 2 S. 2 EnWG u.a. darlegen, dass der anbindungsverpflichtete Übertragungsnetzbetreiber bewusst von Maßnahmen abgesehen hat, die aus seiner Sicht die Einhaltung des Fertigstellungstermins ermöglicht hätten. Darüber hinaus hat er zum Bewusstsein der Rechtswidrigkeit vorzutragen. Das bedeutet, dem Vortrag muss sich entnehmen lassen, inwieweit der Übertragungsnetzbetreiber die Ursachen der Verzögerung zu vertreten hat sowie dass er wusste bzw. billigend in Kauf nahm, dass er zu zusätzlichen Maßnahmen verpflichtet war, und dennoch um seines eigenen Vorteils willen bewusst davon absah (BGH, Urteil vom 13.11.2018 – EnZR 39/17, Rn. 72 ff.). Diese Kriterien zur subjektiven Vorwerfbarkeit lassen sich auf den Fall der vorsätzlichen Unterbrechung der Netzanbindung nach § 17e Abs. 1 S. 4 EnWG vollumfänglich übertragen.
117
Im vorliegenden Fall genügt der klägerische Vortrag nicht, um ein vorsätzliches Verhalten der Beklagten darzutun. Nicht ausreichend ist dafür insbesondere, dass die Störung am 25.12.2017 bis einschließlich zum 17.02.2018 andauerte und sich damit über einen sehr langen Zeitraum erstreckte, sowie dass der Evaluierungsbericht des BMWK als Regelfall von deutlich kürzeren Unterbrechungen ausgeht, zumal es sich bei dem zu behebenden Schaden unstreitig um die Beschädigung eines Seekabels handelte. Es handelt sich somit um eine bloße Vermutung der Klägerin, dass aus der Zeitdauer der Störung auf ein bewusstes Absehen von Entstörungsmaßnahmen durch die Beklagte geschlossen werden könnte.
118
In diesem Zusammenhang kann die vom Landgericht eingeholte amtliche Auskunft der Bundesnetzagentur vom 12.05.2021 – aus der sich die Akzeptanz des Schadensminderungskonzepts der Beklagten durch die Bundesnetzagentur ergibt – nicht unbeachtet bleiben. Zwar ist die Vorlage des Schadensminderungskonzepts in § 17f Abs. 3 S. 2 EnWG und nicht in § 17e EnWG geregelt. Nach § 17f Abs. 3 S. 4 EnWG kann jedoch die Beklagte einen Belastungsausgleich nach § 17f Abs. 1 S. 1 EnWG nur dann verlangen, wenn sie nachweist, alle möglichen und zumutbaren Schadensminderungsmaßnahmen unternommen zu haben. Dagegen ist eine Wälzung nach § 17f Abs. 2 S. 1 EnWG ausgeschlossen, wenn die Beklagte die Verzögerung oder Unterbrechung der Netzanbindung vorsätzlich im Sinne von § 17e Abs. 1 S. 4 bzw. Abs. 2 S. 2 EnWG verursachte. Vor diesem Hintergrund ist es auch für die Frage des Anspruchs nach § 17e Abs. 1 S. 4 EnWG ein Indiz gegen eine vorsätzliche Verzögerung seitens der Beklagten, dass die Bundesnetzagentur deren Schadensminderungskonzept für die Unterbrechung der Netzanbindung seit dem 25.12.2017 akzeptierte, keine Änderungen verlangte und die Einbeziehung der Kosten in den Belastungsausgleich nicht untersagte.
119
Der erstmals in der Berufung erfolgte und bestrittene Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 23.03.2023 zu den Gründen der Dauer der Unterbrechung unterfällt § 531 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 ZPO. Die Klägerin hat keine Umstände dafür dargetan, warum sie zu diesen Gründen unter Beachtung der allgemeinen Prozessförderungspflicht nicht bereits in erster Instanz vortrug.
120
Die zulässige Berufung der Beklagten ist ebenfalls vollumfänglich unbegründet.
121
Das Landgericht Bayreuth hat zutreffend entschieden, dass nach dem Ablauf des zeitlichen Selbstbehalts auch untertägige Nichtverfügbarkeiten der Netzanbindung zu entschädigen sind, wenn die – nach vollen Tagen zu berechnende – Selbstbehaltsfrist abgelaufen ist. Wie der Senat bereits im Urteil vom 14.03.2023 – 3 U 2465/20 ausführte, sprechen die besseren Argumente dafür, die insoweit entscheidungserhebliche Rechtsfrage dahin zu beantworten, dass auch für „untertägige“ Störungen eine Entschädigungspflicht besteht.
122
1. Der Wortlaut des § 17e Abs. 1 EnWG enthält keine klare Regelung zu dieser Frage. Einerseits spricht für eine Entschädigung für untertägige Störungen, dass nach § 17e Abs. 1 S. 2 EnWG auf den „entsprechenden Zeitraum der Störung“, der zu entschädigen ist, abzustellen ist. Andererseits nimmt die Regelung auf den „Tag der Störung, für den der Windpark-Betreiber eine Entschädigung erhält“ Bezug, was verdeutlicht, dass die Entschädigungszeiträume tagesscharf zu erfassen sind (wobei eine tagesscharfe Abrechnung nicht automatisch bedeutet, dass nur volle Tage zu entschädigen sind).
123
Zu berücksichtigen ist im Rahmen der Auslegung auch, dass im Zusammenhang mit den Karenzzeiten selbst nur ganze Tage zu berücksichtigen sind. Dieser Umstand zwingt jedoch nicht, auch die Entschädigung nur für volle Tage zu gewähren. Aus der Formulierung „ab dem 11. Tag“ folgt jedenfalls nicht zwingend, dass auch dieser 11. Tag vollständig von der Unterbrechung erfasst sein muss. Erst zum 01.01.2017 wurde § 17e Abs. 3 EnWG um die Bestimmung ergänzt, dass bei der Berechnung der Tage die vollen Stunden, in denen die Wartungsarbeiten vorgenommen werden, zusammengerechnet werden.
124
2. Die Gesetzessystematik spricht überwiegend dafür, dass sämtliche Nichtverfügbarkeiten der Netzanbindung außerhalb der zeitlichen Selbstbehalte des § 17e EnWG entschädigt werden sollen.
125
a) Das Verständnis, dass der 11. Tag nicht vollständig von der Unterbrechung erfasst sein muss, entspricht tendenziell der Regelung in § 187 Abs. 2 BGB. Danach wird der Tag, auf dessen Beginn es ankommt – vorliegend der 11. Tag nach Auftreten der Unterbrechung – bei der Berechnung einer Frist mitgezählt. Dies legt ein allgemeines Verständnis nahe, dass der Tag, dessen Beginn für bestimmte Rechtsfolgen maßgeblich sein soll, bereits zu dem Zeitraum zählt, in dem diese Rechtsfolgen gelten.
126
b) Aus einem Umkehrschluss aus § 17e Abs. 2 S. 3 EnWG (und der Änderung zur Berechnung des Selbstbehalts bei Wartungen durch die Einführung des § 17e Abs. 3 S. 2 EnWG zum 01.01.2017) kann ein Indiz für die Relevanz von untertägigen Störungen für die Entschädigungspflicht entnommen werden.
127
Der Gesetzgeber hat die Entschädigungsregelung des § 17e Abs. 3 EnWG mit Wirkung zum 01.01.2017 um einen Satz 2 ergänzt. Nunmehr sollen bei der Berechnung des zeitlichen Selbstbehalts von zehn Tagen die vollen Stunden, in denen die Wartungsarbeiten vorgenommen werden, zusammengerechnet werden. Diese Bestimmung ist ihrem Wortlaut nach anders strukturiert als § 17e Abs. 1 EnWG und knüpft daran an, dass an Tagen wartungsbedingte Unterbrechungen gegeben waren, was bedeutet, dass hier keine fortdauernde Unterbrechung erfolgt sein muss, um den zeitlichen Selbstbehalt zu überschreiten. Insoweit liegt ein relevanter Unterschied zwischen beiden Regelungen vor, doch lässt dies keine sicheren Schlüsse darauf zu, wie der nächste von einer Unterbrechung betroffene Tag zu behandeln sein soll.
128
Da allerdings die Norm des § 17e Abs. 3 EnWG zeigt, dass der Gesetzgeber untertägige Unterbrechungen durchaus vor Augen hatte, und keine klare Aussage dazu getroffen hat, dass diese für die zu entschädigenden Zeiträume nach Ablauf der Selbstbehaltsfristen nicht relevant sein sollen, lässt sich ein gewisses Argument für eine Entschädigungsrelevanz von untertägigen Störungen ableiten.
129
3. Den Gesetzesmaterialien kann kein gesetzgeberischer Wille dahingehend entnommen werden, dass Tage, an denen in zeitlicher Hinsicht zumindest teilweise eine Einspeisung möglich ist, bei der Berechnung der Entschädigungszahlungen nicht zu berücksichtigen seien.
130
a) Auszugehen ist davon, dass dem Gesetzgeber klar gewesen sein muss, dass Unterbrechungen nicht mit Kalendertagesbeginn beginnen und enden. Technisch möglich ist eine engermaschige Erfassung, da Übertragungsnetzbetreiber und Windpark-Betreiber eine Erfassung und Abrechnung der eingespeisten Strommengen im Viertelstundentakt pflegen. Selbst wenn der Gesetzgeber von einer entsprechend detaillierten Erfassung nicht ausgegangen wäre, würde dies einer anteiligen Berechnung nicht entgegenstehen.
b) Die Ausführungen in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/10754 S. 27)
131
Die Verpflichtung des Übertragungsnetzbetreibers zur Entschädigung besteht ab dem elften Tag der ununterbrochen gestörten Einspeisung; Tage, an denen zumindest teilweise eine Einspeisung möglich ist, sind bei der Berechnung nicht zu berücksichtigen.
beziehen sich insgesamt – also auch der zweite Halbsatz – allein auf die Berechnung des Selbstbehalts. Dies ergibt sich bereits aus dem nachfolgenden Satz der Gesetzesbegründung, der sich auf den maximalen zeitlichen Selbstbehalt des § 17e Abs. 1 Satz 3 EnWG bezieht:
132
Soweit jedoch an insgesamt mehr als 18 ganzen Tagen Störungen an der betreffenden Anbindungsleitung aufgetreten sind, ist vorgesehen, dass der Entschädigungsanspruch des Betreibers der Offshore-Windanlage unmittelbar ab dem 19. Tag besteht.
133
Aus diesen Angaben kann nicht der Schluss gezogen werden, dass diese Rechenregel auch für die nachfolgende Zeit – also nach Ablauf der Selbstbehaltsfrist – gelten muss. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Gesetzgeber diese Ausführungen als allgemeine Aussage gemeint hat, die sowohl für die Selbstbehaltsfrist als auch für die Ermittlung der Entschädigungshöhe gelten solle.
134
c) Der Umstand, dass der Gesetzgeber wollte, dass der zu ersetzende Schaden „tagesscharf“ berechnet wird (BT-Drucksache 17/10754, S. 27), bedeutet nicht, dass nur ganze Tage zählen sollen. Die erstrebte Orientierung daran, welcher Ertrag aufgrund der Windverhältnisse an jedem von einer Unterbrechung betroffenen Tag entgangen ist, lässt sich unschwer auch dadurch erzielen, dass die an dem Tag zu erwartende Strom-/Vergütungsmenge nach dem Dreisatz auf den Teil des Tages heruntergerechnet wird. Auf diese Weise wird auch eine Überkompensation, wie sie der Gesetzesbegründung nach vermieden werden sollte, ausgeschlossen.
d) Die Passagen in den Gesetzesmaterialien
135
Soweit jedoch an insgesamt mehr als 18 ganzen Tagen Störungen […] aufgetreten sind, ist vorgesehen, dass der Entschädigungsanspruch […] unmittelbar ab dem 19. Tag besteht. Ist also die Anbindungsleitung schon mindestens 18 Tage im Jahr gestört gewesen, […] erhält der betroffene Betreiber […] bei einer weiteren Störung unmittelbar ab dem ersten Tag der Störung die Entschädigung […] die jeweils das Wort „unmittelbar“ enthalten, sprechen für eine Entschädigung von untertägigen Störungen nach Ablauf der Karenzzeit.
136
4. Sinn und Zweck der Entschädigungsregelungen sprechen nach Auffassung des Senats überwiegend dafür, kurzfristige Störungen etc. nicht stets kompensationslos zu lassen.
137
a) Die verschuldensunabhängige Entschädigungspflicht stellt einen Ausgleich dafür dar, dass ein Windpark-Betreiber erhöhten Risiken ausgesetzt ist (BGH, Urteil vom 13.11.2018, EnZR 39/17, Rn. 24), u.a. auch deshalb, weil der Übertragungsnetzbetreiber die Komponenten nicht redundant auslegen muss, was ihm erhebliche Kosten erspart. Die dadurch erhöhte Gefahr längerer Störungen ist damit dem Übertragungsnetzbetreiber zugewiesen, zumal er durch geeignete Maßnahmen wie Wartung und Schulung der Betriebsmannschaft beeinflussen kann, ob und wie lange es zu Unterbrechungen kommt. Die Karenzzeit trägt dabei dem Umstand Rechnung, dass erfahrungsgemäß auch bei den üblichen Anstrengungen Unterbrechungen auftreten können, und der Windpark-Betreiber die Folgen solcher Unterbrechungen typischen Ausmaßes auch dann zu tragen hätte, wenn er selbst für den Leitungsbetrieb verantwortlich wäre; (nur) in diesem Umfang soll auch er am unternehmerischen Risiko beteiligt werden (BGH, a.a.O. Rn. 25, 30).
138
b) Nicht außer Acht gelassen werden kann in diesem Zusammenhang, dass der Gesetzgeber die Entschädigungspflicht zwischen Windpark-Betreiber und Übertragungsnetzbetreiber auf Grund einer gestörten Anbindungsleitung in § 17e EnWG grundsätzlich abschließend geregelt hat (BT-Drs. 17/10754, Seite 27). So regelt die Vorschrift die zeitlichen und finanziellen Selbstbehalte des Windpark-Betreibers sehr detailliert. Durch diese Selbstbehalte soll auch der Betreiber der Offshore-Anlage am unternehmerischen Risiko beteiligt werden (BT-Drs. 17/10754, Seite 27).
139
Da nur vereinzelt Störungen beseitigt bzw. Wartungen durchgeführt werden, die einen ganz Tag andauern (Evaluierungsbericht gemäß § 17i EnWG des BMWi vom 22.04.2016, Seite 3), würde – wenn untertägige Störungen nicht zu ersetzen wären – der zeitliche Selbstbehalt des Windpark-Betreibers in vielen Fällen faktisch über die zehn Tage hinaus verlängert. Dies widerspräche aber dem Willen des Gesetzgebers, der die Selbstbehalte des Windpark-Betreibers in § 17e EnWG abschließend regeln wollte.
140
Der Gesetzgeber hat im Hinblick auf die Karenzzeit in § 17 e Abs. 1 EnWG angeordnet, dass die Unterbrechung 10 (aufeinanderfolgende) Tage betragen muss und die Entschädigung ab dem 11. Tag zu leisten ist. Dies besagt jedoch nur, dass die Unterbrechungsdauer 10 volle Tage betragen muss, d.h. hier Zusammenrechnungen jeglicher Art unterbleiben müssen. Würde anschließend eine Entschädigungspflicht erst für jeden weiteren vollen Tag eintreten, würde sich die Karenzzeit um 10% verlängern. Dies dürfte nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprochen haben, da die Festlegung auf 10 Tage dafür spricht, dass damit der Selbstbehalt abschließend festgelegt sein und sich nicht noch zusätzlich um einen weiteren Tag erhöhen sollte.
141
c) Das Argument, Entschädigungszahlungen müssten über die Offshore-Netzumlage als Aufschlag auf die Netzentgelte von den Letztverbrauchern getragen werden, und eine solche Sozialisierung der Risiken bzw. Verluste von Windpark-Betreibern sei nicht geboten, ist rechtspolitischer Art und kann daher nicht das entscheidende Gewicht haben.
142
Beachtlicher dürfte zwar die Überlegung sein, dass die Sozialisierung von wirtschaftlichen Risiken der beteiligten Unternehmen und insoweit auch die Entschädigungsregelungen in § 17e EnWG eine Ausnahme darstellen und deshalb die Bestimmungen restriktiv auszulegen sind. Insoweit mag man den Standpunkt einnehmen können, dass den Windpark-Betreibern nur schwerwiegende Nichtverfügbarkeitsrisiken abgenommen werden sollten. Der Senat kann aber nicht die weitere Überlegung teilen, dass untertägige Störungen nicht zu diesen gehören sollten; vielmehr hat der Gesetzgeber durch die Karenzzeiten zum Ausdruck gebracht und entschieden, wo er die Schwelle sieht.
143
Soweit das Landgericht der Klägerin eine Entschädigung in Höhe von 19,4 Cent pro Kilowattstunde zugesprochen hat, liegt eine zulässige Berufung der Beklagten vor. Zwar erlangt die Höhe des Entschädigungssatzes grundsätzlich erst im nachfolgenden Betragsverfahren eine endgültige Bedeutung. Die Auslegung des Grundurteils ergibt jedoch, dass das Landgericht darin mit Bindungswirkung für die Betragsstufe über den Entschädigungssatz als Grundlage für die Berechnung der Entschädigung nach § 17e Abs. 1 EnWG entscheiden wollte (vgl. dazu bereits unter Ziffer C.I.1.b)). Dies zeigt sich insbesondere darin, dass es in Ziffer 1. des Tenors des landgerichtlichen Urteils heißt, dass die Klage „in Antrag 1) – mit einem Entschädigungssatz von 19,4 Cent/kWh mal 0,90 – dem Grunde nach gerechtfertigt“ sei.
144
Die Berufung ist jedoch unbegründet, da die Rechtsauffassung des Landgerichts – dass für sämtliche Störungszeiträume dem Grunde nach Entschädigung zu einem Entschädigungssatz von 19,4 Cent/kWh mal 0,90 zu gewähren sei – zutreffend ist. Der Senat hat diese Rechtsfrage bereits entschieden (OLG Nürnberg, Beschluss vom 21.09.2020 – 3 U 1099/20). Er hält an der darin geäußerten Rechtsauffassung fest, zumal der Bundesgerichtshof am 22.02.2022 die Nichtzulassungsbeschwerde gegen diesen Beschluss zurückwies (Az. EnZR 71/20). Eine andere Beurteilung ist nicht deshalb veranlasst, weil der Senats-Entscheidung vom 21.09.2020 ein Entschädigungszeitraum vom 01.01.2015 bis zum 31.03.2015 zugrunde lag, während die Klägerin im hiesigen Verfahren eine Entschädigung für einen Zeitraum im Jahr 2018 geltend macht.
145
1. Vor dem „Gesetz zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien“ vom 13.10.2016 (BGBl. 2016 Teil I Nr. 49, 2258) – also bis einschließlich zum 31.12.2016 – stand dem Windpark-Betreiber eine Entschädigung i.H.v. 90% der nach § 19 EEG 2014 i. V. m. § 50 EEG 2014 im Fall der Einspeisung erfolgenden Vergütung zu. Gemäß § 50 Abs. 3 S. 1 EEG 2014 betrug der anzulegende Wert im sog. optionalen Stauchungsmodell in den ersten acht Jahren ab der Inbetriebnahme der Windkraftanlage 19,4 ct/kWh. Aufgrund der Rechtsfolgenverweisung in § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG betrug die Entschädigungshöhe nach § 17e EnWG bei diesen Windkraftanlagen daher ebenfalls 19,4 ct/kWh. Dies ergibt die Auslegung der maßgeblichen Vorschriften des Gesetzes:
146
a) Auszugehen ist vom Wortlaut des Gesetzes, der bei Anlagen wie die klägerische Offshore-Windenergieanlage, die ihren Strom im Marktprämienmodell vermarkten, eindeutig auf eine Berechnungsgrundlage in Höhe von 19,4 ct/kWh abstellte.
147
Nach der damals geltenden Norm des § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG 2014 konnte der Betreiber der Windenergieanlage auf See wegen einer Störung der Netzanbindung für entstandene Vermögensschäden eine Entschädigung in Höhe von 90 Prozent der nach § 19 EEG in Verbindung mit § 50 EEG im Fall der Einspeisung erfolgenden Vergütung verlangen.
148
Die Spezialvorschrift des § 50 EEG 2014 konkretisierte den allgemeinen Förderanspruch nach § 19 Abs. 1 EEG 2014 für die Windenergie auf See und lautete in Abs. 3 S. 1 wie folgt:
„Wenn vor dem 01.01.2020 die Windenergieanlage auf See in Betrieb genommen oder ihre Betriebsbereitschaft unter den Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 hergestellt worden ist, beträgt der anzulegende Wert abweichend von Absatz 1 in den ersten acht Jahren ab der Inbetriebnahme der Anlage 19,40 Cent pro Kilowattstunde, wenn dies der Anlagenbetreiber vor Inbetriebnahme der Anlage von dem Netzbetreiber verlangt.“
149
Damit legte der Gesetzeswortlaut im Stauchungsmodell eine Berechnungsgrundlage in Höhe von 19,4 ct/kWh zugrunde. Erst der mit Einführung des EEG 2017 zum 01.01.2017 geänderte Wortlaut sieht einen Abzug von 0,4 ct/kWh vor.
150
Eine andere Auslegung der damaligen Vorschrift ist auch nicht deshalb veranlasst, weil § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG 2014 an die „im Fall der Einspeisung erfolgenden Vergütung“ anknüpfte. Zwar ist grundsätzlich zutreffend, dass der EEG-Gesetzgeber in § 19 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EEG 2014 zwischen einem Anspruch auf Zahlung einer Marktprämie und einem Anspruch auf Zahlung einer Einspeisevergütung unterschied. Daraus folgt jedoch nicht, dass die Regelung in § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG (2014) ausschließlich im Sinne einer Einspeisevergütung gemäß § 19 Abs. 1 Nr. 2 EEG (2014) auszulegen war. Vielmehr sollte die Entschädigung allgemein den Verlust der Einspeiseerlöse kompensieren, der durch die Verzögerung der Fertigstellung der Anbindungsleitung eingetreten ist (Broemel, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl. 2015, § 17e Rn. 27). Anderenfalls hätte § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG 2014 nur auf die Vorschrift des § 19 Abs. 1 Nr. 2 EEG (2014) Bezug genommen.
151
b) Bestätigt wird diese Auslegung durch die Gesetzeshistorie:
152
Die Vorschrift des § 17e EnWG 2012 verwies zunächst auf § 16 EEG 2012, der mit „Vergütungsanspruch“ überschrieben war. Seit dem Gesetz für den Ausbau erneuerbarer Energien vom 21.7.2014 ersetzte der neu gefasste und mit „Förderanspruch für Strom“ überschriebene § 19 EEG 2014 den bisherigen § 16 EEG 2012; er sollte aber weiterhin die zentrale Anspruchsgrundlage für die finanzielle Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien unter dem EEG 2014 darstellen (BT-Drs. 18/1304, 125). Eine Änderung des § 17e EnWG erfolgte nicht; bei der darin zunächst weiterhin enthaltenen Bezugnahme auf § 16 EEG (anstatt § 19 EEG) handelte es sich um ein redaktionelles Versehen (vgl. Broemel, in: Britz/Hellermann/Hermes, EnWG, 3. Aufl. 2015, § 17e). Erst mit dem Gesetz zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien vom 13.10.2016 wurde in § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG (n. F.) der Begriff „Vergütung“ mit dem Begriff „Zahlungsanspruch“ ersetzt. Diese Änderungen sollte die Terminologie an die des EEG 2016 anpassen (BT-Drs. 18/8860, 337). Auch vor diesem Hintergrund kann aus dem verwendeten Begriff der „Vergütung“ nicht der Schluss gezogen werden, dass nur auf die Höhe der gesetzlichen Einspeisevergütung verwiesen wird.
153
Darüber hinaus ist von Bedeutung, dass es sich bei der Aufnahme des Zusatzes „abzüglich 0,4 Cent pro Kilowattstande“ in § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG (2017) ausweislich der Gesetzesbegründung nicht um eine klarstellende Korrektur, sondern um eine Änderung der Rechtslage handelte (BT-Drs. 18/8860, 337). So ist in der Gesetzesbegründung zum EEG 2017 ausgeführt, dass von der Höhe des Zahlungsanspruchs nach den §§ 19, 47 EEG 2017 im Falle der Einspeisevergütung 0,4 ct/kWh abzuziehen sind, wenn der Windpark-Betreiber den Strom nicht direkt vermarkte oder vermarkten lasse, sondern dem Netzbetreiber kaufmännisch bilanziell überlasse. Der Gesetzgeber begründete dies damit, dass die zusätzlichen Kosten, die mit der Direktvermarktung des Stroms verbunden sind, im Fall der Nichtverfügbarkeit der Netzanbindung nicht oder zumindest im verringerten Umfang anfallen. Er machte damit deutlich, dass mit der Neuregelung keine Klarstellung, sondern eine Änderung der Rechtslage in Form eines nunmehr verringerten Entschädigungsanspruchs erfolgen solle. Dafür spricht auch die Übergangsvorschrift des § 118 Abs. 21 EnWG n.F. (dazu nachfolgend unter Ziffer D.II.2).
154
c) Dieses Auslegungsergebnis wird bestätigt durch die systematische Auslegung, also der Berücksichtigung des Regelungsumfeldes.
155
Soweit die Beklagte geltend macht, dass § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG (2014) durch die umfassend in Bezug genommene Regelung des § 19 EEG (2014) auch auf § 37 Abs. 3 S. 2 EEG (2014) verweise, der anordne, dass von dem dort geregelten anzulegenden Wert (19,4 ct/kWh) 0,4 ct/kWh abzuziehen seien, folgt der Senat dem nicht, denn § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG (2014) verwies sowohl auf § 19 Abs. 1 Nr. 1 EEG (2014) als auch auf § 19 Abs. 2 Nr. 2 EEG (2014), je nachdem, welcher Förderanspruch den Anlagen zugrunde lag. Für Anlagen wie die Offshore-Windenergieanlagen der Klägerin – die den Strom im Marktprämienmodell vermarktet – galt lediglich § 19 Abs. 1 Nr. 1 EEG (2014), bei der ein Verweis auf § 37 EEG (2014) fehlte. Ferner ist § 37 EEG (2014) – und somit auch die darin enthaltene Möglichkeit, vom Netzbetreiber eine Einspeisevergütung anstelle der Marktprämie zu verlangen – nach § 37 Abs. 2 EEG (2014) nur auf „kleine“ Anlagen anwendbar, also nicht auf den Offshore-Windpark der Klagepartei, dessen 40 Windenergieanlagen jeweils über eine Nennleistung von 5 MW verfügen.
156
Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass – auch wenn schadenersatzrechtliche Kategorien bei der Auslegung und Anwendung der Bestimmung heranzuziehen sind, soweit dies geboten ist, den Normzweck zu verwirklichen – § 17e EnWG keinen Schadensersatzanspruch, sondern einen spezialgesetzlichen verschuldensunabhängigen Entschädigungsanspruch sui generis beinhaltet. Da der Gesetzgeber entscheidet, wie nahe die Entschädigung am (konkreten) Schadensersatz ausgerichtet sein soll, war es im Hinblick auf die Höhe der Entschädigung nach § 17e EnWG a.F. unerheblich, dass dem Betreiber des Offshore-Windparks aufgrund der Verzögerung tatsächlich keine Mehrkosten für die Direktvermarktung des Stroms entstanden sind, deren Ausgleich ursprünglich mit der Managementprämie bezweckt war. Der Anlagenbetreiber soll im Rahmen des § 17e EnWG weder darlegen noch beweisen, welche Kosten ihm aufgrund der eingetretenen Verzögerung entstanden sind und ob diese erforderlich waren. Dies dient dem Zweck, die Vorhersehbarkeit möglicher Entschädigungsfolgen sowohl für den Netzbetreiber als auch für Investoren zu erhöhen (BGH, Urteil vom 13.11.2018 – EnZR 39/17 Rn. 59).
157
d) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der teleologischen Auslegung der einschlägigen Vorschriften, also der Ermittlung ihres objektiven Zwecks unter Berücksichtigung der Gesetzesmaterialien.
158
Zu berücksichtigen ist insbesondere der allgemeine Zweck des Dritten Gesetzes zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften vom 20.12.2012, mit welchem die Vorschrift des § 17e Abs. 1 S. 1 EnWG 2014 eingeführt wurde. Der Gesetzesentwurf führt dazu aus:
159
Die Stromerzeugung auf Hoher See im Wege von Offshore-Erzeugungsanlagen soll zukünftig einen wesentlichen Beitrag zur Deckung des Gesamtenergiebedarfs der Bundesrepublik Deutschland leisten. […] Technologische Unsicherheiten und Haftungsrisiken bei verspäteter Errichtung oder bei Störung der Anbindungsleitung stellen derzeit ein Investitionshindernis für private Investoren dar. Ziel des Gesetzes ist es, […] eine Entschädigungsregelung für den Fall einer Verzögerung der Errichtung oder einer Störung des Betriebs der Netzanbindung von Offshore-Erzeugungsanlagen einzuführen (BT-Drs. 17/10754, 1).
160
Die Bundesregierung verfolgt seit dem Energiekonzept 2010 das Ziel, die Erzeugungsleistung aus Offshore-Windenergieanlagen bis zum Jahr 2030 auf 25 Gigawatt zu erhöhen, um den Umbau des Energieversorgungssystems voranzutreiben. […] Ziel der Entschädigungsregelung in den §§ 17e ff. ist es, den notwendigen Ausbau der Offshore-Windenergie und die Errichtung der erforderlichen Anbindungen an das Onshore-Netz zu beschleunigen, um das Ziel, bis 2030 25 GW Erzeugungsleistung im Offshore-Bereich installiert zu haben, zu erreichen.
161
Diesen allgemeinen Ausführungen in den Gesetzesmaterialien kann der Wille des Gesetzgebers entnommen werden, die Finanzierbarkeit von Windkraftanlagen zu erhöhen. Dies spricht dafür, den Entschädigungsanspruch für den Fall, dass die Stromeinspeisung an der Verzögerung oder Störung der Anbindungsleitung scheitert, nicht durch Reduzierungen niedrig ausfallen zu lassen.
162
2. Aufgrund der Übergangsregelung des § 118 Abs. 21 EnWG – wonach für Windenergieanlagen auf See, die eine unbedingte Netzanbindungszusage nach § 118 Abs. 12 EnWG oder eine Kapazitätszuweisung nach § 17d Abs. 3 S. 1 EnWG in der am 31.12.2016 geltenden Fassung erhalten haben, die §§ 17d und 17e EnWG in der am 31.12.2016 geltenden Fassung anzuwenden sind – ist eine andere Beurteilung nicht deshalb veranlasst, weil die Klägerin im hiesigen Verfahren eine Entschädigung für einen Zeitraum im Jahr 2018 geltend macht.
163
a) Die Voraussetzungen des § 118 Abs. 21 EnWG sind vorliegend erfüllt.
164
Die Übergangsregelung differenziert im Hinblick auf das anzuwendende Recht nicht danach, für welchen Zeitraum Entschädigung geltend gemacht wird. Maßgeblich für die Anwendung der gesetzlichen Entschädigungsregelung in der bis zum 31.12.2016 geltenden Fassung ist lediglich, ob die Betreiber des Offshore-Windparks über eine unbedingte Netzanbindungszusage gemäß § 118 Abs. 12 EnWG oder eine Kapazitätszuweisung nach § 17d Abs. 3 Satz 1 EnWG in der am 31.12.2016 geltenden Fassung verfügen.
165
Unbedingte Netzanbindungszusagen nach § 118 Abs. 12 EnWG sind solche, die dem jeweiligen Windpark-Betreiber bis zum 29.08.2012 durch den zuständigen Übertragungsnetzbetreiber erteilt wurden. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte der Klägerin (unstreitig) eine unbedingte Netzanbindungszusage am 05.07.2010 erteilt (Anlage K 38).
166
b) Mit der Übergangsregelung des § 118 Abs. 21 EnWG hat der Gesetzgeber klargestellt, dass sich der erst seit dem 01.01.2017 geltende Abzug von 0,4 Cent pro Kilowattstunde nicht auf Bestandsanlagen erstreckt, die über eine unbedingte Netzanbindungszusage verfügen. Erst die ab dem 01.01.2017 geltende Fassung des § 17e EnWG sieht vor, dass von der Entschädigung ein Abzug von 0,4 Cent pro Kilowattstunde vorzunehmen ist.
167
Nach dem Gesetzentwurf handelt es sich um eine Übergangsregelung für solche Windenergieanlagen auf See, die bereits über eine unbedingte Netzanbindungszusage oder eine Kapazitätszuweisung verfügen. Diese sollen nach dem bisherigen Recht behandelt werden (BT-Drs. 18/8860, 339). Die Übergangsbestimmung erklärt sich dadurch, dass der in § 17d und § 17e EnWG geregelte Netzanschlussanspruch für Windenergieanlagen auf See zum 01.01.2017 neu geregelt worden ist. Sie stellt daher sicher, dass Netzanschlussansprüche, die einmal unter Geltung des alten Rechts erworben worden sind, nicht nachträglich ausgehöhlt oder entwertet werden (Peiffer, in BeckOK EnWG, 6. Ed. 01.03.2023, § 118 EnWG Rn. 78).
168
Diese Übergangsvorschrift regelt daher nicht eine Rückwirkung einer „Korrektur“, sondern im Gegenteil die Fortdauer der Anwendbarkeit der bis dahin geltenden EnWG-Vorschriften. Wäre der Gesetzgeber von einem Irrtum oder einer klarstellungsbedürftigen Gesetzeslage ausgegangen, hätte es nahegelegen, eine Korrektur rückwirkend anzuwenden.
169
Es handelt sich vor diesem Hintergrund bei der Regelung in § 118 Abs. 21 EnWG auch nicht um ein Redaktionsversehen des Gesetzgebers. Vielmehr sprechen die Gesetzesmaterialien und der Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens dafür, dass der Gesetzgeber über die Übergangsregelung des § 118 Abs. 21 EnWG die Neuregelung der Entschädigungshöhe (Abzug von 0,4 ct/kWh) unter Vertrauensschutzgesichtspunkten ganz bewusst nicht auf solche Anlagen erstrecken wollte, die über eine unbedingte Netzanbindungszusage nach § 118 Abs. 12 EnWG oder eine Kapazitätszuweisung nach § 17d Abs. 3 Satz 1 EnWG verfügen. Sowohl der Abzug von 0,4 ct/kWh in § 17e Abs. 1 Satz 1 als auch die Übergangsregelung in § 118 Abs. 21 EnWG wurden zeitgleich mit dem Gesetz zur Einführung von Ausschreibungen für Strom aus erneuerbaren Energien und zu weiteren Änderungen des Rechts der erneuerbaren Energien vom 13.10.2016 eingeführt.
170
Der Streitwert für das Berufungsverfahren von insgesamt 5.386.780,17 € wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG, § 3 ZPO bestimmt und entspricht der erstinstanzlichen Festsetzung, gegen die sich die Parteien nicht gewandt haben. Der Senat sieht daher insbesondere keine Veranlassung, von der erstinstanzlichen Bemessung der Stufenklage mit 500.000,00 € abzuweichen. Dabei entfällt auf die Berufung der Beklagten entsprechend des Vorbringens auf Seite 6 ihrer Berufungsbegründung ein rechnerischer Betrag in Höhe von 1.989.079,08 € und auf die Berufung der Klägerin ein rechnerischer Betrag von 3.397.701,09 €.
171
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1, § 92 Abs. 1 S. 1 ZPO. Da beide Berufungen zurückgewiesen werden, kann – obwohl das Landgericht durch Grundurteil entschied und die Kostenentscheidung der Schlussentscheidung vorbehielt – über die Kosten des Berufungsverfahren eine Entscheidung getroffen werden. Denn § 97 Abs. 1 ZPO enthält einen Fall der Kostentrennung und legt die Kosten eines endgültig erfolglosen Rechtsmittels immer dem Rechtsmittelkläger auf (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.03.2014 – I-23 U 112/13, Rn. 2).
172
Ein Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils (§ 708 Nr. 10 S. 2 ZPO) war nicht veranlasst, weil das angefochtene Grund- und Teilurteil keinen vollstreckungsfähigen Inhalt aufweist. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Berufungsurteils beruht auf § 708 Nr. 10 S. 1, § 711 ZPO; einen vollstreckungsfähigen Inhalt weist die Entscheidung im Hinblick auf Ziffer 2. auf.
173
Die Revision zum Bundesgerichtshof war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, da die vorliegende Entscheidung auf der Behandlung zahlreicher Rechtsfragen beruht, zu denen bisher eine Klärung in Rechtsprechung und Literatur noch nicht erfolgt ist, die sich aber in einer Vielzahl von Fällen noch stellen können.