Titel:
Anspruch auf Kostenerstattung nach einer Borrelioseinfektion
Normenketten:
VVG § 192
MB/KK § 1 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die ärztliche Verordnung einer Methode der Heilbehandlung bestätigt noch nicht ihre Notwendigkeit. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die medizinische Notwendigkeit einer Heilbehandlung ist erst gegeben, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Krankenversicherung, Heilbehandlung, medizinische Notwendigkeit, Borreliose, Vitamine
Fundstelle:
BeckRS 2023, 13577
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 846,93 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten um Kosten aus einer Krankheitskostenversicherung.
2
Die Klägerin unterhält bei der Beklagten eine beihilfeergänzende private Krankenversicherung, u.a. nach dem Tarif KB30, auf den die Allgemeinen Versicherungsbedingungen (AVB) für die Krankheitskosten und Krankenhaustagegeldversicherung (Anlage B 1) nebst Tarifbedingungen Anwendung finden. Nach dem vereinbarten Tarif muss die Beklagte die Kosten für ambulante Heilbehandlungen zu 30% erstatten.
3
Die Klägerin begab sich wegen einer chronischen Borreliose und eines Infektes, welcher zu verschiedenen Beschwerden führte, zunächst 23.03.2020 in Behandlung. Es wurden u.a. diagnostische Maßnahmen in Form von Messung von Entzündungsparametern, Erhebung eines kleinen Blutbildes sowie Serumswerte und Untersuchung auf Antikörper gegen Chlamydien durchgeführt. Die behandelnden Ärzte Dr. und Dr. B^Mführten sodann eine Behandlung mittels großer Ozoneigenbluttherapie, Infusionen und Vitaminen und Spurenelementen, insbesondere Vitamin C, Calcium, Magnesium, Zink, Kupfer, Mangan, Vitamin B 1, Vitamin B6, Vitamin B12 und Folsäure durch. Gegen die Rückenschmerzen wurde eine Schmerztherapie durchgeführt mittels Injektionen von Procain an schmerzhaften Triggerpunkten und lokalen schmerzhaften Bereichen. Die Therapie wurde am 25.05.2020 abgeschlossen. Streitgegenständlich sind die Rechnungen vom 14.04.2020, 28.04.2020, 08.05.2020 25.05.2020 und 29.05.2020.
4
Ende August 2021 begab sich die Beklagte erneut wegen anhaltender Beschwerden in Behandlung bei Dr. Sie wurde mit Aderlass, Eigenbluttherapie sowie der Infusion verschiede ner Medikamente therapiert. Streitgegenständliche sind weiter die Rechnungen vom 17.11.2021 und 18.11.2021.
5
Auf die eingereichten Rechnungen wurden von der Beklagten nur teilweise Erstattungen geleistet.
6
Die Klagepartei hatte zunächst beantragt die Beklagte zur Zahlung von 480,95 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten hieraus der 20.10.2020 sowie weitere 90,96 € zu verurteilen. Später wurde die Klage erweitert und zuletzt beantragt, die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 846,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten aus einem Betrag in Höhe von 480,95 € seit 22.10.2020, sowie aus einem Betrag von 365,98 € seit 28.01.2020 sowie weitere 90,96 € zu bezahlen.
7
Die Beklagte hat beantragt die Klage abzuweisen.
8
Die Beklagte bestreitet insbesondere die medizinischer Notwendigkeit der streitgegenständlichen Behandlungsmaßnahmen.
9
Die Parteien haben sich mit einer Sachbehandlung nach § 128 Abs. 2 ZPO einverstanden erklärt. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
10
Die zulässige Klage hat keinen Erfolg.
11
Die Klagepartei kann von der Beklagten nicht die Zahlung von (weiteren) 846,93 € verlangen.
12
Die Beklagte erbringt Leistungen nur im Versicherungsfall, also bei Vorliegen einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung aufgrund Krankheit oder Unfallfolgen (§ 1 Abs. 2 AVB). Vorliegend konnte die Klagepartei nicht den Nachweis erbringen, dass die streitgegenständlichen Behandlungsmaßnahmen medizinisch notwendig waren.
13
Die medizinische Notwendigkeit bestimmt sich nach objektiven Kriterien (vgl. BGHZ 133, 208; BGHZ 184, 61), so dass die ärztliche Verordnung einer Methode noch nicht ihre Notwendigkeit bestätigt. Diese ist vielmehr erst gegeben, wenn es nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung vertretbar war, sie als notwendig anzusehen (vgl. BGHZ 133, 208). Vertretbar ist eine Heilbehandlung dann, wenn sie in fundierter und nachvollziehbarer Weise das zugrunde liegende Leiden diagnostisch hinreichend erfasst und eine ihm adäquate, geeignete Therapie anwendet. Davon ist wiederum auszugehen, wenn eine Behandlungsmethode zur Verfügung steht und angewendet wird, die eigentlich die Krankheit zu heilen, zu lindern oder ihrer Verschlimmerung entgegenzuwirken.
14
Das Gericht hat schriftliche Sachverständigengutachten (Gutachten vom 26.09.2022 und Ergänzungsgutachten vom 02.02.2023) eingeholt. Dabei kam der Gutachter Herr Dr. G^^|, an dessen Sachkunde zu zweifeln sich für das Gericht keine Anhaltspunkte ergeben haben, zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass aufgrund der fehlenden aussagekräftigen Befundberichte schon keine medizinische Notwendigkeit der Ozontherapie sowie der Infusionen mit verschiedenen mit Vitaminen- und Mineralstoffen nachvollzogen werden können. Dem Sachverständigen ist beizupflichten, dass die Dokumentation seitens der behandelnden Ärzte unzureichend ist. Zudem wurden in den vorgelegten Rechnungen auch keine Gesprächsziffern und Untersuchungsziffern der GoÄ in Ansatz gebracht, was ermöglichen würde, die durchgeführte Untersuchung und Therapie nachzuvollziehen.
15
In seinen Stellungnahmen hat der Sachverständige dieses Versäumnis ausführlich und für das Gericht nachvollziehbar dargelegt. Dem Antrag der Klagepartei, den Gutachter zu entlassen, da dieser nicht fähig sein, den Sachverhalt richtig zu erfassen kann nicht gefolgt werden.
16
Die Klagepartei ist beweispflichtig geblieben und die Klage war abzuweisen.
17
Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
18
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 3 (Streitwert), 91 (Kosten), 708,711 (vorläufige Vollstreckbarkeit) ZPO.