Titel:
Klage auf Erteilung einer sprengstoffrechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung
Normenketten:
1. SprengV § 34
SprengG § 8a Abs. 5 S. 2
Leitsätze:
1. Bei Anwendung der Normen über die sprengstoffrechtliche Zuverlässigkeit sind die Risiken, die mit jedem Besitz von Sprengmitteln und entsprechenden Erlaubnissen verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit diesen Mitteln jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die für das Waffenrecht hinsichtlich der Zuverlässigkeit aufgestellten Vorgaben sind grundsätzlich auf das Sprengstoffrecht zu übertragen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zur Frage, ob es einem ausländischen Antragsteller aufgeben werden kann, eine Bescheinigung seines Heimatstaates über die Zuverlässigkeit vorzulegen. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
sprengstoffrechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung, Anforderung von Bescheinigungen ausländischer Behörden zur Beurteilung der sprengstoffrechtlichen Zuverlässigkeit, Bescheinigungen ausländischer Behörden, Beurteilung der sprengstoffrechtlichen Zuverlässigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 13429
Tenor
1. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 15 Oktober 2021 verpflichtet, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 1. SprengV erneut zu entscheiden.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3. Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
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Die Parteien streiten über die Erteilung einer sprengstoffrechtlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung.
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Der 1974 geborene Kläger ist türkischer Staatsangehöriger und lebt seit März 1977 in Deutschland. Seit dem 30. September 1978 ist er in der Stadt … gemeldet.
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Die Firma …, ein Hersteller von kleinkalibriger Munition, bei der der Kläger seit August 2007 (mittlerweile als Teamleiter/Schichtführer) beschäftigt ist, leitete am 25. Juni 2019 den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gemäß § 34 der 1. SprengV an das Gewerbeaufsichtsamt mit dem Hinweis weiter, dass dieser am Explosivstoffseminar II im November 2019 teilnehmen solle. Das Amt forderte daraufhin den Kläger auf, eine beglaubigte Übersetzung einer Bescheinigung der zuständigen Justiz- oder Verwaltungsbehörde seines Heimat- bzw. Herkunftsstaates über bestimmte Tatsachen vorzulegen, die für die Beurteilung der Zuverlässigkeit erheblich seien. Gleichzeitig wurde bei der Kriminalpolizeiinspektion …, bei der Ausländerbehörde und dem Ordnungsamt der Stadt abgefragt, ob beim Kläger Versagungsgründe entsprechend § 8a SprengG vorliegen würden. Zudem wurden Auskünfte aus dem Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister, dem Bundeszentralregister und anderen Strafregistern, dem Gewerbezentralregister und beim Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz zur Person des Klägers eingeholt. Eintragungen oder Erkenntnisse über den Kläger lagen bei keiner der genannten Stellen bzw. Register vor.
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Der Kläger legte am 10. Juli 2019 eine Bescheinigung des Justizministeriums der Türkischen Republik vom 10. Juli 2019 über das Resultat der Anfrage beim Strafregister vor, wonach der Kläger nicht vorbestraft ist. Nachdem das Gewerbeaufsichtsamt diesem mitgeteilt hatte, dass diese Auskunft nicht die notwendigen Informationen enthalte, weil eine an die nach § 8a Abs. 5 SprengG angelehnte Bescheinigung über sämtliche Tatsachen, die für eine Beurteilung der Zuverlässigkeit erheblich seien, zu übermitteln sei, ließ der Kläger über seine Firma ein Schreiben der Republik Türkei, Generalstaatsanwaltschaft … vom 20. September 2019 vorlegen, wonach er nicht vorbestraft ist. Dem Schreiben der Firma ist zu entnehmen, dass der Kläger keine weiteren Schreiben beschaffen könne. Das Gewerbeaufsichtsamt wies mit E-Mail vom 30. September 2019 unter Verweis auf § 8a Abs. 5 SprengG darauf hin, dass auch diese Bescheinigung nicht ausreiche. In der Behördenakte befindet sich zudem noch ein Schreiben der Türkischen Republik, Justizministerium, General Direktion für Strafregisterangelegenheiten und Statistik, vom 5. Oktober 2019 über eine Anfrage beim Strafregister mit dem Ergebnis, dass der Kläger nicht vorbestraft ist.
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Auf Aufforderung der Firma des Klägers vom November 2020 lehnte das Gewerbeaufsichtsamt mit Bescheid vom 15. Oktober 2021 den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 34 1.SprengV ab. Auf die Begründung des Bescheids wird Bezug genommen.
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Hiergegen hat der Kläger fristgemäß Klage erhoben. Er macht geltend, er sei im Alter von drei Jahren mit seiner Familie nach Deutschland gekommen. Wie bei dieser Sachlage die türkischen Behörden erschöpfende Auskünfte auf der Grundlage des § 8a Abs. 5 Nrn. 1 bis 5 SprengG erteilen sollten, sei völlig schleierhaft. Der Kläger habe jede ihm mögliche Mitwirkungshandlung erbracht. Nach türkischem Recht sei es nicht möglich, weitergehende Auskünfte als die von ihm vorgelegten zu erhalten. Er habe mehrfach mit den türkischen Behörden telefoniert und korrespondiert und stets die Auskunft erhalten, es könne lediglich eine Auskunft aus dem Vorstrafenregister zur Verfügung gestellt werden, wobei eine solche nur von türkischen Gerichten abgeurteilte Vorstrafen enthalte. Zudem könnten türkische Justiz- oder Verwaltungsbehörden keine weiteren Informationen über den Kläger erteilen, da dieser bereits mit drei Jahren das Land verlassen habe. Sämtliche für die Erteilung der Unbedenklichkeitsbescheinigung relevanten Erkenntnisse könnten letztlich nur die deutschen Behörden haben, da der Kläger praktisch sein ganzes Leben in Deutschland verbracht habe. Die Auffassung des Gewerbeaufsichtsamts, türkische Behörden müssten weitergehende Informationen erteilen, sei rechtswidrig. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Behörde trotz sämtlicher eingeholter Informationen zur Zuverlässigkeit des Klägers noch schablonenhaft weitere Informationen anfordere. Insoweit liege ein Ermessensfehlgebrauch vor. Die Behauptung, das Ermessen des Amtes sei insoweit auf Null reduziert, sei nicht zutreffend, vielmehr stelle dies einen Ermessensfehlgebrauch dar, da dem Kläger die Erbringung unmöglicher Anforderungen auferlegt worden sei. Hinter § 8 Abs. 1 Nr. 2, § 8a Abs. 5 SprengG stehe die gesetzgeberische Intention, dass die Einholung weitergehender Informationen aus dem Heimatland des jeweiligen Antragstellers nur dort gewollt sei, soweit sich dieser bis kurz vor der Antragstellung oder jedenfalls in jeweils größeren zeitlichen Abständen dauerhaft im Ausland aufgehalten habe. Auch im Jagdrecht sei eine solche Unterscheidung zwischen Deutschen und in der Bundesrepublik Deutschland gemeldeten Ausländern nicht vorgesehen. Der Kläger unterliege den Vorschriften des BUrlG, weshalb ein längerfristiger Aufenthalt in der Türkei für ihn überhaupt nicht infrage komme. Mit gleicher Logik müsste jeder deutsche Staatsangehörige nach jedem Auslandsaufenthalt weiterreichende Auskünfte beibringen.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
den Beklagten zu verpflichten, über den Antrag des Klägers auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 34 Abs. 2 1. SprengV unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Klageabweisung und führt aus, dem Kläger stehe die Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung nicht zu, vielmehr habe das Gewerbeaufsichtsamt eine solche ermessensfehlerfrei abgelehnt. Dem Willen des Gesetzgebers sei zu entnehmen, dass vom Antragsteller die Vorlage zusätzlicher von ausländischen Behörden ausgestellten Bescheinigungen verlangt werden könne. Die einzuholenden Auskünfte ermöglichten eine wesentlich fundiertere Prüfung der Zuverlässigkeit als die vom Kläger vorgelegten Bescheinigungen. Die Auskünfte und Stellungnahmen aus dem staatsanwaltlichen Verfahrensregister, der örtlichen Polizeidienststelle und der Verfassungsschutzbehörde seien wichtige Erkenntnisquellen, um gerade auch solche Personen herauszufiltern, die bisher noch nicht bzw. unterhalb der Vorstrafenfreiheit verurteilt worden seien. Aus den Nachrichten der den Kläger beschäftigenden Firma gehe hervor, dass dieser sich auch im Urlaub in der Türkei aufhalte. Es gehe daher nicht nur um die Zeit, in der sich der Kläger im Kleinkindalter in der Türkei aufgehalten habe, sondern auch um dortige Aufenthalte in aktuellen Zeiträumen. Es sei für das Amt nicht nachprüfbar, wie oft und wie lange sich der Kläger in der Türkei aufhalte. Erfahrungsgemäß seien solche Aufenthalte im Herkunftsland gerade auch hinsichtlich der noch bestehenden familiären Verbindungen häufiger und länger als durchschnittliche Auslandsaufenthalte. Die vom Kläger aufgeführte Parallele zum Jagdrecht greife nicht, weil eine Vorschrift wie § 8a Abs. 5 SprengG dort nicht bestehe. Im Hinblick auf das Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit, dass explosionsgefährdende Stoffe wegen der mit ihnen verbundenen Gefährdungen nur in die Hände zuverlässiger Personen gelangten, sei eine Unsicherheit wegen der diesbezüglich nicht einholbaren Auskünfte (insbesondere polizeirechtliche Erkenntnisse und Verfassungsschutz) aus dem Heimatland des Klägers auch mit Rücksicht auf dessen Interesse nicht akzeptabel. Die Ausstellung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung und die Teilnahme an einem sprengstoffrechtlichen Lehrgang zuzulassen, sei mit dem Wissen, dass der Befähigungsschein aufgrund der Zuverlässigkeitsbescheinigung wegen fehlender Auskünfte versagt werde, für alle Seiten kontraproduktiv und würde dem Kläger, dem Lehrgangsträger und der Behörde unnötige Aufwendungen verursachen und dem Sinn der Unbedenklichkeitsbescheinigung widersprechen. Deshalb sei vorliegend das Ermessen der Behörde auf Null reduziert.
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Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakte sowie der Gerichtsakte mit dem Protokoll über die mündliche Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig und begründet. Der Bescheid des Gewerbeaufsichtsamts vom 15. Oktober 2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dieser hat Anspruch auf eine erneute Entscheidung des Gewerbeaufsichtsamts über seinen Antrag auf Erteilung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung gemäß § 34 Abs. 2 Satz 1 1. SprengV unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts (§ 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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1. Gemäß § 20 Abs. 1 SprengG dürfen die in § 19 Abs. 1 Nr. 3 und 4 Buchst. a SprengG bezeichneten verantwortlichen Personen ihre Tätigkeit nur ausüben, wenn sie einen behördlichen Befähigungsschein besitzen. Nach § 20 Abs. 2 SprengG gelten für die Erteilung eines Befähigungsscheins die § 8 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1, § 9 und § 10 SprengG entsprechend mit der Maßgabe, dass der Befähigungsschein in der Regel für die Dauer von fünf Jahren zu erteilen ist.
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Nach § 34 Abs. 1 1. SprengV ist ein Antragsteller zu einem Lehrgang zuzulassen, wenn bei ihm Versagungsgründe nach § 8 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 Buchst. b und c SprengG nicht vorliegen. Nach § 34 Abs. 2 1. SprengV sind die Zuverlässigkeit und die persönliche Eignung durch eine Unbedenklichkeitsbescheinigung der für die Erteilung der Erlaubnis oder des Befähigungsscheines zuständigen Behörde nachzuweisen.
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Bei Anwendung der Normen über die Zuverlässigkeit gemäß §§ 8, 8a SprengG sind die Risiken, die mit jedem Besitz von Sprengmitteln und entsprechenden Erlaubnissen verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit diesen Mitteln jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. In Bezug auf das Waffenrecht wurde hierzu höchst- und obergerichtlich festgestellt, dass sich das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) nicht in einem subjektiven Abwehrrecht gegen staatliche Eingriffe erschöpft. Vielmehr ist aus ihm auch eine Schutzpflicht des Staates für das geschützte Rechtsgut abzuleiten, insbesondere eine Schutzpflicht hinsichtlich Missbrauchsgefahren, die vom Umgang mit Schusswaffen ausgehen. Im Interesse der inneren Sicherheit und der Notwendigkeit effektiver Gefahrenabwehr sowie der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bei der Beurteilung, wer Schusswaffen besitzen darf, kann dem öffentlichen Interesse, dass möglichst wenige Waffen „ins Volk kommen“, Vorrang vor dem Interesse Einzelner am Besitz von Waffen eingeräumt werden (vgl. BVerwG, U.v. 24.06.1975 -1 C 25.73 – BVerwGE 49, 1 = BayVBl 1976, 151). In diesem Sinne ist eine niedrigschwellige Prognose für die waffenrechtliche Unzuverlässigkeit ausreichend. Die Prognose hat sich mithin an dem Zweck des Gesetzes zu orientieren, die Risiken, die mit jedem Waffenbesitz ohnehin verbunden sind, nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BVerwG, U.v. 28.01.2015 – 6 C 1.14 – juris RdNr. 17).
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Diese zunächst für das Waffenrecht aufgestellten Vorgaben sind grundsätzlich auf das Sprengstoffrecht zu übertragen. Dieses ist, wie Sinn und Zweck des Gesetzes sowie der Wesensgehalt der Normen verglichen mit den Regelungen des Waffengesetzes aufzeigen, in weiten Teilen mit diesem materiell identisch. Die Vorgaben hinsichtlich der Zuverlässigkeit von Waffenträgern in § 5 WaffG entspricht in weiten Teilen den Regelungen des § 8a SprengG. Aufgrund der besonderen Gefährlichkeit von Sprengmitteln sind im Sprengstoffrecht mindestens so strenge Anforderungen zu stellen, wie im Waffenrecht.
15
Vor dem Hintergrund der effektiven Gefahrenabwehr und der besonderen Gefahren, die vom Umgang mit Sprengmitteln ausgehen, und der damit verbundenen Gefahr für hochrangige Rechtsgüter wie Leib und Leben, hat grundsätzlich auch eine Berufsfreiheit aus Art. 12 GG zurückzutreten (vgl. BayVGH, B.v. 11.05.2020 – 24 ZB 18.2120 – juris RdNr. 8).
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2. Auch unter Berücksichtigung dieser Grundsätze erweist sich der Bescheid des Gewerbeaufsichtsamts vom 15. Oktober 2021 als rechtswidrig. Voraussetzung für die Erteilung der vom Kläger begehrten Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 34 Abs. 2 Satz 1 1. SprengV ist, dass in seiner Person keine Versagungsgründe nach § 8 Abs. 1 Nrn. 1, 2b und 2c SprengG oder nach § 27 Abs. 3 Nr. 1 SprengG vorliegen. In dem hier im Streit stehenden Bescheid wird die Versagung der Unbedenklichkeitsbescheinigung auf § 8 Abs. 2 Nr. 1 in Verbindung mit § 20 Abs. 2 SprengG gestützt. Dieser Ansatz ist bereits deshalb verfehlt, weil § 34 Abs. 1 1. SprengV nicht auf diese Vorschrift verweist.
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Auch soweit der Bescheid im Weiteren darauf gestützt wird, dass dem Kläger, der nicht Deutscher im Sinne des Art. 116 GG ist, aufgegeben werden kann, zur Überprüfung seiner sprengstoffrechtlichen Zuverlässigkeit eine Bescheinigung der zuständigen Justiz- oder Verwaltungsbehörde seines Heimatstaats über bestimmte Tatsachen vorzulegen, die für die Beurteilung seiner Zuverlässigkeit erheblich sind, hält dies einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Zwar sieht § 8a Abs. 5 Satz 2 SprengG vor, dass die zuständige Behörde einem Ausländer im Sinne des Art. 116 GG oder einer Person, die ihren Wohnsitz oder ständigen Aufenthalt außerhalb des Geltungsbereiches des Gesetzes hat, die Vorlage einer derartigen Bescheinigung aufgeben kann. Hierbei ist jedoch der im Verwaltungsverfahrensrecht allgemein geltende Grundsatz zu berücksichtigen, dass eine Verwaltungsbehörde von einem Antragsteller nichts Unmögliches verlangen kann. Vorliegend hat der Kläger glaubhaft dargelegt, dass er eine weitergehende Bescheinigung als die von ihm bereits vorgelegten Nachweise nicht erbringen kann. Es ist auch nachvollziehbar, dass seitens der türkischen Behörden eine weitere Auskunft über den Kläger, der seinen Heimatstaat mit drei Jahren verlassen hat, nicht erteilt wird. Der Kläger hat für die Kammer glaubhaft und von Beklagtenseite unbestritten dargestellt, dass er seit seiner Ausreise nach Deutschland in der Regel höchstens zwei, maximal vier Wochen im Jahr in der Türkei verbringt und bislang noch nie Probleme mit den türkischen Behörden hatte. Deshalb ist es plausibel, dass in seinem Heimatstaat auch keine Akten über ihn vorliegen, was es glaubhaft erscheinen lässt, dass die türkischen Behörden seine Nachfragen nach einer weitergehenden Bescheinigung als den bereits vorgelegten Bestätigungen, dass er nicht vorbestraft ist, negativ beschieden haben. Angesichts dessen erachtet es das Gericht als nicht ermessensgerecht, dass der Beklagte ohne weiteren Anhaltspunkt, der auch nur ansatzweise die sprengstoffrechtliche Zuverlässigkeit des Klägers infrage stellen könnte, die Ablehnung einer Erteilung der von diesem beantragten Unbedenklichkeitsbescheinigung ausschließlich darauf stützt, dass keine weitergehenden Bescheinigungen der türkischen Behörden vorgelegt wurden. Dies gilt umso mehr, als der Beklagte selbst eingeräumt hat, im Falle der Vorlage einer derartigen Bescheinigung deren Echtheit nicht einmal prüfen zu können (vgl. auch Seite 23 des in das Verfahren eingeführten Lageberichts des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Türkei vom 28. Juli 2022, wonach grundsätzlich keine Möglichkeit besteht, die Echtheit von türkischen Dokumenten zu überprüfen). Hinzu kommt, dass auch nach dem Assoziationsabkommen der EWG und der Türkei Verschlechterungen des Arbeitsmarktzugangs von türkischen Arbeitnehmern in Deutschland untersagt sind. Zwar besteht in Bayern keine dem gemeinsamen Runderlass des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales sowie des Ministeriums des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen vom 28. April 2020 entsprechende Verwaltungsvorschrift, wonach bei Ausländern, die seit mindestens fünf Jahren in Deutschland leben, die inländischen Standardabfragen als ausreichend erachtet werden. Aus vorgenannten Gründen erachtet es das Gericht jedoch als angezeigt, dass sich der Beklagte, soweit sich bei einer aktualisierten inländischen Abfrage keine weiteren Anhaltspunkte für eine mögliche sprengstoffrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers ergeben, in seinem Fall auf diese beschränkt und diesem die beantragte Unbedenklichkeitsbescheinigung erteilt.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Vorliegend war die Berufung zuzulassen, da die im Raum stehende Rechtsfrage bislang offensichtlich keiner obergerichtlichen Entscheidung zugeführt wurde und von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).