Titel:
Schülerbeförderung, Objektive Möglichkeit der Nutzung des ÖPNV, Ermessensgesichtspunkte im Rahmen der Begrenzung der Wegstreckenentschädigung auf Kosten des ÖPNV
Normenketten:
Art. 2 Abs. 1 Satz 1
SchKfrG Art. 3 Abs. 2
§ 2 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SchBefV,
§ 3 Abs. 2 und 3
SchBefV § 4 Nr. 1
Schlagworte:
Schülerbeförderung, Objektive Möglichkeit der Nutzung des ÖPNV, Ermessensgesichtspunkte im Rahmen der Begrenzung der Wegstreckenentschädigung auf Kosten des ÖPNV
Fundstelle:
BeckRS 2023, 13428
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Beteiligten streiten um die Übernahme von Schulwegkosten aufgrund Nutzung eines privaten Pkw.
2
Die am … geborene Klägerin ist in …, einem Gemeindeteil von … …, wohnhaft und besuchte im Schuljahr 2018/2019 die 11. Jahrgangsstufe der Staatlichen Berufsfachschule für … in … Für den Schulweg erhielt sie vom Beklagten antragsgemäß Wertmarken für den öffentlichen Personennahverkehr (künftig: ÖPNV). Nach Abschluss der Jahrgangsstufe beantragte sie unter dem 22. September 2019, eingegangen bei dem Landratsamt … am 28. Oktober 2019, die Erstattung notwendiger Fahrtkosten bei Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs für den Zeitraum September 2018 bis einschließlich Juli 2019. Ihre fachpraktische Ausbildung hat sie im genannten Zeitraum jeweils mittwochs bei der … wahrgenommen. Zur Begründung ihres Antrags führte sie sinngemäß aus, da die Busse von … nach … manchmal erst Stunden nach Unterrichtsende fahren würden, die Fahrt mit der Bahn erst ab … möglich sei und die Busanbindung nach … „nur alle paar Stunden“ funktioniere, müsse sie an manchen Tagen auf das Auto zurückgreifen. An einigen Tagen habe der Unterricht erst später begonnen oder abweichend vom Stundenplan geendet, sodass sie den Pkw habe nutzen müssen, um lange Wartezeiten zu verhindern. Ebenso habe für Fahrten zum Praktikum nach … der Pkw benutzt werden müssen, da Busse nicht zu den Arbeitszeiten fahren würden und meist überfüllt seien. Sie sei immer mittwochs von ca. 7:00 Uhr bis 15:00 Uhr in dem … Pflegeheim tätig gewesen.
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Mit Bescheid vom 26. Februar 2020 – dieser war Gegenstand des nachfolgend dargestellten Verfahrens derselben Beteiligten (AN 2 K 20.02052) – lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Zur Begründung ist sinngemäß im Wesentlichen ausgeführt, für das Schuljahr 2018/2019 seien der Klägerin VGN-Wertmarken der Tarifstufe 5 für die tägliche Fahrt zum Schulbesuch nach … ausgehändigt worden. Eine zusätzliche Übernahme von Fahrtkosten für das private Kraftfahrzeug erfolge nicht. Auch im Fall der Zeitersparnis bei Nutzung eines Pkw würden Kosten nur in Höhe der Kosten einer Schülermonatsfahrkarte erstattet. Da die Klägerin bereits im Besitz einer solchen gewesen sei, sei eine zusätzliche Erstattung ausgeschlossen. Fahrtkosten mit dem privaten Kraftfahrzeug für den Schul- bzw. Praktikumsbesuch könnten nur dann übernommen werden, wenn die Benutzung des öffentlichen Verkehrsmittels an diesen Tagen unmöglich sei. Hier müsse trotz längerer Wartezeiten auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel verwiesen werden. Die Genehmigung der Nutzung eines Pkw zur Einsparung von täglich mehr als zwei Stunden sei nur möglich, wenn an mindesten drei Tagen in der Woche Schulunterricht bzw. ein Praktikum besucht werden müsse. Da hier das Praktikum an weniger als drei Tagen wöchentlich stattgefunden habe und eine Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln bestehe, könnten die fraglichen Kosten nicht erstattet werden.
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Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 10. März 2020, eingegangen bei dem Beklagten am 12. März 2020, Widerspruch. Die Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln von … nach … sei völlig unzureichend und könne nur mit unzumutbaren, langen Wartezeiten wahrgenommen werden.
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Mit Schreiben vom 15. Juni 2020 teilte der Beklagte der Klägerin sinngemäß im Wesentlichen mit, er habe die Sach- und Rechtslage noch einmal überprüft, da die angekündigte Widerspruchsbegründung nicht eingegangen sei. Vorrangig erfüllten die Aufgabenträger ihre Beförderungspflicht mithilfe des öffentlichen Personennahverkehrs. Andere Verkehrsmittel, zum Beispiel private Kraftfahrzeuge, seien nur einzusetzen, soweit dies notwendig oder insgesamt wirtschaftlicher sei. Eine Notwendigkeit werde nach ständiger Rechtsprechung zum Beispiel dann angenommen, wenn die Zeitersparnis an mindestens drei Tagen pro Schulwoche jeweils mehr als zwei Stunden betrage. Die Überprüfung der Fahrzeiten für den Schulbesuch habe ergeben, dass ab der Haltestelle … nach … mit den Linien … bzw. … eine rechtzeitige Verbindung bestehe, jedoch die Zeitersparnis von mehr als zwei Stunden an mindestens drei Tagen der Woche vorliege. Für den Besuch der Praktikumsstelle im zweiten Schulhalbjahr sei die erforderliche Zeitersparnis von mehr als zwei Stunden am konkreten Praktikumstag – dem Mittwoch – zwar nicht gegeben, jedoch bestehe die Zeitersparnis weiterhin an den restlichen vier Tagen der Woche, an denen die Klägerin die Schule besucht habe. Zwar liege damit die erforderliche Zeitersparnis vor, jedoch sei geregelt, dass bei einer möglichen Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel die Wegstreckenentschädigung auf die Höhe der Kosten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel begrenzt werden könne. Da die Klägerin für das gesamte Schuljahr 2018/2019 im Besitz der gestellten Wertmarken gewesen sei, könnten darüber hinaus nicht noch zusätzliche Kosten für die etwaige Benutzung des privaten Kraftfahrzeugs an einzelnen Tagen übernommen werden.
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Mit Schreiben vom 18. Juli 2020, eingegangen bei dem Beklagten am 23. Juli 2020, begründete die Klägerin ihren Widerspruch sinngemäß im Wesentlichen dahingehend, der Beklagte habe richtigerweise erkannt, dass an mindestens drei Tagen in der Woche durch die Nutzung ihres privaten Kraftfahrzeugs eine Zeitersparnis von mehr als zwei Stunden eingetreten sei. Auch könne im Fall der notwendigen Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs die Wegstreckenentschädigung auf die Erstattung der Kosten in Höhe öffentlicher Verkehrsmittel beschränkt werden. Falsch sei jedoch die Folgerung, dass aufgrund der Ausgabe von Wertmarken keine darüberhinausgehenden Kosten übernommen werden könnten. Es sei gerade geregelt, dass für unzumutbare lange Wartezeiten an mindestens drei Tagen in der Woche die Kosten für die notwendige Nutzung eigener Kraftfahrzeuge erstattet würden. Diese Kosten könnten auf die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel beschränkt werden. Deshalb seien für die notwendigen Fahrtkosten mit dem Kfz antragsgemäß zumindest die Kosten zu erstatten, die an diesen Tagen für öffentliche Verkehrsmittel hätten aufgewendet werden müssen.
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Mit Bescheid vom 1. September 2020 wies die … den Widerspruch zurück. Zur Begründung ist sinngemäß im Wesentlichen ausgeführt, der Aufgabenträger erfülle seine Beförderungspflicht vorrangig mithilfe des öffentlichen Personennahverkehrs. Andere Verkehrsmittel, wie etwa der Schulbus oder ein privates Kraftfahrzeug, seien nur einzusetzen, soweit dies notwendig oder insgesamt wirtschaftlicher sei. Hier habe die Möglichkeit einer regelmäßigen öffentlichen Beförderung mit dem Bus im Tarifsystem des VGN bestanden. Insoweit bleibe zunächst festzuhalten, dass der Beklagte aufgrund dieser Gegebenheiten zu Schuljahresbeginn 2018/2019 über die Schule der Klägerin elf Monatswertmarken für die Nutzung des öffentlichen Personennahverkehrs zur Verfügung gestellt habe. Soweit sich die Klägerin auf die Unzumutbarkeit der Nutzung dieses Angebots berufe, müsse zunächst festgestellt werden, dass sie offensichtlich den Erhalt der Wertmarken als Empfängerin einer Leistung, die nicht in Geld bestehe, nicht hinterfragt habe. Soweit für sie bereits mit Schuljahresbeginn 2018/2019 bzw. im anfänglichen Verlauf des Schuljahres festgestanden habe, die erhaltenen Wertmarken nicht zu nutzen bzw. eine Erstattung notwendiger Fahrtkosten bei Benutzung eines privaten Pkw geltend machen zu wollen, hätte sie sich umgehend mit dem Beklagten in Verbindung setzen müssen. Im Grundsatz könne die Vorgehensweise des Beklagten zu Schuljahresbeginn mit Ausgabe der Wertmarken nicht beanstandet werden. Die Organisation und Durchführung der Schülertransportleistung sei ein sog. Massengeschäft, welches bereits vor Schuljahresbeginn vorzubereiten sei, d.h. geprüft und über Schülerlisten von der Verwaltung bearbeitet werde. Mit Ausgabe der Wertmarken werde ein Verwaltungsakt in anderer Weise erlassen. Dass dabei im vorliegenden Fall die Fahrtzeiten mit der öffentlichen Linie als zumutbar bejaht worden seien, sei nicht ausgeschlossen. So könne die öffentliche Verbindung tatsächlich gefahren werden und die Fahrtzeit erscheine nach objektiven Maßstäben für eine Schülerin der Berufsfachschule in der Jahrgangsstufe 11 zumutbar. Damit müsse sich die Klägerin grundsätzlich zurechnen lassen, es unterlassen zu haben, sich mit Beginn des Schuljahres 2018/2019 an den Beklagten zu wenden und Einwendungen gegen den ergangenen Verwaltungsakt vorzubringen. Mit Ablauf des Schuljahres 2018/2019 sei nach objektiven Maßstäben davon auszugehen, dass die Wertmarken verbraucht seien. Hätte die Klägerin die Wertmarken zeitnah zurückgegeben, wären dem Beklagten keine Beförderungskosten entstanden. Die Entscheidung des Beklagten könne nicht beanstandet werden, da keine Rückgabe der Wertmarken erfolgt sei. Im Ergebnis sei festzustellen, dass auf Grundlage des geltenden Schülerbeförderungsrechts kein Anspruch auf zusätzliche Erstattung von Beförderungskosten aufgrund Nutzung des privaten Kraftfahrzeugs bestehe.
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Die Klägerin erhob am 1. Oktober 2020 Klage und beantragte den Bescheid des Landratsamts … vom 26. Februar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der … vom 1. September 2020, aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihr die beantragte Erstattung der Fahrkosten aufgrund Benutzung eines privaten Pkw vom Wohnort … zum Besuch der Staatlichen Berufsfachschule für … für das Schuljahr 2018/2019 zu gewähren, hilfsweise über ihren Antrag auf Gewährung der Kostenfreiheit des Schulweges unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Zur Begründung führte sie sinngemäß im Wesentlichen aus, ihr seien zu Schuljahresbeginn 2018/2019 durch den Beklagten elf Monatswertmarken für öffentliche Verkehrsmittel zur Bewältigung ihres Schulweges zur Verfügung gestellt worden. Sie habe zum Besuch der Berufsfachschule auch ganz überwiegend öffentliche Verkehrsmittel und damit die Wertmarken genutzt. Eine Fahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln von … nach … dauere 69 Minuten. Die Fahrt mit der Bahn sei dabei erst ab … möglich, wobei die Busanbindung von ihrem Wohnort nach … nicht jede Stunde bestehe. Es könnten Wartezeiten von bis zu 1,5 Stunden entstehen. Dies sei regelmäßig der Fall gewesen, wenn ihr Unterricht abweichend vom Stundenplan erst später begonnen und/oder früher geendet habe. Oftmals seien zu diesen außerplanmäßigen Zeiten gar keine öffentlichen Verkehrsmittel (mehr) gefahren. Infolgedessen habe sie an 30 von 180 Schultagen den privaten Pkw für den Schulweg genutzt. Dabei betrage die einfache Fahrtzeit auf der schnellsten Route bei üblicher Verkehrslage ca. 35 Minuten.
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Dem Grunde nach sei ihr Erstattungsanspruch unstreitig. Auch sei die Benutzung eines privaten Kraftfahrzeugs notwendig. Dies sei insbesondere der Fall, wenn die öffentliche Verkehrsverbindung wegen eines erheblich höheren Zeitaufwandes nicht mehr akzeptabel sei. Die Rechtsprechung nehme eine Notwendigkeit an, wenn die Zeitersparnis an mindestens drei Tagen pro Schulwoche jeweils mehr als zwei Stunden betrage. Diese Voraussetzungen seien erfüllt. Das Ermessen des Beklagten sei dabei zu einer Rechtspflicht verdichtet, ihr die beantragten Fahrtkosten in voller Höhe zu erstatten. Eine Begrenzung auf die Beförderungskosten für die öffentlichen Verkehrsmittel sei vorliegend nicht angemessen. Sie habe die öffentlichen Verkehrsmittel für ihren Schulweg teilweise nicht nutzen können, da die Verbindung insoweit ungenügend gewesen sei. Die Kosten für öffentliche Verkehrsmittel könnten daher vorliegend auch kein Maßstab für den Erstattungsbetrag sein. Vielmehr sei allein die Höhe der ihr tatsächlich entstandenen Fahrtkosten entscheidend. Der Erstattungsanspruch sei insbesondere auch nicht deswegen verwirkt, weil sie die Wertmarken nicht zurückgegeben habe. Ein Fall widersprüchlichen Verhaltens liege insoweit gerade nicht vor. Durch die Ausgabe der Wertmarken bestehe ein Rechtsgrund zum Behaltendürfen. Sie werde daher nicht verpflichtet, diese zeitnah nach Schuljahresbeginn zurückzugeben. Auch habe sie die Wertmarken nicht grundlos behalten. Vielmehr habe sie diese bestimmungsgemäß für den Schulweg genutzt und sei insoweit auch auf die Wertmarken angewiesen gewesen. Lediglich an 30 von 180 Tagen habe sie mangels zumutbarer Alternative ihren Pkw genutzt. Hingegen habe bei dem Beklagten kein schutzwürdiges Vertrauen dahingehend entstehen können, sie werde mit Blick auf die ausgegebenen Wertmarken keinen Erstattungsanspruch hinsichtlich der Nutzung ihres privaten Pkw geltend machen. Der Beklagte habe gewusst bzw. wissen müssen, dass die öffentliche Verkehrsanbindung unzureichend gewesen sei. Sie besitze daher zusätzlich zu ihrem Recht, die Wertmarken zu behalten, einen Erstattungsanspruch hinsichtlich der Nutzung ihres privaten Pkw. Soweit vorgesehen sei, dass bei einer möglichen Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel die Wegstreckenentschädigung auf die Höhe der Kosten für die Nutzung dieses Verkehrsmittels begrenzt werden könne, räume die Rechtsfolge der Vorschrift Ermessen ein. Dagegen werde ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Regelung kein Anspruchsausschluss normiert. Das Ermessen sei vorliegend zu einer Rechtspflicht verdichtet, ihr den vollen Betrag der Fahrtkosten zu erstatten. Auch besitze der Beklagte keinen aufrechenbaren Gegenanspruch auf wertmäßige Entschädigung hinsichtlich der Wertmarken. Vielmehr sei sie berechtigt gewesen, diese zu behalten und zu nutzen. Im Übrigen sei sie als Adressatin eines begünstigenden Verwaltungsakts auch nicht verpflichtet gewesen, hiergegen vorzugehen, hätte sie die Wertmarken überhaupt nicht genutzt. Vielmehr hätte es allein in der Sphäre und dem Verantwortungsbereich des Beklagten gelegen, den Verwaltungsakt ggf. mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Dies sei bislang nicht geschehen. Zudem habe der Beklagte die Wertmarken nie zurückgefordert. Auch für den Fall der Rückforderung müsse sie die Wertmarken nicht erstatten, da der Entreicherungseinwand greife. Die Wertmarken hätten mit Ablauf des Schuljahres 2018/2019 nicht mehr genutzt werden können und somit keinen Vermögenswert mehr. Auch habe sie sich durch die Wertmarken an den infrage stehenden 30 Tagen keine Aufwendungen erspart, da sie öffentliche Verkehrsmittel aufgrund der unzumutbaren Verbindung nicht habe nutzen können. Insoweit sei in ihrem Vermögen jedenfalls nichts wertmäßig vorhanden, was dem Beklagten erstattet werden könne.
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Der Beklagte beantragte Klageabweisung und trug sinngemäß im Wesentlichen vor, in der Gesamtschau verhalte es sich so, dass es sich bei der Begrenzung der Wegstreckenentschädigung auf die Kosten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel bei tatsächlich möglicher öffentlicher Verbindung um eine ermessensfehlerfrei Entscheidung handele, zumal die faktisch bestehende Verbindung mit öffentlichen Verkehrsmitteln nach objektiver Betrachtung für eine Schülerin in der Jahrgangsstufe 11 als zumutbar anzusehen sei. Hinsichtlich des Verwaltungsakts in anderer Weise in Gestalt der Ausgabe und dem Erhalt der Wertmarken habe es die Klägerin unterlassen, entsprechende Einwände gegen diesen Verwaltungsakt vorzubringen, etwa, dass sie von den erhaltenen Wertmarken nicht in vollem Umfang Gebrauch machen wolle, sondern an einzelnen Tagen der Nutzung ihres privaten Pkw den Vorzug gebe.
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Da er – der Beklagte – von seinem Ermessensspielraum Gebrauch gemacht habe, habe die Verwendung und Einlösung der zur Verfügung gestellten Wertmarken zwar nicht grundsätzlich einen Anspruch der Klägerin verwirkt, mithin jedoch im Rahmen der Ermessensausübung den hierin maximal möglichen Erstattungsrahmen vollumfänglich ausgeschöpft. Schülerbeförderungsrechtlich wäre der Umstand, dass der Klägerin die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund des damit verbundenen Zeitaufwands in subjektiver Hinsicht nicht zumutbar gewesen sei, bereits auf einer ersten Prüfungsstufe – ob der Einsatz des privaten Kraftfahrzeugs notwendig sei – zu berücksichtigen und hätte hier schon deshalb nicht dazu geführt, dass Kostenerstattung in voller Höhe hätte gewährt werden müssen. Bezüglich der auf einer zweiten Stufe festzusetzenden Wegstreckenentschädigung sei es sodann nicht mehr darauf angekommen, ob die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei. Denn diese Frage sei bereits im Rahmen der – der Klägerin zugestandenen – grundsätzlichen Notwendigkeit des Einsatzes eines privaten Kraftfahrzeugs geprüft worden. Sei Schülern wie hier die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel objektiv möglich, stehe es ohne Rücksicht auf Fragen der subjektiven Zumutbarkeit im Ermessen des Aufgabenträgers, die Entschädigung für die gesamte Wegstrecke auf die Höhe der Kosten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu begrenzen.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung des Verfahrens AN 2 K 20.02052 gab die Kammer im Rahmen der Erörterung der Sach- und Rechtslage insbesondere sinngemäß zu bedenken, dass die Ausgabe der Wertmarken wohl keinen Erklärungswert dahingehend besitze, dass die Klägerin mit weiteren Erstattungsansprüchen ausgeschlossen sei. Außerdem dürfte im Ausgangsbescheid das eingeräumte Ermessen betreffend die Frage der Kostenbegrenzung noch nicht erkannt worden sein, wobei hierzu auch im Widerspruchsbescheid keine ausreichenden Erwägungen zu finden sein dürften. In der Folge hob der Beklagte den Ausgangsbescheid vom 26. Februar 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids auf. Nachdem die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt hatten, wurde das Verfahren eingestellt.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 25. Januar 2022, aufgegeben als Übergabe-Einschreiben am 26. Januar 2022, lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin erneut ab. Zur Begründung ist im Wesentlichen sinngemäß ausgeführt, grundsätzlich erstatte der Aufgabenträger für Schülerinnen und Schüler an öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Gymnasien, Berufsfachschulen (ohne Berufsfachschulen in Teilzeitform) und Wirtschaftsschulen ab Jahrgangsstufe 11, für Schülerinnen und Schüler an öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Fachoberschulen und Berufsoberschulen sowie für Schülerinnen und Schüler im Teilzeitunterricht an öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Berufsschulen die Kosten der notwendigen Beförderung, soweit die nachgewiesenen vom unterhaltsleistenden aufgewendeten Gesamtkosten der Beförderung eine (im Schuljahr 2018/2019 maßgebliche) Familienbelastungsgrenze von 440 EUR je Schuljahr übersteigen. Habe ein Unterhaltsleistender für drei oder mehr Kinder Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz oder vergleichbare Leistungen, würden die von ihm aufgewendeten Kosten der notwendigen Beförderung der genannten Schülerinnen und Schüler mit Ablauf des Monats, in dem die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld oder vergleichbare Leistungen erstmals gegeben sind, in voller Höhe bis zum Ende des jeweiligen Schuljahres erstattet. Letztere Anspruchsvoraussetzung sei im vorliegenden Fall erfüllt und mittels der dem Antrag beigefügten Kindergeldbestätigung nachgewiesen.
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Die Aufgabenträger erfüllten ihre Beförderungspflicht vorrangig mithilfe des öffentlichen Personenverkehrs. Andere Verkehrsmittel, zum Beispiel auch das von der Klägerin benutzte private Kraftfahrzeug, seien nur einzusetzen, soweit dies notwendig oder insgesamt wirtschaftlicher sei. Die Überprüfung der Fahrzeiten für den Schulbesuch habe ergeben, dass ab der Haltestelle … nach … mit den Linien … bzw. … eine rechtzeitige Verbindung bestehe, jedoch eine Zeitersparnis bei Fahrten mit dem privaten Pkw von mehr als zwei Stunden an mindestens drei Tagen in der Woche vorliege. Für den Besuch der Praktikumsstelle im zweiten Schulhalbjahr sei die erforderliche Zeitersparnis von mehr als zwei Stunden am konkreten Praktikumstag (Mittwoch) zwar nicht gegeben, jedoch bestehe die Zeitersparnis weiterhin an den restlichen vier Tagen in der Woche, an denen die Schule besucht worden sei. Schülerbeförderungsrechtlich sei der Umstand, dass die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund des damit verbundenen Zeitaufwands in subjektiver Hinsicht nicht zumutbar sei, bereits auf einer ersten Stufe der Prüfung – nämlich ob der Einsatz des privaten Kraftfahrzeugs notwendig sei – zu berücksichtigen und führe daher nicht schon deshalb dazu, dass die Kostenerstattung in voller Höhe hätte gewährt werden müssen. Bezüglich der sodann auf einer zweiten Stufe festzusetzenden Wegstreckenentschädigung komme es nicht mehr darauf an, ob die Benutzung des öffentlichen Verkehrsmittels zumutbar gewesen sei, weil diese Frage bereits im Rahmen der grundsätzlichen Notwendigkeit des Einsatzes eines privaten Kraftfahrzeugs geprüft werde. Diese Notwendigkeit werde im vorliegenden Fall zugestanden. Sei die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel objektiv möglich, was vorliegend zu bejahen sei, stehe es ohne Rücksicht auf Fragen der subjektiven Zumutbarkeit im Ermessen des Aufgabenträgers, die Entschädigung für die gesamte Wegstrecke auf die Höhe der Kosten für die Benutzung des öffentlichen Verkehrsmittels zu begrenzen. Im Rahmen des genannten Ermessensspielraums werde die Wegstreckenentschädigung wie vorgenannt auf die Höhe der ÖPNV-Kosten begrenzt. Zunächst erschienen die genannten Wartezeiten für eine Schülerin der 11. Jahrgangsstufe vertretbar. Zudem seien die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Hand zu beachten. Diesem Erfordernis werde dadurch Rechnung getragen, dass aufgrund der Größe des Landkreises … und der damit verbundenen hohen Anzahl an zurückzulegenden Kilometern der Wegstreckenanspruch im Rahmen der Ermessensausübung sinnvoll begrenzt werde. Weiterhin komme es gerade bei einem Flächenlandkreis wie dem Landkreis … besonders auf die Aufrechterhaltung und den weiteren Ausbau des ÖPNV an, weshalb hier einem hohen Nutzungsgrad der öffentlichen Verkehrsmittel hohe Priorität zukomme, um den ÖPNV zu stärken. Die Wegstreckenentschädigung habe der Landkreis bereits mit der oben erwähnten Ausgabe von entsprechenden ÖPNV-Wertmarken für das gesamte Schuljahr 2018/2019 geleistet und sei daher unter Einbeziehung seines Ermessens seiner Verpflichtung bereits nachgekommen. Die Möglichkeit der Ermessensausübung finde sich auch in der Rechtsprechung wieder, zumal es sich bei der Schulwegkostenfreiheit um eine freiwillige soziale Leistung des Staates handle, sodass ein Gestaltungsspielraum der Verwaltung bestehe.
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Die Klägerin hat mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 25. Februar 2022, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Klage erhoben.
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Sie trägt sinngemäß im Wesentlichen die gleichen Gründe wie schon im vorausgegangenen Klageverfahren, Az. AN 2 K 20.02052, vor. Darüber hinaus führt sie sinngemäß aus, das Bestehen des Erstattungsanspruchs für die Aufwendungen für die Nutzung ihres privaten Pkw sei dem Grunde nach unstreitig. Insbesondere habe ihr Vater während des Schuljahres 2018/2019 für sie sowie fünf weitere Kinder als Unterhaltsleistender Kindergeld bezogen, sodass die aufgewendeten Kosten der notwendigen Beförderung in voller Höhe bis zum Ende des jeweiligen Schuljahres zu ersetzen seien. Die Benutzung des privaten Kraftfahrzeugs für den Schulweg sei notwendig gewesen. Dies habe auch der Beklagte in seinem Bescheid vom 25. Januar 2022 anerkannt. Der Beklagte habe jedoch verkannt, dass sein Ermessen zu einer Rechtspflicht verdichtet sei, ihr die beantragten Fahrtkosten in voller Höhe zu erstatten. Der Beklagte habe ohne Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalles entschieden. Es sei vorweggenommen worden, dass die angespannte Haushaltslage und der sparsame Umgang mit Steuergeldern gerade aufgrund der Größe des Landkreises … grundsätzlich zu einer Verneinung einer möglichen Erstattung der Beförderungskosten führe. Er lasse ihre Interessen offensichtlich unberücksichtigt. Insbesondere werde außer Acht gelassen, dass sie die öffentlichen Verkehrsmittel für ihren Schulweg teilweise nicht habe nutzen können, da die Verbindung ungenügend sei. Unberücksichtigt bleibe weiter, dass sie das private Kfz lediglich an 30 von 180 Schultagen genutzt und damit die Kosten so gering wie möglich gehalten habe. Der Beklagte habe die ihr erwachsenen Nachteile nicht in seine Entscheidungsfindung einbezogen.
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Die Klägerin beantragt wörtlich, zu erkennen:
Der Bescheid des Landratsamtes … vom 25.01.2022, Aktenzeichen …, wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, der Klägerin die beantragte Erstattung der Fahrtkosten aufgrund Benutzung eines privaten Pkw vom Wohnort … zum Besuch der Staatlichen Berufsfachschule für … für das Schuljahr 2018/2019 zu gewähren,
hilfsweise über den Antrag der Klägerin auf Gewährung der Kostenfreiheit des Schulweges unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Der Beklagte beantragt
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Er trägt sinngemäß im Wesentlichen vor, die Klägerin habe zwar grundsätzlich einen Anspruch auf Kostenerstattung, jedoch werde in der Folge der Ermessensentscheidung vom Regelfall abgewichen. Die Klägerin verkenne die Rechtslage, indem sie das zweistufige Prüfungsschema ignoriere und zwei verschiedene Sachverhalte miteinander zu vermengen scheine. Es sei unstrittig, dass der Klägerin der Einsatz eines privaten Kraftfahrzeugs nach Prüfung der erforderlichen Voraussetzungen zugestanden habe. Selbst der Umstand, dass der Klägerin die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund des damit verbundenen Zeitaufwands in subjektiver Hinsicht nicht zumutbar gewesen sei, sei bereits auf einer ersten Stufe der Prüfung, nämlich ob der Einsatz des privaten Kraftfahrzeugs notwendig sei, zu berücksichtigen und hätte auch hier schon nicht dazu geführt, dass die Kostenerstattung in voller Höhe hätte gewährt werden müssen. Auf einer zweiten Stufe komme es nicht mehr darauf an, ob die Benutzung des öffentlichen Verkehrsmittels für die Schülerin zumutbar sei, da diese Frage bereits im Rahmen der grundsätzlichen Notwendigkeit des Einsatzes eines privaten Kraftfahrzeugs geprüft werde. Diese Notwendigkeit sei der Klägerin zugestanden worden. Sei der Schülerin die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel objektiv möglich, was vorliegend zu bejahen sei, stehe es ohne Rücksicht auf Fragen der subjektiven Zumutbarkeit im Ermessen des Aufgabenträgers, die Entschädigung für die gesamte Wegstrecke auf die Höhe der Kosten für die Benutzung des öffentlichen Verkehrsmittels zu begrenzen. Dies sei durch die Ausgabe der entsprechenden Wertmarken erfolgt. Die Schlussfolgerung der Klägerin bezüglich ihres Erstattungsanspruches hinsichtlich des vorliegend gegebenen Wegfalls der Familienbelastungsgrenze fuße auf einer Fehlinterpretation der Norm. Richtig sei, dass in Fällen, in denen ein Unterhaltsleistender für drei oder mehr Kinder Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz oder vergleichbare Leistungen habe, die von ihm aufgewendeten Kosten der notwendigen Beförderung der genannten Schülerinnen und Schüler mit Ablauf des Monats, in dem die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld oder vergleichbaren Leistungen erstmals gegeben seien, in voller Höhe bis zum Ende des jeweiligen Schuljahres erstattet würden. Der Wortlaut „volle Höhe“ in der Norm stelle jedoch zweifelsohne darauf ab, dass die sonst für diesen Personenkreis anzurechnende Familienbelastungsgrenze entfalle und nicht nur die diese Grenze übersteigenden Kosten angerechnet würden. Die Herleitung, dass die zulässige Ermessensentscheidung hinsichtlich der Begrenzung auf die Kosten für den ÖPNV mithin ausgehebelt wäre, sei falsch. Zudem spreche der Gesetzgeber hier von den Kosten der notwendigen Beförderung, weshalb das beschriebene zweistufige Prüfschema ungeachtet der rechtlichen Regelungen zur Familienbelastungsgrenze bzw. deren Wegfall Anwendung finde.
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Die erfolgte Ermessensentscheidung sei fehlerfrei. Die Behauptung, die Entscheidung basiere auf einer Außerachtlassung der Besonderheiten des Einzelfalles, werde zurückgewiesen. Insbesondere sei in dem angegriffenen Bescheid ausgeführt worden, dass nach Dafürhalten des Beklagten die gegebenen Wartezeiten, die auch nur an einzelnen Tagen aufgetreten seien, wie die Klägerin selbst ausführe, für eine Schülerin der 11. Jahrgangsstufe vertretbar erschienen Anders verhielte sich die Beurteilung der Frage sicherlich bei einem wesentlich jüngeren Kind. Der Umstand, dass das private Kraftfahrzeug nur an einzelnen Tagen zum Einsatz gekommen sei, sei somit nicht unberücksichtigt geblieben, sondern vielmehr in der Gesamtschau nicht von absolutem Gewicht gewesen, zumal de facto eine öffentliche Verbindung bestanden habe. Die Anzahl der Nutzungstage sei im Rahmen der gebotenen zweistufigen Prüfungsabfolge unbeachtlich. Es liege keine Missachtung des Amtsermittlungsgrundsatzes vor. Die Annahme, es sei insbesondere außer Acht gelassen worden, dass die Klägerin die öffentlichen Verkehrsmittel für ihren Schulweg teilweise nicht habe nutzen können, da die Verbindung ungenügend sei, sei falsch. Vielmehr werde bei der Anwendung der sogenannten Zweistufentheorie berücksichtigt, dass der zugestandene Einsatz eines privaten Kraftfahrzeugs aus einer rechtlich unzumutbaren Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel resultiere, gleichwohl werde aber das Ermessen eröffnet, bei einer objektiv möglichen Verkehrsverbindung, die vorliegend gegeben sei, die Kostenerstattung zu begrenzen. Der Regelungsgehalt des eröffneten Ermessensrahmens umfasse dies. Mithin sei die „ungenügende“ Verbindung schülerbeförderungsrechtlich (subjektiv) unzumutbar, weshalb der Einsatz des privaten Kraftfahrzeugs zugestanden worden sei, jedoch objektiv möglich, weshalb wiederum die Ermessensentscheidung hinsichtlich der Kostenbegrenzung getroffen worden sei. Beide Sachverhalte, also Kraftfahrzeugeinsatz sowie Kostenbegrenzung, seien getrennt voneinander auf zwei Stufen zu prüfen und zu bewerten. Die vertretene Rechtsmeinung, das bestehende Ermessen sei vorliegend zu einer Rechtspflicht verdichtet, sei unsubstantiiert. Die obergerichtlich mehrfach bestätigte und in der Literatur beschriebene Zweistufentheorie werde vollends ignoriert bzw. deren Inhalt verkannt. Eine pflichtgemäße Ermessensausübung unter Heranziehung der maßgeblichen Kriterien (zum Beispiel gleichmäßige Verfahrensweise, wirtschaftliche Auswirkungen im Flächenlandkreis sowie Rücksicht auf den öffentlichen Nahverkehr) müsse unter besonderer Beachtung des Gleichheitssatzes gewährleistet sein. Vorliegend werde dem Zweck der Ermächtigung mit den ausgeführten Gründen, die zur Ermessensentscheidung führten, hinreichend Rechnung getragen.
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Die Rechtsprechung habe vielfach bestätigt, dass grundsätzlich generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen im Bereich der Schülerbeförderung getroffen werden könnten, um den mit der Bewilligung von Leistungen verbundenen Aufwand in vertretbaren Rahmen zu halten. Die dem kommunalen Aufgabenträger eingeräumte Möglichkeit der Begrenzung der Fahrtkostenerstattung ergebe sich aus dem Sinn und Zweck der Vorschriften über die Schülerbeförderung. Die Ermessensregelung solle hier hinreichend Spielraum geben, unverhältnismäßig hohe Kosten für Parallelverkehre begrenzen zu können. Diesem Erfordernis werde im Ausgangsbescheid umfänglich nachgekommen.
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Die Klägerin lässt hierzu über ihre Prozessbevollmächtigte ergänzend im Wesentlichen sinngemäß ausführen, insbesondere in den Fällen geänderter Unterrichtszeiten seien oftmals überhaupt keine öffentlichen Verkehrsmittel (mehr) gefahren, sodass es ihr ohne die Nutzung ihres Pkw nicht möglich gewesen wäre, rechtzeitig zum Unterricht zu kommen oder überhaupt wieder nach Hause zu gelangen. Außerdem sei es verschiedentlich zu Ausfällen des ÖPNV gekommen. Die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel sei somit nicht immer objektiv möglich gewesen. Wenn ihr Unterricht abweichend vom Stundenplan erst später begonnen oder früher geendet habe, seien Wartezeiten bis zu 1,5 Stunden entstanden. Entgegen der Rechtsauffassung des Beklagten hätte dies im Rahmen der Ermessensentscheidung berücksichtigt werden müssen. Der Beklagte habe übersehen, dass sich für sie die Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel bereits aufgrund der „üblichen“ reinen Fahrtzeiten als unzumutbar darstellten. Im Rahmen des Ermessens sei zu berücksichtigen, in welchem zeitlichen Umfang zusätzliche Auswirkungen an einzelnen Tagen gegeben seien. Wartezeiten von 1,5 Stunden zuzüglich von Fahrzeiten von 69 Minuten seien auch einer Schülerin der 11. Jahrgangsstufe nicht zumutbar. Darüber hinaus sei nicht ausgeschlossen, im Rahmen des Ermessens ihre besondere Situation aufgrund der Anzahl der Geschwister zu berücksichtigen. In ihrer Familie gebe es doppelt so viele Kinder wie von Art. 3 Abs. 1 und Abs. 2 Schulwegkostenfreiheitsgesetz (SchKfrG) gefordert. Diese besondere Situation habe berücksichtigt werden müssen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte, insbesondere auf die Sitzungsniederschrift vom 2. Februar 2023, und auf die beigezogene Behördenakte sowie auf die beigezogene Gerichtsakte des Verfahrens Az. AN 2 K 20.02052 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Die Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO) ist zulässig, jedoch unbegründet, da der Bescheid des Beklagten vom 25. Januar 2022 rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO). Vorliegend besteht weder ein Anspruch auf Erstattung von weiteren Schulwegkosten für die Benutzung eines privaten Pkw noch auf Neuverbescheidung.
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Zwar hat die Klägerin einen Anspruch auf Wegstreckenentschädigung für die Benutzung ihres privaten Pkw (a), jedoch hat der Beklagte die Wegstreckenentschädigung nach § 3 Abs. 3 Satz 3 der Verordnung über die Schülerbeförderung (Schülerbeförderungsverordnung – SchBefV) in der (für das Schuljahr 2018/2019 maßgeblichen) Fassung der Bekanntmachung vom 8. September 1994 (GVBl. S. 953, BayRS 2230-5-1-1-K) ermessensfehlerfrei auf die Kosten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel beschränkt (b).
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a) Die Klägerin hat – was die Beteiligten nicht in Frage gestellt haben – grundsätzlich einen Anspruch auf Wegstreckenentschädigung für die Benutzung ihres privaten Pkw im Schuljahr 2018/2019 gem. Art. 3 Abs. 2 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Kostenfreiheit des Schulwegs (Schulwegkostenfreiheitsgesetz – SchKfrG) in der (für das Schuljahr 2018/2019 maßgeblichen) Fassung der Bekanntmachung vom 31. Mai 2000 (GVBl S. 452, BayRS 2230-5-1-K) i.V.m. § 4 Nr. 1 SchBefV, §§ 2, 3 Abs. 2 und 3 SchBefV, da der Einsatz des privaten Fahrzeugs notwendig war.
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aa) Für Schülerinnen und Schüler an öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Gymnasien, Berufsfachschulen (ohne Berufsfachschulen in Teilzeitform) und Wirtschaftsschulen ab Jahrgangsstufe 11, für Schülerinnen und Schüler an öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Fachoberschulen und Berufsoberschulen sowie für Schülerinnen und Schüler im Teilzeitunterricht an öffentlichen und staatlich anerkannten privaten Berufsschulen regelt das Schulwegkostenfreiheitsgesetz keine Beförderungspflicht, wie es in Art. 1 Abs. 1 SchKfrG für Schüler bis einschließlich der Jahrgangsstufe 10 der Fall ist, sondern gewährt in Art. 3 Abs. 2 Satz 1 SchKfrG einen Erstattungsanspruch. Für Schüler ab der Jahrgangsstufe 11 erstattet der Aufgabenträger die Kosten der notwendigen Beförderung, soweit die nachgewiesenen vom Unterhaltsleistenden aufgewendeten Gesamtkosten der Beförderung eine Familienbelastungsgrenze von 370 EUR je Schuljahr übersteigen, vgl. Art. 3 Abs. 2 Satz 1 und 2 SchKfrG i.V.m. § 4 SchBefV (jeweils in der für das Schuljahr 2018/2019 geltenden Fassung). Gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 6 SchKfrG werden die aufgewendeten Kosten der notwendigen Beförderung in voller Höhe bis zum Ende des jeweiligen Schuljahres erstattet, sofern ein Unterhaltsleistender für drei oder mehr Kinder Anspruch auf Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz hat oder vergleichbare Leistungen erhält. Dabei vermindert sich die Familienbelastungsgrenze anteilig mit Ablauf des Monats, in dem die Voraussetzungen für den Bezug von Kindergeld oder vergleichbaren Leistungen erstmals gegeben sind. Nach Art. 3 Abs. 2 Satz 8 SchKfrG erfolgt die Kostenerstattung auf Antrag gegen Vorlage insbesondere der entsprechenden Fahrausweise. Dabei ist der Antrag bis spätestens 31. Oktober für das vorangegangene Schuljahr zu stellen. Der Umfang der notwendigen Beförderung wird durch Art. 2 Abs. 1 SchKfrG geregelt. Eine Beförderung durch öffentliche oder private Verkehrsmittel ist grundsätzlich notwendig, wenn der Schulweg in eine Richtung mehr als drei Kilometer zur nächstgelegenen Schule beträgt und die Zurücklegung des Schulwegs auf andere Weise nach den örtlichen Gegebenheiten und nach allgemeiner Verkehrsauffassung nicht zumutbar ist, § 4 Nr. 1 Halbs. 2 i.V.m. § 2 SchBefV. Art. 1 Abs. 2 SchKfrG statuiert ein Gebot zur vorrangigen Nutzung des ÖPNV. § 3 Abs. 2 SchBefV, der gemäß § 4 Nr. 1 Halbs. 2 SchBefV entsprechend für die Kostenerstattung nach Art. 3 Abs. 2 SchKfrG gilt, konkretisiert dieses Gebot zur vorrangigen Nutzung des ÖPNV. Kosten für andere Verkehrsmittel werden gemäß § 3 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 4 Nr. 1 Halbs. 2 SchBefV nur erstattet, soweit dies notwendig oder insgesamt wirtschaftlicher ist. Gemäß § 3 Abs. 3 Satz 1 SchBefV kann der Aufgabenträger seine Beförderungspflicht im Einzelfall dadurch erfüllen, dass er für den zumutbaren Einsatz von privaten Kraftfahrzeugen eine Wegstreckenentschädigung anbietet. Für deren Höhe gilt aufgrund der Verweisung in § 3 Abs. 3 Satz 2 SchBefV die Vorschrift des Art. 6 Abs. 6 des Bayerischen Reisekostengesetzes (BayRKG) entsprechend. Bei einer möglichen Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel kann die Wegstreckenentschädigung gem. § 3 Abs. 3 Satz 3 SchBefV auf die Höhe der Kosten für die Benutzung dieses Verkehrsmittels begrenzt werden.
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bb) Gemessen daran war der Einsatz des privaten Kraftfahrzeugs der Klägerin zum Besuch der Berufsfachschule bzw. zur Praktikumsstelle notwendig, weil sich hierdurch die Dauer der Abwesenheit der Klägerin von ihrer Wohnung um mehr als zwei Stunden an mindestens drei Tagen pro Woche verkürzte. Dass eine derartige Zeitersparnis die Benutzung eines Privatfahrzeugs rechtfertigt, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BayVGH, U.v. 7.4.2015 – Az. 7 B 14.1636 – juris Rn. 11; Allmanshofer in Wüstendörfer, Schulfinanzierung in Bayern, Stand November 2021, § 3 SchBefV Rn. 10.2 m.w.N.). Auch hat die Klägerin fristgerecht einen ordnungsgemäßen Antrag gem. Art. 3 Abs. 1 Satz 8 SchKfrG gestellt. Jedenfalls weil die Beteiligten im Termin zur mündlichen Verhandlung ausdrücklich darin übereinstimmten, dass für die anderweitige Beförderung aus wirtschaftlichen Gründen allein der Pkw, nicht aber das Taxi oder der Mietwagen, in Betracht kam, bedurfte die Klägerin auch keiner Genehmigung vorab, um den Pkw der Eltern an bestimmten Tagen schulwegbeförderungsrechtlich einzusetzen (vgl. allgemein zur Frage der zwingenden Vorabgenehmigung BayVGH, B.v. 1.3.2019 – 7 ZB 18.1439 – juris Rn. 12).
31
Der Anspruch auf Wegstreckenentschädigung für die Nutzung eines privaten Fahrzeugs ist auch nicht durch (antragsgemäße) Ausgabe der Wertmarken zu Beginn des Schuljahres ausgeschlossen. Die Ausgabe der Wertmarken stellt einen in sonstiger Weise ergangenen Verwaltungsakt gem. Art. 37 Abs. 2 Satz 1 Var. 4 BayVwVfG dar, der mittlerweile nach Ablauf der mangels Rechtsbehelfsbelehrunggeltenden Jahresfrist (vgl. § 58 Abs. 2 VwGO) bestandskräftig ist. Die Bestandskraft des Verwaltungsakts erstreckt sich jedoch nicht darauf, dass keine weiteren, ggf. noch entstehenden Kosten nach Art. 3 Abs. 2 Satz 1 SchKfrG erstattet werden können, denn die Bestandskraft eines Verwaltungsaktes tritt nur im Umfang des durch Auslegung zu ermittelnden Entscheidungsgegenstandes ein (vgl. zur Auslegung ausführlich Stelkens, Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Auflage 2023, § 43 Rn. 56 ff.). Die bloße Überlassung der Wertmarken – die naturgemäß keine Begründung oder Erläuterung beinhaltet – wird von einem besonnenen und vernünftigen Adressaten des Verwaltungsakts in der Lage der Klägerin, also mit Rücksicht auf den objektiven Empfängerhorizont (§§ 133, 157 BGB), nicht so verstanden, dass eine (weitergehende) nachträgliche Kostenerstattung, wie sie in Art. 3 Abs. 2 Satz 8 SchKfrG vorgesehen ist, ausgeschlossen ist. Vielmehr stellt sich die Aushändigung der Wertmarken für einen besonnenen und vernünftigen Adressaten des Verwaltungsakts in der Lage der Klägerin als eine (gesetzlich eigentlich für die Jahrgangsstufe 11 nicht vorgesehene) freiwillige Bewilligung einer kostenfreien Beförderung i.S.d. Art. 1 Abs. 1 Satz 1 SchKfrG, § 1 Satz 1 Nr. 2 SchBefV dar.
32
Ferner ist zwischen den Beteiligten unstrittig, dass die Familienbelastungsgrenze des Art. 3 Abs. 2 SchKfrG aufgrund der fünf Geschwister der Klägerin nicht einschlägig ist.
33
b) Der Beklagte hat jedoch die für den Einsatz des privaten Fahrzeugs der Klägerin anfallende Wegstreckenentschädigung in rechtlich zulässiger Weise gem. § 3 Abs. 3 Satz 3 SchBefV begrenzt. Die Voraussetzungen der genannten Vorschrift liegen vor (aa). Auch war die Ermessensausübung des Beklagten – nachdem dieser seine Ermessenserwägungen im Termin zur mündlichen Verhandlung ergänzt hatte – nicht zu beanstanden (bb). Schließlich lag hier die Auszahlung der auf die Kosten des ÖPNV begrenzten Wegstreckenentschädigung in der vorab erfolgten Ausgabe von Wertmarken (cc).
34
aa) Der Klägerin war die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 3 SchBefV möglich.
35
Sowohl die Berufsfachschule als auch die Praktikumsstelle waren im Regelfall nach dem vom Beklagten ermittelten Fahrplan für das Schuljahr 2018/2019 mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen. Das Gleiche gilt für den jeweiligen Rückweg. Dass der Klägerin die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel gleichwohl in subjektiver Hinsicht aufgrund des damit verbundenen Zeitaufwands nicht zumutbar war, ist ein Umstand, der bereits auf einer ersten Stufe der Prüfung, nämlich ob der Einsatz des privaten Kraftfahrzeugs notwendig war, berücksichtigt wurde. Bezüglich der sodann auf einer zweiten Stufe festzusetzenden Wegstreckenentschädigung kommt es vom Ansatz her nicht mehr darauf an, ob die Benutzung des öffentlichen Verkehrsmittels für den Schüler subjektiv zumutbar war (vgl. BayVGH, U.v. 7.4.2015 – 7 B 14.1636 – juris Rn. 15, 16).
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Für die Frage, ob die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Sinne von § 3 Abs. 3 Satz 3 SchBefV möglich war, ist es im Übrigen rechtlich unerheblich, ob es mit dem Vortrag der Klägerin tatsächlich lediglich an einzelnen Tagen zum Ausfall des ÖPNV oder zu besonders langen Wartezeiten aufgrund Verspätung des ÖPNV gekommen ist. Dabei betreffen besonders lange Wartezeiten aufgrund von Verspätungen die Frage der subjektiven Zumutbarkeit und nicht der objektiven Möglichkeit der Nutzung des ÖPNV. Im Übrigen sind für die Frage der objektiven Möglichkeit der Nutzung des ÖPNV einzelne Tage, an denen es zu Ausfällen oder Verspätungen gekommen ist, unbeachtlich, soweit im Regelfall eine Nutzung möglich ist. Für eine solche generalisierende Betrachtungsweise, die der Wortlaut der Norm zulässt, spricht, dass auch im Rahmen der Beförderungspflicht nach Art. 1 Abs. 1 Satz 1, Art. 2 Abs. 1 Satz 1, Art. 3 Abs. 1 SchKfrG anerkannt ist, dass der Aufgabenträger seiner Pflicht genügt, wenn er sicherstellt, dass nach den zu Schuljahresbeginn vorhandenen Fahrplänen im Regelfall eine Verbindung mit dem ÖPNV vorhanden ist. Lediglich bei gehäuftem Ausfall des ÖPNV muss er die Beförderung anpassen. Etwaige Defizite führen jedoch nicht nachträglich zu einem Anspruch auf Beförderung mit einem anderen Verkehrsmittel zu höheren Kosten (vgl. so zum Ganzen für den Beförderungsanspruch BayVGH, B.v. 3.12.2010 – 7 ZB 10.2368 – juris Rn. 25; Allmanshofer in Wüstendörfer, Schulfinanzierung in Bayern, Stand November 2021, § 3 SchBefV Rn. 5.1, 10.2 m.w.N.). Eine solche Auslegung entspricht auch dem Zweck der Regelungen zur Schülerbeförderung im Rahmen der Massenverwaltung. So wird dem Aufgabenträger grundsätzlich die Pflicht auferlegt, ein Beförderungsnetz an öffentlichen Verkehrsmitteln zu den jeweiligen Schulen zu organisieren bzw. ab der Jahrgangsstufe 11 die notwendigen Kosten zu erstatten. Dabei ist aufgrund der Anforderungen in der Massenverwaltung jedoch anerkannt, dass die Verwaltung bei der Ausfüllung von Begriffen in Leistungsgesetzen berechtigt ist, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu treffen, um den mit der Bewilligung von Leistungen verbundenen Aufwand in vertretbarem Rahmen zu halten (vgl. Allmanshofer in Wüstendörfer, Schulfinanzierung in Bayern, Stand November 2021, § 3 SchBefV, Rn. 10.2, 14). Eine solche generalisierende Betrachtungsweise ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar. So ist anerkannt, dass kein verfassungsrechtlich garantierter Anspruch auf kostenfreien Transport zur Schule besteht (BayVerfGH, B.v. 27.7.1984 – Vf. 17-VII-83 – juris; E.v. 28.10.2004 – Vf. 8-VII-03 – juris Rn. 25; E.v. 7.7.2009 – Vf. 15-VII-08 – juris Rn.59). Weder dem Grundgesetz (vgl. BVerwG B.v. 22.10.1990 – 7 B 128/90 – juris Rn. 6) noch der Bayerischen Verfassung ist zu entnehmen, dass sämtliche mit dem Schulbesuch verbundenen Aufwendungen vom Staat oder von den Kommunen zu tragen wären. Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar in einer Entscheidung vom 15. Januar 2009 (Az. 6 B 78/08 juris Rn. 6) offengelassen, ob sich aus dem durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten Recht der Erziehungsberechtigten, den Bildungsweg ihrer Kinder zu bestimmen, und aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht der Schüler (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) Auswirkungen auf die Erstattungsfähigkeit privater Schülerbeförderungskosten ergeben. Aber auch in diesem Fall – so das Bundesverwaltungsgericht – stünde den Landesgesetzgebern ein sehr weiter Ausgestaltungsspielraum hinsichtlich der Zumutbarkeit des Beförderungsangebots im ÖPNV zu (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 3.12.2010 – 7 ZB 10.2368 – juris Rn. 13).
37
Darüber hinaus kann vorliegend auch in tatsächlicher Hinsicht nicht davon ausgegangen werden, dass es an einzelnen Tagen zum Ausfall oder erheblichen Verspätungen des ÖPNV gekommen ist. Zwar trägt die Behörde nach allgemeinen Grundsätzen die Feststellungslast bzw. allgemeine Beweislast für den ihr günstigen Umstand, dass die Beförderung mit öffentlichen Verkehrsmitteln regelmäßig möglich ist (vgl. allgemein Kraft in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 108 Rn. 52). Hat die Behörde dies – wie hier – hinreichend belegt, obliegt es dem Anspruchsteller substantiiert darzulegen, dass es abweichend vom Fahrplan zu Ausfällen und Verspätungen gekommen ist. Denn diese Umstände erlebt der Schüler unmittelbar, sodass die Kenntnis etwaiger Ausfälle oder Verspätungen in seiner Sphäre liegt. Lediglich der entsprechende, substantiierte Vortrag eröffnet der Behörde die Möglichkeit, Ausfällen und Verspätungen in ggf. erheblichem Umfang nachzugehen. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass es sich bei dem Recht der Schülerbeförderung um Massenverwaltung handelt, die es nicht erlaubt, ohne konkreten Anlass für jegliche Verbindungen tagesaktuell Ausfälle und Verspätungen zu erfassen. Danach fehlt es hier an hinreichend substantiiertem Vortrag. So hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung sinngemäß erklärt, sie könnten heute nicht mehr genauer sagen, an welchen Tagen es zu Ausfällen gekommen sei.
38
bb) Der Beklagte hat das ihm eingeräumte Ermessen auch fehlerfrei ausgeübt. Insbesondere liegt entgegen des klägerischen Vorbringens keine Ermessensreduzierung auf Null vor.
39
(1) Nach Art. 40 BayVwVfG hat die Behörde ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten. Die Ermessensentscheidung des Aufgabenträgers ist vom Gericht lediglich auf etwaige Ermessensfehler zu überprüfen, also darauf, ob der Aufgabenträger sein Ermessen hinreichend begründet hat und weder die Existenz oder den Umfang des Ermessensspielraums verkannt noch eine gesetzliche Ermessensgrenze überschritten noch von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat, vgl. § 114 Satz 1 VwGO. Anerkannt ist, dass die Behörde in ihre Ermessenserwägung nicht alle denkbaren Gesichtspunkte, sondern nur die nach dem Zweck der Ermächtigung wesentlichen einstellen muss (vgl. Schübel-Pfister, Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 114 Rn. 24; Wolff, Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, Rn. 178 ff.). Maßgebliche Kriterien für die Begrenzung der Wegstreckenentschädigung sind insbesondere die Haushaltslage, der sparsame Umgang mit Steuergelder, Nutzbarkeit von Wartezeiten sowie eine gleichmäßige Verfahrensweise (vgl. Allmanshofer in Wüstendörfer, Schulfinanzierung in Bayern, Stand November 2021, § 3 SchBefV, Rn. 14). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Verwaltungsbehörde – sofern materiell-rechtlich zulässig – ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes gem. § 114 Satz 2 VwGO auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen kann. Insoweit darf zuvor weder ein Ermessensausfall vorgelegen haben noch kann sich die Beklagte auf völlig neue Ermessensgesichtspunkte stützten, die einen gänzlich anderen Bescheid ergeben würden (vgl. so zum Ganzen Riese in Schoch/Schneider, VwGO, Stand August 2022, Rn. 254 f.). Materiellrechtlich ist das Nachschieben solcher Erwägungen zulässig, die bereits im Zeitpunkt des Bescheiderlasses vorlagen, der Verwaltungsakt in seinem Wesen nicht verändert wird und die Rechtsverteidigung des Betroffenen nicht beeinträchtigt wird (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 114 Rn, 89 ff.).
40
(2) Gemessen an diesen Vorgaben stellt sich die Ermessensausübung vorliegend als fehlerfrei dar.
41
(a) Im Ausgangspunkt ist zu berücksichtigen, dass dem Beklagten ein weiter Ermessensspielraum zusteht, da es sich bei der Erstattung von Schulwegkosten – wie oben dargestellt – um eine freiwillige Leistung des Staats handelt, die verfassungsrechtlich nicht geboten ist.
42
(b) Zudem hat der Beklagte weder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten noch von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht. Denn er hat seine Ermessensentscheidung sachgerecht damit begründet, dass die Grundsätze der Sparsamkeit und Wirtschaftlichkeit der öffentlichen Hand zu beachten seien. Diesem Erfordernis werde dadurch Rechnung getragen, dass aufgrund der Größe des Landkreises … und der damit verbundenen hohen Anzahl an zurückzulegenden Kilometern, der Wegstreckenanspruch sinnvoll begrenzt werde. Weiterhin hat er in nicht zu beanstandender Weise darauf abgestellt, dass es bei einem Flächenlandkreis besonders auf die Aufrechterhaltung und den weiteren Ausbau des ÖPNV ankomme und deshalb einem hohen Nutzungsgrad der öffentlichen Verkehrsmittel besonderes Gewicht zukomme, um den ÖPNV zu stärken. Diese Erwägungen orientieren sich an der gesetzlichen Systematik der SchBefV und werden dem in § 3 Abs. 2 Satz 1 SchBefV und Art. 1 Abs. 2 SchKfrG zum Ausdruck kommenden Vorrang des ÖPNV gerecht. Das gesamte Schülerbeförderungsrecht ist zudem von dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und des sparsamen Einsatzes öffentlicher Mittel geprägt (vgl. auch BayVGH, B.v. 3.12.2010 – 7 ZB 10 2368 – juris Rn. 18). Mit der Vorschrift des § 3 Abs. 3 Satz 3 SchBefV soll der Aufgabenträger gerade Kosten für Parallelverkehre begrenzen können. Die Ermessensentscheidung entspricht damit sowohl dem Zweck der gesetzlichen Bestimmungen als auch dem Willen des Gesetzgebers.
43
(c) Der Beklagte hat im Rahmen seiner Ermessensausübung – nachgeschoben durch entsprechende Prozesserklärung im Termin zu mündlichen Verhandlung – sinngemäß auch berücksichtigt, dass die Klägerin (trotz subjektiver Unzumutbarkeit) ganz überwiegend den ÖPNV benutzt hat. So hat die Beklagtenseite im Termin ausgeführt, die vorliegende Nutzung des ÖPNV etwa zu ¾ stütze gerade seine Einschätzung, dass die ÖPNV-Nutzung möglich gewesen sei. Aus diesem Grund würden trotz überwiegender Nutzung des ÖPNV die vollen Fahrtkosten des Pkw für die übrigen Tage nicht übernommen, denn auch dies würde dem Ziel des Beklagten, der ÖPNV-Nutzung Vorrang einzuräumen bzw. einen möglichst hohen Nutzungsgrad zu erreichen, zuwiderlaufen bzw. dieses aufweichen. Hierdurch kommt unmissverständlich zum Ausdruck, dass der Beklagte trotz der zurückhaltenden Nutzung des privaten Pkw durch die Klägerin auch im vorliegenden Verfahren das Ziel einer umfassenden (möglichen) Nutzung des ÖPNV nicht zu relativieren beabsichtigt. Dass der Beklagte im Rahmen seiner Abwägung im Ergebnis trotz hoher individueller Nutzung des ÖPNV durch die Klägerin dennoch für die übrigen Tage keine vollen Fahrtkosten erstattet, um dem Vorrang der Nutzung des ÖPNV größtmögliche Geltung zu verschaffen und diesen nicht aufzuweichen, hält sich im Rahmen des weiten Ermessensspielraums und ist nicht zweckwidrig. Entgegen des klägerischen Vortrags ist auch nicht ersichtlich, dass der Beklagte den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und dem hohen Nutzungsgrad einen absoluten Vorrang, im Sinne eines Ermessensausfalls betreffend andere Gesichtspunkte, hat zukommen lassen. Vielmehr hat der Beklagte – wie ausgeführt – den hohen Nutzungsgrad des ÖPNV im vorliegenden Fall berücksichtigt. Dass der Beklagte dennoch den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und dem Vorrang des ÖPNV im Ergebnis ein höheres Gewicht beimisst, ist im Rahmen des weiten Ermessensspielraum nicht zu beanstanden.
44
Das Nachschieben der Ermessenserwägungen war hier auch möglich. Zuvor lag weder ein Ermessensausfall vor noch hat sich der Beklagte auf völlig neue Ermessensgesichtspunkte gestützt. Entgegen dem klägerischen Vortrag beziehen sich die nachgeschobenen Erwägungen auch unzweifelhaft auf die Ermessensausübung und nicht etwa auf Anspruchsvoraussetzungen. So beinhalten die nachgeschobenen Erwägungen insbesondere ein Abwägungsergebnis im Rahmen der Ermessensausübung. Im Übrigen lagen die nachgeschobenen Erwägungen bereits im Zeitpunkt des Bescheiderlasses vor und verändern nicht das Wesen des angegriffenen Bescheids. Schließlich hat der Beklagte im Termin auf Nachfrage, wie die abgegebene Erklärung prozessual einzuordnen sei, ausdrücklich erklärt, die Gründe könnten nachgeschoben werden, worauf die Kammer der Beklagtenseite unter Darstellung der prozessualen Situation Gelegenheit gegeben hat, ggf. den Rechtsstreit für erledigt zu erklären. Entsprechend ist nicht ersichtlich, dass die Rechtsverfolgung oder -verteidigung der Klägerin beeinträchtigt gewesen wäre.
45
(d) Auch im Übrigen greifen die Einwände der Klägerin gegen die Rechtmäßigkeit der Ermessensentscheidung nicht durch.
46
Insbesondere vermag das Gericht einen Ermessensfehler nicht darin zu erblicken, dass der Beklagte im Rahmen der Ermessensausübung nicht nochmals besonders auf die grundsätzlich bestehende subjektive Unzumutbarkeit der Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel abgestellt hat. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs kommt es bei der Festsetzung der Höhe der Wegstreckenentschädigung auf der zweiten Stufe nicht mehr darauf an, ob die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel im konkreten Fall subjektiv zumutbar ist, da diese Frage bereits auf der ersten Stufe im Rahmen der Notwendigkeit des Einsatzes eines privaten Kraftfahrzeugs geprüft und berücksichtigt wird (vgl. BayVGH, U.v. 7.4.2015 – 7 B 14.1636 – juris Rn. 17; VG Bayreuth, U.v. 23.3.2015 – B 3 K 14.841 – juris Rn. 29). Demnach führt die Unzumutbarkeit der Benutzung des ÖPNV erst zu dem Anspruch auf Wegstreckenentschädigung nach § 3 Abs. 3 Satz 1 und 2 SchBefV, sodass der Gesichtspunkt der Unzumutbarkeit jeder etwaigen Beschränkung der Wegstreckenentschädigung immanent ist, also gerade keine Besonderheit darstellt. Soweit die Klägerin vorträgt, an einzelnen Tagen seien besonders lange Wartezeiten von bis zu eineinhalb Stunden entstanden, kann offenbleiben, ob eine „besondere“ Unzumutbarkeit an einzelnen Tagen zwingend nochmals im Rahmen der Ermessensausübung zu berücksichtigen ist. Denn der Beklagte ist bei seiner Entscheidung jedenfalls davon ausgegangen, dass für die Klägerin zusätzliche Wartezeiten bis zu eineinhalb Stunden entstanden sind und hat in nicht zu beanstandender Weise noch hinreichend darauf abgestellt, dass solche Wartezeiten im Rahmen der Ermessensausübung für eine Schülerin der 11. Jahrgangsstufe vertretbar seien.
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Soweit die Klägerin vorträgt, der Beklagte habe nicht berücksichtigt, dass der ÖPNV an einzelnen Tagen ausgefallen sei, lässt sich hieraus auch kein Ermessensfehler ableiten. Zum einen ist der Vortrag – wie oben dargestellt – schon nicht substantiiert, zum anderen stellt auch diese Tatsache darüber hinaus keinen wesentlichen Gesichtspunkt dar, der im Rahmen des Ermessens zwingend zu Gunsten der Klägerin zu berücksichtigen wäre. Denn wie oben dargestellt, ist dem Zweck des Schülerbeförderungsrecht genüge getan, wenn im Regelfall eine Verbindung existiert. Vereinzelte Ausfälle an bestimmten Tagen sind demgegenüber vernachlässigbar.
48
Auch hat der Beklagte nicht zwingend zu Gunsten der Klägerin berücksichtigen müssen, dass sie fünf Geschwister und ihr Vater demnach für doppelt so viele Kinder Unterhalt zu leisten hat, als für den Wegfall der Familienbelastungsgrenze gem. Art. 3 Abs. 3 Satz 6 SchKfrG mindestens erforderlich sind. Denn dieser Umstand stellt keinen wesentlichen Gesichtspunkt gemessen an dem von § 3 Abs. 3 Satz 3 SchBefV verfolgten Zweck dar, auch in Massenverfahren eine Möglichkeit der Kostenersparnis zu schaffen, der im Rahmen der Ermessensausübung zwingend zu berücksichtigen wäre. Hierfür spricht schon, dass die Pflicht des Aufgabenträgers zur Übernahme der Kosten grundsätzlich unabhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnisses der Antragsteller besteht und der Gesetzgeber lediglich ab der Jahrgangsstufe 11 im Rahmen der Anspruchsvoraussetzungen die Unterhaltspflichten und teils Einkommensverhältnisse bereits – etwas pauschaliert – im Rahmen der Familienbelastungsgrenze nach Art. 3 Abs. 2 SchKfrG berücksichtigt hat. Eine darüberhinausgehende differenziertere Berücksichtigung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse einschließlich etwaiger Unterhaltsansprüche im Rahmen des Ermessens in jedem Einzelfall würde zum einen einer noch praktikablen Handhabung in Masseverfahren widersprechen und ist auch – wie bereits ausgeführt – verfassungsrechtlich im Rahmen der Leistungsverwaltung nicht geboten.
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(cc) Mit der (antragsgemäßen) Ausgabe der Wertmarken vorab hat der Beklagte hier seine Verpflichtung zur Kostenerstattung begrenzt auf die Höhe der Kosten für die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel bereits erfüllt. Zwar handelte es sich insoweit nicht um Kostenerstattung in Geld. Jedoch besteht vorliegend die Besonderheit, dass die Klägerin tatsächlich – und überwiegend – öffentliche Verkehrsmittel genutzt hat, sodass die Ausgabe der Wertmarken für sie keinesfalls (wirtschaftlich) nutzlos war. Vielmehr hat sie sich mit Blick auf die erhaltenen Wertmarken gerade Ausgaben in Höhe des Werts dieser Marken – also Ausgaben in Höhe der angefallenen Kosten für den ÖPNV – erspart.
50
Nach alledem war die Klage sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag abzuweisen.
51
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 161 Abs. 1, § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, §§ 711, 713 ZPO.