Titel:
Verwirkung des Rechts auf Widerruf der Freigabe eines Grundstücks für den allgemeinen Straßenverkehr
Normenketten:
LStVG Art. 7 Abs. 2
BayStrWG Art. 13
BGB § 242
Leitsätze:
1. Die abstrakte Gefahr der Erschwernis des Verkehrs nach § 32 StVO erfordert eine tatsächliche, gegenständliche Sperrung oder Behinderung einer Straße. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Verwirkung ist anzunehmen, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung eines Anspruchs längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen. (Rn. 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verwirkung des Widerrufs der Freigabe eines Privatgrundstücks für den allgemeinen Straßenverkehr, kein Verkehrshindernis durch brieflichen Anspruch eines Befahrungsverbotes unter Anordung der Geltendmachung von Schadensersatzforderungen an wenige Personen, kein Verkehrshindernis durch brieflichen Anspruch eines Befahrungsverbotes unter Anordnung der Geltendmachung von Schadensersatzforderungen an wenige Personen, tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche, abstrakte Gefahr der Erschwernis des Verkehrs
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 08.05.2023 – 8 ZB 22.2287
Fundstelle:
BeckRS 2023, 13427
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 8. November 2019 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beteiligten tragen die Kosten jeweils zur Hälfte.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Kostenschuldner kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Kostengläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Tatbestand
1
Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 8. November 2019, in welchem dieser verpflichtet wird, das Befahren und Betreten des Grundstücks FlNr. …, Gemarkung …, zu dulden. Gleichzeitig begehrt er die Feststellung, dass er berechtigt sei, das Grundstück für die Allgemeinheit zu sperren.
2
Der Kläger ist seit 2016 Eigentümer des 4 m² großen, dreieckigen Grundstücks FlNr. …, Gemarkung … Die Mutter des Klägers erwarb das Grundstück FlNr. …, Gemarkung …, im Jahr 2007 und ließ das Grundstück FlNr. … im Jahr 2012 aus dem Grundstück Fl.-Nr. … herausmessen.
3
Das Grundstück FlNr. … wird nördlich von dem Grundstück FlNr. … und westlich von dem Grundstück der Beklagten mit FlNr. … begrenzt, welches nach Aktenlage die O. straße „…“ bildet. Im Süden grenzt das Grundstück FlNr. … an die als O. straße gewidmete „…“ an. Das Grundstück FlNr. … ist asphaltiert und wird gemeinsam mit einer Teilfläche des Grundstücks FlNr. … als öffentliche Verkehrsfläche zur Einmündung in die „…“ (O. straße) genutzt. Dabei führt von der … aus eine ca. 15 m lange Gefällestrecke auf eine ca. 2 m tiefer liegende Verkehrsfläche. Die Gefällestrecke weist eine Fahrbahnbreite von ca. 3 m auf. Wenn die Fläche Fl.Nr. …, Gemarkung …, nicht mehr befahren werden kann, verringert sich die Fahrbahnbreite der Zufahrt … von der … auf ca. 1,6 m Breite.
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Mit Schreiben vom 27. Juli 2016 kündigte die Mutter des Klägers und Voreigentümerin des gegenständlichen Grundstücks an, das Grundstück mit Ablauf des 31. Juli 2018 einzuziehen und die Öffentlichkeit von der Benutzung auszuschließen. Die Beklagte wurde aufgefordert, den Asphaltbelag zu entfernen.
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Daraufhin bemühte sich die Beklagte zunächst die nach damaliger Auffassung fehlerhafte Widmung zu heilen. Die vormalige Eigentümerin lehnte jedoch die Zustimmung zur Widmung ab. Auch mehrmalige Versuche der Beklagten, die streitgegenständliche Fläche für 400,00 EUR zu erwerben, scheiterten. Vorschläge der Klägerseite, die Fläche gegen Wertausgleich bzw. gegen Grunddienstbarkeiten zu tauschen, führten letztlich nicht zur Beilegung des Konflikts.
6
Mit Schreiben vom 25. Oktober 2018 wies der Bevollmächtigte des Klägers darauf hin, dass die Wartefrist von zwei Jahren zwischenzeitlich abgelaufen sei und er dem Kläger als neuen Grundstückseigentümer empfehle, demnächst Betretungs- und Befahrungsverbote auszusprechen.
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Mit Schreiben vom 23. Oktober 2019 forderte der Bevollmächtigte des Klägers unter Androhung der Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche das mit der Sanierung von städtischen Parkplätzen auf der … beauftragte Bauunternehmen und die Stadtwerke auf, das Grundstück Fl.-Nr. … nicht zu begehen, zu befahren oder anderweitig zu benutzen.
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Das Bauunternehmen weigerte sich laut Beklagter daraufhin bis zum Erlass des streitgegenständlichen Bescheids, die Fläche zu befahren und damit auch den Bau zu beginnen, da er Schadensersatzforderungen befürchtete.
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Auf die darauf erfolgte Anhörung der Beklagten zum Erlass einer Duldungsanordnung nach Art. 7 LStVG i.V.m. Art. 13 Abs. 1 BayStrWG hin, wurde von der bevollmächtigten Schwester des Klägers das ausgesprochene Betretungs- und Befahrungsverbot bekräftigt.
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Mit Bescheid vom 8. November 2019 wurde der Kläger als Eigentümer der Straßenfläche FlNr. …, Gemarkung …, verpflichtet, das Befahren des Grundstücks mit Fahrzeugen aller Art sowie das Betreten durch Fußgänger zu dulden (Ziffer 1) sowie jegliche Maßnahmen zu unterlassen, die den Verkehr auf dieser Fläche einschränken oder behindern könnten (Ziffer 2). Darüber hinaus wurde der Kläger verpflichtet, Maßnahmen Dritter, die die Nutzung der öffentlichen Straßenfläche FlNr. …, Gemarkung …, einschränken oder behindern, zu beseitigen und die Benutzbarkeit als öffentliche Verkehrsfläche unverzüglich wiederherzustellen (Ziffer 3). Weiterhin wurden die Ziffern 1 bis 3 des Bescheides für sofort vollziehbar erklärt (Ziffer 4). Zudem wurde für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Ziffern 1 bis 3 jeweils Zwangsgeld angedroht (Ziffer 5 bis 7). Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass durch die Handlungen des Eigentümers gegenüber dem Bauunternehmen, der Stadtwerke … sowie der Stadt … selbst ein Einschreiten zur Aufrechterhaltung des öffentlichen Verkehrs sowie der Aufrechterhaltung der Rettungswege zwingend geboten sei. Durch das ausgesprochene Verbot, die kleine, aber zwingend notwendige Fläche zu befahren oder zu betreten, könne die Erschließungsfunktion der Straße nicht mehr aufrechterhalten werden, so dass ein zentraler Parkplatz … mit über 50 Stellplätzen, die …, das Museum an der …, eine Einrichtung der Arbeiterwohlfahrt sowie private Wohnungen nicht mehr angefahren werden könnten. Der öffentliche Verkehr nutze die Straßenfläche seit mindestens 197 Jahren. Die Fläche sei mit Zustimmung des damaligen Eigentümers asphaltiert und immer als Straßenfläche genutzt worden. Das Ermessen auf sicherheitsrechtliches Einschreiten sei auf Null reduziert, da durch das Verbot der Befahrung weder Rettungsfahrzeuge zu dem dann abgetrennten Stadtteil fahren könnten, noch die … bei Notfällen ausrücken könnte (Versorgungsunternehmen für Wasser und Strom).
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Mit Schriftsatz vom 14. November 2019 erhob der Klägerbevollmächtigte Klage auf Aufhebung des Bescheids vom 8. November 2019. Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2020 erhob der Bevollmächtigte Feststellungsklage, dass der Kläger zur Sperrung des Grundstücks befugt sei. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bescheid vom 8. November 2019 rechtswidrig sei. Die Voraussetzungen einer sicherheitsrechtlichen Duldungsverfügung seien nicht erfüllt. Der Kläger habe keine Gefahr oder Störung verursacht. Der Feststellungsantrag sei begründet, da der Kläger als Eigentümer gemäß § 903 BGB mit dem Grundstück nach Belieben verfahren und andere von der Einwirkung ausschließen dürfe. Weder die Mutter noch der Kläger habe der Asphaltierung des streitgegenständlichen Grundstückes und der Benutzung durch die Öffentlichkeit zugestimmt. Die Benutzer des streitgegenständlichen Grundstückes hätten keine Wegerechte. Es seien keine Dienstbarkeiten im Grundbuch eingetragen. Das Flurstück sei nicht mit Duldung der damaligen Eigentümer von der Allgemeinheit genutzt worden. Aus der längeren Duldung der Benutzung des Grundstückes lasse sich jedenfalls kein Nutzungsrecht ableiten. Die Einwilligung sei jedenfalls widerruflich. Die Voreigentümerin habe die Einziehung der tatsächlichen Verkehrsfläche angekündigt. Die Beklagte habe Zeit gehabt, für eine bessere verkehrliche Erschließung der an der Straße „…“ anliegenden und auf der Stadtwerksinsel gelegenen Grundstücke zu sorgen. Es gebe keine technischen Zwangspunkte, die verbieten würden, die Straße nach Westen hin zu verbreitern.
1. Der Bescheid der Stadt … vom 08.11.2019 – AZ:* … – betreffend die Anordnung der Duldung der Überfahrt und des Betretens des Straßengrundstücks FlNr. … Gmkg. … durch die Allgemeinheit wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass der Kläger berechtigt ist, den im Grundbuch des Amtsgerichts … von …, Band …, …, eingetragene Grundstück FlNr. … Gmkg. … für die Allgemeinheit zu sperren und der Allgemeinheit den Zugang, die Überfahrt und die anderweitige Benutzung dieses Grundstückes zu verbieten.
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Die Beklagte beantragt,
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Der Kläger sei nicht berechtigt, das als Fahrbahn geteerte Straßengrundstück FlNr. … für die Nutzung durch die Allgemeinheit zu sperren. Durch die vom Kläger veranlassten Schreiben an den Bauunternehmer sei kein körperliches, aber dennoch ein tatsächliches, rechtliches Verkehrshindernis geschaffen worden. Zudem habe die konkrete Gefahr einer körperlichen Straßensperrung bestanden. Ein Widerruf der öffentlichen Verkehrsnutzung durch den Kläger wäre jedenfalls verwirkt. Die Rechtsvorgänger des Klägers hätten die öffentliche Verkehrsnutzung auf der streitgegenständlichen Grundstücksfläche über mehrere Jahrzehnte mit Wissen und Wollen hingenommen. Die Fläche sei 1981/1982 asphaltiert und die Stützmauer saniert worden. Die Asphaltierung des als Fahrbahn genutzten Grundstückteils sei offensichtlich mit Zustimmung des damaligen Eigentümers erfolgt. Die Beklagte habe daher darauf vertrauen dürfen, dass der Eigentümer des Grundstücks FlNr. … ein eventuelles Widerrufsrecht bezüglich der Freigabe der fraglichen Teilfläche für den öffentlichen Verkehr nicht mehr ausüben werde. Dies gelte gerade mit Blick auf die finanziellen Dispositionen der Beklagten bei der Herstellung der Verkehrsfläche. Die Klägerfamilie habe selbst das Vertrauen der Beklagten begründet. Die Rechtsvorgängerin des Klägers habe selbst im Jahr 2012 einen Antrag auf Vermessung und damit Teilung des Grundstücks FlNr. … gestellt. Im Rahmen des Vermessungstermins habe die anwesende Vertreterin der damaligen Eigentümerin, die Generalbevollmächtigte des Klägers, …, mitgeteilt, dass dieser Grundstücksteil des neuen Flurstücks ja offensichtlich Teil der Straße sei und daher an die Stadt … veräußert werden solle. Dies sei so auch im Fortführungsnachweis explizit aufgenommen worden und das Grundstück FlNr. … als Verkehrsfläche kategorisiert worden. Gegen den der Rechtsvorgängerin des Klägers zugestellten Fortführungsnachweis seien keine Einwände erhoben worden. Die Rechtsvorgängerin als auch der Kläger wären sehr bestrebt gewesen, das Straßengrundstück an die Beklagte zu veräußern. Die Veräußerung sei nur an den überzogenen Forderungen der Familie des Klägers gescheitert. Es sei historischen Karten zu entnehmen, dass die Stützmauer seit 1820 bestehe.
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Aus dem historischen Grundbuchauszug des Amtsgericht … ergibt sich, dass Frau …, geb. … von 1976 bis 2004 Alleineigentümerin der FlNr. …, … gewesen ist und Herr … als ihr Erbe im Jahr 2004 Alleineigentümer wurde.
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Die Beklagte stellte mit Schriftsatz vom 2. Dezember 2019 beim Landratsamt einen Antrag auf Enteignung der FlNr. …, Gemarkung … Das Enteignungsverfahren wird aktuell nicht betrieben.
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Mit Beschluss vom 7. April 2021 (AN 10 S 19.0256) lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach den Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage des Klägers ab mit der Begründung, dass die streitgegenständliche Fläche zwar nicht gewidmet, aber eine tatsächlich-öffentliche Verkehrsfläche sei und das Recht des Antragstellers, die Freigabe des gegenständlichen Wegedreiecks zu widerrufen, verwirkt sei. Mit Beschluss vom 23. Juni 2021 (8 CS 21.1245) stellte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auf die Beschwerde des Antragstellers hin die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage wieder her mit der Begründung, dass die Voraussetzungen einer Duldungsverfügung nicht vorlägen und eine Verwirkung auf Grundlage der Aktenlage nicht hinreichend festzustellen sei.
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Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2022, legte der Klägervertreter ein Schreiben vom 18. Januar 2022 vor, unterschrieben von Herrn …, wonach Herr … als ehemaliger Eigentümer des „…“ und des … bestätigen könne, dass von seiner Frau und ihm keine Genehmigung zum Teeren der Fläche vor dem Anwesen … inklusive Garagen eingeholt und erteilt worden sei. Auch sei keine Genehmigung zum Überfahren der Fläche, soweit sie in ihrem Eigentum gestanden habe, erteilt worden. Es habe auch niemand bei ihnen danach gefragt oder darum gebeten. Der Kläger gab an, nach mehreren Gesprächen mit Herrn … zu dem Thema, den vorgelegten Text selbst verfasst zu haben und Herr … habe ausdrücklich bestätigt, dass der Text seiner Erinnerung entspräche.
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Das Gericht hat Beweis erhoben gemäß Beweisbeschlüssen vom 26. Oktober 2021, 18. Januar 2022 und 25. Januar 2022 durch Einvernahme der Zeugen …, … und … Wegen des Inhalts der Zeugenaussagen wird auf das Protokoll vom 25. Januar 2022 und das Protokoll vom 4. Mai 2022 Bezug genommen.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird zur Vermeidung unnötiger Wiederholungen auf die Gerichtsakten und die vorgelegte Behördenakte sowie auf die Protokolle der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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I. Die Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 8. November 2019 ist zulässig und begründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22
1. Der streitgegenständliche Bescheid wurde auf Art. 7 LStVG i.V.m. Art. 13 BayStrWG gestützt.
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Auf Art. 13 Abs. 1 BayStrWG kann die Duldungs- und Unterlassungsverfügung sowie die Beseitigungsverpflichtung nicht gestützt werden, da das streitbefangene Grundstück schon nicht gewidmet ist. Das Grundstück ist Teil einer tatsächlich-öffentlichen Straße. Insoweit nimmt das Gericht Bezug auf die Ausführungen des Eilbeschlusses dieser Kammer vom 7. April 2021 (AN 10 S 19.02256) und auf die Begründung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Beschluss vom 23. Juni 2021 (8 CS 21.1245).
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2. Der Bescheid kann auch nicht auf Art. 7 Abs. 2 LStVG gestützt werden.
25
a. Zum Zeitpunkt des Bescheiderlass bestand kein Verkehrshindernis.
26
Die zuständige Straßenbaubehörde (vgl. Art. 58 Abs. 2 Nr. 3 BayStrWG, Art. 6 LStVG) kann grundsätzlich Störungen der öffentlichen Ordnung durch Verkehrshindernisse verantwortlicher Personen (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG) mit einer Beseitigungsanordnung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 und 2 LStVG i.V.m. § 32 Abs. 1, § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO abwehren (vgl. BayVGH, B v. 9.2.2009 – 8 CS 08.3321 – juris Rn. 23; U.v. 17.2.2003 – 11 B 99.3439 – juris Rn. 30 ff.).
27
aa. Art. 7 Abs. Nr. 1 LStVG i.V.m. § 32, § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO ist hier jedoch nicht einschlägig.
28
Das Argument der Beklagten, der Tatbestand des § 32 StVO sei auch dann erfüllt, wenn eine „Erschwerung“ des Verkehrs vorliege, was durch die klägerischen Schreiben der Fall gewesen sei, dringt nicht durch. § 32 StVO setzt als Verbotshandlung ein Beschmutzen, Benetzen oder das Aufbringen von Gegenständen voraus, d.h. die abstrakte Gefahr der Erschwernis des Verkehrs nach § 32 StVO erfordert eine tatsächliche, gegenständliche Sperrung oder Behinderung einer Straße (vgl. Ritter in BeckOK Straßenverkehrsrecht, 16. Edition, Stand 15.07.2022, § 32 StVO, Rn. 8, 9).
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bb. Durch die an Bauunternehmer und Stadtwerke gerichteten klägerischen Briefe, in denen unter Androhung der gerichtlichen Geltendmachung etwaiger Schadensersatzansprüche dazu aufgefordert wurde, das streitgegenständliche Grundstück nicht zu begehen, zu befahren oder anderweitig zu benutzen, wurde entgegen der Ansicht der Beklagten auch kein (psychisch vermitteltes) rechtliches Verkehrshindernis geschaffen.
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Zwar hat der Bauunternehmer auf Grund der angedrohten Schadensersatzforderungen bei Missachtung des Befahrungsverbots die Überfahrt verweigert und die Baumaßnahmen konnten nicht rechtzeitig begonnen werden. Erst als die Beklagte den Duldungsbescheid erlassen hatte, nahm er seine Arbeit wieder auf. Grundsätzlich ist auch nicht auszuschließen, dass auch ein nicht körperlich manifestiertes Fahrverbot unter bestimmten Umständen ein Verkehrshindernis erzeugen kann (etwa durch Aufstellung von amtlich wirkenden Verbotsschildern). Die konkreten Schreiben haben sich jedoch nicht störend auf den Gebrauch der Straße durch die Allgemeinheit ausgewirkt. Der Brief an den Bauunternehmer ist keine öffentliche Erklärung, die den stattfindenden Straßenverkehr tatsächlich unterbinden oder die Verkehrsteilnehmer verunsichern und die Eigenschaft als öffentliche Verkehrsfläche aus Sicht der Verkehrsteilnehmer beeinträchtigen könnte (vgl. hierzu BayVGH, B. v.19.4.2007 – 11 ZB 06.2058 – juris Rn. 45; BayVGH, B. v. 6.3.2019 – 8 CS 18.1890 – BeckRS 2019. 3460 Rn. 22ff.). Die in Rede stehenden Schreiben richteten sich schon nicht an den öffentlichen Straßenverkehr und konnten von diesem auch nicht wahrgenommen werden. Abgesehen von den Stadtwerken, der Beklagten und dem Bauunternehmer erlangte kein Verkehrsteilnehmer Kenntnis von den Schreiben und dem darin behaupteten Befahrungsverbot. Die Sperrung des Weges wurde entgegen der Ansicht der Beklagten nicht durch die klägerischen Schreiben „rechtlich“ veranlasst, da die Straße offensichtlich von allen Verkehrsteilnehmern, auch Rettungsfahrzeugen, weiterhin befahrbar war und befahren wurde. Die Briefe maßten sich auch keine amtliche Anordnung des Befahrungsverbots an, sondern verwiesen auf das Eigentumsrecht und den Zivilrechtsweg. Zugegeben wurde durch die Androhung von Schadensersatz bei Befahren der Straße auf den Bauunternehmer Druck ausgeübt. Letztlich wurde mit diesem Schreiben aber nicht in den Straßenverkehr eingegriffen oder auf Verkehrsteilnehmer eingewirkt. Wenn sich der Bauunternehmer, anders als die Stadtwerke, von dem Schreiben trotz Darstellung der tatsächlichen und rechtlichen Umstände durch die Beklagte beeindrucken ließ, hatte dies doch keinerlei Auswirkung auf die tatsächliche Befahrbarkeit des Grundstücks, dessen Eigenschaft als öffentliche Verkehrsfläche und den darüber fließenden Straßenverkehr.
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Insoweit folgt das Gericht im Ergebnis den Schlussfolgerungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in seinem Beschluss vom 23. Juni 2021 (8 CS 21.1245). Dieser führte bereits in seinem Beschluss aus, dass die unmittelbaren Rechtsfolgen des vom Kläger ausgesprochenen eigentumsrechtlichen Betretungs- und Befahrungsverbotes, nicht mit denjenigen einer tatsächlichen Sperrung gleichzusetzen seien.
32
c. Auch der Erlass des Bescheids auf Grundlage des Art. 7 Abs. 2 Nr. 1 LStVG i.V.m. § 32, § 49 Abs. 1 Nr. 27 StVO kommt nicht in Betracht, da keine konkrete Gefahr einer tatsächlichen Sperrung vorlag.
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Eine konkrete Gefahr ist gegeben, wenn eine Sachlage vorliegt, die nach allgemeiner Lebenserfahrung bei ungehindertem Verlauf des objektiv zu erwartenden Geschehens im Einzelfall mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu einer Verletzung der benannten Schutzgüter führt (vgl. BVerfG U.v. 27.2.2008 – 1 BvR 370/07 – juris Rn. 251).
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Vorliegend bestand keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Kläger beabsichtigte alsbald den streitgegenständlichen Straßenteil tatsächlich abzusperren. Zuletzt kündigte die Voreigentümerin die Einziehung und Einfriedung des Grundstücks im Jahr 2016 ab August 2018 an. Diese ist jedoch nicht erfolgt. Seitdem sind keine weiteren Ankündigungen zur tatsächlichen Sperrung des Grundstücks erfolgt. Im Gegenteil erfolgten im Oktober 2019 der briefliche Ausspruch des Befahrungsverbots sowie das Angebot eines Gebrauchsüberlassungsvertrags an die Stadtwerke und die Aufforderung an die Beklagte auf ihre Kosten das Grundstück abzusperren. Der Gebrauchsüberlassungsvertrag wurde von den Stadtwerken erst am 2. Januar 2021 abgelehnt. Der Kläger war also zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses in „Verhandlungen“ darüber, dass die Gegenseite auf ihre Kosten eine Sperrung errichten sollte. Vor diesem Hintergrund war eine Sperrung des Grundstücks durch den Kläger selbst unwahrscheinlich. Der anwaltlich vertretene Kläger kündigte zudem gerade gerichtliches Vorgehen und nicht die eigenmächtige Errichtung eines Verkehrshindernisses an.
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Der Anfechtungsklage war daher stattzugeben.
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II. Der Feststellungsantrag (§ 43 Abs. 1 VwGO) ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Der seit Jahren bestehende Streit mit der Beklagten um die Rechte an der streitbefangenen Wegefläche begründet ein berechtigtes Interesse des Klägers an der gerichtlichen Feststellung, ob er zur Sperrung dieser Flächen berechtigt ist. Der Kläger dürfte auch im Fall eines wirksamen Widerrufes nicht eigenmächtig das streitgegenständliche Grundstück absperren. Vielmehr bedarf es nach Ablehnung der Zustimmung durch die zuständige Straßenbaubehörde eines vollstreckbaren gerichtlichen Titels, der ihn zur Sperrung des Wegs berechtigt. Einen solcher Titel stellt eine stattgebende Entscheidung über eine Feststellungsklage dar, sobald sie rechtskräftig ist (vgl. BayVGH, U.v. 15.2.2021 – 8 B 20.2352 – juris Rn. 45). Es fehlt auch nicht am allgemeinen Rechtschutzbedürfnis, da sich der Kläger zunächst vergeblich bemüht hat, als einfacheren Weg zur Erreichung seines Rechtsschutzziels von der Beklagten als der zuständigen Straßenverkehrsbehörde die Zustimmung zur Sperrung einzuholen.
38
2. Der Feststellungsantrag ist jedoch unbegründet, da der Kläger kein Recht hat, den Weg für die Allgemeinheit zu sperren. Das Recht des Eigentümers zum Widerruf ist verwirkt.
39
Der Eigentümer einer tatsächlich-öffentlichen Verkehrsfläche kann die Freigabe zur allgemeinen Verkehrsnutzung widerrufen. Ein wirksamer Widerruf ist jedoch ausgeschlossen, wenn die Zustimmung zur Nutzung unwiderruflich erteilt wurde, das Recht zum Widerruf verwirkt ist oder ein Widerruf sonst missbräuchlich wäre.
40
Das Recht zum Widerruf war zum Zeitpunkt der Erklärung der Einziehung durch die Mutter des Klägers als Voreigentümerin mit Schreiben vom 27. Juli 2016 bereits verwirkt.
41
Das Widerrufsrecht unterliegt als Gestaltungsrecht zwar nicht der Verjährung, es kann jedoch gleichwohl verwirkt werden. Verwirkung als ein im Grundsatz von Treu und Glauben wurzelnder Vorgang der Rechtsvernichtung bedeutet, dass ein Recht nicht mehr ausgeübt werden kann, wenn seit der Möglichkeit der Geltendmachung längere Zeit verstrichen ist und besondere Umstände hinzutreten, die die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (BayVGH, B. v. 9.5.2006 – 8 ZB 05.1473 – juris Rn. 3 mit Verweis auf BVerwGE 44, 339/343; 52, 16/25; vom 16. Mai 1991 BayVBl 1991, 726 – NVwZ 1991, 1182). An die Verwirkung des Widerrufsrechts der Freigabe einer privaten Wegfläche für den allgemeinen Verkehr sind hohe Anforderungen zu stellen. Eine solche kommt nur in Betracht, wenn der Eigentümer den Weg für den öffentlichen Verkehr mit Wissen und Wollen hingenommen und einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat, diese Freigabe nicht mehr zu widerrufen. Aus dem Einverständnis mit der Benutzung eines Wegs durch die Allgemeinheit kann regelmäßig nicht auf eine Verwirkung des – aus dem Eigentumsrecht (vgl. § 902 Abs. 1 Satz 1, § 903 Satz 1 BGB) abgeleiteten – Widerrufsrechts geschlossen werden, auch wenn es über längere Zeit hinweg bestanden hat (vgl. BayVGH, B. v. 15.10.2020 – 8 ZB 20.1579 – juris Rn. 10 m.w.N.). Für die Annahme eines Verstoßes gegen Treu und Glauben reicht der bloße Zeitablauf nicht aus. Hinzukommen muss vielmehr, dass der Schuldner dem Verhalten des Gläubigers, das zur verspäteten Geltendmachung des Anspruchs geführt hat, entnehmen musste, dass dieser den Anspruch nicht mehr geltend machen wollte, wenn sich also der Schuldner darauf einrichten durfte, dass er mit diesem Anspruch nicht mehr zur rechnen brauche und sich darauf auch eingerichtet hat. Die Frage, ob eine Verwirkung vorliegt, ist im Einzelfall auf Grundlage einer Gesamtbewertung aller zeitlichen und sonstigen Umstände zu beantworten (stRspr, vgl. BayVGH, B. v. 15.2.2021 – 8 ZB 20.2352 – juris Rn. 9 m.w.N.).
42
Die Voraussetzungen einer Verwirkung des Widerrufs der Freigabe des streitgegenständlichen Grundstücks für den allgemeinen Straßenverkehr sind im vorliegenden Fall erfüllt.
43
a. Die Beweisaufnahme hat ergeben, dass hinsichtlich des Rechts auf Widerruf Verwirkung eingetreten ist, da zwischen 1981 und 1982 die damalige Eigentümerin der Asphaltierung der Straße, einschließlich des streitgegenständlichen Grundstückteils im Gegenzug zur Asphaltierung ihres Garagenvorplatzes, auf Kosten der Stadt zugestimmt hat, in dem Wissen, dass sich dieses in ihrem Eigentum befindet und auch in Zukunft für den allgemeinen Straßenverkehr genutzt werden soll. Diese Zustimmung ist von ihr selbst und ihren Rechtsnachfolgern in den darauffolgenden Jahrzehnten nicht in Frage gestellt worden.
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b. Dieser Sachverhalt steht zur Überzeugung des Gerichts auf Grund der Beweiswürdigung fest.
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aa. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 25. Januar 2022 hat der Zeuge … zu der Sanierung der Stadtmauer erklärt, dass er diese im Jahr 1982 im Auftrag der Beklagten saniert habe und sie dabei etwa einen halben Meter kürzer ausgeführt wurde als die alte Stadtmauer, um die Zufahrt zur … zu erleichtern. Es sei dabei eher um die Sicherheit gegangen, eine Radiusunterschied sehe er so nicht. Der Zeuge … hat Lichtbilder vorgelegt, aus denen hervorgeht, dass die Abfahrt entlang der Stützmauer vor der Sanierung 1981 gepflastert, zum Zeitpunkt der Sanierung 1982 asphaltiert gewesen ist.
46
Der Zeuge … hat damit die Aussage der Beklagten bestätigen können, dass die Straße „…“ samt streitgegenständlichem Wegedreieck zwischen 1981 und 1982 asphaltiert worden ist und der Straßenverlauf sich durch die Sanierung der Stützmauer im Wesentlichen nicht verändert hat. Die Aussage des Zeugen ist in sich stimmig gewesen, der Vortrag souverän und frei. Nachfragen hat der Zeuge umfassend und technisch versiert beantworten können. An der Glaubwürdigkeit des Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage haben keine Zweifel bestanden.
47
bb. Der Zeuge … hat berichtet, dass die Beklagte zunächst versucht habe, den heute streitgegenständlichen Grundstücksteil, über den auch damals schon die Straße führte, Frau …, der damaligen Eigentümerin, abzukaufen. Hierüber seien mehrere Gespräche mit dem Ehepaar … geführt worden, bei einem Termin sei er zusammen mit dem Bürgermeister anwesend gewesen. Man habe auch eine Planskizze dabeigehabt. Er schlussfolgere daraus, dass es der Familie … bekannt gewesen sei, dass die öffentliche Straße über ihr privates Grundstück verlaufen sei. Von den Verhandlungen wisse er durch seine Arbeit als Verwaltungsbeamter in der Stadtverwaltung. Er habe auch mit Herrn … nach dem Turnen öfter über das Thema gesprochen. Das Ehepaar … habe einen Verkauf jedoch abgelehnt und erst nach zähen Verhandlungen hätte das Ehepaar … der Asphaltierung zugestimmt. Entschieden habe die Ehefrau, denn diese sei Eigentümerin gewesen. Das Ehepaar … habe eine Pension betrieben und eine Scheune habe als F.platz gedient. Der Untergrund sei nur Gras und Erde gewesen und das Ehepaar … habe im Gegenzug zu ihrer Zustimmung die Asphaltierung ihres Vorplatzes auf Kosten der Stadt erhalten. Die befahrenen Grundstücksteile seitens der damaligen Eigentümerin wieder herauszufordern, sei nie im Raum gestanden. Die Angelegenheit sei mit den Verhandlungen abgeschlossen gewesen.
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Der Zeuge … ist glaubwürdig und seine Aussage angesichts der vorherigen Realitätskennzeichen auch glaubhaft gewesen. Der Zeuge hat in freier Rede von dem Ablauf der Geschehnisse erzählt. Er hat von persönlich Erlebtem sowie von Ereignissen, von denen er als Geschäftsleitungsbeamter der Beklagten unterrichtet war, erzählt und den Unterschied deutlich gemacht. Soweit Erinnerungslücken vorhanden gewesen sind oder Ereignisse nicht mehr genau zeitlich eingeordnet werden konnten, ist dies vom Zeugen erkannt und auch benannt worden. Andererseits hat der Zeuge auch von originellen Details berichtet, an die er sich erinnert hat, wie, dass er nach dem Turnen öfter mit Herrn … über das Thema gesprochen habe. Zwar hat der Zeuge … zunächst angegeben, er meine, dass der Zeuge … bereits 1992 verstorben sei, auf Nachfrage hat er jedoch erklärt, es könne sein, dass er damals auch nur weggezogen sei. Dies hat gezeigt, dass der Zeuge in der Lage ist, seine Aussagen zu reflektieren und zur Selbstkorrektur fähig ist. Dagegen ist der Zeuge …, auch nachdem dies von Klägerseite in Zweifel gezogen worden war und nach Vorlage der schriftlichen Erklärung des Herrn … vom 18. Januar 2022, fest bei seiner Aussage geblieben, dass er davon ausgehe, dass Frau … die Alleineigentümerin des Grundstücks gewesen sei, da sie das Grundstück von ihren Eltern geerbt hätte. Daran zeigt sich, dass der Zeuge auch bei äußeren Einflüssen in seiner Aussage unbeirrt geblieben ist, wenn er sich über eine Tatsache sicher war. Die im Nachgang der mündlichen Verhandlung angeforderten historischen Grundbuchauszüge haben dies bestätigt. Seine Aussage ist hinsichtlich der Verhandlungen der Stadt mit dem Ehepaar … auch bei wiederholten Nachfragen konsistent gewesen. Darüber hinaus gibt es keine Anhaltspunkte dafür, dass der Zeuge … die Unwahrheit gesagt und die Verhandlungen über Kauf und Asphaltierung des Grundstücks erfunden hätte. Hinsichtlich der früheren Tätigkeit des Zeugen … als Beamter der Beklagten ist kein Interessenkonflikt erkennbar. Seine Pensionierung liegt schon viele Jahre zurück, sodass er beruflich mit den Streitigkeiten zwischen der Beklagten und der Klägerfamilie nicht mehr in Berührung gekommen ist.
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Die Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen … ist auch nicht durch die inhaltlich abweichende Aussage des Zeugen … erschüttert worden. Die Aussage des Zeugen … ist geprägt von dessen schwacher Erinnerung an die entscheidungserheblichen Ereignisse und teilweise in sich widersprüchlich gewesen. Die Aussage des Zeugen … hat teilweise mit dem Vortrag des Zeugen R. übereingestimmt, ist von dessen Aussage hinsichtlich des Beweisthemas jedoch entscheidend abgewichen.
50
Nach der Asphaltierung befragt, hat der Zeuge … ebenfalls von dem Betrieb der von ihm und seiner Frau betriebenen Frühstückspension berichtet. Eine Garage habe er als Unterstellmöglichkeit für Fahrräder benutzt. Im Winter habe er dort sein Auto abgestellt. Im Zuge von Kanalarbeiten in der … zu Lebzeiten seiner Frau sei der Weg vor der Pension geteert worden und er habe dem Walzenfahrer, mit dem er bekannt gewesen sei, zugerufen, ein Stück vor der Garage mitzuteeren. Auf Nachfrage hat der Zeuge … erklärt, es habe sich dabei zweimal um ein kleines Stück von wenigen Zentimetern Tiefe gehandelt. Man habe mit der Stadt nicht darüber gesprochen, dass auch die Einfahrt zur Garage asphaltiert worden sei, es sei ja nur ein kleines Stück gewesen. Der Garagenvorplatz sei so groß gewesen, dass ein Auto vor der Garage hat stehen können. Er habe gewollt, dass der Asphalt auslaufen und ein Auto bequem darüberfahren könne. Die Fläche vor der Garage sei Wiese bzw. Fahrweg gewesen, er habe sie aber in Ordnung gehalten. Auf den Vorhalt, dass die Fläche nun tatsächlich vollständig geteert sei, hat der Zeuge erwidert, dass er sich nicht sicher sei, ob die Teerung bis zum Garagentor gegangen sei. Seine Ehefrau hätte dem wohl zugestimmt, falls es so gewesen sei. Jedenfalls sei nicht die ganze Fläche asphaltiert worden. Auf Nachfrage nach einer zweiten Asphaltierung hinsichtlich der vollständigen Teerung des Bereichs vor der Garage, hat der Zeuge erklärt, dass er sich nicht daran erinnern könne und ihm dies nicht bekannt sei.
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Auf Frage nach Gesprächen mit der Stadt hinsichtlich des streitbefangenen Grundstücks und der Asphaltierung hat der Zeuge … berichtet, er habe keine Erinnerung daran, dass vor der Asphaltierung mit ihm oder seiner Ehefrau darüber gesprochen worden sei. Es habe auch keiner gefragt. Den Zeugen … kenne er vom Turnverein, man sei nach dem Training auch eingekehrt. Dass er oder seine Frau mit Herrn … oder dem Bürgermeister über Grundstücksverkäufe gesprochen hätten, könne er sich nicht erinnern. Auf Vorhalt der Aussage des Zeugen …, hat der Zeuge … angegeben, er wisse es nicht so genau, es sei möglich, dass seine Ehefrau zugestimmt habe, da sie jedenfalls nichts gegen die Asphaltierung gehabt hätten wegen des Lärms, den das Kopfsteinpflaster verursacht habe. Er könne sich nicht an Gespräche über die Asphaltierung erinnern, halte es aber für möglich, dass gesagt worden sei, dann solle gleich das ganze Stück asphaltiert werden.
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Nach den damaligen Eigentumsverhältnissen hinsichtlich des heute streitgegenständlichen Grundstückteils befragt, hat der Zeuge angegeben, das habe sie nicht interessiert, sie hätten es nicht gewusst, obwohl er und seine Ehefrau Eigentümer gewesen seien. Es habe sie auch nicht gekümmert, ob oder wem dieser Grundstücksteil gehöre. Es habe auch niemand gefragt, ob darübergefahren werden darf, denn es habe ja auch keine andere Möglichkeit der Zufahrt gegeben. Es sei ihm auch nicht bekannt, ob sie oder möglicherweise seine damalige Ehefrau dem Überfahren des Grundstücksteils durch den allgemeinen Straßenverkehr zugestimmt oder dies abgelehnt hätten. Im späteren Verlauf der Befragung hat der Zeuge auf Nachfrage mit dem Hinweis, dass er gesagt habe, das Eigentum solle mit der Hochzeit auch ihm gehören, erklärt, dass er sich nicht so recht darum gekümmert habe, welche Grundstücksteile dazugehörten, da man schließlich gewusst habe, was dazugehöre. Er habe auch gewusst, dass die Straße dazugehöre; auch seine Frau habe dies gewusst.
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Zu der Erklärung vom 18. Januar 2022 befragt, hat der Zeuge … erklärt, es stimme, was er unterschrieben habe. Der Inhalt sei vom … vorformuliert worden, sei aber richtig. Wie es genau zu der Erklärung gekommen sei, könne er nicht sagen. Allerdings sei er damals im Krankenhaus vom … besucht worden, worüber er sich sehr gefreut habe. Über die Garage und die Teerung habe man nicht gesprochen, allerdings schon über den Prozess. Bezüglich der Teerung und der Frage der Genehmigung könne er sich nicht mehr erinnern. Auf Nachfrage hat er erklärt, er sei einmal, vielleicht auch zweimal, das zweite Mal zu seinem Geburtstag am … 2022, wo er einen Tag vorher einen Schlaganfall erlitten habe und nochmals im Krankenhaus gewesen sei, besucht worden. Allerdings müsse er hinzufügen, dass ihm einiges an Erinnerung fehle.
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Der Aussage des Zeugen … kommt hinsichtlich des Beweisthemas nur ein geringer Beweiswert zu. Das Gericht hat erhebliche Zweifel daran, dass sich der Zeuge tatsächlich positiv daran erinnert, dass keine Verhandlungen mit der Gemeinde im Rahmen der Asphaltierung stattgefunden haben. Insgesamt hat der Zeuge hinsichtlich des Beweisthemas einen sehr unsicheren Eindruck gemacht und auf Nachfragen oft ausweichend, leicht gereizt reagiert. Er hat auf Fragen häufig zunächst mit Echofragen geantwortet. Auch hat der Zeuge … den Eindruck erweckt, nicht gefeit gegen äußere Ablenkungen in seiner Aussage zu sein. Auf Vorhalt der vom Vater des Klägers vorformulierten, von ihm unterschriebenen, Erklärung vom 18. Januar 2022 hat der Zeuge angegeben, dass diese stimme. Er hat danach zunächst ausgesagt, er könne sich nicht an Gespräche des Bürgermeisters mit ihm oder seiner Frau erinnern und seine Frau hätte ihm dies ja wohl gesagt, denn man habe sich über alles unterhalten. Auf Vorhalt von Teilen der Aussage des Zeugen … hat er angegeben, dass es möglich sei, dass seine Frau einer Asphaltierung zugestimmt habe. Der Zeuge … hat sich ersichtlich nicht mehr daran erinnern können, wie, wann und unter welchen Umständen seine Garageneinfahrt vollständig asphaltiert worden war, obwohl er nach eigenen Angaben bis zum Verkauf des Grundstücks im Jahr 2007 dort noch die Frühstückspension betrieben hatte. Unstreitig zwischen den Beteiligten ist aber, dass die Fläche zum Zeitpunkt des Verkaufs an die Grafenfamilie, der etwa zur gleichen Zeit der Aufgabe der Frühstückspension stattfand, bereits asphaltiert war. Grundsätzlich wäre zu erwarten, dass eine Person, die jeden Winter regelmäßig über eine Garageneinfahrt mit dem Auto fährt, sich auch 15 Jahre später daran erinnert, ob die Einfahrt zuletzt asphaltiert oder unbefestigt war, schon wegen des mit einer unbefestigten Einfahrt einhergehenden Unbequemlichkeiten, wie z.B. Staub oder Schlamm. Über die Asphaltierung 1981/1982 befragt, hat der Zeuge … von einer Asphaltierungsmaßnahme in Zuge derer auf seinen Wunsch hin der Walzenfahrer die Asphaltkante im Bereich zwischen Straße und Garagenvorplatz flach auslaufen ließ berichtet. Es hat nicht mehr aufgeklärt werden können, um welche Baumaßnahme es sich hier gehandelt hat. Genauer nach der Teerung der Gesamtfläche befragt, hat der Zeuge … zunächst geantwortet, dass er nicht sicher sei, ob die Asphaltierung bis zum Garagentor gegangen sei, seine Frau hätte dem allerdings wohl zugestimmt, falls es so gewesen sei. Auf Vorhalt der Beklagtenvertreterin zur Erklärung mit Datum vom 18. Januar 2022, insbesondere ob die ganze Fläche geteert worden sei, hat der Zeuge … angegeben, dies so nicht sagen zu können, da es heute so sei, sei es wahrscheinlich so gewesen. An eine weitere Asphaltierungsmaßnahme hat sich der Zeuge … nicht erinnern können. Die starke Unsicherheit in den Aussagen des Zeugen … hat gezeigt, dass dessen Erinnerungen bezüglich der entscheidungserheblichen Tatsachen sehr schwach bzw. schlicht nicht mehr vorhanden sind.
55
Der Zeuge … ist sich über die Eigentumsverhältnisse hinsichtlich des heute streitgegenständlichen Grundstücks nicht im Klaren gewesen. Er ging davon aus, dass er mit der Hochzeit ebenfalls Eigentümer der heute streitgegenständlichen Fläche geworden war. Der historische Grundbuchauszug zeigt dagegen, dass seine Frau bis zu ihrem Tod im Jahr 2004 Alleineigentümerin gewesen ist. Ob der Zeuge … sich hier geirrt hat oder möglicherweise ein schuldrechtlicher Ehe- und Erbvertrag vorliegt, der aber nie im Grundbuch zur Eintragung kam, lässt sich nicht mehr klären. Hinsichtlich des streitgegenständlichen Grundstückteils sind seine Angaben widersprüchlich gewesen. Zu Beginn der Befragung hat der Zeuge angegeben, seine Frau und er hätten nicht gewusst, dass ein Teil der Straße in ihrem Eigentum stehe. Später hat er angegeben, er hätte gewusst, dass ihnen der streitgegenständliche Grundstücksteil gehörte. Auch seine Frau habe dies gewusst. Insgesamt hat sich aus der Aussage des Zeugen … der Eindruck ergeben, dass er sich nicht um Grundstücksangelegenheiten gekümmert und dies seiner Frau überlassen hat. Dies stimmt insoweit mit der Aussage des Zeugen … überein, dass die Ehefrau Eigentümerin und auch für Entscheidungen über das Eigentum zuständig gewesen sei.
56
Der Zeuge … hat sich auch nicht mehr an das Zustandekommen der von ihm abgegebenen schriftlichen Erklärung vom 18. Januar 2022 erinnern können. Auch gab der Zeuge … selbst an, im Februar 2022 einen Schlaganfall erlitten und einiges an Erinnerung verloren zu haben. Das Gericht hält daher nach Würdigung des Gesamteindrucks der Aussage des Zeugen … dessen Vortrag, dass keine Verhandlungen der Beklagten zu dem heute streitgegenständlichen Grundstück im Rahmen der Asphaltierung und keine Zustimmung seiner Ehefrau erfolgt sei, nicht für zuverlässig. Vielmehr ist das Gericht davon ausgegangen, dass dem Zeugen die damaligen Geschehnisse bezüglich des Beweisthemas nicht mehr in Erinnerung gewesen sind. Dies ist insoweit verständlich, als seit den Ereignissen eine lange Zeit verstrichen ist und der Zeuge … wiederholt den Eindruck erweckt hat, dass er sich – anders als seine Ehefrau und der Zeuge … als damaliger Beamter der Stadt – für Grundstücksangelegenheiten nicht sehr interessiert hat. Dabei ist das Gericht nicht davon ausgegangen, dass es dem Zeugen … am Willen zur wahrheitsgemäßen Aussage fehlte, sondern vielmehr am Bewusstsein, zu unterscheiden, welche Ereignisse tatsächlich nicht stattfanden, wie die Ereignisse zeitlich einzuordnen sind und an welche sich der Zeuge persönlich nicht mehr erinnern konnte. Auch erschienen viele seiner Erinnerungen schon sehr verblasst zu sein.
57
Diese Erwägungen gelten auch für die schriftliche Erklärung, datiert auf den 18. Januar 2022. Der Erklärung kommt unter dem Eindruck, den das Gericht von dem Zeugen … im Rahmen der mündlichen Verhandlung gewonnen hat, kein Beweiswert dahingehend zu, dass von seiner inhaltlichen Richtigkeit auszugehen wäre. Der Text der Erklärung ist vom Vater des Zeugen vorformuliert worden. Der Zeuge … hat zwar die Erklärung unterschrieben, konnte sich aber weder an das Zustandekommen der Erklärung, noch daran erinnern, ob dem ein oder zwei Besuche des Vaters des Klägers vor- oder nachgefolgt sind und worüber man konkret gesprochen hat. Laut Vortrag des Vaters des Klägers in der mündlichen Verhandlung habe man im Vorfeld sogar an mehreren Terminen Gespräche über das Thema geführt, bevor der Vater des Klägers die Erklärung aufgesetzt habe. Der Zeuge … hat sich in dem Zeitraum in einem gesundheitlich angeschlagenen Zustand befunden und im Februar 2022 einen Schlaganfall erlitten, der nach eigenen Angaben auch Auswirkungen auf sein Erinnerungsvermögen hatte.
58
Demgegenüber ist die Aussage des Zeugen … hinsichtlich des Beweisthemas glaubhaft gewesen und war geeignet, den vollen Beweis über den dem Urteil zu Grunde gelegten Sachverhalt zu erbringen.
59
c. Der auf Grund der Beweiswürdigung feststehende Sachverhalt erfüllt die Voraussetzungen einer Verwirkung des Widerrufs der Freigabe des streitgegenständlichen Grundstücks für den allgemeinen Straßenverkehr.
60
Das Umstandsmoment liegt vor. Die damalige Voreigentümerin des streitgegenständlichen Grundstückteils stimmte der 1981/1982 durchgeführte Asphaltierung im Gegenzug zur Asphaltierung des in ihrem Eigentum stehenden Garagenvorplatzes in Kenntnis der Eigentumsverhältnisse zu. Dadurch wurde mit Wissen und Wollen gegenüber der Beklagten ein Vertrauenstatbestand dahingehend geschaffen, dass der asphaltierte Grundstücksteil auch in Zukunft auf unbestimmte Zeit als Straßenteil genutzt werden darf. Grundsätzlich kann das Aufbringen eines neuen Straßenbelags einen bis dahin duldsamen Eigentümer dazu anregen nun doch seine Eigentümerrechte geltend zu machen, weil ihm dies vor Augen führt, dass die Fläche endgültig in Zukunft dem Straßenverkehr zur Verfügung stehen soll und der aktuelle Straßenverlauf keine provisorische, stillschweigend geduldete Übergangslösung mehr darstellt. In der vorliegenden Asphaltierung der streitgegenständlichen Fläche manifestierte sich auch der Anspruch der Beklagten, die Straße mit der konkreten Straßenführung in Zukunft auf unbeschränkte Zeit zu nutzen, da ein langlebiger Straßenbelag aufgebracht wurde, der in erster Linie dazu dient, dass die Fläche vom allgemeinen Straßenverkehr komfortabel und dauerhaft genutzt werden kann. Die damalige Eigentümerin, Frau …, stimmte der Asphaltierung des Grundstückteils letztlich nicht nur zu, sondern erhielt als Ergebnis von Verhandlungen in Kenntnis ihrer Verhandlungsposition als Eigentümerin eines Grundstückteils, der notwendiger Teil der Straßenführung ist, einen Vorteil dafür. Hierdurch wurde ein noch stärkeres Vertrauensmoment geschaffen, als es eine bloße Billigung bereits getan hätte (vgl. zu Verwirkung eines Folgenbeseitigungsanspruchs nach 16 Jahren wegen Billigung der Asphaltierung eines Privatgrundstücks BayVGH, B. v. 31.3.2005 – 8 ZB 04.2279 – NVwZ-RR 2005, 736 – juris Rn. 13). Ein späterer Widerruf der Freigabe der Fläche zur allgemeinen Straßennutzung wäre auch auf Grund der erhaltenen Gegenleistung als treuwidrig anzusehen. Sowohl die Asphaltierung der Straße „…“ als auch die Asphaltierung der Garageneinfahrt stellten eine nicht unerhebliche finanzielle Disposition für die Beklagte dar, die sie ohne Vertrauen auf den Weiterbestand der Straße wohl nicht getätigt hätte. Tatsächlich widerrief die damalige Eigentümerin, Frau …, ihre Zustimmung zur Asphaltierung und Nutzung des Grundstückteils in den darauffolgenden 22 bis 23 Jahren bis zu ihrem Tod im Jahr 2004 auch nicht oder stellte sie auch nur in Frage. Stellt man als Zeitpunkt der Möglichkeit der Geltendmachung eines Widerrufs spätestens auf die Asphaltierung der Straße mit Zustimmung der Voreigentümerin ab, so haben sich bereits zu ihren Lebzeiten Umstand- und Zeitmoment verwirklicht. Zudem wurde auch von den Rechtsnachfolgern, d.h. des Herrn … sowie der Mutter des Klägers bis zu deren Schreiben vom 27. Juli 2016 die Freigabe des streitgegenständlichen Grundstückteils für den allgemeinen Straßenverkehr nicht in Frage gestellt, sodass die Straßenführung über das streitgegenständliche Grundstück in der heutigen Form mit Billigung der Eigentümer seit mindestens 35 Jahren bestand. Auch der Klägerfamilie waren die Eigentumsverhältnisse bewusst und es kann davon ausgegangen werden, dass die Nutzung als allgemeine Verkehrsfläche zunächst auch gebilligt wurde. So wurde 2012 das gegenständliche Grundstück auf Antrag der Voreigentümerin herausgemessen und fortan im Grundbuch als „Verkehrsfläche“ geführt, offensichtlich ohne dass diese Eigenschaft als Verkehrsfläche seitens der Klägerfamilie in Frage gestellt worden wäre. Laut Beklagtenvortrag und Anmerkung im Fortführungsnachweisung zum Flurstück … war das Grundstück in diesem Zusammenhang zum Erwerb durch die Beklagte vorgesehen. Die geltend gemachte Einziehung des Wegedreiecks erfolgte erst, als es zu anderweitigen Unstimmigkeiten der Familie des Antragstellers mit der Antragsgegnerin gekommen war.
61
Die eingetretene Verwirkung wirkt auch gegen den Kläger als Rechtsnachfolger. Diese Rechtsfrage ist in Rechtsprechung und Schrifttum umstritten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof erkannte zuletzt eine Zurechnung der Verwirkung auf den Rechtsnachfolger an (vgl. BayVGH, B. v. 9.5.2006 – 8 ZB 05.1473 – BayVBl 2007, 149 – juris Rn. 7 – ohne nähere Begründung; ebenfalls bejahend: OLG Celle, B. v. 22.8.2006 – 4 W 101/06 – NJW-RR 2007, 234 – juris Rn. 38). Dem ist zuzustimmen. Die Verwirkung begründet nicht nur eine Einrede, sondern eine inhaltliche Begrenzung des Rechts, die im Ergebnis einem Rechtsverlust gleichkommt (vgl. Mansel in Jauernig, BGB, 18. Auflage 2021, § 242 Rn. 63 m.w.N). Tritt Verwirkung hinsichtlich eines sich aus dem Eigentum ergebenden Verfügungs- oder Nutzungsrechtes ein, wird dieses Recht hinsichtlich seiner Geltendmachung modifiziert. Dies kann nicht allein durch einen Wechsel des Inhabers der Rechtsposition „geheilt“ werden. Ansonsten könnte eine eingetretene Verwirkung und die damit angestrebten Schutzzwecke leicht durch eine Veräußerung an Dritte und gegebenenfalls einen Rückerwerb umgangen werden. Dies widerspräche auch dem Grundsatz der Rechtsklarheit. Der Rechtsnachfolger kann keine weitergehenden Eigentumspositionen erwerben, als der Rechtsvorgänger zum Zeitpunkt der Veräußerung innehatte.
62
Da das Recht zum Widerruf der Freigabe des streitgegenständlichen Grundstücks für den allgemeinen Straßenverkehr verwirkt ist, ist der Kläger nicht berechtigt, das Grundstück für die Allgemeinheit zu sperren. Der Feststellungsantrag war daher abzulehnen.
63
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.