Inhalt

VG München, Urteil v. 27.03.2023 – M 23 K 22.3694
Titel:

Kosten polizeilicher Maßnahme

Normenkette:
KG Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 S. 2 lit. a
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Kostenentscheidung, Kostenrechnung, Vollstreckbarkeit, Betreuer, Verzicht, Klage, Kostenfolge, Hilflosigkeit, Verhandlung, Polizei, Anlage, Trunkenheit, KG, Kosten des Verfahrens
Fundstelle:
BeckRS 2023, 13085

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich über seinen Betreuer gegen eine Kostenrechnung des Polizeipräsidiums … … vom … Juli 2022 in Höhe von 65,00 Euro.
2
Der unter Betreuung stehende Kläger wurde infolge Trunkenheit und Hilflosigkeit am *. Juli 2022 gem. Art. 17 Abs. 1 Nr. 1 PAG in polizeilichen Gewahrsam genommen. Für diese Maßnahme wurde dem Kläger gegenüber eine durch Kostenrechnung vom 21. Juli 2022 übermittelte Gebühr in Höhe von 65,00 Euro festgesetzt.
3
Gegen diese Kostenrechnung erhob der Klägervertreter am … Juli 2022
4
Anfechtungsklage,
5
die mit der Abhängigkeitserkrankung des Klägers sowie regelmäßigem Bezug von Leistungen des Jobcenters sowie der Tatsache, dass der Kläger nicht zu einer adäquaten Verhaltenssteuerung in der Lage sei, begründet wurde. Es wurde beantragt, von einer Heranziehung der Kosten gegen den Betreuten abzusehen.
6
Weiterhin wurde Prozesskostenhilfe beantragt.
7
Durch Schriftsatz vom 26. August 2022 erwiderte der Beklagte, Polizeipräsidium … …, die Klage. Es gäbe keine neuen Gesichtspunkte für eine Rücknahme des Kostenbescheids und es sei eine Inanspruchnahme unabhängig von der Suchterkrankung möglich. Eine Billigkeitsentscheidung scheide aus.
8
Die Parteien erklärten schriftsätzlich am 26. August 2022 und 13. März 2023 Verzicht auf mündliche Verhandlung.
9
Durch Beschluss vom 24. März 2023 wurde die Streitsache auf den Einzelrichter übertragen.
10
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11
Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung über die Sache entscheiden, nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärten (§ 101 Abs. 2 VwGO).
12
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die streitgegenständliche Kostenrechnung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Gericht folgt den zutreffenden Feststellungen der Kostenrechnung, sieht daher von einer eigenständigen Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 117 Abs. 5 VwGO), und ergänzt lediglich wie folgt:
13
„Der Kläger wurde aufgrund Trunkenheit und Hilflosigkeit am *. Juli 2022 in vorübergehenden polizeilichen Gewahrsam zum Selbstschutz genommen; dies ist unstreitig. Diese Art der Gewahrsamnahme löst regelmäßig eine Gebühr (in Höhe von regelmäßig 65,00 Euro) aus, wie dies in der Kostenrechnung zutreffend festgesetzt wurde (Art. 3 Abs. 1 Nr. 10 S. 2 lit. a Kostengesetz – KG; vgl. Nr. 33.1 der Anlage zu den KR-Pol). Dies wird von dem Betreuer des Klägers an sich auch nicht in Frage gestellt. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Primärmaßnahme der Polizei rechtswidrig gewesen wäre (Art. 16 Abs. 5 KG).“
14
Soweit die Klage (hilfsweise) auf eine Entscheidung nach Art. 16 Abs. 2 bzw. Abs. 3 KG auf Niederschlagung der Kosten aufgrund der Erkrankung des Klägers und seiner finanziellen Verhältnisse gerichtet ist (§ 86 Abs. 1, § 88 VwGO), vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass die von Klageseite vorgetragenen Umstände per se und gleichsam automatisch eine Ermessensreduzierung auf Null bedingen, die zu einer gerichtlicherseits auszusprechenden Verpflichtung des Beklagten, von der Kostenforderung abzusehen, führen würde. Einerseits hat dies die Klagepartei insoweit ersichtlich noch nicht unmittelbar bei der Polizei beantragt, sodass gerichtlicher Rechtsschutz insofern an sich unstatthaft wäre; soweit sich die Gegenseite andererseits jedoch im gerichtlichen Verfahren mit den vorgetragenen Gesichtspunkten inhaltlich auseinandergesetzt und sich hierauf rügelos eingelassen hat (Schriftsatz vom 26. August 2022 unter Beifügung eines präsidiumsinternen Schreibens vom 17. August 2022), wäre dieser Mangel zwar geheilt, vermag das Gericht dennoch auch keinen der gerichtlichen Kontrolle zugänglichen Ermessensfehler zu erkennen, der zu einer Verpflichtung auf Neuverbescheidung führen könnte. Die Entscheidung über eine Niederschlagung von Kosten aus Billigkeitserwägungen steht im Ermessen der Polizei; sie hat schriftsätzlich dargetan, aus welchen Gesichtspunkten sie an der Kostenforderung festhält. Dies lässt keine Ermessensdisproportionalität mit einer Folge der Verpflichtung zur neuerlichen Entscheidung das Gericht erkennen. Weitergehende Opportunitätserwägungen sind dem Gericht verwehrt. Der Kläger hat keinen Rechtsanspruch darauf, per se von polizeilichen Kostenerhebungen verschont zu bleiben. Insbesondere kommen aufgrund der Leistungsbezüge des Klägers bei einem Betrag von 65,00 Euro alternativ auch andere Billigkeitsentscheidungen, wie Ratenzahlung bzw. Stundung, in Betracht. Der Betreuer des Klägers ist nicht gehindert, sich diesbezüglich (erstmals bzw. erneut) an den Beklagten zu wenden.
15
Die Klage war daher unter der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.