Titel:
Klage eines vollmachtlosen Vertreters, Klagerücknahme, Kostentragung durch vollmachtlosen Vertreter
Normenketten:
VwGO § 92 Abs. 3
VwGO § 173
ZPO § 89 Abs. 1 S. 3
BGB i.V.m. § 179
Schlagworte:
Klage eines vollmachtlosen Vertreters, Klagerücknahme, Kostentragung durch vollmachtlosen Vertreter
Fundstelle:
BeckRS 2023, 13017
Tenor
I. Das Verfahren wird eingestellt.
II. Herr … Q., … … … …, hat die Kosten des Verfahrens als vollmachtloser Vertreter zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 4.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Das Verfahren betrifft in der Sache die Bewilligung einer Corona-Wirtschaftshilfe, namentlich einer sog. Neustarthilfe 2022 nach der Richtlinie zur Überbrückungshilfe IV – BayMBl. 2022 Nr. … vom 9.5.2025.
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Mit Schreiben vom 14. September 2022, bei Gericht eingegangen am 19. September 2022, wurde bezüglich der vorgenannten Corona-Wirtschaftshilfe Klage erhoben. Als Absender war auf dem Schreiben der Kläger angegeben, das Schreiben war mit einem nicht identifizierbaren Schriftzug und dem Zusatz „i.V.“ handschriftlich unterzeichnet. Ein bestimmter Antrag war in dem Schreiben nicht enthalten.
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Mit Schreiben vom 6. April 2023 nahm der Klägerbevollmächtigte die Klage unter Verwahrung gegen die Kostenlast zurück. Er wies ferner darauf hin, dass der Kläger zu keinem Zeitpunkt eine Klage erhoben habe, noch einen Dritten beauftragt bzw. bevollmächtigt habe, Klage einzureichen.
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Herr … Q. wurde mit Gerichtsschreiben vom 13. April 2023 aufgefordert, eine Vollmachtsurkunde vorzulegen und es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer beabsichtigten Auferlegung der Verfahrenskosten gegeben. Mit Schreiben vom 15. April 2023 trat Herr Q. der beabsichtigten Kostenauferlegung entgegen und führte aus, der Kläger habe ihm anfangs mündlich aufgetragen, die Anträge „aufrechtzuerhalten und weiterzuführen“. Eine Vollmacht wurde nicht vorgelegt.
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Die Klagepartei hat ihre Klage mit der am 6. April 2023 bei Gericht eingegangenen Erklärung zurückgenommen. Gemäß § 92 Abs. 3 VwGO ist daher das Verfahren einzustellen.
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Die Kosten des Verfahrens hat Herr … Q. als vollmachtloser Vertreter nach §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 173 VwGO i.V.m. § 89 Abs. 1 Satz 3 ZPO, § 179 BGB analog zu tragen, da er das Klageverfahren veranlasst hat. Nach dem allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach der ohne Vollmacht Prozessführende sowie der Bevollmächtigte, der seine Vollmacht dem Gericht nicht vorlegt, die Kosten zu tragen hat, sofern nicht offenkundig ist, dass der Vertretene das Tätigwerden des vollmachtlosen Vertreters veranlasst hat (VGH Mannheim, B. v. 9.11.1981, NJW 1982, 842; vgl. auch MüKoZPO/Toussaint, 6. Aufl. 2020, ZPO § 89 Rn. 11) sind gemäß § 173 VwGO, § 89 Abs. 1 Satz 3 ZPO i.V.m. § 179 BGB analog dem vollmachtlosen Vertreter die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen (vgl. etwa BVerwG, U.v. 27.6.2011 – 8 A 1/10 – juris Rn. 17; B.v. 25.9.2006 – 8 KSt 1/06 – juris Rn. 2; BayVGH, B.v. 12.8.2020 – 10 ZB 20.1736 – juris Rn. 7; OVG NRW, B.v. 16.6.2020 – 4 B 640/20 – juris Rn. 2). Dies ist Ausdruck eines so genannten „Veranlasserprinzips“, wonach im Fall des Fehlens einer wirksamen Bevollmächtigung die Prozesskosten grundsätzlich dem aufzuerlegen sind, der den nutzlosen Verfahrensaufwand veranlasst hat (BGH, B.v. 4.3.1993 – V ZB 5/93 – juris Rn. 11; MüKoZPO/Toussaint, 6. Aufl. 2020, ZPO § 89 Rn. 11: „Verursacherprinzip“).
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Nach Aktenlage und aus dem Schriftverkehr in diesem wie in anderen hier anhängigen Verwaltungsstreitsachen ergibt sich, dass es sich bei der hier die Klageschrift „i.V.“ unterzeichnenden Person um Herrn … Q. handelt. Zwar ist der Namenszug der Unterschrift zunächst ohne Kontext nicht zuzuordnen. In Zusammenschau mit dem weiteren in der Gerichtsakte enthaltenen Schreiben von Herrn Q. ist die Unterschrift jedoch als die seine zu identifizieren. Ferner lässt sich Herr Q. in seiner Zuschrift vom 15. April 2023 auf das Klageverfahren ein.
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Eine Vollmachtsurkunde wurde im vorliegenden Verfahren auch nach Aufforderung durch den die Klage erhebenden Herrn Q. nicht vorgelegt. Auch der Hinweis auf einen – ohnehin nur das Innenverhältnis zwischen dem Kläger und Herrn Q. betreffenden – Auftrag, die Anträge „aufrechtzuerhalten und weiterzuführen“ führt nicht im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung zu einer Veranlassung durch den Kläger. Abgesehen von dem Umstand, dass eine derartige Beauftragung durch den Kläger gerade bestritten wird, läge selbst bei Unterstellung eines entsprechenden Auftrags in einem solchen auf Aufrechterhaltung und Weiterführung der (wohl: Zuwendungs-) Anträge kein Auftrag zur Einleitung eines kostenpflichtigen Klageverfahrens. Es ist damit jedenfalls nicht offenkundig, dass der Vertretene – hier der Kläger – die Klageerhebung durch den vollmachtlosen Vertreter veranlasst hat.
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Etwas anderes ergibt sich schließlich auch nicht daraus, dass der Kläger – der vollmachtlos Vertretene – das Rechtsmittel selbst zurückgenommen hat. Denn in der Rücknahme durch den vollmachtlos Vertretenen liegt keine Genehmigung der Prozessführung (BFH, B. v. 22.5.1996 – X R 126/95 – juris Rn. 3; Brandt, in: ders./Domgörgen, Handbuch Verwaltungsverfahren und Verwaltungsprozess, 5. Aufl. 2023, Teil N, Rn. 270).
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz.