Titel:
Zuwendungsrecht, Dezemberhilfe, Neustarthilfe 2022, Versäumte Klagefrist, Erfordernis der Antragstellung durch einen prüfenden Dritten
Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1
BV Art. 118 Abs. 1
Schlagworte:
Zuwendungsrecht, Dezemberhilfe, Neustarthilfe 2022, Versäumte Klagefrist, Erfordernis der Antragstellung durch einen prüfenden Dritten
Fundstelle:
BeckRS 2023, 13004
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin, die einen Kraftfahrzeughandel betreibt, begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Zuwendung im Rahmen der außerordentlichen Wirtschaftshilfe des Bundes für Dezember 2020 (Dezemberhilfe) sowie der Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 5 (Überbrückungshilfe IV), konkret in Form einer Betriebskostenpauschale für Soloselbstständige (Neustarthilfe 2022) für das 1. Quartal 2022.
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Unter dem 21. Juli 2021 beantragte die Klägerin über das einschlägige elektronische Antragsportal die Dezemberhilfe als außerordentliche Wirtschaftshilfe der Bundesregierung (Az. …). Hinsichtlich der Branchenzugehörigkeit ist im Antrag „Handel mit Kraftwagen mit einem Gesamtgewicht von 3,5 t oder weniger“ genannt. Als Grund der Antragstellung wurde eine direkte Betroffenheit angegeben. Der relevante Vergleichsumsatz im Dezember 2019 wurde im Antrag mit 6.30,- EUR beziffert. Unter anderem auf dieser Grundlage ergab sich im elektronischen Antrag eine voraussichtliche Höhe der Dezemberhilfe von 4.725,- EUR.
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Mit Schreiben vom 29. Juli 2021 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, dass die im Antrag angegebene Branche weder unter den für eine Dezemberhilfe relevanten Bund-Länder-Beschluss noch unter die dazugehörige Schließungsverordnung falle und bat um einen Nachweis einer direkten oder indirekten Betroffenheit. Eine Stellungnahme erfolgte mit Schreiben vom 2. Oktober 2021, in dem allgemein auf eine Betroffenheit der Automobilbranche verwiesen und der Antrag ausdrücklich aufrechterhalten wurde.
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Mit Bescheid vom 8. November 2021 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf eine fehlende direkte oder indirekte Betroffenheit des Klägers abgestellt. Unternehmen der Branche Handel mit Kraftwagen seien nicht von den relevanten Schließungsanordnungen auf Grundlage der Beschlüsse vom 28. Oktober, 25. November und 2. Dezember 2020 betroffen und hätten ihr Unternehmen weiterbetreiben dürfen.
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Unter dem 21. Januar 2022 beantragte die Klägerin ferner die Gewährung einer Neustarthilfe 2022 für das 1. Quartal 2022. Gewählt wurde hierbei der Weg einer Direktantragstellung ohne die Einschaltung eines so genannten prüfenden Dritten, als Form der Geschäftstätigkeit wurde „Soloselbstständigkeit (mit oder ohne Personengesellschaft)“ angegeben. Als einschlägige Branche war im Antrag „Handel mit Kraftwagen mit einem Gesamtgewicht von 3,5 t oder weniger“ angegeben, als Rechtsform der Geschäftstätigkeit „Einzelunternehmen“. Auf Grundlage des angegebenen Umsatzes im Vergleichszeitraum (36.000,- EUR) ergab sich im Online-Antragsportal eine voraussichtliche Höhe der Neustarthilfe von 4.500,- EUR.
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Auf den Hinweis der Beklagten im Rahmen des behördlichen Verfahrens hin, wonach der Antrag für eine Kapitalgesellschaft über einen prüfenden Dritten zu stellen und ein Direktantrag für eine Kapitalgesellschaft nicht möglich sei, wurde im Online-Antragsportal unter dem Namen des Geschäftsführers der Klägerin mitgeteilt, er wolle in diesem Fall einen Beschluss beim Verwaltungsgericht erwirken und bitte um einen Bescheid. Vorgelegt wurde durch die Klägerin ferner ein ihre Firma betreffender Auszug aus dem Handelsregister.
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Nach einer vorläufigen Gewährung der Billigkeitsleistung zur Sicherung der beihilferechtlichen Zulässigkeit einer etwaigen späteren Auszahlung mit Bescheid vom 17. Juni 2022 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer Neustarthilfe 2022 mit Bescheid vom 28. Juli 2022 ab. Zur Begründung verwies sie darauf, dass nach der einschlägigen Zuwendungsrichtlinie der Antrag über einen prüfenden Dritten zu stellen sei. Ein Direktantrag sei für eine Kapitalgesellschaft nicht zulässig. Mithin seien die Voraussetzungen für die Gewährung der beantragten Neustarthilfe 2022 für das 1. Quartal 2022 nicht erfüllt.
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Mit am 15. Dezember 2021 eingegangenem Schriftsatz erhob die Klägerin Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München. Weiter erhob die Klägerin mit am 30. März 2022 eingegangenem Schriftsatz Klage bezüglich „Coronahilfen für die Zeiträume IV. Quartal 2021 und I. Quartal 2022, sowie die Dezemberhilfe 2020“. Nach Klarstellung und Zuordnung der Klagegegenstände auf schriftsätzlichem Weg (Schriftsatz vom 1.8.2022) und im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2023 (vgl. die weiteren Verfahren der Klägerin mit den Aktenzeichen M 31 K 22.3666 und M 31 K 22.4018) beantragt die Klägerin zuletzt
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die antragsgemäße Bewilligung und Auszahlung der Dezemberhilfe sowie der Neustarthilfe Plus für das 1. Quartal 2022.
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Zur Begründung legte die Klägerin eine Reihe von Ausdrucken aus dem Online-Antragsportal zu verschiedenen Verfahren vor, betonte ihre Betroffenheit und einen katastrophalen Einbruch ihres Umsatzes. In der mündlichen Verhandlung verwies der Geschäftsführer der Klägerin auf die erheblichen, Coronabedingten Einschränkungen für seine geschäftliche Tätigkeit und seinen persönlichen Einsatz für das Fortbestehen seines Unternehmens.
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Die Beklagte beantragt
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Sie verteidigt die streitbefangenen Bescheide und verweist in Bezug auf die Dezemberhilfe zunächst auf eine Unzulässigkeit der Klage aufgrund der versäumten Klagefrist. In der Sache stellt sie auf die fehlende Betroffenheit der Klägerin im Sinne der Zuwendungsrichtlinie ab. Die Klägerin unterfalle nicht dem Kreis derjenigen, die aufgrund der Beschlüsse von Bund und Ländern vom 28. Oktober, vom 25. November und vom 2. Dezember 2020 bzw. der daraufhin erlassenen Bestimmungen auf Landesebene den Geschäftsbetrieb hätten einstellen müssen. Auch eine indirekte Betroffenheit liege nicht vor, so dass die Klägerin insgesamt nicht zum Kreis der Berechtigten für die streitgegenständliche Dezemberhilfe gehöre. In Bezug auf die Neustarthilfe 2022 verweist die Beklagte auf eine unwirksame Antragstellung. Nach der einschlägigen Zuwendungsrichtlinie könne die Neustarthilfe für – wie hier – eine Kapitalgesellschaft lediglich über einen prüfenden Dritten beantragt werden. Dies sei hier nicht geschehen, sodass der Direktantrag der Klägerin bereits nicht den verfahrensmäßigen Anforderungen nach der Zuwendungsrichtlinie bzw. der Zuwendungspraxis der Beklagten entspreche.
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Mit Beschluss vom 30. Januar 2023 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. In der mündlichen Verhandlung vom 1. März 2023 verzichteten die Beteiligten auf weitere mündliche Verhandlung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Das Gericht kann aufgrund des Einverständnisses der Prozessparteien gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne weitere mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
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Die nur zum Teil zulässige Klage ist im übrigen Teil unbegründet.
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1. Die Einbeziehung der Neustarthilfe 2022 für das 1. Quartal 2022 mit Schreiben der Klägerin vom 29. März 2022 stellt eine zulässige Klageänderung iSd. § 91 Abs. 1 VwGO dar. Nach dieser Vorschrift ist eine Klageänderung zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Die Beklagte hat vorliegend mit Schriftsatz vom 3. April 2023 ihr Einverständnis mit der Klageerweiterung erklärt.
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2. Soweit die Klage die Verpflichtung zur Gewährung und Auszahlung der Dezemberhilfe in Höhe von 4.725,- EUR betrifft, ist sie bereits unzulässig. Die Klage ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage (§ 42 Abs. 1 Hs. 2 Alt. 1 VwGO) statthaft, jedoch verfristet. Die Klage wurde nach Ablauf der Klagefrist erhoben. Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand war nicht zu gewähren.
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2.1 Gemäß § 74 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 VwGO muss eine Verpflichtungsklage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des ablehnenden Verwaltungsakts erhoben werden. Da der Bescheid ausweislich der Behördenakte (Bl. 16 ff.) hier per E-Mail übermittelt wurde, richtet sich die Bekanntgabe nach Art. 41 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG. Die spezielle Vorschrift des Art. 6 Abs. 4 BayEGovG (seit 1.8.2022: Art. 24 BayDiG), die die Bekanntgabe von Verwaltungsakten über elektronische Portale – hier etwa dem elektronischen Antragssystem – betrifft, ist vorliegend entgegen der schriftsätzlichen Ausführungen von Beklagtenseite nicht einschlägig. Eine solche Bekanntgabeform hat die Beklagte im vorliegenden Fall nicht gewählt (vgl. zu einer Bekanntgabe über das elektronische Antragssystem im Kontext der Corona-Wirtschaftshilfen VG Würzburg, U.v. 14.11.2022 – W 8 K 22.1357 – juris Rn. 16). Der streitgegenständliche Bescheid wurde nicht im elektronischen Antragsystem zum Abruf bereitgestellt, sondern der Klägerin per E-Mail übermittelt (Bl. 16 ff. der Behördenakte).
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Nach Art. 41 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG gilt ein Verwaltungsakt, der im Inland oder in das Ausland elektronisch übermittelt wird, am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Die Zulässigkeit der elektronischen Übermittlung nach dieser Vorschrift hängt gemäß Art. 3a Abs. 1 BayVwVfG davon ab, ob der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet hat, d.h. Bürger und Behörde müssen die entsprechenden Voraussetzungen geschaffen und dem Verkehr geöffnet haben (vgl. zum Ganzen Couzinet/Fröhlich, in: NK-VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 41 Rn. 42; Schulz, in: NK-VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 3a Rn. 52). Dies ist vorliegend ohne weiteres der Fall: Die Klägerin hat im gerichtlichen Verfahren – mit E-Mail an das Gericht vom 30. Juli 2022 – einen Ausdruck des im elektronischen Antragssystem gestellten Zuwendungsantrags zu Dezemberhilfe übersandt. Darin findet sich ganz am Ende eine vorgedruckte „Zusätzliche Erklärung“, mit der der Antragsteller zur Kenntnis nimmt, dass die angegebene E-Mail-Adresse zur Kommunikation mit der Bewilligungsstelle und zur Bereitstellung von Informationen im Rahmen des Verwaltungsverfahrens genutzt wird. Ferner erklärt sich der Antragsteller damit einverstanden, dass die Bescheidzustellung ausschließlich digital (E-Mail) erfolgt. Diese „Zusätzliche Erklärung“ hat die Klägerin mit „Ja“ beantwortet. Mit der Online-Antragsstellung vom 21. Juli 2021 willigte die Klägerin damit ausdrücklich in die Bekanntgabe des Bescheids per (einfacher) E-Mail ein, so dass die elektronische Übermittlung ohne weiteres zulässig war.
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Mit Blick auf den Umstand, dass diese „Zusätzliche Erklärung“ sich in der vorgelegten Behördenakte – wohl aufgrund eines bloß technischen Fehlers bei der Führung der elektronischen Behördenakte – nicht findet (vgl. insbesondere Bl. 3 f.), ist unabhängig davon und selbstständig tragend festzustellen, dass ohnehin bereits in der Angabe einer E-Mail-Adresse im Behördenkontakt, ebenso wie in einem elektronischen Antrag, in der Regel eine konkludente Eröffnung des Zugangs für die Übermittlung elektronischer Dokumente im Sinne des Art. 3a Abs. 1 BayVwVfG zu sehen ist (so zutreffend Schulz, in: NK-VwVfG, 2. Aufl. 2019, § 3a Rn. 73). Im Fall der Dezemberhilfe handelt es sich um ein vollständig elektronisch ausgestaltetes Antragsverfahren, so dass bereits vor diesem Hintergrund ohne Weiteres von der Eröffnung eines Zugangs für eine Übermittlung elektronischer Dokumente auszugehen ist.
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Ausweislich der Behördenakte (Bl. 16 ff.) versandte die Beklagte den streitgegenständlichen Bescheid per E-Mail am 8. November 2021 zutreffend an die E-Mail-Adresse, die auch im Rahmen des Antrags durch die Klägerin angegeben wurde (Bl. 1 der Behördenakte). Abweichendes – etwa im Sinne eines späteren Zugangs, vgl. Art. 41 Abs. 2 Satz 3 BayVwVfG – ist durch die Klägerin nicht vorgetragen. Der Bescheid gilt somit gemäß Art. 41 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG am 11. November 2021 als bekanntgegeben.
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Die Klagefrist endet somit gemäß § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB mit dem Ablauf des 13. Dezember 2021 (Montag). Die Klage ist dem Gericht am 15. Dezember 2021 und somit nicht fristgemäß zugegangen. Nur ergänzend weist das Gericht darauf hin, dass die Klageschrift zwar das Datum des 24. November 2021 trägt; ausweislich des in der Gerichtsakte befindlichen Briefumschlags und des darauf angebrachten, gut lesbaren Poststempels wurde die Klage jedoch erst am 14. Dezember 2021 mit einfachem Brief zur Post gegeben. Der Posteingang bei Gericht am 15. Dezember 2021 entspricht somit auch den üblichen Abläufen.
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2.2 Eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nach § 60 VwGO, wie mit Schriftsatz vom 1. August 2022 beantragt, kommt nicht in Betracht. Weder sind Wiedereinsetzungsgründe geltend gemacht noch ist die Antragsfrist von zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gewahrt. Zudem ist auch für eine Wiedereinsetzung von Amts wegen keinerlei Grund ersichtlich.
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3. Soweit die Klage die Verpflichtung zur Gewährung und Auszahlung der Neustarthilfe 2022 für das 1. Quartal 2022 in Höhe von 4.500,- EUR betrifft, ist sie unbegründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte den von ihr geltend gemachten Anspruch, sinngemäß gerichtet auf Verpflichtung zur Gewährung und Auszahlung der Neustarthilfe 2022 für das 1. Quartal 2022 aufgrund ihres Zuwendungsantrags vom 21. Januar 2022, nicht inne (§ 113 Abs. 5 VwGO). Vielmehr erweist sich der ablehnende Bescheid vom 28. Juli 2022 als rechtmäßig.
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3.1 Eine Rechtsnorm, die einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der beantragten Zuwendung begründet, existiert nicht. Vielmehr erfolgt die Zuwendung auf der Grundlage der einschlägigen Förderrichtlinie im billigen Ermessen der Behörde unter Beachtung des Haushaltsrechts (Art. 23, 44 BayHO). Ein Rechtsanspruch besteht danach nur ausnahmsweise, insbesondere aus dem Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV) durch eine Selbstbindung der Verwaltung aufgrund einer ständigen Verwaltungspraxis.
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Der Norm- und der mit ihm insoweit gleichzusetzende Richtliniengeber (vgl. BVerwG, U.v. 14.3.2018 – 10 C 1/17 – juris Rn. 18; U.v. 24.4.1987 – 7 C 24.85 – juris Rn. 12) ist zunächst bei der Entscheidung darüber, welcher Personenkreis durch freiwillige finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden soll, weitgehend frei. Zwar darf der Staat seine Leistungen nicht nach unsachlichen Gesichtspunkten, also nicht willkürlich verteilen. Subventionen müssen sich vielmehr gemeinwohlbezogen rechtfertigen lassen, sollen sie vor dem Gleichheitssatz Bestand haben. Sachbezogene Gesichtspunkte stehen jedoch dem Norm- und Richtliniengeber in sehr weitem Umfang zu Gebote; solange die Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (stRspr; vgl. z.B. BVerfG, U.v. 20.4.2004 – 1 BvR 905/00, 1 BvR 1748/99 – juris Rn. 61; ebenso etwa Wollenschläger, in: v. Mangoldt/Klein/Starck, GG, 7. Aufl. 2018, Art. 3 Rn. 255).
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Sind die Fördervoraussetzungen – wie hier – zulässigerweise in Förderrichtlinien geregelt, so müssen diese von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig (Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 BV), im Einklang mit Art. 23 und 44 BayHO, ohne Verstoß gegen andere einschlägige Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden, wie dieser in den selbst gegebenen Richtlinien zum Ausdruck kommt. Die Verwaltungsgerichte haben sich auf die Prüfung zu beschränken, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden ist oder ein sonstiger Verstoß gegen einschlägige materielle Rechtsvorschriften vorliegt. Entscheidend ist daher allein, wie die zuständige Behörde die Richtlinie im maßgeblichen Zeitpunkt in ständiger, zu einer Selbstbindung führenden Verwaltungspraxis gehandhabt hat und in welchem Umfang sie infolgedessen an den Gleichheitssatz gebunden ist. Dabei darf eine solche Richtlinie nicht – wie Gesetze oder Rechtsverordnungen – gerichtlich ausgelegt werden, sondern sie dient nur dazu, eine dem Grundsatz der Gleichbehandlung entsprechende Ermessensausübung der Behörde zu gewährleisten (aktuell z.B. BayVGH, B.v. 3.8.2022 – 22 ZB 22.1151 – juris Rn. 17; B.v. 31.3.2022 – 6 ZB 21.2933 – juris Rn. 7; B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 6; vgl. ferner BVerwG, U.v. 16.6.2015 – 10 C 15.14 – juris Rn. 24; B.v. 11.11.2008 – 7 B 38.08 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 11.10.2019 – 22 B 19.840 – juris Rn. 26 m.w.N.; B.v. 9.3.2020 – 6 ZB 18.2102 – juris Rn. 9; VG München U.v. 15.11.2021 – M 31 K 21.2780 – juris Rn. 21; U.v. 5.7.2021 – M 31 K 21.1483 – juris Rn. 23).
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Nur entsprechend den vorgenannten Grundsätzen kann ein Anspruch auf Förderung im Einzelfall bestehen. Im Vorwort der hier einschlägigen Richtlinie des Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie für die Gewährung von Überbrückungshilfe des Bundes für kleine und mittelständische Unternehmen – Phase 5 (Überbrückungshilfe IV – BayMBl. 2022 Nr. 278 vom 9.5.2022) wird im Übrigen auch ausdrücklich klargestellt, dass die Überbrückungshilfe im Rahmen der vom Bund zur Verfügung gestellten Haushaltsmittel als Billigkeitsleistung ohne Rechtsanspruch nach pflichtgemäßem Ermessen gewährt wird.
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3.2 Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die beantragte Zuwendung in Höhe von 4.500,- EUR, da die formellen Voraussetzungen an die Antragstellung nicht eingehalten sind.
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3.2.1 Gemäß Nr. 3.8 Buchst. a der Zuwendungsrichtlinie wird Soloselbstständigen eine Neustarthilfe als Billigkeitsleistung gewährt, wenn ansonsten keine betrieblichen Fixkosten gemäß Nummer 3.1 der Zuwendungsrichtlinie geltend gemacht werden und weitere Voraussetzungen in Bezug auf die Umsatzentwicklung vorliegen. Bei der Neustarthilfe 2022 handelt es sich – bereits der Überschrift in Nr. 3.8 der Zuwendungsrichtlinie nach – um eine Betriebskostenpauschale für Soloselbstständige, die im Rahmen der Überbrückungshilfe IV anstelle der Geltendmachung (einzelner) betrieblicher Fixkosten nach Nr. 3.1 der Zuwendungsrichtlinie möglich ist. Die Höhe der Neustarthilfe beträgt nach Nummer 3.8 Buchst. b Satz 1 der Zuwendungsrichtlinie jeweils für das 1. und 2. Quartal 2022 einmalig 50% des dreimonatigen Referenzumsatzes, maximal aber 4.500,- EUR für natürliche Personen und Ein-Personen-Kapitalgesellschaften und 18.000,- EUR für Mehr-Personen-Kapitalgesellschaften und Genossenschaften.
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Aus der Zuwendungsrichtlinie ergibt sich ferner hinsichtlich des Antragsverfahrens, dass die Antragstellung ausschließlich von einem vom Antragsteller beauftragten Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Wirtschaftsprüfer, vereidigten Buchprüfer, Steuerbevollmächtigten oder Rechtsanwalt (prüfender Dritter) durchgeführt wird, wenn es sich nicht um die Beantragung der Neustarthilfe 2022 bei Antragstellung durch natürliche Personen handelt (Nr. 7.1 Satz 1 und Nr. 8 Satz 1 der Zuwendungsrichtlinie). Eine Direktantragstellung – wie sie im vorliegenden Fall erfolgte – ist mithin nach dem eindeutigen Wortlaut der Zuwendungsrichtlinie nur dann möglich, wenn die Neustarthilfe 2022 durch natürliche Personen beantragt wird.
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3.2.2 Diese Regelung des Antragsverfahrens in der einschlägigen Zuwendungsrichtlinie und mit ihr die entsprechende, im konkreten Einzelfall auch umgesetzte Zuwendungspraxis der Beklagten ist nicht zu beanstanden. Der Zuwendungs- und Richtliniengeber und mit ihnen die mit der Funktion der Zuwendungsbehörde beliehene Beklagte (vgl. § 47b ZustV) sind nicht daran gehindert, im Sinne einer Eingrenzung des Kreises der Zuwendungsempfänger und Verteilung der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel den Kreis der Begünstigten im Wege einer dem Zweck der Förderung entsprechenden, sachgerechten Abgrenzung auf bestimmte Antragsberechtigte zu beschränken (VG München, U.v. 15.9.2021 – M 31 K 21.110 – juris Rn. 26; U.v. 14.7.2021 – M 31 K 21.2307 – juris Rn. 23). Dies gilt gleichermaßen für die sachliche Eingrenzung einer Zuwendung und die Festlegung der relevanten Maßstäbe zur Bestimmung der Höhe einer Zuwendung. Denn nur der Zuwendungsgeber bzw. die Zuwendungsbehörde bestimmen im Rahmen des ihnen eingeräumten weiten Ermessens bei der Zuwendungsgewährung darüber, welche Ausgaben dem Fördergegenstand zugeordnet werden und wer konkret begünstigt werden soll. Außerdem obliegt ihm allein die Ausgestaltung des Förderverfahrens. Insoweit besitzen Zuwendungs- und Richtliniengeber und mit diesen die Beklagte die Interpretationshoheit über die maßgeblichen Verwaltungsvorschriften (BayVGH, B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.2023 – juris Rn. 19; B.v. 8.11.2021 – 6 ZB 21.1889 – juris Rn. 19; VG München, B.v. 31.10.2022 – M 31 E 22.5178 – juris Rn. 24; U.v. 15.11.2021 – M 31 K 21.2780 – juris Rn. 26; U.v. 15.9.2021 – M 31 K 21.110 – juris Rn. 26; VG Würzburg, U.v. 14.11.2022 – W 8 K 22.548, BeckRS 2022, 42039 Rn. 28; U.v. 29.11.2021 – W 8 K 21.982 – juris Rn. 25 f.; U.v. 14.6.2021 – W 8 K 20.2138 – juris Rn. 30).
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Es ist ohne weiteres vertretbar und naheliegend, wenn die Beklagte zur Wahrung der notwendigen besonderen Verfahrenseffizienz und -beschleunigung in den Massenverfahren der Corona-Wirtschaftshilfen (vgl. zu den Corona-Soforthilfen BayVGH, B.v. 20.7.2022 – 22 ZB 21.2777 – juris Rn. 16 ff.) für die Überprüfung der in einem Zuwendungsantrag getätigten Angaben im Allgemeinen maßgeblich auf die qualifiziert-objektive Gewährsfunktion eines prüfenden Dritten zurückgreift (VG München, B.v. 31.10.2022 – M 31 E 22.5178 – juris Rn. 28; ebenso VG Würzburg, U.v. 14.11.2022 – W 8 K 22.95 – juris Rn. 136). Dies gilt umso mehr, als eine Überprüfung der Angaben des Antragstellers durch die Bewilligungsstelle häufig zunächst nicht erfolgt, bzw. diese auf die vom prüfenden Dritten im Antrag gemachten Angaben vertrauen darf (vgl. Nr. 9.1 Satz 2 der Zuwendungsrichtlinie).
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Die in diesem Zusammenhang angelegte Differenzierung bzw. Ausnahme bei einer Beantragung der Neustarthilfe 2022 durch eine natürliche Person ist dabei ebenso nicht zu beanstanden. Auch und gerade in verfahrensrechtlicher Hinsicht ist es dem Richtlinien- und Zuwendungsgeber – und mit diesen der mit der Aufgabe der Zuwendungsbehörde beliehenen Beklagten – im Rahmen eines weiten Ermessens bei der Ausgestaltung der Überbrückungshilfe IV aus sachbezogenen Überlegungen heraus möglich, das Förderverfahren auszugestalten und dabei für bestimmte Konstellationen verfahrensrechtliche Modifikationen vorzusehen. Gründe der Vereinfachung und eine im Allgemeinen anzunehmende geringere Komplexität der für die Antragstellung heranzuziehenden Umstände rechtfertigen es, natürlichen Personen im Vergleich zu anderen Antragstellern wie Personenhandels- oder Kapitalgesellschaften eine vereinfachte, direkte Antragsmöglichkeit einzuräumen. Dies gilt umso mehr, als die Privilegierung einer möglichen Direktantragstellung durch natürliche Personen ausschließlich für die pauschalierte und damit vereinfachte Form der Betriebskostenerstattung in Gestalt der Neustarthilfe 2022 besteht, nicht hingegen für die ansonsten die Überbrückungshilfe IV prägende Erstattung einzelner Fixkostenpositionen (vgl. Nr. 3.1 der Zuwendungsrichtlinie). Die aus dieser Differenzierung folgende abweichende Behandlung von – wie hier relevant – Kapitalgesellschaften im Vergleich zu natürlichen Personen im Rahmen des Antragsverfahrens stellt im Sinne der oben ausgeführten Maßstäbe ohne weiteres eine durch sachbezogene Gesichtspunkte gerechtfertigte und damit jedenfalls nicht willkürliche Ab- bzw. Eingrenzung der maßgeblichen Zuwendungsmaßstäbe und Gestaltung des Förderverfahrens dar.
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3.2.3 Die Klägerin hat im konkreten Fall ausweislich der vorgelegten Behördenakte (Bl. 1, 6) im Wege eines Direktantrags und mithin nicht durch einen prüfenden Dritten die Neustarthilfe 2022 für das 1. Quartal 2022 beantragt. Bei der Klägerin handelt es sich, wie ebenso im Antrag ausdrücklich angegeben, um eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung und mithin um eine Kapitalgesellschaft (vgl. zum Begriff etwa § 3 Abs. 1 Nr. 2 Umwandlungsgesetz). Dass in dieser Konstellation eine Antragstellung lediglich unter Einschaltung eines prüfenden Dritten möglich ist, ergibt sich – wie mehrfach ausgeführt – ausdrücklich aus der Zuwendungsrichtlinie (Nr. 7.1 Satz 1 und Nr. 8 Satz 1), aus den im Internet einsehbaren FAQs zur Neustarthilfe 2022 (dort Nr. 4.1) und war im Übrigen – soweit aus der vorgelegten Behördenakte nachvollziehbar – auch im Rahmen des Antragsverfahrens ausdrücklich vorab dargestellt (Bl. 1 der Behördenakte). Schließlich wurde die Klägerin im Rahmen des Antragsverfahrens und mithin vor abschlägiger Bescheidung durch die Beklagte auf diesen Umstand und entsprechende Lösungsmöglichkeiten hingewiesen (Bl. 18 f. der Behördenakte).
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Da der Direktantrag der Klägerin vom 21. Januar 2022 sonach bereits nicht den verfahrensmäßigen Anforderungen nach der Zuwendungsrichtlinie bzw. der ständigen Zuwendungspraxis der Beklagten entspricht, besteht kein Anspruch auf Gewährung der beantragten Neustarthilfe 2022 für das 1. Quartal 2022.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge nach § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.