Titel:
Erfolgloser Nachbareilantrag gegen Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit Carports und Stellplätzen
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 2 Nr. 3, § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3
BauGB § 34 Abs. 2, § 212a Abs. 1
BauNVO § 12 Abs. 1, Abs. 2, § 15 Abs. 1
Leitsatz:
Der Grundstücksnachbar hat die Errichtung notwendiger Stellplätze und Garagen für ein Wohnbauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Emissionen der zu- und abfahrenden Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen, denn es besteht bzgl. der durch die Nutzung verursachten Lärmemissionen eine Vermutung der Nachbarverträglichkeit. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gebot der Rücksichtnahme, Sozialadäquanz von Stellplatzlärm, Stellplätze im rückwärtigen Grundstücksbereich, Vorbelastung durch Staatsstraße, Nachverdichtung, Eilverfahren, Nachbar, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Baurecht, Garage, Stellplatz, Emissionen, Sozialadäquanz, Nahbarverträglichkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 12988
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1.) zu tragen; die Beigeladene zu 2.) trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Beteiligten streiten über eine dem Beigeladenen zu 1.) erteilte Baugenehmigung zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit Carports und Stellplätzen.
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Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. 229/4 Gem. … Das Grundstück ist mit einem Einfamilienhaus sowie zwei nördlich gelegenen Garagen bebaut, für das die Antragstellerin mit Bescheid des Antragsgegners vom 15. März 2019 die Baugenehmigung erhalten hatte. Westlich grenzt das Vorhabengrundstück, FlNr. 229 Gem. …, an, das im nördlichen Grundstücksbereich mit einem Einfamilienhaus und einer Garage bebaut ist. Die Erschließung der Grundstücke erfolgt jeweils über die nördlich gelegene Straße. Südlich der Grundstücke verläuft die Staatsstraße … (ehem. Bundesstraße B.). Ein Bebauungsplan existiert für diesen Bereich nicht. Im näheren Umfeld befinden sich ganz überwiegend Ein- und Mehrfamilienhäuser.
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Unter dem 14. Januar 2021 bzw. 6. Juli 2021 (Tektur) beantragte der Beigeladene zu 1.) die Erteilung einer Baugenehmigung für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit vier Wohneinheiten samt acht Stellplätzen, hiervon sieben Stellplätzen entlang der südlichen Grundstücksgrenze, hiervon fünf in einem Carport. Die Zufahrt zu den Stellplätzen soll von der nördlich gelegenen Straße entlang der gemeinsamen, ca. 50 m langen, Grundstücksgrenze zur Antragstellerin erfolgen.
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Die Beigeladene zu 2.) verweigerte mit Beschlüssen vom 1. Februar 2021, 19. Juli 2021 und 27. September 2021 die Erteilung ihres gemeindlichen Einvernehmens. Die geplante Anlage der Stellplätze im rückwärtigen Teil des Grundstücks verletze das Gebot der Rücksichtnahme, weil hierdurch eine sehr lange Zufahrt entstünde und somit eine unnötige Versiegelung des Grundstücks. Die aufgrund des zusätzlichen Verkehrs zu erwartenden Beeinträchtigungen seien für den Nachbarn nicht tragbar.
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Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 14. Dezember 2021 erteilte der Antragsgegner die Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens. Das Vorhaben verletze das Gebot der Rücksichtnahme nicht, da der für die zulässige Nutzung erforderliche Bedarf von 8 Stellplätzen, hiervon 7 Stellplätze im Süden des Grundstücks, an der durch die in unmittelbarer Nähe verlaufenden, stark frequentierten Staatsstraße … hochverlärmten Stelle nachgewiesen werde. Ein kurzfristiges Halten von PKWs am östlichen Hauseingang sei bei lediglich 4 Wohneinheiten hinnehmbar.
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Am … Januar 2022 ließ die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid erheben. Mit am 14. März 2022 eingegangenem Schriftsatz ihres Bevollmächtigten sucht sie zudem Eilrechtsschutz und beantragt
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Aussetzung der Vollziehung.
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Der angegriffene Bescheid verletze die Antragstellerin im Hinblick auf die 50 m lange Stellplatzzufahrt entlang ihrer Grundstücksgrenze und Ruhezone erfolgenden Zufahrt für die größere Anzahl von sieben Stellplätzen in dem ihr zustehenden Gebot der Rücksichtnahme. Aufgrund der engen Fahrspur sei aufgrund des zu erwartenden Begegnungsverkehrs mit einer Steigerung des Lärms zu rechnen. Hinzukäme kurzfristiges Halten zum Be- und Entladen im Bereich der an der Westfassade gelegenen Haustür. Hinzukämen Besucherverkehr sowie Zustellungen durch Post- und Paketdienste. Die Staats straße könne nicht als schutzminderndes vorbelastendes Element entgegengehalten werden, weil die Geschwindigkeit im Bereich der Grundstücke auf 70 km/h begrenzt sei. Zudem liege die Staats straße um 4,70 m über dem Grundstück der Antragstellerin, sodass die wesentlichen Immissionen über den Gartenbereich und das Haus der Antragstellerin hinwegzögen. An Wochenenden, also den Erholungstagen, sei die Staats straße zudem viel weniger befahren. Zwischen den vorhandenen Baukörpern komme es zu einem Halleffekt. Auch die Abgasbelästigung sei bei einer Zufahrtslänge von 50 m relevant, vor allem im Bereich der Ruhezone der Antragstellerin und der Freifläche für deren Kinder. Dabei handle es sich um eine über Jahre gewachsene Grundstückssituation. Die Gesamtabwägung der Interessen der Nachbarn lasse die Positionierung der Stellplätze damit als rücksichtslos erscheinen. Zudem habe der Antragsgegner sich in der angefochtenen Baugenehmigung ausdrücklich auf den seiner Ansicht nach bestandskräftigen Vorbescheid, der Frau B.N. für die Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit neun Stellplätzen entlang der südlichen Grundstücksgrenze erteilt worden war, bezogen. Er habe daher schon nicht mit dem notwendigen „Wissen und Wollen“ eine neue umfassende Sachentscheidung getroffen, weswegen die Baugenehmigung unvollkommen sei und deswegen in ihrem Vollzugsteil zu Unrecht die Vollziehbarkeit als Regelungsbestandteil ausspreche. Der Vorbescheid sei durch die Antragstellerin angefochten (M 1 K 21.1892) und mit Blick auf § 80 Abs. 1 VwGO suspendiert.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die aus der bestimmungsgemäßen Nutzung zulässiger Stellplätze und Garage erwachsenden Störungen seien regelmäßig hinzunehmen. Sie könnten allenfalls im Einzelfall ausnahmsweise unzumutbar sein, wenn sie durch ihre Lage, Zahl, Zuwegung und sonstige Besonderheiten zu Beeinträchtigungen führten, die über das als sozialadäquat hinzunehmende Maß hinausgingen. Nicht ausreichend sei beispielsweise die Tatsache, dass Wohnhäuser und Garagen in einem Straßenzug überwiegend zur Straße hin situiert seien, um pauschal von einem rückwärtigen Ruhebereich sprechen zu können. Bei der Umgebung handle es sich um eine typische Straßenrandbebauung, die im Zuge einer städtebaulichen erwünschten Nachverdichtung zur Staats straße aufgefüllt werden könne bzw. solle. Ein klar ablesbares städtebauliches Konzept sei nicht erkennbar: weder gebe es einheitliche Bebauungstiefen, noch sei der bisherigen Genehmigungspraxis ein besonderes „Freihalteinteresse“ für bestimmte Grundstücksbereiche zu entnehmen. Vielmehr seien Teilbereiche (FlNrn. 227/2 und 227/3) bereits in ähnlicher Weise mit Wohngebäuden bebaut. Das Gebot der Rücksichtnahme richte sich vor allem nach etwaigen Vorbelastungen. Im konkreten Fall sei maßgeblich, dass die Umgebung bereits durch die Lärmimmissionen der angrenzenden Staats straße mit vielen tausend Fahrzeugen pro Tag vorbelastet sei. Die durchschnittliche Verkehrsstärke habe im Jahr 2019 in dem maßgeblichen Zählabschnitt Nr. … 12.096 KfZ/24h betragen, davon 612 KfZ/24h Schwerverkehr. Die Ruhezone besitze aus diesem Grund eine wesentlich herabgesetzte Schutzwürdigkeit. Trotz des Höhenunterschieds dürften weitaus mehr Immissionen von der Staats straße auf die anliegenden Grundstücke einwirken, als die hier in Rede stehenden Stellplätze und Zufahrt. Diese sei zudem sehr gut einsehbar, sodass nennenswerter Rangierverkehr ausgeschlossen sei. Die Stellplätze entsprechen den Empfehlungen für die Errichtung von Anlagen des ruhenden Verkehrs. Schlussendlich solle auch nicht außer Acht gelassen werden, dass auf dem Vorhabengrundstück ausschließlich Wohnnutzung genehmigt sei, sodass sich die Fahrzeugbewegungen zur Tages- und auch zur Nachtzeit in engen Grenzen halten würden.
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Der Beigeladene zu 1.) beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Gemäß § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 12 Abs. 1 und 2 BauNVO seien Stellplätze und Garagen in allgemeinen Wohngebieten für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf zulässig. Die hiermit verbundenen Belastungen seien daher grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen. Zwar sei von der Rechtsprechung anerkannt, dass die Belastungen gerade in ruhigen rückwärtigen Gartenbereichen nach den Umständen des Einzelfalls unzumutbar sei können. Gemessen hieran liege hinsichtlich der im Streit stehenden, notwendigen Stellplätze jedoch keine Rücksichtslosigkeit vor. Zudem seien die Stellplätze gerade nicht entlang der gemeinsamen Grenze situiert. Der Abstand zum Wohnhaus der Antragstellerin betrage mehr als 20 m, während die Stellplätze der Antragstellerin samt Rangierflächen nur rund 6 m vom Grundstück des Beigeladenen zu 1.) entfernt seien. Ein Rangieren sei angesichts der vorhandenen Fläche nördlich der Stellplätze auf dem Vorhabengrundstück nicht erforderlich. Die Staats straße stelle zudem eine erhebliche Vorbelastung dar.
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Die Beigeladene zu 2.) hat sich nicht geäußert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag, der im wohlverstandenen Interesse der Antragstellerin als Antrag gerichtet auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung deren Anfechtungsklage vom 10. Januar 2022 (M 1 K 22.135) gegen die Baugenehmigung vom 14. Dezember 2021 gemäß §§ 80a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1, 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, 212a Abs. 1 BauGB verstanden wird, hat in der Sache keinen Erfolg.
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1. Im Rahmen eines Verfahrens nach § 80a Abs. 3 i.V.m. § 80 Abs. 5 VwGO trifft das Gericht aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung darüber, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den Erfolg des gestellten Antrags. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Antrages auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige, Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt.
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Danach fällt die Interessenabwägung zugunsten der Vollziehbarkeit der Baugenehmigung aus, weil die in der Hauptsache angegriffene Baugenehmigung rechtmäßig ist und die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 VwGO.
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Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20, 22).
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Die Baugenehmigung verletzt die Antragstellerin nicht in ihren subjektiv-öffentlichen Rechten. Insbesondere ist die Baugenehmigung nicht wegen der auf die sieben neu zu errichtenden Stellplätze zurückzuführenden Lärm- und Abgasimmissionen ihr gegenüber rücksichtslos im Sinne von §§ 34 Abs. 1 bzw. Abs. 2 BauGB, 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO.
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Gemäß § 12 Abs. 2 BauNVO sind in Wohngebieten Stellplätze und Garagen für den durch die zugelassene Nutzung verursachten Bedarf nach Art der Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig. § 12 Abs. 2 BauNVO begründet für den Regelfall auch hinsichtlich der durch die Nutzung verursachten Lärmemissionen eine Vermutung der Nachbarverträglichkeit. Der Grundstücksnachbar hat deshalb die Errichtung notwendiger Stellplätze und Garagen für ein Wohnbauvorhaben und die mit ihrem Betrieb üblicherweise verbundenen Emissionen der zu- und abfahrenden Kraftfahrzeuge des Anwohnerverkehrs grundsätzlich als sozialadäquat hinzunehmen (BayVGH, B.v. 7.5.2019 – 9 ZB 17.53). Allerdings sind nach § 15 Abs. 2 Satz 1 BauNVO die in den §§ 2 bis 14 BauNVO aufgeführten baulichen und sonstigen Anlagen im Einzelfall unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen ausgehen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des Baugebiets im Baugebiet selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind. Die Vorschrift gilt auch für die in § 12 BauNVO genannten Stellplätze und Garagen. Sie sind vor allem dann unzulässig, wenn ihre Nutzung zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Nachbarschaft führt. Dabei kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, B.v. 20.2.2003 – 4 B 59/02 – juris Rn. 6) der Zufahrt eine besondere Bedeutung zu, weil – jedenfalls bei Wohnbebauung – der Zu- und Abgangsverkehr die Nachbarschaft regelmäßig am stärksten belastet. Demgemäß begegnen Garagen und Stellplätze in ruhigen rückwärtigen Gartenbereichen hinter Wohnhäusern oft rechtlichen Bedenken. Ob sie im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO unzumutbar sind, richtet sich gleichwohl nach der Eigenart des Baugebiets. Eine generelle, für alle Standorte von Stellplätzen im rückwärtigen Bereich geltenden Beurteilung ist nicht möglich, sie hängt immer von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab. Bei dieser Beurteilung ist der in § 12 Abs. 2 BauNVO enthaltenen Grundentscheidung Rechnung zu tragen.
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Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ergibt sich im Rahmen der im Eilverfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung für den vorliegenden Einzelfall, dass die streitgegenständlichen Stellplätze, obschon im rückwärtigen Bereich der Grundstücke gelegen und über eine Zufahrt entlang der ca. 50 m langen gemeinsamen Grundstücksgrenze anzufahren, der Antragstellerin gegenüber nicht rücksichtslos sind.
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Denn dieser rückwärtige Grundstücksbereich der Antragstellerin, der ihren Gartenbereich darstellt, ist bereits in relevantem Maße durch die sich südlich anschließende Staats straße St* … vorbelastet. So betrug die durchschnittliche tägliche Verkehrsstärke (DTV) im maßgeblichen Zählabschnitt (Nr. …*) im Jahr 2021 10.649 KfZ/24h, hiervon 597 Schwerverkehr (SV; Quelle: https://www.baysis.bayern.de/internet/verdat/svz/zaehlstelle/index.html). Sie lag damit zwar im Jahr 2021 um durchschnittlich knapp 1.500 KfZ/24h niedriger als im vom Antragsgegner herangezogenen Zeitraum 2019, dennoch liegt weiterhin ein sehr hohes Verkehrsaufkommen vor (zum Vergleich: gemäß der Verkehrszählung aus dem Jahr 2015 lag der DTV-Mittelwert auf den Staatsstraßen im Zuständigkeitsbereich des Staatlichen Bauamts Freising bei 6776 KfZ/24h, hiervon 381 Schwerverkehr, Quelle: https://www.baysis.bayern.de/media/internet/verdat/svz/kk/2015/dtv/bauamt/svz_2015_mw_fs.pdf). Im Hinblick auf die grundsätzlich kegelförmige Ausbreitung von Lärmemissionen ist nicht mit dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin davon auszugehen, dass der wesentliche Straßenlärm über das laut dessen Vortrag 4,70 m niedriger gelegene Grundstück der Antragstellerin hinwegzieht. Es handelt sich vorliegend auch nicht um eine, wie die Antragstellerin vortragen lässt, seit Jahren gewachsene Grundstückssituation. Für das Anwesen der Antragstellerin wurde erst im Jahr 2019 die Baugenehmigung erteilt, die Errichtung erfolgte angesichts der vorhandenen Verkehrslärmsituation. Dass womöglich die Verkehrsbelastung an Wochenenden in relevantem Maße niedriger liegt, ist angesichts des bekannten Wochenend- und Freizeitverkehrsaufkommens zum einen wenig wahrscheinlich, zum anderen ist damit zu rechnen, dass am Wochenende gerade in den Morgenstunden die Abfahrtbewegungen von den streitgegenständlichen Stellplätzen reduziert sein werden. Nach der Konzeption der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) sind Vorbelastungen im Übrigen im Ergebnis schutzmindernd zu berücksichtigen, weil die Zusatzbelastung durch einen weiteren Immissionsbeitrag für die Gesamtbelastung weniger relevant wird (vgl. Nr. 2.1 Abs. 2 TA Lärm). Was den von der Antragstellerin vorgetragenen Halleffekt sowie Abgasemissionen angeht, so ist diesbezüglich eine Besonderheit nicht zu erkennen, die die Belastung im vorliegenden Fall als ausnahmsweise unzumutbar erscheinen lässt. Schließlich ist zugunsten des streitgegenständlichen Vorhabens zu berücksichtigen, dass es sich mit sieben Stück um eine vergleichsweise geringe Anzahl von Stellplätzen handelt. Diese sind vier Wohneinheiten zugeordnet. Es ist daher auch nicht zu befürchten, dass es bezüglich vereinzelter Zwischenhalte zum Ein- und Ausladen im Bereich der westseitig des Vorhabens gelegenen Haustür zu einer unzumutbar hohen Belastung kommen wird. Hinsichtlich Besucherverkehr und Zustellungen durch Post- und Paketdienstleistern ist im Übrigen davon auszugehen, dass diese regelmäßig nicht über das Grundstück des Beigeladenen zu 1.), sondern über den öffentlichen Verkehrsraum stattfinden werden. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass das Bauvorhaben der städtebaulich gewünschten (vgl. z.B. § 1a Abs. 2 BauGB) Nachverdichtung von Wohnbauvorhaben dient, sodass dem erstmaligen Eindringen in den bislang von Parkverkehr verschonten rückwärtigen Bereich der Antragstellerin eine gewisse Sozialadäquanz nicht abgesprochen werden kann.
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2. Da im Übrigen keine Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen sind, welche gegen die Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen Baugenehmigung sprechen, überwiegt das Vollzugsinteresse. Soweit die Antragstellerin behauptet, der Antragsgegner habe aufgrund seiner Bezugnahme auf den der Frau B.N. erteilten, von ihr ebenfalls angefochtenen, Vorbescheid keine eigene Sachentscheidung getroffen, sodass der Vollzug der Baugenehmigung schon wegen dieser Verknüpfung der Baugenehmigung mit dem Vorbescheid auszusetzen sei, ist dem nicht zu folgen. Weder ergibt sich aus dem Hinweis des Antragsgegners auf den Vorbescheid, dass durch die Baugenehmigung insoweit keine eigene Sachentscheidung getroffen werden solle, noch ist dies überhaupt naheliegend, weil der Beigeladene zu 1.) mit der Adressatin des Vorbescheids nicht identisch ist.
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3. Der Antrag war daher mit der sich aus § 154 Abs. 1 VwGO ergebenden Kostenfolge abzulehnen. Hierbei entsprach es der Billigkeit, § 162 Abs. 3 VwGO, der Antragstellerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu 1.) aufzuerlegen, weil dieser mit seiner Antragstellung seinerseits ein Kostenrisiko eingegangen ist, vgl. § 154 Abs. 3 VwGO. Mangels eigener Antragstellung trägt die Beigeladene zu 2.) ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
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4. Die Festsetzung des Streitwerts erfolgte gemäß §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.