Titel:
Schadensersatzansprüche wegen verlorenen Einsätzen beim unerlaubten Online-Glücksspiel
Normenketten:
BGB § 134, § 762 Abs. 1 S. 1, § 812 Abs. 1 S. 1, § 817 S. 2. § 823 Abs. 2
GlÜStV § 4 Abs. 4
Leitsätze:
1. Bei dem Staatsvertrag zum Glücksspielwesen in Deutschland handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Vertrag über die Ausübung des Glücksspiels auf einer Internetdomain ist nach § 134 BGB nichtig, da die Veranstaltung eines öffentlichen Glücksspiels im Internet nach § 4 Abs. 4 GlÜStV bis zum 30.06.2021 verboten war. Der Rückforderungsausschluss gemäß § 817 S. 2 BGB ist vorliegend nicht anwendbar, da ein Kondiktionsausschluss einerseits einen starken Anreiz für die Fortsetzung des gesetzeswidrigen Angebots durch Anbieter verbotener Online-Glücksspiele setzen würde und andererseits dem Schutzzweck der Verbotsnorm, nämlich dem Schutz der Spieler vor den Gefahren des Glücksspieles, zuwiderlaufen würde. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
unerlaubtes Online-Glücksspiel, Staatsvertrag zum Glücksspielwesen, internationale Zuständigkeit, Schutzgesetz, Kondiktionsausschluss
Fundstelle:
BeckRS 2023, 12956
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 13.072,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.12.2022 zu zahlen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Einspruchsfrist wird auf 1 Monat festgesetzt.
Der Streitwert wird auf 13.072,00 € festgesetzt.
Tatbestand
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Der Kläger macht Bereicherungs- und Schadensersatzansprüche wegen verlorenen Einsätzen beim unerlaubten Online-Glücksspiel geltend.
2
Die Beklagte ist eine im maltesischen Handelsregister eingetragene Gesellschaft, die eine Plattform für Online-Glücksspiele mit dem Namen „PlatinCasino“ unter der Domain https://platincasino.com betreibt. Über eine von der zuständigen deutschen Landesbehörde erteilte Erlaubnis für die streitgegenständlichen Glücksspiele verfügt die Beklagte nicht.
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Im Zeitraum vom 2021 zahlte der Kläger bei der Beklagten 26.270 € zum Zwecke des Glückspiels ein. Er die von der Beklagten betriebene deutschsprachige Plattform „PlatinCasino“ von seiner Wohnung in O.. 69, 8... R. und nahm am Online-Glücksspiel teil, ohne dass ihm bekannt war, dass Online-Glücksspiel im Internet verboten ist. Abzüglich der erspielten Gewinne in Höhe von 13.198,00 € entstand dem Spieler ein Verlust in Höhe von 13.072,00 € (Anlage K2).
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Mit der Klage erklärt der Kläger den Widerruf sämtlicher im Fernabsatz geschlossener Spielverträge.
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Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von EUR 13.072,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hierauf seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte hat nach ordnungsgemäßer Zustellung der Klageschrift und Terminsladung im Termin zur mündlichen Verhandlung am 12.04.2023 unentschuldigt nicht erschienen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
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1. Das angerufene Landgericht Traunstein ist nach Art. 7 Ziff. 1, 2 EuGVVO international und örtlich zuständig. Soweit Ansprüche aus Leistungskondiktion geltend gemacht werden, sind diese als vertragliche Ansprüche unter dem Vertragsgerichtsstand nach Art. 7 Ziff. 1 EuGVVO einklagbar. Der Erfüllungsort liegt am Wohnsitz des Spielers in 8... R.. Soweit Ansprüche aus einer unerlaubten Handlung geltend gemacht werden, folgt der Gerichtsstand aus Art. 7 Ziff. 2 EuGVVO, da der Schaden in Deutschland, nämlich am Wohnsitz des Spielers in Kastl eingetreten ist.
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2. Nach Art. 6 der Rom I Verordnung ist deutsches Recht anwendbar. Der Nutzung der Internetdomain durch den Spieler liegt ein Verbrauchervertrag im Sinne dieser Vorschrift zugrunde. Der Spieler handelte nicht in Ausübung einer beruflichen oder gewerblichen Tätigkeit. Die Beklagte ist eine Unternehmerin im Sinne dieser Vorschrift. Da sie das Glücksspiel auf ihrer deutschen Homepage anbot, übte sie ihre gewerbliche Tätigkeit in Deutschland aus. Daher unterliegt der Vertrag dem Recht Deutschlands, da hier der Spieler als Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Für die geltend gemachten bereicherungsrechtlichen Ansprüche folgt die Anwendbarkeit deutschen Rechts somit aus Art. 12 Abs. 1 lit. e), 10 Abs. 1, 6 Abs. 1 Rom I VO.
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Auf die deliktischen Schadensersatzansprüche findet gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom II VO ebenfalls deutsches Recht Anwendung, da in Deutschland die Schadensfolge eingetreten ist.
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3. Die Beklagte hat nach § 823 Abs. 2 BGB dem Kläger Schadensersatz zu leisten und hierzu gemäß § 249 Abs. 1 BGB die erhaltenen Zahlungen unter Abzug der erhaltenen Gewinne zurückzubezahlen. Die Beklagte hat gegen § 4 Abs. 4 des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (GlÜStV) verstoßen, wonach das Veranstalten und das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele im Internet verboten ist. Bei dem Staatsvertrag handelt es sich um ein Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (vgl. Grüneberg, § 823, Rn. 75).
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4. Der Kläger kann seinen Anspruch daneben auch auf § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB stützen, da die Zahlungen des Spielers an die Beklagte rechtsgrundlos erfolgten. Der Vertrag über die Ausübung des Glücksspiels auf der Internetdomain der Beklagten ist nach § 134 BGB nichtig, da die Veranstaltung eines öffentlichen Glücksspiels im Internet nach § 4 Abs. 4 GlÜStV bis zum 30.06.2021 verboten war. Der Rückforderungsausschluss gemäß § 817 Satz 2 BGB ist vorliegend nicht anwendbar, da ein Kondiktionsausschluss einerseits einen starken Anreiz für die Fortsetzung des gesetzeswidrigen Angebots durch Anbieter verbotener Online-Glücksspiele setzen würde und andererseits dem Schutzzweck der Verbotsnorm, nämlich dem Schutz der Spieler vor den Gefahren des Glücksspieles, zuwiderlaufen würde. Da es sich um ein verbotenes Glücksspiel handelt, ist auch § 762 Abs. 1 Satz 1 BGB, nach dem das aufgrund eines (wirksamen) Spiel- oder Wettvertrages Geleistete nicht zurückgefordert werden kann, nicht anwendbar (vgl. Grüneberg, 82. Auflage, § 762, Rz. 3).
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5. Die Höhe der Ansprüche ergibt sich aus der von Klägerseite vorgelegten Transaktionsaufstellung (Anlage K2).
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6. Der Zinsanspruch beruht auf §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 708 Ziff. 2 ZPO.
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Der Streitwert ergibt sich aus der Höhe der geltend gemachten Hauptforderung.