Inhalt

VerfGH München, Entscheidung v. 17.01.2023 – Vf. 3-IVa-21
Titel:

Erfolgloses Organstreitverfahren einer Landtagsfraktion gegen Äußerungen der Landtagspräsidentin bei einer Podiumsdiskussion

Normenketten:
BV Art. 13 Abs. 2, Art. 16a Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Art. 64
VerfGHG Art. 49 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die Präsidentin des Bayerischen Landtags ist aufgrund ihrer verfassungsmäßigen Stellung verpflichtet, bei ihrer Amtsausübung politische Neutralität im Hinblick auf die Interessen der einzelnen Abgeordneten und Fraktionen zu wahren und ihr Amt unparteiisch zu führen. Für die Beurteilung der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit von Äußerungen über Fraktionen bzw. Abgeordnete, die nicht unmittelbar der Amtsausübung im Landtag zuzuordnen sind, ist insbesondere von Bedeutung, ob eine Äußerung in der Funktion als Landtagspräsidentin getätigt wird, welcher Art sie ist, in welchem (Gesamt-)Zusammenhang sie erfolgt und inwiefern sie geeignet ist, sich im innerparlamentarischen Bereich auszuwirken. (Rn. 36 – 38)
2. Wenn die Präsidentin des Bayerischen Landtags in Ausübung ihres Amts auf einer Podiumsdiskussion über ihre Erfahrungen im Landtag berichtet und dabei Verhaltensweisen einer Fraktion und ihrer Mitglieder während parlamentarischer Sitzungen sowie die Wahrnehmung dieses Verhaltens durch andere Fraktionen beschreibt und bewertet, sind der Schutzbereich des freien Mandats gemäß Art. 13 Abs. 2 BV und die in Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV gewährleisteten Oppositionsrechte einer Fraktion betroffen. Um festzustellen, ob die Parlamentspräsidentin durch einen solchen Diskussionsbeitrag ihre Verpflichtung zur unparteiischen Amtsführung verletzt, sind die Wahrnehmung ihrer Aufgaben einschließlich der zugehörigen Informations- und Öffentlichkeitsarbeit einerseits und das Interesse der Fraktion an unbeeinträchtigter Ausübung des freien Mandats und der Gewährleistung der Oppositionsrechte andererseits unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Bedeutung im Verfassungsgefüge im Sinn praktischer Konkordanz gegeneinander abzuwägen. Diese Bewertung ist einzelfallbezogen anhand der konkreten Gesamtumstände vorzunehmen. (Rn. 46 – 48)
3. Die Präsidentin des Bayerischen Landtags hat mit der vorliegend beanstandeten Äußerung auf einer Podiumsdiskussion im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Lange Nacht der Demokratie“ weder in einzelnen Teilen noch in der Gesamtschau die verfassungsmäßigen Rechte der AfD-Fraktion im Bayerischen Landtag verletzt. (Rn. 39 – 55)
Schlagworte:
Landtagspräsidentin, amtliche Äußerung, politische Neutralität, unparteiische Amtsführung, freies Mandat, Oppositionsrechte, praktische Konkordanz, konkrete Gesamtumstände
Fundstellen:
BayVBl 2023, 262
LSK 2023, 1288
BeckRS 2023, 1288
DÖV 2023, 602

Tenor

Der Antrag wird abgewiesen.

Entscheidungsgründe

I.
1
Die Fraktion Alternative für Deutschland im Bayerischen Landtag (AfD-Fraktion) wendet sich als Antragstellerin gegen eine Äußerung der Präsidentin des Bayerischen Landtags (Antragsgegnerin). Sie begehrt im Rahmen eines Organstreitverfahrens die Feststellung, dass die beanstandete Äußerung der Präsidentin gegen deren Verpflichtung zur Neutralität, Sachlichkeit und organschaftlichen Treue gegenüber der Antragstellerin verstoßen habe; ferner soll die Antragsgegnerin verpflichtet werden, die Äußerung künftig zu unterlassen und zu widerrufen.
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1. Am 2. Oktober 2020 fand im Rahmen der bayernweiten Veranstaltungsreihe „Lange Nacht der Demokratie“, für die die Antragsgegnerin die Schirmherrschaft übernommen hatte, eine Podiumsdiskussion unter dem Titel „Herausforderungen der Demokratie“ statt, an der die Antragsgegnerin und der Münchner Oberbürgermeister teilnahmen. Zu dieser Veranstaltung veröffentlichte der Bayerische Landtag auf seiner Internetseite einen Bericht, der dort nach wie vor abrufbar ist. Darin wird folgende, von der Antragstellerin beanstandete Äußerung der Antragsgegnerin wiedergegeben:
Das Muster bei uns im Landtag ist durchgängig Provokation und Abgrenzung gegenüber den „Altparteien“, wie die AfD die anderen Fraktionen nennt […]. Einmal musste zum Beispiel unser Vizepräsident Alexander Hold einschreiten, als ein AfD-Mitglied aus Protest gegen die Maskenpflicht mit einer Gasmaske auftauchte. Es ist eine ständige Zwickmühle für die Parteien und auch für die Presse: Wie viel Aufmerksamkeit gibt man diesen Provokationen von rechts? Dabei verschwimmen manchmal die ei-genen, pointierten Positionen der übrigen Parteien.
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Eingeleitet war der Bericht mit den Sätzen: „Als Schirmherrin für die bayernweite,Lange Nacht der Demokratie‘ stellte sich Landtagspräsidentin Ilse Aigner während einer Podiumsdiskussion gemeinsam mit Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter den drängendsten Fragen der Zeit. Wie agieren rechte Parteien in den Parlamenten und wie erhalten die etablierten Parteien ihren demokratischen Konsens? Welche Mittel helfen gegen die Provokationen der Rechten? Und wie verstärkt Corona die antidemokratischen Symptome? Die zwei Politiker befanden: das wichtigste Instrument ist Ehrlichkeit.“ Der als Zitat wiedergegebenen beanstandeten Äußerung der Antragsgegnerin war folgende Passage vorangestellt: „Unabhängig von Corona berichteten die Politiker […] auch aus der Arbeit ihrer Parlamente. In diesen müssen sie immer wieder auf die AfD reagieren.“
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2. Die Antragstellerin verfolgte ihre jetzigen Antragsziele zunächst mit einem „Organstreitverfahren im einstw. Rechtsschutz“. Der dortige, beim Verfassungsgerichtshof am 21. Oktober 2020 eingegangene (isolierte) Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wurde mit Entscheidung vom 1. Dezember 2020 - Vf. 90-IVa-20 - (juris) abgewiesen. Ein Mitglied des Verfassungsgerichtshofs gab ein Sondervotum ab.
II.
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Mit der vorliegenden, am 7. Januar 2021 eingeleiteten Organstreitigkeit verfolgt die Antragstellerin ihre Anträge auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der beanstandeten Äußerung der Antragsgegnerin (Antrag zu 1) und auf deren Verpflichtung, diese künftig zu unterlassen (Antrag zu 2) sowie zu widerrufen (Antrag zu 3), nunmehr als Hauptsacheverfahren weiter. Nach Auffassung der Antragstellerin lässt die vorangegangene Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 1. Dezember 2020, in der die Abweisung des Eilantrages maßgeblich damit begründet wurde, dass ihr Begehren teilweise schon kein zulässiger Gegenstand einer Organstreitigkeit sein könne und im Übrigen bei summarischer Prüfung ein Antrag in der Hauptsache voraussichtlich jedenfalls als unbegründet zu bewerten wäre, erhebliche rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte außer Acht.
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Die Antragstellerin stützt ihre Antragsbefugnis auf das Recht auf Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1, Art. 21 GG i. V. m. Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 BV und das freie Mandat. Hieraus ergebe sich ein Recht auf Wahrung der Neutralitätspflicht, des Sachlichkeitsgebots und der organschaftlichen Treuepflicht, gegen das die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin verstoßen habe. Da die komplette Stellungnahme der Antragsgegnerin nach wie vor auf der Internetseite des Landtags abrufbar sei, bestehe die Rechtsverletzung fort.
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1. Bereits auf der Ebene des sachlichen Bedeutungsgehalts der Aussagen der Antragsgegnerin sei fraglich, ob es sich noch um eine wertende Stellungnahme oder bereits um derart realitätsfremde Behauptungen handle, dass sie die Grenze zur Falschbehauptung überschritten. Die Antragstellerin beruft sich insofern - im Wesentlichen inhaltsgleich mit dem Sondervotum zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 1. Dezember 2020 - darauf, dass das Motto „Herausforderungen der Demokratie“, unter welchem die Antragsgegnerin aus der Parlamentsarbeit berichtet habe, fälschlich suggeriere, dass man es hier mit Abweichungen von normalen Abläufen zu tun habe. Es sei jedoch aus öffentlich zugänglichen Quellen des Landtags belegbar, dass die Antragstellerin mit den ihr zugeschriebenen Verhaltensweisen keineswegs eine Sonderrolle in den zurückliegenden Legislaturperioden einnehme. In der 11. Wahlperiode habe in mehreren Fällen (vgl. im Einzelnen die Darstellung im Sondervotum zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 1.12.2020 - Vf. 90-IVa-20 - juris Rn. 35) ein identisches Verhalten von Fraktionsmitgliedern der GRÜNEN, der SPD und auch der CSU stattgefunden, ohne dass dies entsprechend bewertet worden wäre. Auch die Behauptung, seitens der Antragstellerin handle es sich um ein „Muster“ und ein „durchgängiges“, also methodisch und systematisch auf Provokation angelegtes Verhalten, sei falsch. Wegen der Verschiedenartigkeit der Vorgänge könne von einem Muster nicht die Rede sein. Zudem sei die Rechtmäßigkeit einiger der herangezogenen Rügen unter dem Maßstab des Gleichbehandlungsgrundsatzes und des freien Mandats höchst zweifelhaft, was ein Vergleich der Vorgänge aus der 11. Legislaturperiode mit protokollierten Beanstandungen bzw. Ahndungen von Äußerungen verschiedener AfD-Abgeordneter aus der laufenden 18. Legislaturperiode erkennen lasse (vgl. im Einzelnen die Darstellung im Sondervotum zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 1.12.2020, a. a. O., Rn. 36). Die Antragsgegnerin erwecke mit ihrer ausschließlichen Erwähnung der Antragstellerin den Eindruck, als ginge die sogenannte Provokation ausschließlich von der Antragstellerin aus, sie zwänge diese damit einseitig in die Rolle eines Störenfrieds und verunglimpfe sie beim Wähler. Ihre Aussage suggeriere ferner, dass sie bei als Provokation wahrgenommenen Verhaltensweisen im Parlamentsbetrieb gegenüber allen Fraktionen denselben Maßstab anlegen würde, was nicht der Fall sei. Die Antragsgegnerin verschweige auch, dass die Antragstellerin selbst permanent das Ziel massiver Provokationen und Anfeindungen sei, ohne dass dies ausreichend beanstandet bzw. geahndet worden wäre. Dies lasse sich anhand protokollierter Äußerungen der Vorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Plenarsitzungen zwischen dem 14. Juli 2019 und dem 11. Februar 2020 gegenüber einem AfD-Abgeordneten bzw. hinsichtlich der AfD und der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag aufzeigen (vgl. im Einzelnen die Darstellung im Sondervotum zur Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 1.12.2020, a. a. O., Rn. 38). Der gesamte Vorgang zeige eine eklatante Parteinahme der Antragsgegnerin zugunsten der ihrerseits provozierenden Sprecherin der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und zum Nachteil der Antragstellerin auf. Eine noch erheblichere Umkehrung des tatsächlichen Sachverhalts stelle die Behauptung der Antragsgegnerin dar, die Antragstellerin betreibe eine „Abgrenzung“ von den Fraktionen der anderen Parteien. Auch handle es sich entgegen ihrer Behauptung bei der Bezeichnung „Altparteien“ nicht um dezidierten AfD-Jargon. Auf diesen Gesamtzusammenhang hätte die Antragsgegnerin zumindest hinweisen müssen, um ihrer Pflicht zur Sachlichkeit und Neutralität gerecht zu werden.
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2. Als Fraktion sei die Antragstellerin Trägerin öffentlich-rechtlicher Statusrechte. Das zum Statuskern jedes Fraktionsmitglieds gehörende freie Mandat sei verfassungsmäßig normiert und in der Rechtsprechung als wehrfähiges Innenrecht anerkannt. Aus diesem Grundsatz und dem organschaftlichen Status folge für die Fraktion ein Abwehrrecht gegen andere Organe, die sie in ihrer Freiheit beeinträchtigten.
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3. Alle Mitglieder des Parlaments seien einander formal gleichgestellt, somit auch die Zusammenschlüsse zu Fraktionen. Das „chancengleiche Recht auf Beteiligung“ mache es spiegelbildlich erforderlich, dass Staatsorgane im politischen Wettbewerb Neutralität wahrten und sich nicht parteiergreifend für oder wider einen Teilnehmer des politischen Wettbewerbs aussprächen. Der Grundsatz der Neutralität verlange, dass staatliche Organe sich der offenen oder versteckten Werbung für oder gegen einzelne miteinander konkurrierende politische Mitbewerber enthielten. Die Regierung dürfe zur Förderung des Verständnisses ihrer eigenen Politik die Politik der Opposition kritisieren, nicht aber Oppositionsparteien amtlich als solche bekämpfen. Die Antragsgegnerin nehme durch die beanstandete Äußerung eindeutig Partei gegen die Antragstellerin und verstoße gegen die ihr obliegende Neutralitätspflicht. Zur sachlichen Untermauerung ihrer Aussage benenne die Antragsgegnerin einen einzigen Fall konkret, woraus sich weder eine „Durchgängigkeit“ noch ein „Muster“ ergäben. Soweit die Antragsgegnerin auf Rügen gegenüber Mitgliedern der Antragstellerin Bezug nehme, handle es sich um einen üblichen Vorgang nach der Geschäftsordnung des Landtags, der auch nicht exklusiv die Antragstellerin betreffe. Es erschließe sich jedenfalls nicht, warum sich aus solchem (unterstellten) Verhalten eine „Herausforderung der Demokratie“ ergeben solle. Die Antragsgegnerin unterstelle mit der beanstandeten Äußerung der Antragstellerin, mit legalen Mitteln die demokratische Institution des Parlaments systematisch und im Kern verfassungsfeindlich bewusst zu unterminieren und zu zersetzen; sie verletze damit den ihr zustehenden - neutralen - Beurteilungsrahmen in grober Weise. Aus dem Gesamtzusammenhang der Diskussion ergebe sich zudem, dass der als Parlamentspräsidentin auftretenden Antragsgegnerin daran gelegen sei, die AfD(-Fraktion) in die Nähe von Reichsbürgern und Verschwörungstheoretikern zu rücken. Sie unterstelle in ihrer Darstellung der Antragstellerin in letzter Konsequenz Realitätsverlust, Verschwörungsmystik und klinischen Wahnsinn.
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4. Die Äußerungen der Antragsgegnerin hätten das Abwehrrecht der Antragstellerin auf Sachlichkeit erheblich verletzt, das aus dem rechtsstaatlichen Willkürverbot in Verbindung mit dem Recht auf effektive Mandatsausübung folge. Bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben habe die Antragsgegnerin die Bedeutung des freien Mandats für die Demokratie und die Funktionsfähigkeit des Parlaments zu achten. Die Repräsentativfunktion der Parlamentspräsidentin sei kein Instrument zur Ausschließung bestimmter inhaltlicher Positionen aus der Debatte. Die Bewertung der Richtigkeit oder Korrektheit solcher Positionen oder die Sicherung eines gesellschaftlichen Konsenses sei nicht ihre Aufgabe. Demgegenüber zielten die Äußerungen der Antragsgegnerin erkennbar gerade darauf ab, die Antragstellerin öffentlich zu diskreditieren, damit diese in ihrer Reputation geschädigt werde und die Gunst des Wählers verliere. Hierbei müsse besonders auch der Gesamtkontext der Veranstaltung berücksichtigt werden, wonach es um spezifische Bedrohungen für den demokratischen Rechtsstaat gegangen sei. Die Äußerungen der Antragsgegnerin trügen auch keinen argumentativen Kern, sondern operierten mit Schlagworten des politischen Meinungskampfes, der aber gerade nicht Aufgabe der Parlamentspräsidentin in ihrer amtlichen Funktion sei. Dem einfachen Bürger werde durch die Staatsnähe der Parlamentspräsidentin suggeriert, es sei eine objektive öffentlich-rechtliche Position des Parlaments als Organ und des Staates als solchem, die Antragstellerin und ihre gesamte Partei aus dem gesellschaftlichen Diskurs durch Distanzierung und Ablehnung zu verdrängen.
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5. Mit ihren eigenwilligen, unsachlichen und diffamierenden Aussagen habe die Antragsgegnerin auch gegen ihre organschaftliche Treuepflicht gegenüber der Antragstellerin verstoßen. Diese Verpflichtung wurzle in dem verfassungsrechtlichen Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme von Verfassungsorganen und Organteilen sowie in dem auch im öffentlichen Recht geltenden Grundsatz von Treu und Glauben. Durch die bewusste Unterlassung, die Aussagen zu revidieren, setze sich der Verstoß fort. Als Repräsentantin des Landtags müsse sich die Antragsgegnerin zwar zu parlamentarischen Angelegenheiten äußern können. Um ihrer Verpflichtung auf das Gesetz und das öffentliche Wohl zu genügen, dürfe sie aber andere Verfassungsorgane oder ihre Teile nicht diffamieren oder für sich vereinnahmen.
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6. Aus diesen Darlegungen und zur effektiven Rechtsdurchsetzung ergebe sich auch ausnahmsweise ein Verpflichtungsanspruch bezüglich der Anträge zu 2 und 3; zur effektiven Rechtsdurchsetzung sei eine dezidierte Anordnung zur Wiederherstellung eines rechtmäßigen Zustands geboten. Für den Fall der Erachtung dieser Anträge als unzulässig werde hilfsweise der Erlass einer Vollzugsanordnung gemäß Art. 29 Abs. 2 VfGHG beantragt.
III.
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Die Antragsgegnerin tritt dem Antrag entgegen. Ihre von der Antragstellerin angegriffenen Äußerungen verstießen insbesondere nicht gegen das Neutralitätsgebot und seien demzufolge verfassungsgemäß.
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1. Die Anträge zu 2 und 3, welche auf eine Verpflichtung der Antragsgegnerin, die verfahrensgegenständliche Äußerung zu widerrufen und in Zukunft zu unterlassen, abzielten, seien schon unzulässig.
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Das Organstreitverfahren sehe eine solche Verpflichtung grundsätzlich nicht vor, wie der Verfassungsgerichtshof bereits in der vorangegangenen Entscheidung vom 1. Dezember 2020 im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ausgeführt habe. Die dagegen von der Antragstellerin vorgebrachten Einwendungen überzeugten schon deswegen nicht, weil zur Begründung eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem Einzelfall herangezogen werde (BVerfG vom 8.12.2004 NJW 2005, 203), die vor dem Hintergrund einer gänzlich anderen Sachlage zu einer Sonderkonstellation ergangen sei. Die konkreten Argumente der Antragstellerin zur Begründung einer angeblichen Sonderkonstellation im vorliegenden Fall liefen im Wesentlichen auf die Unterstellung hinaus, die Antragsgegnerin werde eine etwaige Feststellung der Rechtswidrigkeit der streitgegenständlichen Äußerung durch den Verfassungsgerichtshof nicht beachten und die dann notwendigen Schritte zur Wiederherstellung der verfassungsmäßigen Situation nicht einleiten. Für diese Annahme gebe es aber keine tatsächlichen Anhaltspunkte. Es sei auch kein Grund für den hilfsweise beantragten Erlass einer Vollzugsanordnung gemäß Art. 29 Abs. 2 VfGHG ersichtlich.
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2. Sämtliche Anträge seien in der Sache unbegründet, da keine Verletzung von verfassungsmäßigen Rechten der Antragstellerin durch die verfahrensgegenständlichen Äußerungen der Antragsgegnerin gegeben sei.
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Die Antragsschrift stelle weitgehend eine inhaltliche Wiedergabe des im vorangegangenen Eilverfahren ergangenen Sondervotums sowie eine Wiederholung der Ausführungen der Antragstellerin aus der damaligen Antragsschrift dar und sei nicht geeignet, eine Verletzung von deren verfassungsmäßigen Rechten zu begründen. Dies ergebe sich schon aus den Ausführungen des Verfassungsgerichtshofs in der Entscheidung vom 1. Dezember 2020; im Übrigen werde auf die Ausführungen der Antragsgegnerin in der Antragserwiderung im Eilverfahren verwiesen, die weiterhin Geltung beanspruchten. Ergänzend solle lediglich auf zwei Punkte eingegangen werden.
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Das für die hiesige Antragsschrift der Sache nach herangezogene Sondervotum basiere im Wesentlichen auf einer Gegenüberstellung von Vorgängen aus der 11. Wahlperiode und solchen aus der aktuellen 18. Wahlperiode unter besonderer Beteiligung von Mitgliedern der Antragstellerin, womit insbesondere gezeigt werden solle, dass diesen in ihren Verhaltensweisen keine Abweichung von „normalen Abläufen“ vorgeworfen werden könne und es sich dabei nicht um ein „Muster“ von „durchgängiger“ Natur handle. Dieser simplen Gegenüberstellung mangle es jedoch schon an einer Einordnung der zitierten Vorgänge in Gesamtdebatte und Historie; zudem zeigten schon die gewählten Beispiele selbst, dass keine grundsätzliche Vergleichbarkeit der Verhaltensweisen bestehe. Während die beispielhaft herangezogenen damaligen Äußerungen von ehemaligen Abgeordneten der GRÜNEN bzw. der CSU sich auf sachliche Aspekte der Thematik als solcher bezogen hätten, hätten sich die diesen gegenübergestellten Äußerungen von Abgeordneten der Antragstellerin in der laufenden Legislaturperiode außerhalb des Sachthemas unmittelbar abwertend gegen die an der Diskussion beteiligten Personen oder Dritte gerichtet.
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Soweit der Vorwurf, verfassungswidrig mit „zweierlei Maß“ zu messen, auf Äußerungen der Vorsitzenden der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der laufenden Legislaturperiode gegenüber einem AfD-Abgeordneten bzw. hinsichtlich der AfD und der AfD-Fraktion im Thüringer Landtag gestützt werde, hätten diese entweder schon nicht den Rahmen des Zulässigen überschritten, keinen direkten Personenbezug gehabt oder seien auch nach Darstellung der Antragstellerin - unter dem Vorsitz der Antragsgegnerin - als unzulässig eingestuft bzw. durch eine Rüge geahndet worden. Auf Grundlage dieser Auswahl von Äußerungen und den entsprechenden Reaktionen der Antragsgegnerin könne keinesfalls der Schluss gezogen werden, dass die Antragsgegnerin bei der Bewertung von kritischen Beiträgen in der parlamentarischen Praxis offensichtlich zweierlei Maß anlege.
IV.
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1. Der Antrag zu 1 auf Feststellung, dass die Antragsgegnerin mit der beanstandeten Äußerung gegen ihre Verpflichtung zur Neutralität, Sachlichkeit und organschaftlichen Treue gegenüber der Antragstellerin verstoßen habe, ist zulässig.
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a) Der Rechtsweg zum Verfassungsgerichtshof ist gemäß Art. 64 BV, Art. 49 Abs. 1 VfGHG eröffnet. Eine Verfassungsstreitigkeit im Sinn dieser Bestimmungen (Organstreit) liegt vor.
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aa) Sowohl die Antragstellerin als auch die Antragsgegnerin verfügen über die für das vorliegende Organstreitverfahren erforderliche Beteiligtenfähigkeit. Nach den genannten Bestimmungen entscheidet der Verfassungsgerichtshof über Verfassungsstreitigkeiten zwischen den obersten Staatsorganen oder in der Verfassung mit eigenen Rechten ausgestatteten Teilen eines obersten Staatsorgans.
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Als Teile des Landtags sind sowohl einzelne Abgeordnete als auch Fraktionen grundsätzlich antragsberechtigt. Einer Fraktion als einem Zusammenschluss von Abgeordneten können verfassungsmäßige Rechte wie den einzelnen Abgeordneten zustehen. Zudem ergibt sich für Fraktionen, die - wie die Antragstellerin - die Staatsregierung nicht stützen, aus Art. 16 a Abs. 2 Satz 1 BV das Recht auf ihrer Stellung entsprechende Wirkungsmöglichkeiten (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 17.2.1998 VerfGHE 51, 34/39 f.; vom 26.2.2019 NVwZ-RR 2019, 841 Rn. 38; vom 1.12.2020 - Vf. 90-IVa-20 - juris Rn. 16; vom 11.8.2021 BayVBl 2021, 734 Rn. 22, 34).
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Die Präsidentin des Bayerischen Landtags wird zulässigerweise als Antragsgegnerin bezeichnet. Auch ihr weist die Bayerische Verfassung unmittelbar eigene Rechte zu, so in Art. 17 Abs. 2, Art. 18 Abs. 2, Art. 21, 29 Abs. 2, Art. 33 a Abs. 3 Satz 2, Art. 44 Abs. 3 Satz 4, Abs. 5 BV.
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bb) Die Antragstellerin ist antragsbefugt. Der Streit zwischen den Beteiligten bezieht sich auf Rechtspositionen, die sich unmittelbar aus der Bayerischen Verfassung ergeben. Die Antragstellerin stützt ihre Antragsbefugnis auf „das Recht auf Gleichbehandlung gem. Art. 3 Abs. 1, Art. 21 GG i. V. m. Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 u. Abs. 2 BV und das freie Mandat“; hieraus ergebe sich ein Recht auf Wahrung der Pflicht zur Neutralität, Sachlichkeit und organschaftlichen Treue. Damit beruft sie sich zulässig auf Rechte aus der Bayerischen Verfassung, soweit sie eine Verletzung des in Art. 13 Abs. 2 BV gesicherten freien Mandats sowie der durch Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV gewährleisteten Oppositionsrechte rügt. Insoweit trägt sie auch hinreichend dazu vor, dass die zur Nachprüfung gestellte Maßnahme rechtserheblich sein oder sich zumindest zu einem die Rechtsstellung der Antragstellerin beeinträchtigenden, rechtserheblichen Verhalten verdichten könnte (vgl. VerfGH BayVBl 2021, 734 Rn. 33). Als rechtserhebliche Maßnahme kommt in Organstreitverfahren jedes Verhalten in Betracht, das geeignet ist, den Antragsteller in seiner verfassungsrechtlich geschützten Rechtsstellung zu beeinträchtigen (vgl. BVerfG vom 4.12.2014 BVerfGE 138, 45 Rn. 27 m. w. N.; VerfG Hamburg vom 21.12.2021 - 14/20 - juris Rn. 47 m. w. N.). Die Verletzung der genannten verfassungsmäßigen Rechte der Antragstellerin erscheint auf Grundlage ihres Sachvortrags zumindest möglich. Die beanstandete Äußerung der Antragsgegnerin im Rahmen einer Podiumsdiskussion beschreibt und bewertet Verhaltensweisen sowohl der Antragstellerin als auch ihrer Mitglieder im Landtag als Provokation und Abgrenzung gegenüber den anderen Parteien, was für diese eine Zwickmühle darstelle. Es erscheint nicht von vornherein ausgeschlossen, dass dies die Antragstellerin als Zusammenschluss von Abgeordneten in ihren Rechten aus Art. 13 Abs. 2 BV und Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV verletzt oder unmittelbar gefährdet. Die Berufung der Antragstellerin auch auf eine Verletzung der Rechte der AfD als Partei kann ihre Antragsbefugnis hingegen nicht (mit-)begründen. Als im Organstreit verfolgbare Rechte von Fraktionen kommen nur solche aus dem innerparlamentarischen Bereich in Betracht (VerfGH vom 1.12.2020 - Vf. 90-IVa-20 - juris Rn. 16; BayVBl 2021, 734 Rn. 32; vgl auch BVerfG vom 30.10.2018 BVerfGE 150, 163 Rn. 14; VerfG Hamburg vom 21.12.2021 - 14/20 - juris Rn. 34, 39).
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b) Das im Organstreitverfahren erforderliche Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag zu 1 liegt vor. Dieses kontradiktorische Verfahren dient maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihren Teilen in einem Verfassungsrechtsverhältnis, nicht hingegen der Kontrolle der objektiven Verfassungsmäßigkeit eines bestimmten Organhandelns (VerfGH vom 1.12.2020 - Vf. 90-IVa-20 - juris Rn. 18; BayVBl 2021, 734 Rn. 25; BVerfG vom 17.9.2019 BVerfGE 152, 8 Rn. 28). Das Rechtsschutzinteresse für einen Antrag entfällt grundsätzlich nicht allein dadurch, dass die beanstandete Rechtsverletzung in der Vergangenheit stattgefunden hat und bereits abgeschlossen ist (vgl. BVerfG vom 15.6.2022 - 2 BvE 4/20, 2 BvE 5/20 - juris Rn. 65 = NVwZ 2022, 1113). Selbst wenn man in diesen Fällen ein besonderes Fortsetzungsfeststellungsinteresse forderte, läge dieses hier in Form eines objektiven Klarstellungsinteresses vor. Denn durch die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs sollen insbesondere auch für die Zukunft der Rechtsfrieden gesichert und die streitigen verfassungsrechtlichen Fragen geklärt werden (VerfGH vom 11.9.2014 VerfGHE 67, 216 Rn. 32 m. w. N.; vom 26.2.2019 - Vf. 51-IVa-17 - juris Rn. 52; vgl. auch BVerfG vom 22.3.3022 NVwZ 2022, 629 Rn. 37). Im Hinblick auf die vorliegend beanstandete Äußerung ist nicht auszuschließen, dass vergleichbare Umstände erneut zu einer Verfassungsstreitigkeit führen. Schon deshalb ist ein objektives öffentliches Interesse an einer Klärung der mit dem Antrag aufgeworfenen verfassungsrechtlichen Fragen gegeben. Zudem ist der die beanstandete Äußerung enthaltende Bericht über die Veranstaltung vom 2. Oktober 2020 nach wie vor auf der Internetseite des Landtags eingestellt und abrufbar, auch wenn er zwischenzeitlich erheblich an Aktualität verloren hat.
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2. Die Anträge zu 2 und 3, mit denen die Antragsgegnerin verpflichtet werden soll, die beanstandete Äußerung künftig zu unterlassen und zu widerrufen, sind hingegen - auch unter Berücksichtigung des ergänzenden Vorbringens der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren - unzulässig.
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a) Da die Organstreitigkeit als kontradiktorische Parteistreitigkeit maßgeblich der gegenseitigen Abgrenzung der Kompetenzen von Verfassungsorganen oder ihrer Teile in einem Verfassungsrechtsverhältnis dient, stellt der Verfassungsgerichtshof im Organstreit regelmäßig lediglich fest, ob die beanstandete Maßnahme oder das Verhalten des Antragsgegners gegen verfassungsmäßige Rechte des Antragstellers verstößt (vgl. Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 64 Rn. 13; Wolff in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, 2. Aufl. 2017, Art. 64 Rn. 21). Es obliegt sodann dem jeweiligen Verfassungsorgan selbst, einen festgestellten verfassungswidrigen Zustand zu beenden. Für eine über die Feststellung einer Verletzung der Rechte des Antragstellers hinausgehende Verpflichtung des Antragsgegners zu einem bestimmten Verhalten ist im Organstreit grundsätzlich kein Raum (VerfGH vom 6.5.2021 - Vf. 37-IVa-21 - juris Rn. 16, 20 m. w. N.; vgl. zum bundesrechtlichen Organstreit BVerfG vom 22.7.2020 NVwZ 2020, 1422 Rn. 39; vom 2.3.2021 NVwZ 2021, 555 Rn. 57; vom 7.7.2021 BVerfGE 159, 1 Rn. 23, je m. w. N.).
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b) Soweit die Antragstellerin Unterlassung und Widerruf der beanstandeten Äußerung begehrt, ist ihr Antrag somit auf Rechtsfolgen gerichtet, die im Organstreitverfahren grundsätzlich nicht bewirkt werden können. Das Begehren auf Verpflichtung zur Unterlassung der gerügten Äußerung betrifft zudem mögliche Handlungen in der Zukunft und zielt damit auf die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes ab, der grundsätzlich nicht Gegenstand eines Organstreitverfahrens sein kann (VerfGH vom 1.12.2020 - Vf. 90-IVa-20 - juris Rn. 19, vgl. auch BVerfGE 150, 163 Rn. 16).
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c) Die Antragstellerin hat mit ihren ergänzenden Darlegungen im Hauptsacheverfahren nicht nachvollziehbar dargetan, dass es - bei unterstellter Begründetheit des Feststellungsantrags - ausnahmsweise geboten sein könnte, die Antragsgegnerin neben der Feststellung zusätzlich zur Unterlassung oder zum Widerruf zu verpflichten. Objektive Anhaltspunkte für die Annahme, dass die Antragsgegnerin eine unterstellt stattgebende Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs nicht beachten würde, werden weder vorgetragen noch sind sie sonst ersichtlich.
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Die Fallgestaltung, die der von der Antragstellerin zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 8. Dezember 2004 (BVerfGE 112, 118) zugrunde lag, wies verschiedene Besonderheiten auf und ist mit der vorliegenden Konstellation nicht ansatzweise vergleichbar. Aus der weiterhin vorhandenen Veröffentlichung des Berichts über die Veranstaltung mit der beanstandeten Äußerung auf der Homepage des Landtags kann schon deshalb nicht auf eine drohende Missachtung einer feststellenden Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs geschlossen werden, weil die Ablehnung des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung vom 1. Dezember 2020 (Vf. 90-IVa-20 - juris Rn. 25 f.) maßgeblich damit begründet wurde, dass die Äußerung und deren Veröffentlichung voraussichtlich in einem Hauptsacheverfahren nicht zu beanstanden wären. Da die vorläufige Einschätzung des Verfassungsgerichtshofs die Rechtsauffassung der Antragsgegnerin bestätigt hat, steht die weitere Veröffentlichung des Berichts offensichtlich nicht in Widerspruch zu ihr. Sie lässt keinen Rückschluss darauf zu, dass die Antragsgegnerin eine abweichende, feststellende Hauptsacheentscheidung nicht beachten werde.
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Die Behauptung der Antragstellerin, die Antragsgegnerin habe wiederholt deutlich gemacht, dass sie ihre amtliche Funktion dazu nutzen wolle und werde, gegen die Antragstellerin vorzugehen, sie würdige damit ihre Verfassungsbindung nicht, hat keine sachliche Grundlage. Die vorprozessuale und prozessuale Verteidigung der Antragsgegnerin gegen die Vorwürfe der Antragstellerin war und ist grundsätzlich zulässig und der Regelfall in Organstreitigkeiten. Es erschließt sich nicht, warum dies Anlass zu der Annahme geben sollte, die Antragstellerin werde eine unterstellt zu ihren Lasten ergehende Feststellungsentscheidung des Verfassungsgerichtshofs missachten. Auch der Hinweis der Antragstellerin auf die behauptete Verantwortlichkeit der Antragsgegnerin für die Mitgliedschaft des Bayerischen Landtags im „Bayerischen Bündnis für Toleranz“ ist ungeeignet, die Behauptung verfassungswidrigen Vorgehens der Antragsgegnerin zu stützen. Dies war Gegenstand eines anderen Organstreits zwischen der hiesigen Antragstellerin sowie zweier ihrer Abgeordneten und der Antragsgegnerin. Die dortigen Anträge hat der Verfassungsgerichtshof mit Entscheidung vom 11. August 2021 als bereits unzulässig abgewiesen. In der Begründung wurde insbesondere darauf abgestellt, dass nicht ersichtlich ist, wie durch die Unterstützung einer Vereinigung, die sich für unabänderliche Grundwerte der Bayerischen Verfassung wie das Demokratieprinzip und die Menschenwürde einsetzt, denen alle Verfassungsorgane verpflichtet und die als solche jeder parteipolitischen Disposition entzogen sind, das freie Mandat von Abgeordneten oder Oppositionsrechte verletzt werden könnten (VerfGH BayVBl 2021, 734 Rn. 41).
V.
33
Der Antrag auf Feststellung, dass die beanstandete Äußerung der Antragsgegnerin gegen deren Verpflichtung zur Neutralität, Sachlichkeit und organschaftlichen Treue gegenüber der Antragstellerin verstoßen habe, ist unbegründet. Die in Betracht kommenden verfassungsmäßigen Rechte der Antragstellerin aus Art. 13 Abs. 2, Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV sind nicht verletzt.
34
1. a) Die Abgeordneten sind gemäß Art. 13 Abs. 2 BV Vertreter des Volkes, nicht lediglich einer Partei; sie sind nur ihrem Gewissen verantwortlich und an Aufträge nicht gebunden. Diese Verfassungsnorm gibt jedem Abgeordneten das subjektive Recht, sein Mandat innerhalb der Schranken der Verfassung ungehindert auszuüben und verbürgt ihm einen Kernbestand an Rechten auf Teilhabe am Verfassungsleben (sog. freies Mandat; vgl. VerfGH NVwZ-RR 2019, 841 Rn. 54 m. w. N.; BayVBl 2021, 734 Rn. 34). Die Freiheit des Mandats schützt insbesondere vor staatlichen Maßnahmen, die sich gegen eine bestimmte Art und Weise der Ausübung parlamentarischer Rechte richten (VerfGH NVwZ-RR 2019, 841 Rn. 71; Huber in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 13 Rn. 5). Ihr Schutzbereich umfasst ferner die freie Willensbildung der Abgeordneten und als Grundbedingung dafür eine von staatlicher Beeinflussung freie Kommunikationsbeziehung zwischen ihnen und den Wählern; dies gilt auch für die Öffentlichkeitsarbeit, wie etwa Kontakte zu den Medien (VerfGH NVwZ-RR 2019, 841 Rn. 56; vgl. auch VerfG Hamburg vom 21.12.2021 - 14/20 - juris Rn. 61). Zugleich ist aus Art. 13 Abs. 2 BV das Prinzip der egalitären Repräsentation abzuleiten, das zur Folge hat, dass alle Mitglieder des Parlaments einander formal gleichgestellt sind (VerfGH vom 30.7.2018 VerfGHE 71, 184 Rn. 58). Denn sie reprä-sentieren in ihrer Gesamtheit als Volksvertretung im Sinn des Art. 4 BV die stimmberechtigten Bürger (VerfGH vom 26.3.2018 VerfGHE 71, 59 Rn. 112), wobei sich die durch Art. 14 Abs. 1 Satz 1 BV geforderte Gleichheit der Wahl in der Gleichheit der gewählten Abgeordneten widerspiegelt (Huber, a. a. O., Art. 13 Rn. 5; Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 13 Rn. 10). Das daraus resultierende Recht auf Chancengleichheit bei der Parlamentsarbeit kann auch die Antragstellerin als Zusammenschluss von Abgeordneten für sich in Anspruch nehmen (vgl. VerfGH vom 17.2.1998 VerfGHE 51, 34/40; vom 1.12.2020 - Vf. 90-IVa-20 - juris Rn. 21; Möstl, a. a. O., Art. 13 Rn. 13). Es gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung der Fraktionen; die Fraktionen haben ein Recht auf formal gleiche Mitwirkung an der parlamentarischen Willensbildung. Art. 13 Abs. 2 BV schützt - wie Art. 38 Abs. 1 Satz 2 GG - den Status der Gleichheit der Abgeordneten und ihrer Zusammenschlüsse und deren Mitwirkungsbefugnisse in einem formellen und umfassenden Sinn (vgl. BVerfG NVwZ 2022, 629 Rn. 47; vom 22.3.2022 NVwZ 2022, 640 Rn. 28). Wegen ihrer Zugehörigkeit zur parlamentarischen Opposition kann sich die Antragstellerin hinsichtlich der dargestellten Rechte zudem auf Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV stützen (VerfGH NVwZ-RR 2019, 841 Rn. 58; vom 1.12.2020 - Vf. 90-IVa-20 - juris Rn. 21).
35
b) Aus dem Grundsatz der chancengleichen Beteiligung an der parlamentarischen Willensbildung folgt die Verpflichtung der Staatsorgane, gegenüber den Abgeordneten und den Fraktionen im Hinblick auf die Parlamentsarbeit Neutralität zu wahren (vgl. VerfGH vom 1.12.2020 - Vf. 90-IVa-20 - juris Rn. 22 unter Verweis auf VerfGH NVwZ-RR 2019, 841 Rn. 73 und BVerfG vom 27.2.2018 BVerfGE 148, 11 Rn. 44 ff. zum Wettbewerb der Parteien; BayVBl 2021, 734 Rn. 35). Diese „allgemeine“ Neutralitätspflicht reicht, wie klarzustellen ist (vgl. VerfG Hamburg vom 21.12.2021 - 14/20 - juris Rn. 66), nur soweit wie der spezifische Schutzbereich des freien Mandats. Sie schützt demnach insbesondere vor solchen staatlichen Maßnahmen, die sich gegen eine bestimmte Art und Weise der Ausübung parlamentarischer Rechte richten oder die freie Willensbildung der Abgeordneten und ihre von staatlicher Beeinflussung freie Kommunikationsbeziehung zu den Wählerinnen und Wählern beeinträchtigen. Denn nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kommen als im Organstreit verfolgbare Rechte von Fraktionen von vornherein nur solche aus dem innerparlamentarischen Bereich in Betracht, nicht hingegen verfassungsmäßige Rechte der Partei als solcher (vgl. Nachweise oben unter IV. 1. a) bb)).
36
c) Auf ein solches allgemeines Neutralitätsgebot der Staatsorgane gegenüber Fraktionen im Hinblick auf die Parlamentsarbeit kommt es im Ergebnis aber nicht an. Die Antragsgegnerin ist jedenfalls als Präsidentin des Bayerischen Landtags aufgrund ihrer verfassungsmäßigen Stellung verpflichtet, bei ihrer Amtsausübung politische Neutralität im Hinblick auf die Interessen der einzelnen Abgeordneten und Fraktionen zu wahren und ihr Amt unparteiisch zu führen.
37
Art. 21 Abs. 1 BV weist der Präsidentin das Hausrecht und die Polizeigewalt im Bayerischen Landtag zu. Gemäß Art. 21 Abs. 2 BV führt sie die Hausverwaltung, verfügt über die Einnahmen und Ausgaben des Hauses und vertritt den Staat in allen Rechtsgeschäften und Rechtsstreitigkeiten dieser Verwaltung. In speziellen Bereichen kommt ihr eine eigenständige Organstellung zu (vgl. z. B. Art. 18 Abs. 2, Art. 44 Abs. 3 Satz 4 BV). Neben diese in der Verfassung selbst geregelten Kompetenzen treten Aufgabenzuweisungen durch die gemäß Art. 20 Abs. 3 BV vom Landtag aufgrund der sog. Parlamentsautonomie erlassene Geschäftsordnung für den Bayerischen Landtag (BayLTGeschO). In deren § 11 werden die Aufgaben der Präsidentin konkreter und umfassender als in der Verfassung geregelt; dort und in weiteren Vorschriften (vgl. § 11 Abs. 2 i. V. m. §§ 102 ff., 116 ff. BayLTGeschO) wird ihr insbesondere die Leitung und Aufrechterhaltung der Ordnung in den Sitzungen der Vollversammlungen des Landtags übertragen (vgl. Schweiger in Nawiasky/Schweiger/Knöpfle, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 20 Rn. 2, Art. 21 Rn. 2; Huber in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 20 Rn. 6, Art. 21 Rn. 1; Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 21 Rn. 1). Die Landtagspräsidentin ist da-nach und der parlamentarischen Tradition und Praxis entsprechend - wie die Bundestagspräsidentin für den Bundestag (vgl. dazu BVerfG NVwZ 2022, 629 Rn. 98) - Repräsentativ- und Leitungsorgan des Bayerischen Landtags, die „Personifizierung des Parlaments“. Sie hat das Parlament in seiner Gesamtheit zu vertreten und ist aufgrund ihrer Stellung zur parteipolitisch neutralen und unparteiischen Amtsführung verpflichtet. Inhaltsgleich schreibt für den Bundestagspräsidenten § 7 Abs. 1 Satz 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages (GO-BT) eine „gerechte und unparteiische“ Verhandlungsleitung ausdrücklich vor (vgl. zum Ganzen BVerfG NVwZ 2022, 629 Rn. 97 f.; VerfGH Nordrhein-Westfalen vom 25.10.2016 NVwZ-RR 2017, 217 Rn. 40; Möstl in Lindner/Möstl/Wolff, Verfassung des Freistaates Bayern, Art. 21 Rn. 4; Bücker in Schneider/Zeh, Parlamentsrecht und Parlamentspraxis in der Bundesrepublik Deutschland, 1989, § 27 Rn. 11; Brocker in Epping/Hillgruber, BeckOK GG, Art. 40 Rn. 5; Magiera in Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 40 Rn. 8; Klein in Dürig/Herzog/Scholz, GG, Art. 40 Rn. 94 f.; Schliesky in v. Mangoldt/Klein/Schwarz, GG, 7. Auflage 2018, Art. 40 Rn. 8 f.). Das bedeutet allerdings nicht, dass die Antragsgegnerin mit der Wahl zur Parlamentspräsidentin zu einem „politischen Neutrum“ geworden wäre. Auch die Präsidentin bleibt Abgeordnete und kann in dieser Funktion insbesondere weiter im Plenum in der politischen Auseinandersetzung Stellung beziehen und in die Debatte eingreifen (vgl. Möstl, a. a. O., Art. 21 Rn. 4; Bücker, a. a. O., § 27 Rn. 11; Brocker, a. a. O., Art. 40 Rn. 5; Klein, a. a. O., Art. 40 Rn. 94).
38
d) Davon ausgehend ist für die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von Äußerungen der Landtagspräsidentin gegenüber Fraktionen bzw. Abgeordneten, die nicht unmittelbar der Amtsausübung im Landtag zuzuordnen sind, insbesondere von Bedeutung, ob eine Äußerung in der Funktion als Präsidentin getätigt wird, welcher Art sie ist, in welchem (Gesamt-)Zusammenhang sie erfolgt und inwiefern sie geeignet ist, sich im innerparlamentarischen Bereich auszuwirken. Einerseits darf durch die Geltung dieses (spezifischen) Neutralitätsgebots die Wahrnehmung der Aufgaben als Parlamentspräsidentin nicht infrage gestellt werden. Andererseits lassen sich einseitig - zugunsten oder zulasten einzelner Abgeordneter oder Fraktionen - parteiergreifende Stellungnahmen auch mit der Befugnis zur Infor-mations- und Öffentlichkeitsarbeit nicht rechtfertigen (VerfGH vom 1.12.2020 - Vf. 90-IVa-20 - juris Rn. 22; BayVBl. 2021, 734 Rn. 35; vgl. zu Mitgliedern der Bundesregierung im Hinblick auf die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb der Parteien BVerfGE 148, 11 Rn. 65).
39
2. Nach diesen Maßgaben verletzt die beanstandete Äußerung der Landtagspräsidentin weder in einzelnen Teilen noch insgesamt verfassungsmäßige Rechte der Antragstellerin.
40
a) Die Antragsgegnerin hat die Äußerung in ihrer amtlichen Funktion als Landtagspräsidentin, in der sie zur unparteiischen Amtsführung verpflichtet ist, getätigt, nicht (lediglich) als Abgeordnete oder Parteipolitikerin. Die Äußerung selbst wie auch die Veröffentlichung des Berichts darüber auf der Internetseite des Bayerischen Landtags sind unter spezifischer Inanspruchnahme der Autorität dieses Amts und, jedenfalls was die Internetveröffentlichung betrifft, der mit ihm verbundenen Ressourcen erfolgt (vgl. zur Abgrenzung betreffend Äußerungen von Mitgliedern der Bundesregierung bezogen auf die Chancengleichheit im politischen Wettbewerb der Parteien BVerfG vom 15.6.2022 NVwZ 2022, 1113 Rn. 80 ff.).
41
Bei Veranstaltungen des allgemeinen politischen Diskurses wie Talkrunden, Diskussionsforen oder Interviews ist eine differenzierte Betrachtung angezeigt, ob Inhaber eines Regierungsamts oder - wie hier - des Amts der Landtagspräsidentin dort in dieser Amtsfunktion oder als Parteipolitiker, Privatperson oder auch als Landtagsabgeordnete auftreten und angesprochen werden (vgl. BVerfG NVwZ 2022, 1113 Rn. 83 m. w. N.). Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin sowohl nach dem Gesamtzusammenhang als auch nach dem konkreten Inhalt der Äußerung - bei verständiger Würdigung aus Sicht eines mündigen Bürgers - in ihrer Amtsfunktion als Präsidentin des Bayerischen Landtags gehandelt.
42
Die beanstandeten Sätze fielen bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen der bayernweiten Veranstaltungsreihe „Lange Nacht der Demokratie“, für die die Antragsgegnerin als Präsidentin des Bayerischen Landtags die Schirmherrschaft übernommen hatte. Die Podiumsdiskussion war unter dem Titel „Herausforderungen der Demokratie“ Bestandteil der vom „Wertebündnis Bayern“ durchgeführten Auftaktveranstaltung „Inspiration, Begegnung und Reflexion zur Bedeutung von Demokratie“. Dem Bericht über die Diskussion ist zu entnehmen, dass sich die Antragsgegnerin dort als Landtagspräsidentin gemeinsam mit Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter (ursprünglich geplant war auch eine Teilnahme der Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags Petra Pau) „den drängendsten Fragen der Zeit“ zu verschiedenen Themen gestellt habe: „Wie agieren rechte Parteien in den Parlamenten und wie erhalten die etablierten Parteien ihren demokratischen Konsens? Welche Mittel helfen gegen die Provokationen der Rechten? Und wie verstärkt Corona die antidemokratischen Symptome?“ Nachdem es ausweislich des Berichts zunächst um finanzielle Gefahren für die Demokratie und die aktuelle Unzufriedenheit der Bürger aufgrund der Corona-Pandemie sowie die daraus resultierende scheinbare Anschlussfähigkeit von rechten Gruppierungen an die Gesellschaft ging, erfolgte die beanstandete Äußerung der Antragsgegnerin zu einem davon abgesetzten Thema. Der betreffende Absatz wird im Bericht eingeleitet mit den Sätzen: „Unabhängig von Corona berichteten die Politiker […] auch aus der Arbeit ihrer Parlamente. In diesen müssen sie immer wieder auf die AfD reagieren.“ Die Äußerung selbst lautete wie folgt: „Das Muster bei uns im Landtag ist durchgängig Provokation und Abgrenzung gegenüber den,Altparteien‘, wie die AfD die anderen Fraktionen nennt. Einmal musste zum Beispiel unser Vizepräsident Alexander Hold einschreiten, als ein AfD-Mitglied aus Protest gegen die Maskenpflicht mit einer Gasmaske auftauchte. Es ist eine ständige Zwickmühle für die Parteien und auch für die Presse: Wie viel Aufmerksamkeit gibt man diesen Provokationen von rechts? Dabei verschwimmen manchmal die eigenen, pointierten Positionen der übrigen Parteien.“
43
Ein maßgebliches Anliegen der Veranstaltung bestand darin, die Bedeutung der Parlamente für das Staatswesen aufzuzeigen und in diesem Zusammenhang aktuelle Entwicklungen kritisch zu hinterfragen. Mit der Thematik wurde das Demokratieprinzip aufgegriffen, einer der fundamentalen und unabänderlichen Grundwerte der Bayerischen Verfassung (Art. 2, 4, 75 Abs. 1 Satz 2 BV), der als solcher jeder parteipolitischen Disposition entzogen ist (VerfGH BayVBl 2021, 734 Rn. 37, 41). Das Auftreten der Antragsgegnerin bei der Podiumsdiskussion diente der Analyse und Aufarbeitung wichtiger, für die gesamte Gesellschaft bedeutsamer Fragen; sie trat dort - wie der weitere Diskussionsteilnehmer Oberbürgermeister Reiter für seine Ebene - als Repräsentativ- und Leitungsorgan des Parlaments auf Landesebene auf, um über die dortigen Erfahrungen zu berichten. Die Teilnahme an dem Termin ist der Amtsführung der Antragsgegnerin als Präsidentin des Landtags zuzurechnen, sie nahm ihn nicht (lediglich) in ihrer Funktion als Landtagsabgeordnete wahr. Er war Teil der Öffentlichkeitsarbeit, die zu den der Präsidentin obliegenden Aufgaben gehört. Die Äußerung selbst war nach ihrem Inhalt und Kontext - auch soweit nicht von „Fraktionen“, sondern „Parteien“ die Rede war - unmittelbar und spezifisch auf den Landtag und das innerparlamentarische Verhalten der Fraktionen und Fraktionsmitglieder bezogen. Dass ein Bericht über die Podiumsdiskussion und die beanstandete Äußerung auf der offiziellen Internetseite des Bayerischen Landtags eingestellt wurde, spricht ebenfalls für diese Einordnung (vgl. BVerfG NVwZ 2022, 1113 Rn. 81).
44
b) Die beanstandete Äußerung der Antragsgegnerin greift in den Schutzbereich der Art. 13 Abs. 2 und Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV ein. Sie beschreibt und bewertet zunächst unter Benennung eines konkreten Beispiels Verhaltensweisen der Antragstellerin und ihrer Mitglieder während parlamentarischer Sitzungen des Landtags. Im Anschluss daran wird eine Bewertung vorgenommen, wie dies aus Sicht der Antragsgegnerin von den anderen „Parteien“ im Landtag (und der Presse) wahrgenommen werde und sich auswirke. Die Äußerung bezieht sich konkret auf das Auftreten sowohl der Antragstellerin als Fraktion als auch von deren Abgeordneten in Plenarsitzungen und bewertet dies kritisch. Eine solche unter Inanspruchnahme der Amtsautorität erfolgte Darstellung des innerparlamentarischen Verhaltens der Antragstellerin und ihrer Mitglieder durch die Antragsgegnerin gegenüber der Öffentlichkeit betrifft diese bei verständiger Würdigung gerade in ihrer Funktion als Abgeordnete und Fraktion, nicht in ihrer parteipolitischen Sphäre. Eine solche Darstellung kann grundsätzlich geeignet sein, Einfluss auf die zukünftigen parlamentarischen Verhaltensweisen der Antragstellerin und ihrer Mitglieder zu nehmen sowie die Kommunikationsbeziehung zwischen diesen und den Wählerinnen und Wählern negativ zu beeinflussen. Sie berührt daher, auch wenn sie nicht unmittelbar im Rahmen der innerparlamentarischen Amtsausübung erfolgte, sowohl das freie Mandat gemäß Art. 13 Abs. 2 BV als auch die in Art. 16 a Abs. 1 und 2 Satz 1 BV gewährleisteten Oppositionsrechte.
45
c) Der Eingriff ist aber durch die verfassungsrechtlichen Aufgaben der Antragsgegnerin gerechtfertigt. Diese hat durch ihre Darstellung und Bewertung die verfassungsmäßigen Rechte der Antragstellerin nicht verletzt.
46
aa) Die Antragsgegnerin hat als Präsidentin des Verfassungsorgans Bayerischer Landtag den Auftrag, die unabänderlichen Grundwerte der Bayerischen Verfassung, denen alle Verfassungsorgane verpflichtet und die als solche jeder parteipolitischen Disposition entzogen sind, als Bestandteil der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zu wahren und zu verteidigen; dies beinhaltet auch, aktiv für sie einzutreten - auch und gerade im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit (vgl. VerfGH BayVBl 2021, 734, Rn. 37, 41 m. w. N.). Die Thematik der Veranstaltung und der Podiumsdiskussion diente - wie bereits oben unter a) näher beschrieben - angesichts des Titels und der Fragen, denen sich die Antragsgegnerin dort stellen sollte, der Analyse und Aufarbeitung wichtiger, für die gesamte Gesellschaft bedeutsamer Fragen. Die Veranstaltung stand unter dem Motto „Inspiration, Begegnung und Reflexion zur Bedeutung von Demokratie“ bzw. „Herausforderungen der Demokratie“. Mit der Thematik wurde das Demokratieprinzip aufgegriffen, einer der unabänderlichen Grundwerte der Bayerischen Verfassung. Die Antragsgegnerin sollte sich insbesondere dazu äußern, wie rechte Parteien in den Parlamenten agierten und wie die etablierten Parteien ihren demokratischen Konsens erhielten (vgl. zur politik- und sozialwissenschaftlichen Diskussion der Aktivitäten und der Arbeitsweise der AfD in den Parlamenten beispielsweise Schroeder, Weßels, Berzel, ZParl 2018, 91; Heinze, ZPol 2021, 133).
47
bb) Um festzustellen, ob die Antragsgegnerin mit ihrer dortigen Äußerung gegenüber der Antragstellerin die durch ihre Verpflichtung zur unparteiischen Amtsführung gesetzten Grenzen überschritten hat, sind die Wahrnehmung der Aufgaben als Parlamentspräsidentin einschließlich der zugehörigen Informations- und Öffentlichkeitsarbeit einerseits und das Interesse der Fraktion an unbeeinträchtigter Ausübung des freien Mandats und der Gewährleistung der Oppositionsrechte andererseits unter Berücksichtigung ihrer jeweiligen Bedeutung im Verfassungsgefüge gegeneinander abzuwägen. Im Sinn praktischer Konkordanz muss ein schonender Ausgleich zwischen den gegenläufigen verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern gefunden werden, durch den jede der widerstreitenden Rechtspositionen so weit wie möglich ihre Wirkungen entfalten kann und keine bevorzugt und maximal behauptet wird. Diese Bewertung ist einzelfallbezogen anhand der konkreten Gesamtumstände vorzunehmen (vgl. zum Grundsatz praktischer Konkordanz zwischen Grundrechten und anderen verfassungsrechtlich geschützten Gütern VerfGH vom 22.5.2014 VerfGHE 67, 153 Rn. 37; vom 11.9.2014 VerfGHE 67, 216 Rn. 37; vom 25.2.2021 - Vf. 8-VI-19 - juris Rn. 76 m. w. N.; BVerfG vom 16.5.1995 BVerfGE 95, 1/21; vom 7.11.2017 BVerfGE 147, 50 Rn. 245 f.; vom 12.6.2018 BVerfGE 148, 296 Rn. 139; Hesse, Grundzüge des Verfassungsrechts der Bundesrepublik Deutschland, 20. Aufl. 1995, § 2 Rn. 71 f.; zur zulässigen Begrenzung von aus dem freien Mandat abgeleiteten subjektiven Rechten durch vom Parlament kraft seiner Autonomie gesetzte Geschäftsordnungsregelungen VerfGH vom 30.9.1994 VerfGHE 47, 194/199 f.; VerfGHE 51, 34/42; BVerfG vom 14.7.1959 BVerfGE 10, 4/14).
48
Im Rahmen einer Podiumsdiskussion zu einer Thematik, die der für ein lebendiges Gemeinwesen grundlegenden öffentlichen Meinungsbildung im politischen Prozess dienen soll, muss es der Antragsgegnerin danach einerseits unbenommen bleiben, ein aus ihrer Sicht als Landtagspräsidentin im Hinblick auf demokratische Grundsätze und Gepflogenheiten problematisches Verhalten einer (oppositionellen) Fraktion im innerparlamentarischen Bereich zu benennen und als solches anzusprechen. Sie hat andererseits bei solchen Äußerungen, die grundsätzlich Einfluss auf die zukünftigen parlamentarischen Verhaltensweisen der Antragstellerin und ihrer Mitglieder nehmen sowie die Kommunikationsbeziehung zwischen diesen und den Wählerinnen und Wählern negativ beeinflussen können, ihre Verpflichtung zur politischen Neutralität im Hinblick auf die Interessen der einzelnen Abgeordneten und Fraktionen und zur unparteiischen Amtsführung zu berück-sichtigen. Daher muss ein Diskussionsbeitrag wie der hier beanstandete eine sachliche und tatsachengestützte Grundlage haben und die Einbringung in die Debatte mit der gebotenen Sachlichkeit erfolgen; einseitig - zugunsten oder zulasten einzelner Abgeordneter oder Fraktionen - parteiergreifende Stellungnahmen, aus denen sich der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhen, oder die diffamierenden Charakter haben, lassen sich hingegen auch mit der Befugnis zur Informations- und Öffentlichkeitsarbeit nicht rechtfertigen (vgl. zu einem ähnlichen Spannungsfeld im Hinblick auf die Öffentlichkeitsarbeit von Mitgliedern der Bundesregierung einerseits und die Chancengleichheit der Parteien andererseits im Zusammenhang mit der Einschätzung politischer Parteien als verfassungsfeindlich BVerfG vom 16.12.2014 BVerfGE 138, 102 Rn. 47 f.; NVwZ 2022, 1113 Rn. 116). Bei der hier betroffenen konkreten Fragestellung darf auch nicht außer Acht bleiben, dass Äußerungen im Rahmen einer solchen Podiumsdiskussion nicht in einem Maß vorbereitet und „kontrolliert“ werden können wie bei anderen Formaten, etwa in nach gründlicher Prüfung schriftlich herausgegebenen Stellungnahmen. Die Teilnahme an einer Podiumsdiskussion erfordert stets auch spontane Reaktionen, die Redezeiten und die Möglichkeit zur umfassenden Darstellung des jeweiligen Themas sind von vornherein begrenzt und u. a. von der Moderation abhängig.
49
cc) Nach diesen Maßgaben ist die angegriffene Äußerung der Antragsgegnerin auf der Podiumsdiskussion weder in einzelnen Teilen noch in der Gesamtschau verfassungsrechtlich zu beanstanden.
50
(1) Soweit die Antragsgegnerin in Bezug auf die Antragstellerin geäußert hat, „[d]as Muster bei uns im Landtag ist durchgängig Provokation und Abgrenzung gegenüber den ‚Altparteien‘, wie die AfD die anderen Fraktionen nennt“, war dies - wie es auch im veröffentlichten Bericht zum Ausdruck kommt - mit einem konkreten Beispiel untermauert („Einmal musste zum Beispiel unser Vizepräsident Alexander Hold einschreiten, als ein AfD-Mitglied aus Protest gegen die Maskenpflicht mit einer Gasmaske auftauchte.“). Die Antragsgegnerin nahm auf einen Vorfall Bezug, bei dem ein Abgeordneter der Antragstellerin in der Plenarsitzung vom 7. Juli 2020 am Rednerpult und auf dem Hin- und Rückweg eine Gasmaske trug. Diese offensichtlich als Protest gegen die Maßnahmen der Antragsgegnerin im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie gedachte Vorgehensweise hatte - nach vergeblichen Bitten und Aufforderungen, die Maske abzusetzen, sowie nach Androhung - zu einer Rüge für ungebührliches Verhalten und zur Wortentziehung durch den damals sitzungsleitenden Vizepräsidenten des Landtags geführt (Plenarprotokoll 18/51 S. 6288 f.; vgl. zu den auf das Hausrecht gestützten Maßnahmen der Antragsgegnerin „im Zusammenhang mit der Bewältigung der durch die Ausbreitung des ‚Corona-Virus‘ bedingten besonderen Situation“ die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs vom 14.9.2020 - Vf. 70-IVa-20 - juris, durch die ein Antrag der Antragstellerin und eines ihrer Abgeordneten auf einstweiligen Rechtsschutz gegen diese Maßnahmen abgewiesen wurde). Grundlage für die dem Abgeordneten erteilte Rüge und die Wortentziehung war die sich aus Art. 20 Abs. 1 und 3 BV i. V. m. § 11 Abs. 2, §§ 102 ff., 117 BayLTGeschO ergebende Aufgabe der Präsidentin oder des Präsidenten, die Sitzungen der Vollversammlungen des Landtags zu leiten und die Ordnung in der Sitzung sicherzustellen. Die Antragstellerin hat mit der oben wiedergegebenen Äußerung über diesen tatsächlichen Vorgang wahrheitsgemäß berichtet; auch die Form der Darstellung war - auch unter Berücksichtigung des Formats, in das sie eingebettet war - nicht unangemessen, unsachlich oder herabwürdigend. Weder das Ergreifen von Ordnungsmaßnahmen im Rahmen der sachgerechten Aufgabenerfüllung noch die wahrheitsgemäße und sachliche Kommunikation entsprechender Vorfälle aus einer öffentlichen Sitzung kann eine Verletzung der Neutralitätspflicht bewirken (vgl. auch BVerfGE 148, 11 Rn. 65). Die Einordnung des damaligen Verhaltens des Abgeordneten als „Provokation“ ist naheliegend und verletzt ebenfalls nicht das Sachlichkeitsgebot.
51
In der Wortwahl „Muster“ sowie „durchgängig Provokation und Abgrenzung“ kommt zum Ausdruck, dass es sich bei dem genannten Beispiel nicht um einen einmaligen, zu einer Rüge führenden Vorfall gehandelt hat. Die Äußerung der Antragsgegnerin beruht insoweit ebenfalls auf einer sachlichen, tatsachengestützten Grundlage, da von den in dieser Legislaturperiode bislang insgesamt erteilten sieben Rügen sechs gegenüber Mitgliedern der Antragstellerin ausgesprochen wurden (vgl. Plenarprotokolle 18/7 S. 428; 18/11 S. 727; 18/12 S. 815; 18/26 S. 3149; 18/34 S. 4310; 18/40 S. 4995; 18/51 S. 6288). Eine Rüge stellt eine der Ordnungsmaßnahmen des § 117 BayLTGeschO dar, wonach ein Mitglied des Landtags, das persönlich verletzende Ausführungen oder persönlich verletzende Zwischenrufe macht oder eine gröbliche Störung der Ordnung verursacht, von der Präsidentin oder dem Präsidenten zu rügen und im Wiederholungsfall zur Ordnung zu rufen ist. Eine Rüge bezieht sich demnach nicht auf inhaltliche Positionen von Abgeordneten oder Fraktionen in parlamentarischen Debatten und kommt nur bei unzulässigem innerparlamentarischen Verhalten in Betracht; sie dient der Ahndung von Grenzüberschreitungen bei persönlich verletzenden Äußerungen oder gröblichen Ordnungsstörungen. Da es sich insofern nicht um einen „üblichen Vorgang“ handelt und die Rügen in dieser Legislaturperiode weit überwiegend gegenüber verschiedenen Abgeordneten der Antragstellerin ausgesprochen wurden, liegt eine hinreichende sachliche Grundlage für die vorgenommene Bewertung durch die Antragsgegnerin vor; trotz der Verschiedenartigkeit der Vorgänge im Einzelnen besteht ein ausreichendes verbindendes Element („Muster“) für deren Einordnung als im Hinblick auf die Würde und das Ansehen des Parlaments und den respektvollen Umgang miteinander „provokative“ Verhaltensweisen.
52
Soweit die Antragstellerin die Berechtigung einzelner Rügen nachträglich im Rahmen dieses, gegen die Landtagspräsidentin aufgrund einer Äußerung gerichteten Organstreitverfahrens infrage stellen möchte, kommt eine (inzidente) Überprüfung durch den Verfassungsgerichtshof schon aus verfahrensrechtlichen Erwägungen nicht in Betracht. Gemäß § 118 Abs. 2 BayLTGeschO kann ein Mitglied des Landtags gegen eine Rüge oder einen Ordnungsruf binnen einer Woche schriftlich Einspruch einlegen, über den der Ältestenrat endgültig entscheidet, wobei er die Maßnahme aufheben oder mildern kann. Nach der vom Landtag aufgrund seiner Parlamentsautonomie erlassenen Geschäftsordnung steht gegen als unberechtigt wahrgenommene Rügen also zunächst ein landtagsinterner spezieller Verfahrensweg zur Verfügung. Die verbindliche Entscheidung über die Berechtigung von durch die Präsidentin oder sitzungsleitende Vizepräsidenten oder Vizepräsidentinnen ausgesprochene Rügen ist landtagsintern dem Ältestenrat vorbehalten. Da dieser Weg von den Betroffenen offenbar nicht (erfolgreich) beschritten wurde, durfte die Landtagspräsidentin bei ihrer Äußerung ohne Weiteres von zu Recht erteilten Rügen ausgehen. Schon deshalb kann sich die Antragstellerin auch nicht mit Erfolg auf angeblich identisches Verhalten von einzelnen Mitgliedern anderer Fraktionen in der 11. Wahlperiode (1986 bis 1990), das nicht entsprechend geahndet worden sei, berufen. Im Übrigen weist die Antragsgegnerin insoweit zu Recht darauf hin, dass es der von der Antragstellerin vorgenommenen, bloßen Gegenüberstellung von Vorgängen aus verschiedenen Wahlperioden bereits an einer Einordnung in Gesamtdebatte und Historie mangelt und zudem die gewählten Beispiele im Hinblick auf die Voraussetzungen von Ordnungsmaßnahmen keine grundsätzliche Vergleichbarkeit der Verhaltensweisen aufzeigen. Es ist auch nicht Aufgabe des Verfassungsgerichtshofs, im vorliegenden Verfahren die Berechtigung einzelner erteilter Rügen darauf zu prüfen, ob insofern in der laufenden Wahlperiode eine „Gleichbehandlung“ mit Mitgliedern anderer Fraktionen vorliegt. Die in den verwendeten Begriffen anklingende Bewertung lässt nach alledem keine Verletzung von Rechten der Antragstellerin erkennen.
53
Der Verwendung des Begriffs „Altparteien“ liegt die eigene Wortwahl der Antragstellerin zugrunde, mit der sie sich auch gegenüber den anderen Parteien „abgrenzt“ (vgl. z. B. LT-Drs. 18/6740 S. 1; 18/7818 S. 2). Dass es sich hierbei um „dezidierten AfD-Jargon“ handle, hat die Antragsgegnerin mit der Äußerung, anders als die Antragstellerin behauptet, nicht zum Ausdruck gebracht. Es erschließt sich im Übrigen nicht, was an dieser Beschreibung unsachlich oder diffamierend sein sollte.
54
Soweit die Antragsgegnerin nach dem Bericht von einer „Zwickmühle“ gesprochen hat, nimmt sie zwar eine Bewertung vor, wie sich die zuvor dargestellten Verhaltensweisen aus ihrer Sicht auf die Parlamentsarbeit auswirken. Dabei bewegt sie sich jedoch im Rahmen der ihr als Landtagspräsidentin obliegenden Aufgaben, zu denen auch die Gewährleistung eines trotz aller parteipolitischen Gegensätze respektvollen Umgangs im Parlament zählt. Sie hat damit weder eine inhaltliche Beurteilung der politischen Positionen der Antragstellerin vorgenommen noch durch Form und Wortwahl ihrer Äußerung fehlenden Respekt gegenüber einer Landtagsfraktion zum Ausdruck gebracht. Ebenso wenig kann dies aus der Zuordnung der Antragstellerin zum rechten Parteienspektrum geschlossen werden.
55
Schließlich ergibt sich eine Verletzung der verfassungsmäßigen Rechte der Antragstellerin auch nicht aus dem Gesamtzusammenhang und dem Kontext der Äußerung. Insbesondere lässt sich aus dem Neutralitätsgebot nicht ableiten, dass die Antragsgegnerin angesichts der bei einer Podiumsdiskussion von vornherein beschränkten Äußerungsmöglichkeiten gehalten gewesen wäre, die geschilderten Vorfälle in einen weiteren Gesamtzusammenhang zu stellen. Die ausführlichen Darlegungen der Antragstellerin dazu, was das Veranstaltungsmotto „Herausforderungen der Demokratie“ angeblich suggeriere, dass die Antragsgegnerin mit der ausschließlichen Erwähnung der Antragstellerin diese einseitig in die Rolle eines Störenfrieds zwänge und sie beim Wähler verunglimpfe, dass ihre Aussage ferner zu Unrecht suggeriere, sie lege bei als Provokation wahrgenommenen Verhaltensweisen im Parlamentsbetrieb gegenüber allen Fraktionen denselben Maßstab an, dass sie die Gesamtzusammenhänge verschweige, sowie dass der gesamte Vorgang eine eklatante Parteinahme der Antragsgegnerin aufzeige, gehen letztlich nicht über subjektive Bewertungen und Mutmaßungen hinaus, für welche die verfahrensgegenständliche Äußerung auch unter Berücksichtigung von Kontext und Gesamtzusammenhang keinen tatsächlichen Anhalt bietet. Erst recht gilt dies für die weiteren Folgerungen der Antragstellerin, nach denen ihr die Antragsgegnerin in ihrer Darstellung „in letzter Konsequenz Realitätsverlust, Verschwörungsmystik und klinischen Wahnsinn unterstell[e]“.
VI.
56
Für die hilfsweise beantragte Vollzugsanordnung gemäß Art. 29 Abs. 2 VfGHG ist schon wegen der Unbegründetheit des Feststellungsantrags kein Raum.
VII.
57
Das Verfahren ist kostenfrei (Art. 27 Abs. 1 Satz 1 VfGHG).