Titel:
Klage teilweise unzulässig, Kieferorthopädische Behandlung bei einer Volljährigen, Vorlage eines Heil- und Kostenplans
Normenkette:
BayBhV § 15
Schlagworte:
Klage teilweise unzulässig, Kieferorthopädische Behandlung bei einer Volljährigen, Vorlage eines Heil- und Kostenplans
Fundstelle:
BeckRS 2023, 12314
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Gewährung von Beihilfeleistungen für kieferorthopädische Behandlungen seiner Ehefrau.
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Der Kläger ist Beamter im Dienste des Beklagten. Der Bemessungssatz zu krankheitsbedingten Aufwendungen der berücksichtigungsfähigen Ehefrau des Klägers beträgt 70 v.H.
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Mit Beihilfeantrag vom … … … beantragte der Kläger unter anderem die Gewährung von Beihilfe für kieferorthopädische Behandlungen seiner Ehefrau vom … … …, … … …, … … … und vom … … …
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Mit Bescheid vom 31. Juli 2018 lehnte der Beklagte die Gewährung von Beihilfe insoweit ab. Dies begründete er im Wesentlichen damit, dass Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen dann beihilfefähig seien, wenn die behandelte Person bei Behandlungsbeginn das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet habe. Die Altersbegrenzung gelte nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern und ein Heil- und Kostenplan vorgelegt werde (§ 15 BayBhV). Da nach dem kieferorthopädischen Behandlungsplan nicht ersichtlich sei, dass schwere Kieferanomalien vorlägen, die eine kombinierte Behandlung erfordern würden, könnten die Aufwendungen leider nicht als beihilfefähig anerkannt werden. Die Frage im Beihilfeantrag nach den Einkünften des Ehegatten im zweiten Kalenderjahr vor Antragstellung des Beihilfeantrags sei nicht beantwortet worden. Die Aufwendungen könnten mit einem künftigen Beihilfeantrag nochmals geltend gemacht werden.
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Mit Schreiben vom … … … erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 31. Juli 2018 und übersandte einen auf den … … … (Seite 1) bzw. auf den … … … (Seite 3) datierten Kieferorthopädischen Behandlungsplan.
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Mit Schreiben vom 5. Oktober 2018 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen nach Vollendung des 18. Lebensjahrs nur beihilfefähig seien, wenn vor Behandlungsbeginn ein Heil- und Kostenplan vorgelegt werde und eine schwere Kieferanomalie vorliege, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordere, sowie in besonderen Ausnahmefällen, wenn nach einem zahnärztlichen Gutachten (§ 48 Abs. 8 BayBhV) eine alleinige kieferorthopädische Behandlung medizinisch ausreichend sei. Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen seien nur beihilfefähig, wenn vor Behandlungsbeginn zum Nachweis der medizinischen Notwendigkeit der Behandlung ein Heil- und Kostenplan vorgelegt werde und die geplanten diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen auf Dauer zur Heilung und/oder Linderung geeignet seien (VV Nr. 1 zu § 15 BayBhV).
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Am … … … nahm der vom Beklagten beauftragte Gutachter Zahnarzt Dr. H. aufgrund von acht vorgelegten Fotos und zwei vorgelegten Modellen zu dem Antrag Stellung. Er gab im Wesentlichen an, dass im Zusammenhang mit dem traumatischen Einbiss eine schwere Kieferanomalie vorliege. Allerdings könne hier eine andere Behandlungsmöglichkeit gewählt werden. Dies könne über Teilkronen oder Ähnliches erreicht werden. Eine Ausnahmesituation nach § 15 Satz GOZ (sic!) liege hiermit nicht vor. Die Behandlung sei offensichtlich bereits begonnen worden. Die hier vorgelegten Modelle vom … … … seien damit nicht mehr aktuell und zur Beurteilung nicht geeignet.
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Mit Bescheid vom 12. Februar 2019 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass die Aufwendungen für die kieferorthopädische Behandlung bei der Ehefrau des Klägers nicht als beihilfefähig anerkannt werden könnten. Dies begründete sie im Wesentlichen mit dem Ergebnis der Begutachtung des Beratungszahnarztes vom … … …, woraus sich ergebe, dass keine Ausnahmesituation gemäß § 15 Satz 2 BayBhV vorliege.
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Am 27. Februar 2019 erhob der Kläger gegen den Bescheid vom 12. Februar 2019 Widerspruch. Er begründete den Widerspruch damit, dass die Beklagte seine Anfrage und den Kostenvoranschlag mit Behandlungsplan im Jahre 2016 mit der Begründung bei „über 18jährigen“ gebe es keine Spange abschlägig beschieden habe. Daher sei die Behandlung aufgrund medizinischer Notwendigkeit sofort begonnen worden.
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Mit Schreiben vom 15. Juli 2019 teilte der behandelnde Kieferorthopäde dem Beklagten mit, dass bei der Ehefrau des Klägers ein „tiefer Biss mit traumatischem Tiefbiss“ diagnostiziert worden sei. Zur Vermeidung einer teuren und komplizierten Kieferoperation hätten sie sich für eine Behandlung mit herausnehmbaren kieferorthopädischen Geräten entschieden. Dadurch sei der tiefe Biss bereits maßgeblich gelindert und die Prognose sehr positiv. Die kieferorthopädische Behandlung sei für die Heilung und Linderung der Beschwerden der Patientin unumgänglich und verhindere die Notwendigkeit einer Operation.
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Mit Widerspruchsbescheid vom 2. August 2019 wies der Beklagte den Widerspruch vom … … … gegen den Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 31. Juli 2018 (Ziff. 1) und den Widerspruch gegen den Bescheid vom 12. Februar 2019 (Ziff. 2) zurück. Dies begründete die Beklagte im Wesentlichen damit, dass die kieferorthopädischen Aufwendungen zum Heil- und Kostenplan vom … … … (6.466, 13 €) bzw. der Rechnungen vom … … … bzw. … … … der Ehefrau i.H.v. 629, 88 € bzw. 489, 97 € nicht beihilfefähig seien und verwies auf die beratungszahnärztliche Stellungnahme vom … … … Die Voraussetzungen nach § 15 Satz 2 BayBhV lägen damit nicht vor. Die Ablehnung der Beihilfe bzw. der Beihilfefähigkeit mit Bescheid vom 31. Juli 2018 und 12. Februar 2019 sei nach den BayBhV „richtig“ erfolgt.
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Dagegen erhob der Kläger am 29. August 2019 durch seinen Bevollmächtigten Klage und stellte am 30. September 2019 folgenden Antrag:
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Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 31. Juli 2018 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. August 2019 verurteilt, die kieferorthopädischen Aufwendungen zum Heil- und Kostenplan vom … … … in Höhe von insgesamt 6.466, 13 € sowie einerseits die ärztlichen Leistungen von Herrn … … … … … vom … … … und … … … aus der Arztrechnung vom … … … und damit Aufwendungen in Höhe von insgesamt 629, 88 € als beihilfefähig anzuerkennen und dem Kläger auf der Basis eines Bemessungssatzes von 70 von Hundert Beihilfeleistungen in Höhe von (70/100 von 629,88 € =) 440,92 € zu gewähren und andererseits die ärztlichen Leistungen von Herrn … … … … … vom … … … und vom … … … aus der Arztrechnung vom … … … und damit Aufwendungen in Höhe von insgesamt 489, 97 € als beihilfefähig anzuerkennen und dem Kläger auf Basis eines Bemessungssatzes von 70 von Hundert Beihilfeleistungen in Höhe von (70/100 von 489,97 €=) 342, 98 € zu gewähren.
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Dies begründete der Bevollmächtigte im Wesentlichen damit, dass die vom behandelnden Zahnarzt geltend gemachten Ansprüche nach materiellem Gebührenrecht begründet seien. Der tiefe Biss mit traumatischem Einbiss bei der Ehefrau des Klägers stelle eine schwere Kieferanomalie dar. Aus dem kieferorthopädischen Behandlungsplan vom … … … ergebe sich, dass eine vollumfängliche Behandlung (zur Beseitigung auch der Distalokklusion) eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordere.
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Mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2019 beantragte der Beklagte:
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Die Klage ist abzuweisen.
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Mit Schriftsatz vom 24. September 2021 übersandte der Bevollmächtigte des Klägers eine Stellungnahme des behandelnden Kieferorthopäden Dr. R. vom … … … und teilte im Wesentlichen mit, dass die Ursache für die Beschwerden der Ehefrau der Tiefbiss mit traumatischem Einbiss in die Gingiva sowie die daraus entstandenen palatinalen Rezessionen an den oberen Frontzähnen gewesen sei. Der traumatische Tiefbiss habe aufgelöst werden können und damit die Progredienz der parodontalen Destruktion gestoppt werden. Entgegen der vorläufigen gerichtlichen Einschätzung lägen daher zumindest die Voraussetzungen des § 15 S. 2 Nr. 2 BayBhV vor. Das Belassen der Distalokklusion ändere hieran nichts, da dies nicht das primäre gesundheitliche Problem der Ehefrau des Klägers darstelle und daher die schwere Kieferanomalie bereits durch die kieferorthopädische Behandlung umfassend habe behoben werden können. Aus wirtschaftlichen Gesichtspunkten sei erwähnt, dass der eingeschlagene konservative B.weg deutlich günstiger gewesen sei als eine Behandlung inklusive Umstellungsosteotomie. Im Fall der zukünftigen Erforderlichkeit eines operativen Vorgehens sei ein großer Teil des Behandlungsweges bereits erledigt und der der notwendige Rest deutlich kleiner. Die Klägerin habe sich damals und gegenwärtig gegen eine ergänzende mehrstündige kieferchirurgische Operation entschieden, wenngleich ein solcher Eingriff grundsätzlich medizinisch indiziert gewesen sei. Durch die kieferorthopädische Behandlung sei der Grund für einen kieferchirurgischen Eingriff ganz überwiegend weggefallen. Zudem verwies der Kläger auf die Ausführungen des VG Minden im Urteil vom 28. Mai 2009 (Az.: 4 K 833/07), wonach § 15 Abs. 2 BayBhV (sic) gegen „höherrangiges Recht“ verstoße.
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Mit Stellungnahme vom … … … gab der vom Beklagten beauftragte Gutachter Zahnarzt Dr. H. an, dass sich aus der überlassenen Fotografie kein traumatischer Einbiss in den Oberkiefer ergebe.
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Am … … … nahm der vom Beklagten beauftragte Gutachter Zahnarzt Dr. H. aufgrund von neu vorgelegten Unterlagen (2 OPGs, 2 FRS und 2 Modelle) erneut Stellung. Demnach sei den Modellen von 2017 ein traumatischer Einbiss in die palatinale Schleimhaut nicht zu entnehmen. Den Modellen von 2020 nach durchgeführter Bisshebung „natürlich“ auch nicht. Nach den vorliegenden Unterlagen sei ein traumatischer Einbiss in die Gingiva am … … … eben nicht vorhanden gewesen. Hier könne ein einziger Zahn, nämlich die 32, allenfalls die Schleimhaut des Gaumens nur touchieren. Die Angaben des Kieferorthopäden seien zurückzuweisen. Ein palatinaler traumatischer Eingriff sei eben nicht dokumentiert. Eine schwere Kieferanomalie habe im vorliegenden Fall eben nicht vorgelegen. Eine kieferchirurgische Therapie sei weder geplant noch durchgeführt worden, sei auch nicht notwendig gewesen. Die Behauptung, dass ein traumatischer Eingriff vorgelegen habe, lasse sich anhand der Modelle nicht nachvollziehen. Selbst bei Vorliegen eines traumatischen Einbisses in die Gingiva hätte eine Bisserhöhung okklusal erfolgen können. Es sei mit den vorgelegten Intraoralaufnahmen ein erheblicher Behandlungsbedarf im Seitenzahnbereich dokumentiert.
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Mit Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 7. Juni 2022 übertrug die Kammer den Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter.
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Am 11. Mai 2023 fand die mündliche Verhandlung in der Sache vor dem Verwaltungsgericht München statt.
22
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands nimmt das Gericht Bezug auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung.
Entscheidungsgründe
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Die teilweise zulässige Klage ist unbegründet.
24
I. Die Klage ist insoweit mangels Rechtsschutzbedürfnis als unzulässig abzuweisen, als der Kläger die Anerkennung der Beihilfefähigkeit der Aufwendungen gemäß des vorgelegten Heil- und Kostenplans in Höhe von 6.466, 13 € dem Grunde nach begehrt.
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Ausweislich der klägerischen Angaben in der mündlichen Verhandlung sind die geplanten Behandlungen mittlerweile abgeschlossen. Nach Abschluss der geplanten Behandlungen besteht jedoch kein Rechtsschutzbedürfnis mehr für eine gerichtliche Entscheidung über die Voranerkennung der entsprechenden Maßnahmen. Zwar ist anerkannt, dass – obwohl eine Voranerkennung nach den Vorschriften Bayerischen Beihilfeverordnung nicht erforderlich ist – ein rechtliches Interesse des Beihilfeberechtigten daran bestehen kann, bereits vor Beginn der Behandlung die Verpflichtung des Beklagten auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit der nach dem Behandlungsplan vorgesehenen voraussichtlichen Kosten geltend zu machen (vgl. hierzu BayVGH, U.v. 6.6.2016 – 14 BV 15.527 – juris Rn. 14). Hintergrund ist, dass der Beihilfeberechtigte vor Entstehung der Aufwendungen die Möglichkeit erhält, sich darauf einzustellen, ob die beabsichtigten Aufwendungen beihilfefähig sind. Der Beihilfeberechtigte kann in diesem Fall nicht darauf verwiesen werden, die Behandlungsmaßnahme durchführen zu lassen und die streitige Frage der Beihilfefähigkeit bei der Abrechnung der Behandlungskosten klären zu lassen. Wurden die Behandlungsmaßnahmen jedoch bereits durchgeführt und die Aufwendungen vom behandelnden Arzt in Rechnung gestellt, muss der Beihilfeberechtigte nach dem vorgesehenen formalisierten Antrags- und Bewillligungsverfahren (vgl. § 48 Abs. 1 BayBhV) bei der Beihilfestelle Anträge für die Aufwendungen stellen und gegen ablehnende Bescheide im Wege der Anfechtungs- und Verpflichtungsklage vorgehen. Für bereits durchgeführte Maßnahmen besteht kein rechtliches Interesse an einer Voranerkennung mehr (vgl. auch OVG Hamburg, B. v. 15.4.2016 – 5 Bf 82/15 – juris Rn. 38).
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II. Die Klage ist im Übrigen unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe im beantragten Umfang (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Bescheid vom 31. Juli 2018 sowie der Widerspruchsbescheid vom 2. August 2019 sind – soweit sie angegriffen wurden – rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
28
Der Kläger ist als Beamter im Dienste der Beklagten mit dem für seine berücksichtigungsfähige Ehefrau geltenden Bemessungssatz von 70% beihilfeberechtigt.
29
Rechtsgrundlage für die Gewährung von Beihilfe ist Art. 96 BayBG in Verbindung mit den Vorschriften der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV). Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 2.4.2014 – 5 C 40/12 – juris Rn. 9). Der Kläger begehrt Beihilfeleistungen aus Rechnungen aus dem Jahr 2018 (** … … und … … …*) für Leistungen vom … … …, … … …, … … … und vom … … …, sodass sich die Beihilfefähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen nach § 15 BayBhV in der vom 1. April 2011 bis zum 31. Dezember 2018 geltenden Fassung bestimmt.
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Der Kläger hat nach § 15 BayBhV keinen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe in Höhe von 629, 88 € bzw. 342, 98 € für die geltend gemachten kieferorthopädischen Leistungen.
31
Aufwendungen für kieferorthopädische Leistungen sind nur beihilfefähig, wenn vor Behandlungsbeginn eine Heil- und Kostenplan vorgelegt wird (Nr. 1) und die behandelte Person das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat (Nr. 2), § 15 Satz 1 BayBhV. Die Altersbegrenzung nach Satz 1 Nr. 2 gilt nach § 15 Satz 2 BayBhV nicht bei schweren Kieferanomalien, die eine kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlung erfordern (Nr. 1), sowie in besonderen Ausnahmefällen, wenn nach einem zahnärztlichen Gutachten (§ 48 Abs. 8) eine alleinige kieferorthopädische Behandlung medizinisch ausreichend ist (Nr. 2). Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt.
32
Der Kläger hat keinen Heil- und Kostenplan vor Behandlungsbeginn vorgelegt. Zudem ist bei der volljährigen Ehefrau des Klägers ausweislich des zahnärztlichen Gutachtens auch keine schwere Kieferanomalie im Sinne des § 15 Satz 2 BayBhV feststellbar.
33
Der Kläger legte den Heil- und Kostenplan entgegen der Vorschrift des § 15 Satz 1 Nr. 1 BayBhV erst nach Beginn der streitgegenständlichen Behandlungen vor. Ausweislich der – in der mündlichen Verhandlung durch die Klagepartei nicht bestrittenen – Angaben der Beklagten ging der die streitgegenständlichen Behandlungen beinhaltende Heil- und Kostenplan bei der Beklagten am 16. August 2018 ein. Die streitgegenständlichen Behandlungen fanden jedoch bereits am … … …, … … …, … … … und am … … … statt.
34
Selbst, wenn man davon ausgeht, dass dem Kläger, entsprechend seines Vortrags in der mündlichen Verhandlung von einem Bediensteten der Beklagten „im Dezember 2017“ mitgeteilt worden ist, dass eine Zahnschiene bei Volljährigen nicht beihilfefähig sei, ergibt sich daraus keine abweichende rechtliche Beurteilung. Der Anspruch auf Anerkennung der Beihilfefähigkeit besteht nur bei Vorliegen der gesetzlichen Tatbestandsvoraussetzungen. Der fehlende behördliche Hinweis auf die Ausnahmevorschriften des § 15 Satz 2 BayBhV führt nicht dazu, dass der Kläger nicht mehr auf die gemäß § 15 Satz 1 Nr. 1 BayBhV zusätzlich bestehende Pflicht zur Vorlage eines Heil- und Kostenplans vor Behandlungsbeginn verwiesen werden kann. Die Ausnahmevorschrift des § 15 Satz 2 BayBhV ist grundsätzlich streng zu handhaben (BayVGH, U.v. 24.6.2015 – 14 ZB 15.568 – juris Rn. 8). Die Verwaltungsgerichte dürfen sich nicht an die Stelle des Normgebers setzen und sich über die eindeutige Beschränkung hinwegsetzen, um den Beihilfevorschriften gleichwohl Leistungsansprüche des Beihilfeberechtigten entnehmen zu können (BVerwG, U. v. 28.4.2011 – 2 C 51.08 – ZBR 2011, 379 Rn. 15). Der klägerische Vortrag geht auch insoweit fehl, als der Kläger trotz des behördlichen Hinweises jedenfalls nicht an der Beantragung von Beihilfeleistungen für die streitgegenständlichen kieferorthopädischen Leistungen gehindert war. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung eines geltend gemachten „Wiederherstellungsanspruchs“.
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Unabhängig davon fehlt es auch am Vorliegen einer schweren Kieferanomalie im Sinne des § 15 Satz 2 BayBhV. Davon ist das Gericht aufgrund der vorgelegten zahnärztlichen Stellungnahme vom … … … überzeugt, § 108 Abs. 1 VwGO. Der Gutachter stellt darin ausdrücklich fest, dass anhand der vorgelegten Unterlagen bei der Klägerin keine schwere Kieferanomalie festzustellen gewesen sei. Demnach war vor Behandlungsbeginn am … … … ein traumatischer Einbiss in die Gingiva nicht vorhanden.
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Eine weitere Beweishebung war auch unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht geboten. Grobe Mängel des Gutachtens, die es zur Sachverhaltsaufklärung und richterlichen Überzeugungsbildung ungeeignet erscheinen lassen würden sind weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich (vgl. Schübel-Pfister in Eyermann VwGO, 15. Auflage 2019, § 86 Rn. 79 ff.). Der Kläger dringt mit dem Einwand nicht durch, es handele sich dabei lediglich um eine zahnärztliche und nicht um eine kieferorthopädische Stellungnahme. Denn insoweit geht er nicht substantiiert auf die tatsächlich bestehende Sachkunde des konkreten Gutachters ein. Unabhängig davon verlangt selbst die zugrundeliegende Vorschrift des § 15 Satz 2 Nr. 2 BayBhV lediglich ein zahnärztliches Gutachten.
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Auch der geltend gemachte „Erfolg“ der gewählten Behandlung im Sinne einer Linderung oder Besserung der Symptome bei der Ehefrau des Klägers führt nicht zu einer anderen Bewertung hinsichtlich des Vorliegens einer schweren Kieferanomalie. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang auch, ob die alternative Behandlungsmöglichkeit (hier die kieferchirurgische Operation) im Einzelfall teurer ist als ein vom Beihilfeberechtigten favorisiertes aber nicht beihilfefähiges Heilverfahren; andernfalls würden über diesen Umweg im Einzelfall nicht beihilfefähige Leistungen zu beihilfefähigen Leistungen. Im Hinblick auf den pauschalierenden und typisierenden Ansatz der Beihilfe kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Einzelfall gewisse Härten entstehen; diese sind vom Betroffenen hinzunehmen, soweit sie keine unzumutbaren Belastungen darstellen (BayVGH, U.v. 24.6.2015 – 14 ZB 15.568 – juris Rn. 9 m.w.N.).
38
Die Vorschrift des § 15 BayBhV verstößt auch selbst nicht gegen höherrangiges Recht. Die Einschränkung der Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Behandlungen nach Abschluss des 18. Lebensjahres ist insbesondere mit der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht vereinbar. Die Fürsorgepflicht verpflichtet den Dienstherrn, dafür Sorge zu tragen, dass der Beamte im Krankheitsfall nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleibt, die er – in zumutbarer Weise – aus seiner Alimentation nicht bestreiten kann. Art. 33 Abs. 5 GG überlässt ihm dabei die Entscheidung, ob er seiner Fürsorgepflicht durch eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise genügt. Der Dienstherr ist von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht gehindert, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Denn die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht fordert keine lückenlose Erstattung aller Kosten in Krankheits-, Geburts-, Pflege- oder Todesfällen, die durch die Leistungen einer beihilfenkonformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind. Der Dienstherr muss zwar eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleisten. Das bedeutet jedoch nicht, dass er die Aufwendungen einer medizinisch notwendigen Leistung in jedem Fall erstatten muss. Er kann grundsätzlich bestimmte Leistungen ganz oder teilweise von der Beihilfe ausschließen, solange er dadurch den Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschreitet. Nach dem gegenwärtigen System sind Leistungen nur dann nicht auszuschließen, wenn der absehbare Erfolg einer Maßnahme von existenzieller Bedeutung oder notwendig ist, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können (VG Köln, U. v. 10.11.2016 – 1 K 5515/15 – juris Rn. 17 ff.).
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Gemessen daran ist der durch § 15 BayBhV erfolgte Ausschluss der Beihilfefähigkeit kieferorthopädischer Leistungen nicht zu beanstanden. Mit der insoweit vorgesehenen Altersgrenze hat der Bund – in Anlehnung an § 28 Abs. 2 Sätze 6 und 7 SGB V – in typisierender und generalisierender Weise eine angemessene Einschränkung der besonders kostenintensiven Aufwendungen für kieferorthopädische Behandlungen festgelegt. Mit der Beschränkung auf Personen bis zum 18. Lebensjahr trägt die Regelung der Tatsache Rechnung, dass eine rein kieferorthopädische Behandlung in der Regel deutlich mehr Aussicht auf Erfolg bietet, wenn mit ihr zu einem möglichst frühen Lebenszeitpunkt – jedenfalls vor Abschluss des Körperwachstums – begonnen wird, weil zu diesem Zeitpunkt der Kiefer noch besser formbar ist. Einen weiteren Grund für den grundsätzlichen Ausschluss der Übernahme der Kosten einer kieferorthopädischen Behandlung Erwachsener bildet die Erwägung, dass eine solche Behandlung bei Erwachsenen häufig nur aus ästhetischen Gründen oder wegen mangelnder zahnmedizinischer Vorsorge in früheren Jahren erfolgte (vgl. dazu VG Köln, U. v. 10.11.2016 – 1 K 5515/15 – juris Rn. 23).
40
Die Klage war daher abzuweisen.
41
III. Der Kläger trägt als unterliegender Teil die Kosten des Verfahrens, § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 704 ff., 708 Nr. 11 ZPO.