Titel:
Materielle Einwendungen gegen die Wirksamkeit einer Beitragsanpassung in der privaten Krankenversicherung
Normenkette:
ZPO § 286
Leitsätze:
1. Für eine gerichtliche Überprüfung der Verwendung von Mitteln zur Begrenzung von Prämienerhöhungen (Limitierungsmittel) durch den jeweiligen privaten Krankenversicherer im Rahmen seiner Prämienkalkulation ist nur dann Raum, wenn nicht nur die Fehlerhaftigkeit des Treuhänder-Zustimmungsverfahrens, sondern bereits die zeitlich vorgelagerte unternehmerische Entscheidung hinsichtlich der Limitierungsmittelverwendung und damit die Höhe der Prämie im Ergebnis beanstandet wird (Fortführung von Senat, BeckRS 2023, 3605 = r+s 2023, 320). (Rn. 53)
2. Die im Einzelfall zunächst zu klärende Frage ist deshalb, ob der klagende Versicherungsnehmer diese materielle Rechtmäßigkeit der Prämienanpassung derart prozessual wirksam angegriffen hat, dass dadurch eine Beweisführungslast des Versicherers ausgelöst und nachfolgend dann eine Beweisaufnahme durch Erhebung des Sachverständigenbeweises veranlasst wird (hier verneint). (Rn. 54)
Schlagworte:
Krankenversicherung, Prämienanpassung, Prämienerhöhung, Prämienkalkulation, Limitierungsmittel, Treuhänder, Beweislast
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 28.10.2022 – 11 O 3715/22
Rechtsmittelinstanz:
OLG Nürnberg, Beschluss vom 27.06.2023 – 8 U 3284/22
Fundstellen:
VersR 2023, 1498
BeckRS 2023, 12283
LSK 2023, 12283
r+s 2023, 609
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 26.10.2022, Az. 11 O 3715/22, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Tatbestand
1
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit mehrerer Beitragsanpassungen im Rahmen einer privaten Krankenversicherung.
2
In erster Instanz waren zuletzt die in den Jahren 2013, 2015, 2016, 2017, 2018 und 2019 in diversen Tarifen erfolgten Beitragsanpassungen Gegenstand des Rechtsstreits, aus deren behaupteter Unwirksamkeit der Kläger die Erstattung von 2.172,79 € verlangt hat.
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Das Landgericht hat die Klage ohne Beweisaufnahme abgewiesen. Es hat dabei – neben einer angenommenen Verjährung von Ansprüchen aus Beitragsleistungen, die bis 31.12.2018 erfolgten (LGU 22) – im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die angegriffenen Beitragsanpassungen formell und materiell wirksam gewesen seien.
4
Hiergegen wendet sich die Berufung des Klägers, mit der er seine erstinstanzlichen Klageanträge weiterverfolgt und nunmehr die Erstattung von 2.475,97 € (erweitert durch nach Klageerhebung erfolgte Überzahlungen) verlangt und darüber hinaus mehrere Feststellungsbegehren (betreffend die Unwirksamkeit von Prämienanpassungen und die Verpflichtung zur Nutzungsherausgabe) zur Entscheidung stellt.
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Der Senat ist gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO grundsätzlich an die in erster Instanz festgestellten Tatsachen gebunden. Durchgreifende und entscheidungserhebliche Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit dieser Feststellungen ergeben sich nicht. Die maßgeblichen Tatsachen rechtfertigen keine von der des Landgerichts abweichende Entscheidung und dessen Entscheidung beruht auch nicht auf einer Rechtsverletzung (§ 513 Abs. 1 ZPO).
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Zu Recht und mit überzeugender Begründung hat das Landgericht die Feststellungs- und Leistungsklage insgesamt abgewiesen. Mit den hiergegen erhobenen Einwendungen kann die Berufung nicht durchdringen.
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Es wird zunächst Bezug genommen auf die Gründe des angefochtenen Urteils, die den Senat überzeugen.
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Ergänzend ist zur kurzen Begründung der Bestätigung der angefochtenen Entscheidung (vgl. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) im Hinblick auf die Berufungsbegründung vom 26.01.2023 noch auszuführen:
9
1. Die inhaltlichen Anforderungen an die gemäß § 203 Abs. 5 VVG erforderliche Begründung der Beitragserhöhung sind inzwischen weitgehend höchstrichterlich geklärt (vgl. insbesondere BGH, Urteile vom 16.12.2020 – IV ZR 294/19, NJW 2021, 378 und vom 21.07.2021 – IV ZR 191/20, NJW-RR 2021, 1260). Danach ist die Angabe der Rechnungsgrundlage erforderlich, deren nicht nur vorübergehende Veränderung die Neufestsetzung nach § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG veranlasst hat. Anzugeben ist auch, dass die Veränderung den maßgeblichen Schwellenwert überschritten hat. Dagegen muss der Versicherer nicht mitteilen, in welcher Höhe und Richtung sich diese Rechnungsgrundlage verändert hat. Er hat auch nicht die Veränderung weiterer Faktoren, welche die Prämienhöhe beeinflusst haben, wie z.B. des Rechnungszinses, anzugeben. Insgesamt dient das Begründungserfordernis nicht der Plausibilitätskontrolle durch den Versicherungsnehmer. Im Übrigen genügt es, wenn sich die erforderliche Begründung aus einer Zusammenschau aller dem Versicherungsnehmer übersandten Unterlagen ergibt (vgl. BGH, Urteil vom 09.02.2022 – IV ZR 337/20, NJW-RR 2022, 606 Rn. 31; OLG Dresden, BeckRS 2022, 4631).
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2. a) Der Senat ist – insbesondere auch im Hinblick auf die Entscheidung des BGH vom 09.02.2022 (IV ZR 337/20, Rn. 27-31 juris) – in Übereinstimmung mit dem Erstgericht der Auffassung, dass im Streitfall den gesetzlichen Erfordernissen – in ihrer differenzierenden Auslegung durch aktuelle höchstrichterliche Rechtsprechung – Genüge getan ist (vgl. OLG Hamm, BeckRS 2022, 15948) und die im vorliegenden Berufungsverfahren noch zur Überprüfung gestellten Beitragsanpassungen entweder nicht mehr entscheidungserheblich (Beitragsanpassungen 2013, 2015, 2016) oder aber rechtswirksam sind.
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b) Soweit bereits veröffentlichte anderweitige Gerichtsentscheidungen ebenfalls Beitragsanpassungen des Beklagten in verschiedenen Zeiträumen betreffen sollten, können diese nicht schematisch auf den konkreten Streitfall übertragen werden und binden das erkennende Berufungsgericht im Übrigen nicht. Zum einen haben manche Krankenversicherer senatsbekannt für ein und denselben Anpassungszeitpunkt je nach Tarif unterschiedlich formulierte Begründungsschreiben verwendet, so dass jeweils der exakte Wortlaut in den Blick zu nehmen ist. Darüber hinaus folgt aus dem Umstand, dass der Bundesgerichtshof die Würdigung der Vorinstanz aus Rechtsgründen unbeanstandet gelassen hat, nicht, dass eine davon abweichende Würdigung mit einer Rechtsverletzung i.S.v. § 546 ZPO verbunden wäre. Ob die Mitteilung einer Prämienanpassung den gesetzlichen Anforderungen des § 203 Abs. 5 VVG genügt, hat vielmehr der Tatrichter – unter Beachtung der höchstrichterlich herausgearbeiteten Obersätze – im jeweiligen Einzelfall zu prüfen.
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3. Gemessen daran sind die im Berufungsverfahren entscheidungserheblichen und noch streitgegenständlichen Beitragsanpassungen zum 01.01.2017, zum 01.01.2018 und zum 01.01.2019 in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Dies hat das Landgericht zutreffend entschieden.
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a) Beitragsanpassung zum 01.01.2019
14
Die Erhöhung zum 01.01.2019 (vgl. Anl. B 3-6, Versichereranschreiben vom 10.11.2018) betrifft den Tarif „194“ und ist wirksam, weil sie den gesetzlichen Erfordernissen nach § 203 Abs. 5 VVG entsprach.
15
Die vom Versicherer hierzu übersandten Mitteilungen an den Kläger (Versicherungsnehmer) werden im Ersturteil zutreffend wiedergegeben (LGU 6-8), zur Vermeidung bloß wiederholender Schreibarbeit wird darauf Bezug genommen.
16
Das Schreiben der Beklagten erwähnt unter der fett gedruckten Zwischenüberschrift „Beitragsanpassungen“ gestiegene Kosten im Gesundheitswesen. Die Beklagte sei daher gesetzlich verpflichtet, jährlich die Beiträge zu prüfen und bei Bedarf anzupassen. Die Überprüfung habe ergeben, dass eine Anpassung zum 01.01.2019 erforderlich sei. Welche konkreten Tarife des Klägers hiervon betroffen sind, wird in den ersten Zeilen auf Seite 2 des Anschreibens herausgestellt.
17
Wegen weiterer Informationen wurde der Kläger auf die beigefügten Anlagen verwiesen. Damit das 3-seitige Beiblatt „Vertragsänderungen zum 01.01.2019 – Weitere Informationen“ gemeint. Den dortigen Angaben konnte ein um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat. Es wird auch deutlich, dass die Beitragsanpassung nicht dem individuellen Verhalten des Versicherungsnehmers oder einer willkürlichen unternehmerischen Entscheidung des Beklagten entspringt, sondern einer Verpflichtung aufgrund gesetzlicher Regelungen.
18
Ferner wird ausgeführt, dass die Beitragsänderung eine „Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen kalkulierten und tatsächlich erbrachten Leistungen“ sicherstelle. Unter einer gesonderten Zwischenüberschrift werden die Rechtsgrundlagen der Beitragsanpassung umfassend aufgeführt und insbesondere § 8b AVB erwähnt. Zwar wird hier nicht ausdrücklich ein bezifferter „Schwellenwert“ genannt. Es geht aber in der erforderlichen Klarheit aus den Beiblättern hervor, dass allein eine aufgrund gesetzlicher Regelungen relevante Veränderung der erforderlichen Versicherungsleistungen die Verpflichtung zur Beitragsanpassung bedingt hat. Dieser Befund wird untermauert durch den ausdrücklichen Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften, in denen der Schwellenwert konkret geregelt ist. Namentlich aus dem Verweis auf § 8b AVB wird für einen Versicherungsnehmer hinreichend deutlich, dass es einen vorab festgelegten Schwellenwert für die Veränderung der Leistungsausgaben gibt und eine Erhöhung nur möglich ist, wenn die Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwert überschritten hat (vgl. OLG Hamburg, VersR 2022, 565, 567).
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All dies kommt in den Sätzen (vgl. Seite 3 des Schreibens zu „Wonach richtet sich die Höhe der Beiträge?“):
20
Ergibt der jährliche Vergleich der erforderlichen mit den kalkulierten Versicherungsleistungen eine Abweichung, die über den in dem jeweiligen Tarif vereinbarten Prozentsatz (§ 8b der jeweiligen AVB) hinausgeht und ist diese nicht als vorübergehend anzusehen, ist eine Anpassung der Beiträge unvermeidbar. In diesem Zusammenhang sind sämtliche Rechnungsgrundlagen zu überprüfen und ggf. anzupassen.
mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck, wie auch das Landgericht zutreffend erkannt hat (LGU 16).
21
Entgegen der Ansicht der Berufung ist für die Wirksamkeit der Beitragserhöhung nicht entscheidend, ob die über den Schwellenwert hinausreichende Veränderung in Gestalt einer Steigerung oder einer Verringerung eingetreten ist. Denn die Überprüfung der Prämie in den betroffenen Tarifen wird unabhängig von diesem Umstand ausgelöst, sobald der Schwellenwert überschritten wird (vgl. BGH, Urteil vom 20.10.2021 – IV ZR 148/20, NJW-RR 2022, 34 Rn. 30). Demzufolge kann die durch einen negativ abweichenden Faktor ausgelöste Überprüfung und Neukalkulation durchaus zu einer Erhöhung der Prämie in dem konkret betroffenen Tarif führen, bspw. wegen eines gestiegenen Rechnungszinses oder der Veränderung einer anderen in § 2 KVAV genannten Rechnungsgrundlage (vgl. OLG Dresden, BeckRS 2022, 4637 Rn. 29; OLG Rostock, VersR 2022, 1418, 1421 m.w.N.).
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b) Beitragsanpassung zum 01.01.2018
23
Die Erhöhung zum 01.01.2018 (vgl. Anl. B 3-5, Versichereranschreiben vom 11.11.2017) betrifft den Tarif „200“ und ist wirksam, weil sie den gesetzlichen Erfordernissen nach § 203 Abs. 5 VVG entsprach.
24
Die vom Versicherer hierzu übersandten Mitteilungen an den Kläger (Versicherungsnehmer) werden im Ersturteil zutreffend wiedergegeben (LGU 4-6), zur Vermeidung bloß wiederholender Schreibarbeit wird darauf Bezug genommen.
25
Inhaltlich und der äußeren Form nach entsprechen diese Informationen des Versicherungsnehmers denjenigen, die im Folgejahr verwendet wurden und bieten deshalb keinen Anlass, von der vorstehend zu lit. a) getroffenen rechtlichen Bewertung abzuweichen (so auch LGU 16).
26
Die genannte Beitragsanpassung bildete fortan in dem betroffenen Tarif eine Rechtsgrundlage für den neu kalkulierten Prämienanspruch des Beklagten in seiner Gesamthöhe. Ob eine frühere Prämienerhöhung fehlerhaft war, ist für die Wirksamkeit der Neufestsetzung und der daraus folgenden erhöhten Beitragspflicht des Versicherungsnehmers ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 314/19, r+s 2021, 95 Rn. 54). Folglich kommt es auf die zeitlich vorhergehenden im Tarif „200“ zum 01.01.2013, zum 01.01.2015 und zum 01.01.2017 erfolgten weiteren Beitragserhöhungen nicht mehr entscheidungserheblich an. Unverjährte Erstattungsansprüche können hieraus nicht hergeleitet werden und es besteht auch kein rechtliches Interesse des Klägers an der isolierten Feststellung der Unwirksamkeit. Die zu klärenden Rechtsbeziehungen der Parteien werden bereits durch die Entscheidung in der Hauptsache erschöpfend geregelt, so dass auch kein Raum für eine Anwendung des § 256 Abs. 2 ZPO bleibt (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2022, 324 Rn. 23 ff.).
27
c) Beitragsanpassung zum 01.01.2017
28
Die Erhöhung zum 01.01.2017 (vgl. Anl. B 3-4, Versichereranschreiben vom 05.11.2016) betrifft den Tarif „103“ und ist wirksam, weil sie den gesetzlichen Erfordernissen nach § 203 Abs. 5 VVG entsprach.
29
Die vom Versicherer hierzu übersandten Mitteilungen an den Kläger (Versicherungsnehmer) werden im Ersturteil zutreffend wiedergegeben (LGU 3-4), zur Vermeidung bloß wiederholender Schreibarbeit wird darauf Bezug genommen.
30
Inhaltlich und der äußeren Form nach entsprechen diese Informationen des Versicherungsnehmers nicht gänzlich denjenigen, die in den Folgejahren verwendet wurden. Die – marginalen – inhaltlichen Abweichungen gebieten es aber nicht, von der vorstehend zu lit. a) und b) jeweils getroffenen rechtlichen Bewertung abzuweichen (so auch LGU 15-16).
31
Das Schreiben des Beklagten erwähnt unter der fett gedruckten Zwischenüberschrift „Beitragsanpassungen“ gestiegene Kosten im Gesundheitswesen. Der Beklagte sei daher gesetzlich verpflichtet, jährlich die Beiträge zu prüfen und bei Bedarf anzupassen. Die Überprüfung habe ergeben, dass eine Anpassung zum 01.01.2017 erforderlich sei.
32
Wegen weiterer Informationen wurde der Kläger auf die beigefügten Anlagen verwiesen. Damit war das 3-seitige Beiblatt „Vertragsänderungen zum 01.01.2017 – Weitere Informationen“ gemeint. Den dortigen Angaben konnte ein um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer mit der gebotenen Klarheit entnehmen, dass eine Veränderung der Rechnungsgrundlage „Versicherungsleistungen“ die konkrete Beitragserhöhung ausgelöst hat. Es wird auch deutlich, dass die Beitragsanpassung nicht dem individuellen Verhalten des Versicherungsnehmers oder einer willkürlichen unternehmerischen Entscheidung der Beklagten entspringt, sondern einer Verpflichtung aufgrund gesetzlicher Regelungen.
33
Ferner wird ausgeführt, dass die Beitragsänderung eine „Wiederherstellung des Gleichgewichts zwischen kalkulierten und tatsächlich erbrachten Leistungen“ sicherstelle. Unter einer gesonderten Zwischenüberschrift werden die Rechtsgrundlagen der Beitragsanpassung umfassend aufgeführt und insbesondere § 8b AVB erwähnt. Zwar wird hier nicht ausdrücklich ein „Schwellenwert“ genannt. Es geht aber in der erforderlichen Klarheit aus dem Beiblatt hervor, dass allein eine aufgrund gesetzlicher Regelungen relevante Veränderung der erforderlichen Versicherungsleistungen die Verpflichtung zur Beitragsanpassung bedingt hat. Dieser Befund wird untermauert durch den ausdrücklichen Hinweis auf die maßgeblichen gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften, in denen der Schwellenwert konkret geregelt ist. Namentlich aus dem Verweis auf § 8b AVB wird für einen Versicherungsnehmer hinreichend deutlich, dass es einen vorab festgelegten Schwellenwert für die Veränderung der Leistungsausgaben gibt und eine Erhöhung nur möglich ist, wenn die Veränderung der erforderlichen gegenüber den kalkulierten Versicherungsleistungen den in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Schwellenwert überschritten hat (vgl. OLG Hamburg, VersR 2022, 565, 567).
34
Die Begründung war damit für einen Empfänger ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse klar und verständlich und genügte deshalb den gesetzlichen Erfordernissen.
35
Die genannte Beitragsanpassung bildete fortan in dem betroffenen Tarif eine Rechtsgrundlage für den neu kalkulierten Prämienanspruch des Beklagten in seiner Gesamthöhe. Ob eine frühere Prämienerhöhung fehlerhaft war, ist für die Wirksamkeit der Neufestsetzung und der daraus folgenden erhöhten Beitragspflicht des Versicherungsnehmers ohne Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 16.12.2020 – IV ZR 314/19, r+s 2021, 95 Rn. 54). Folglich kommt es auf die zeitlich vorhergehenden im Tarif „103“ zum 01.01.2013 erfolgte weitere Beitragserhöhung nicht mehr entscheidungserheblich an. Unverjährte Erstattungsansprüche können hieraus nicht hergeleitet werden und es besteht auch kein rechtliches Interesse des Klägers an der isolierten Feststellung der Unwirksamkeit. Die zu klärenden Rechtsbeziehungen der Parteien werden bereits durch die Entscheidung in der Hauptsache erschöpfend geregelt, so dass auch kein Raum für eine Anwendung des § 256 Abs. 2 ZPO bleibt (vgl. OLG Saarbrücken, NJW-RR 2022, 324 Rn. 23 ff.).
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4. Das Landgericht hat neben der formellen Wirksamkeit der angegriffenen Beitragsanpassungen auch ausdrücklich deren materielle Wirksamkeit für gegeben und die hiergegen vom Kläger gerichteten erstinstanzlichen Angriffe (gestützt auf § 8b MB/KK sowie auf fehlerhafte Treuhänderprüfung) für nicht durchgreifend erachtet (LGU 17-21).
37
Hiergegen hat der Kläger Berufungsangriffe gerichtet (vgl. Berufungsbegründung, S. 26-34). Diese Berufungsrügen überzeugen nicht und können den Bestand des Ersturteils – im Ergebnis – nicht gefährden.
38
Wie die Berufungserwiderung des Beklagten vom 23.03.2023 zutreffend anführt (vgl. ebda., S. 5-6), hat der Senat bereits in einem anderen Parallelfall zu Fragen einzelner Rügen zur materiellen Wirksamkeit angegriffener Beitragsanpassungen im Hinblick auf das „Treuhänder-Verfahren“ Stellung bezogen (vgl. Senatsbeschluss vom 07.03.2023 – 8 U 3056/22, r+s 2023, 320).
39
Nach erneuter Prüfung – bezogen auf den vorliegenden Streitfall – sieht der Senat keine Veranlassung, von seiner damaligen Rechtsauffassung entscheidungserheblich abzuweichen.
40
a) Zur rechtlichen Ausgangslage ist in gebotener Kürze zunächst Folgendes herauszustellen:
41
Die Frage einer materiell wirksamen Prämienerhöhung des privaten Krankenversicherers unterliegt – uneingeschränkt – der gerichtlichen Nachprüfung im Streitfall. Die Klage auf Rückzahlung der Erhöhungsbeträge aufgrund einer behaupteten materiellen Unwirksamkeit der Prämienanpassung setzt nur voraus, dass der Versicherungsnehmer Kenntnis von einer Prämienerhöhung hat und diese für materiell nicht berechtigt hält. Seine Klage bedarf keines darüberhinausgehenden Tatsachenvortrags und damit auch keiner Kenntnis der Berechnungsgrundlagen für diese Prämienanpassung. Er hat insbesondere nicht das Fehlen einer materiell wirksamen Prämienerhöhung als Rechtsgrund für die Zahlung der erhöhten Beiträge darzulegen. In einem gerichtlichen Verfahren hat vielmehr der Versicherer darzulegen und zu beweisen, dass die Voraussetzungen für die erhöhte Prämie vorliegen (vgl. BGH, Urteil vom 22.06.2022 – IV ZR 193/20, juris Rn. 51).
42
Trifft den Kläger als Versicherungsnehmer damit keine diesbezügliche Darlegungslast, so kann sich dieser mit einem schlichten Bestreiten der materiellen Richtigkeit und erst recht mit dem Bestreiten eines aus seiner Sicht für die materielle Richtigkeit erheblichen Teilaspekts begnügen. Daran ändert sich auch nicht deshalb etwas, weil die Beklagte substantiiert dargelegt haben mag, welche Unterlagen dem Treuhänder vorgelegt worden sein sollen. Entsprechender substantiierter Vortrag würde nämlich, wenn es auf diesen ankäme, nur dazu führen, dass Beweis zu erheben wäre, nicht aber zur Unbeachtlichkeit des Bestreitens des Klägers. Dies gilt hier insbesondere auch deshalb, weil der Versicherungsnehmer aus eigener Kenntnis nicht wissen kann, ob und welche der Unterlagen dem Treuhänder tatsächlich vorgelegt worden sind (wie hier: OLG Köln, Urteil vom 10.02.2023 – 20 U 355/22, S. 5, vorgelegt als Anl. BE 2).
43
Die Frage der Vollständigkeit der dem Treuhänder zur Verfügung gestellten Unterlagen kann durch die Zivilgerichte in Prämienanpassungsverfahren nicht isoliert – also wenn nicht gleichzeitig auch die Richtigkeit der versicherungsmathematischen Kalkulationen bestritten ist – überprüft werden (vgl. OLG Köln, a.a.O., S. 6).
44
Die Frage, ob dem Treuhänder die erforderlichen Unterlagen vollständig vorgelegt worden sind, betrifft nicht die formelle oder materielle Wirksamkeit der Beitragsanpassung als solcher. Liegen die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Überprüfung und Anpassung vor, so ist der Versicherer vielmehr zur Anpassung verpflichtet. Die Frage, ob dem Treuhänder im Anschluss an die diesbezügliche Entscheidung des Versicherers die erforderlichen Unterlagen vorgelegt worden sind und ob der Treuhänder auf der Grundlage der – vollständig oder nicht – vorgelegten Unterlagen seine tatsächlich erteilte Zustimmung hätte erteilen dürfen, betrifft die Frage der Wirksamkeit der Beitragsanpassung dann nicht, sondern ist Teil der aufsichtsrechtlichen Aufgaben des Treuhänders. Diese zu überprüfen ist aber nicht Sache der Zivilgerichte, sondern der Aufsichtsbehörde. Sollten dieser – wie auch der BGH ausgeführt hat – Umstände bekannt werden, wonach der Treuhänder die ihm obliegenden Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllt, hätte diese einzuschreiten. Eine nicht ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung läge etwa dann vor, wenn ein Treuhänder über seine Zustimmung entscheiden würde, ohne dass diesem die hierfür erforderlichen Unterlagen vorlägen. Im Übrigen gilt auch hier, dass die Gefahr einer Störung des Äquivalenzverhältnisses zu besorgen wäre, wenn eine Anpassung auch bei Vorliegen der materiellen Anpassungsvoraussetzungen für unwirksam erklärt würde, obwohl der Treuhänder seine Zustimmung auch bei Vorlage der vollständigen Unterlagen hätte erteilen müssen, sich eine Unvollständigkeit also gar nicht ausgewirkt hätte. Angemerkt sei, dass die Frage, welche Unterlagen dem Treuhänder zur Verfügung gestellt worden sind, damit auch im zivilgerichtlichen Verfahren über die Wirksamkeit von Beitragsanpassungen keineswegs gänzlich ohne Relevanz ist. Denn die Einbindung des Treuhänders beschränkt insbesondere die Möglichkeiten des Versicherers, die Berechtigung der Prämienerhöhung durch das Nachschieben von Unterlagen im Prozess darlegen zu können, weil nur die Unterlagen, die der Versicherer dem Treuhänder zur Prüfung vorgelegt hat, Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung sind (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17, juris Rn. 54). Dies bedeutet, dass dann, wenn der Versicherungsnehmer bestreitet, dass eine die Anpassung tragende – also richtige – versicherungsmathematische Berechnung vorliegt, die Überprüfung der Berechnung durch einen gerichtlichen Sachverständigen grundsätzlich nur auf der Grundlage der Unterlagen zu erfolgen hätte, die dem Treuhänder vorgelegt worden sind (vgl. OLG Köln, a.a.O., S. 9-10; dem folgend auch OLG Bamberg, Urteil vom 06.04.2023 – 1 U 299/22, S. 3-4, vorgelegt als Anl. BE 4).
45
Zwar macht § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG die Berechtigung des Versicherers zur Neufestsetzung der Prämie davon abhängig, dass der zustimmende Treuhänder die „technischen Berechnungsgrundlagen“ überprüft hat. Allein deren Unvollständigkeit als solche vermittelt dem Versicherungsnehmer aber keine Befugnis, die Wirksamkeit der Prämienanpassung mit Erfolg zu beanstanden. Der Wortlaut des § 203 VVG gibt keinen Aufschluss darüber, ob sich der Versicherungsnehmer im Prämienanpassungsstreit mit Erfolg auf die Unvollständigkeit der Treuhänderunterlagen berufen kann. § 203 Abs. 2 Satz 1 VVG verlangt, dass die Unterlagen den Treuhänder in die Lage versetzen, die Prämienanpassung nach Maßgabe des in § 203 Abs. 2 Satz 4 VVG in Verbindung mit § 155 VAG vorgeschriebenen Verfahrens zu überprüfen. § 155 Abs. 1 Sätze 3 und 4 VAG ordnen ausdrücklich an, dass dem Treuhänder „sämtliche“ Berechnungsgrundlagen, die inhaltlich „vollständig“ sein müssen, vorzulegen sind. Ob § 203 VVG insoweit aber nur einen Verweis auf das einzuhaltende Verfahren beinhaltet oder dessen Nichteinhaltung – hier: betreffend die Unterlagenvollständigkeit – vom Versicherungsnehmer mit Erfolg im Prämienanpassungsstreit gerügt werden können soll, geht aus dem Wortlaut nicht hervor. Rechtssystematische Erwägungen und die Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung sprechen jedenfalls nicht dafür, dass der Versicherungsnehmer die Wirksamkeit der Prämienanpassung allein mit der behaupteten Unvollständigkeit der Treuhänderunterlagen angreifen könnte (vgl. OLG Hamm, Hinweisbeschluss vom 12.05.2023 – 20 U 7/23. S. 6, vorgelegt als Anl. BE 6).
46
Die näheren Anforderungen an die Vollständigkeit der Unterlagen sind im Gesetz über die Beaufsichtigung von Versicherungsunternehmen, nicht aber im materiellen Versicherungsvertragsrecht geregelt (vgl. auch BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17, juris Rn. 33). Zur Entstehungsgeschichte der gesetzlichen Regelung gilt: Die Zustimmung des Treuhänders ist an die Stelle der Prämien-, Bedingungs- und Tarifgenehmigung durch die Aufsichtsbehörde getreten (vgl. BT-Drs. 12/6959, S. 105). Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber mit der Überführung der früheren aufsichtsrechtlichen Befugnisse in das geltende Treuhändersystem darüber hinausgehende Fehlerfolgen etablieren wollte (vgl. auch BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17, juris Rn. 38). Es spricht deshalb nach der Entstehungsgeschichte der Vorschriften nichts dafür, dass nach geltendem Recht ein Mangel im Treuhänderverfahren unabhängig von einer fehlenden Ergebniskausalität im Prämienanpassungsstreit beachtlich sein könnte. Entsprechend hat auch der Bundesgerichtshof bereits frühzeitig ausgeführt, dass eine Klage im Prämienanpassungsstreit nur und insoweit Erfolg haben kann, als Fehler bei der Ermittlung der einzelnen Anpassungsfaktoren eine im Ergebnis zu hohe Prämie bewirken (vgl. BGH, Urteil vom 16.06.2004 – IV ZR 117/02, juris Rn. 23; vgl. auch BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17, juris Rn. 48). Entscheidend gegen die Annahme, der Versicherungsnehmer könne allein wegen der Unvollständigkeit der dem Treuhänder überlassenen Unterlagen im Prämienanpassungsstreit obsiegen, sprechen Sinn und Zweck der Vorschriften (vgl. OLG Hamm, a.a.O., S. 7).
47
Die Vorschriften zur Prämienanpassung bezwecken es, die Einhaltung des Äquivalenzprinzips und die dauerhafte Erfüllbarkeit der Versicherungsleistungen zu gewährleisten. Demgemäß berechtigt die Regelung in § 155 VAG den Versicherer nicht nur zur Vornahme einer Prämienanpassung unter den dort genannten Voraussetzungen, sondern begründet zugleich eine entsprechende Verpflichtung. Daraus ergibt sich, dass auch eine vorübergehende Äquivalenzstörung im Interesse der Beitragsstabilität vermieden werden muss (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17, juris Rn. 49). Eine solche träte aber ein, wenn eine Prämienanpassung, zu der der Versicherer zwecks Erhaltung seiner Leistungsfähigkeit aus materiellen Gründen verpflichtet ist, nur wegen eines Verfahrensfehlers, welcher sich auch nach dem Vortrag des Versicherungsnehmers auf Grund und Höhe der Prämienanpassung nicht ausgewirkt hat, für unwirksam erklärt würde, diese aber im Zuge der nächsten jährlichen Überprüfung vom Versicherer nachgeholt werden müsste, wobei die dann vorzunehmende Anpassung wegen der zwischenzeitlich entstandenen Lücke bei den Prämienzahlungen gegebenenfalls sogar höher ausfallen könnte (vgl. OLG Hamm, a.a.O., S. 7-8).
48
Dies gilt nicht nur für die Überprüfung der Anpassungsvoraussetzungen (vgl. BGH, Urteil vom 16.06.2004 – IV ZR 117/02, juris Rn. 17 ff.) oder – im Rahmen der Überprüfung des Anpassungsumfangs – die Überprüfung der Ermittlung des Anpassungsfaktors (vgl. BGH, a.a.O, juris Rn. 23), sondern auch für die hier in Rede stehende Überprüfung der Limitierungsmittelverwendung (vgl. BGH, a.a.O., juris Rn. 24). Die Überprüfung der (Nicht-)Ergreifung von Limitierungsmaßnahmen ist integraler Bestandteil der Überprüfung der Prämienkalkulation (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17, juris Rn. 51, 57). Die Besonderheiten der Prüfung der Limitierungsmaßnahmen haben nicht etwa zur Folge, dass dem Treuhänderverfahren hier eine derart stärkere Bedeutung zukäme, dass bereits ein Verfahrensfehler einen Rückforderungsanspruch begründen würde. Vielmehr sprechen diese Besonderheiten sogar gegen eine solche Annahme (vgl. OLG Hamm, a.a.O., S. 8).
49
Bei der Frage, ob und in welcher Höhe die Mittel aus den Rückstellungen für Beitragsrückerstattung zu verwenden sind, handelt es sich im Kern um eine unternehmerische Entscheidung, die – mit Ausnahme der nach § 150 Abs. 4 VAG vorgeschriebenen Verwendung, die alleine älteren Versicherten zugutekommt – gerade nicht durch inhaltliche gesetzliche Vorgaben determiniert werden sollte und die der Treuhänder – anders als die Überprüfung der Anpassungsvoraussetzungen und der Ermittlung des Anpassungsfaktors – nur insoweit kontrolliert, ob sich der Versicherer im Rahmen dessen hält, was bei Beachtung der gesetzlichen Beurteilungsspielräume zulässig ist (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17, juris Rn. 52). Dieser Beurteilungsspielraum ist insbesondere dadurch eingehegt, dass der Versicherer, wie aus § 150 Abs. 2 Satz 3 VAG hervorgeht, „bei der Verwendung der Mittel zur Begrenzung von Prämienerhöhungen auf die Angemessenheit der Verteilung auf die Versichertenbestände mit und ohne Prämienzuschlag nach § 149 VAG“ sowie darauf zu achten hat, dass „dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit der prozentualen und absoluten Prämiensteigerungen für die älteren Versicherten ausreichend Rechnung“ getragen wird. Der Versicherer hat deshalb bei der Vergabe der Limitierungsmittel die Belange der Versichertengemeinschaft, unter besonderer Berücksichtigung der älteren Versicherten, insgesamt und tarifübergreifend in den Blick zu nehmen. Wahrt nun also der Versicherer bei der Limitierungsmittelvergabe die ihm gezogenen äußeren Grenzen seines unternehmerischen Ermessens, könnten aber einzelne Versicherte allein aufgrund eines nicht ergebnisrelevanten Fehlers im Treuhänderverfahren ihre Prämien anteilig zurückfordern, durchbräche dies gerade den vom Versicherer nach dem unstreitigen Vortrag ermessensfehlerfrei getroffenen Ausgleich zwischen den Versichertengruppen, den zu beachten dem Versicherer gesetzlich aufgetragen ist (vgl. OLG Hamm, a.a.O., S. 8-9).
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Auch verfassungsrechtliche Erwägungen gebieten es nicht, dem isoliert erhobenen Einwand unvollständiger Treuhänderunterlagen nachzugehen (vgl. OLG Hamm, a.a.O., S. 9-10). Die Rechtsordnung muss zwar dafür sorgen, dass die verfassungsrechtlich geschützten Interessen derjenigen, die von der gesetzlichen Einschränkung der Vertragsfreiheit betroffen sind, hinreichend gewahrt werden (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17, juris Rn. 57 m.w.N.). Neben den Justizgewährleistungsanspruch tritt aber im Zivilprozess die Dispositionsmaxime als Ausfluss der gleichfalls verfassungsrechtlich geschützten Privatautonomie hinzu. Wird nicht geltend gemacht, dass die Prämie – etwa wegen ermessensfehlerhafter Limitierungsmittelvergabe – im Ergebnis falsch festgesetzt worden sei, muss das Zivilgericht die Vollständigkeit der dem Treuhänder überlassenen Unterlagen nicht von Amts wegen aufklären.
51
Wird demgegenüber nicht nur die Fehlerhaftigkeit des Zustimmungsverfahrens, sondern bereits die zeitlich vorgelagerte unternehmerische Entscheidung hinsichtlich der Limitierungsmittelverwendung und damit die Höhe der Prämie im Ergebnis beanstandet, erfolgt, ggf. unter Heranziehung sachverständiger Hilfe, eine entsprechende gerichtliche Prüfung. So bleibt die wirkungsvolle richterliche Kontrolle der Prämienanpassung im Individualprozess in sachlicher Hinsicht – auch betreffend der Limitierungsmittelverwendung – garantiert (vgl. BGH, a.a.O.). Die Aussage des Bundesgerichtshofs, die sachliche Richtigkeit der Zustimmung des Treuhänders zur Prämienanpassung werde insofern inzident mitgeprüft (vgl. BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17, juris Rn. 57), darf nicht in dem Sinne missverstanden werden, dass die verfahrensmäßige Richtigkeit der Zustimmung eigenständige Wirksamkeitsvoraussetzung der Prämienanpassung sei (vgl. auch KG Berlin, Urteil vom 08.02.2022 – 6 U 88/18, juris Rn. 98). Denn zur Stützung dieser Aussage hat sich der Bundesgerichtshof auf einen Aufsatz von Rixecker (ZfS 2018, 641, 645) bezogen, wo es unmissverständlich heißt, dass es dem Versicherungsnehmer in der Sache nur darauf ankommen könne und dürfe, „ob die Prämienanpassung in der Sache gerechtfertigt“ sei. Das Zustimmungsverfahren des Treuhänders wird deshalb nicht etwa bedeutungslos (siehe dazu bereits BGH, Urteil vom 19.12.2018 – IV ZR 255/17, juris Rn. 54). Wenn es zur gerichtlichen Überprüfung der Anpassung kommt, sind nur die Unterlagen, die der Versicherer dem Treuhänder zur Prüfung gemäß § 17 KVAV vorgelegt hat, Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung und bei der materiellen Überprüfung zu Grunde zu legen. Die dem Treuhänder vorgelegten Unterlagen begrenzen damit die materielle Überprüfbarkeit der ordnungsgemäßen Limitierungsmittelverwendung, nicht aber begründet ihre Unvollständigkeit allein einen Rückforderungsanspruch (vgl. OLG Hamm, a.a.O., S. 10).
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Zu weiteren – hier aber nicht entscheidungserheblichen – Einzelheiten des „Treuhänder-Verfahrens“ nach § 155 Abs. 2 Satz 2 und 3 VAG bzw. § 12b Abs. 1a VAG a.F. im Hinblick auf die im vorliegenden Streitfall angegriffene Verwendung von Limitierungsmitteln bei der Beitragsgestaltung verweist der Senat auf die Ausführungen des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts (Beschluss vom 21.02.2023 – 16 U 139/19, juris Rn. 60-98) und die dort mit großer Begründungstiefe herausgearbeiteten Anforderungen, die an die treuhänderische (und die etwa nachfolgende gerichtliche und sachverständige) Nachprüfung der limitierenden Maßnahmen zu stellen sind (insbesondere auch in Abgrenzung zu KG, Urteil vom 08.02.2022 – 6 U 88/18, juris Rn. 64 ff. und zu OLG Stuttgart, Urteil vom 17.05.2021 – 7 U 237/18, BeckRS 2021, 33305 [dort unrichtig als Urteil vom 15.07.2021 geführt] und auch zu Franz/Püttgen, Die materielle Rechtmäßigkeit der Beitragsanpassungen der privaten Krankenversicherung und deren gerichtlichen Überprüfung, VersR 2022, 1 ff.).
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Für eine gerichtliche Überprüfung der Verwendung von Mitteln zur Begrenzung von Prämienerhöhungen (Limitierungsmittel, RfB-Mittel) durch den jeweiligen privaten Krankenversicherer im Rahmen seiner Prämienkalkulation ist nur dann Raum, wenn nicht nur die Fehlerhaftigkeit des Treuhänder-Zustimmungsverfahrens, sondern bereits die zeitlich vorgelagerte unternehmerische Entscheidung hinsichtlich der Limitierungsmittelverwendung und damit die Höhe der Prämie im Ergebnis beanstandet wird.
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Die im Einzelfall zunächst zu klärende Frage ist deshalb, ob der klagende Versicherungsnehmer diese materielle Rechtmäßigkeit der Prämienanpassung derart prozessual wirksam angegriffen hat, dass dadurch eine Beweisführungslast des Versicherers ausgelöst und nachfolgend dann eine Beweisaufnahme durch Erhebung des Sachverständigenbeweises veranlasst wird.
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b) Diesen vorgenannten Erfordernissen wird der Vortrag des Klägers im Streitfall nicht gerecht. Eine Beweisaufnahme ist deshalb nicht geboten.
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Die Angriffe des Klägers gegen die materielle Wirksamkeit der Prämienanpassungen lassen sich zusammenfassen wie folgt (Hervorhebungen durch den Senat):
> Die Klägerseite hat substanzielle Zweifel daran, dass das Prüfverfahren des § 155 Abs. 2 VAG im vorliegenden Fall ordnungsgemäß durchgeführt wurde. Vielmehr deuten die der Klägerseite bekannten Unterlagen im Hinblick auf die Berücksichtigung von Rückstellungen („Limitierungsmittel“) auf ein systematisches Versagen der Treuhänderprüfung hin. Die genannte Entscheidung des OLG Stuttgart hat diesen Verdacht bestätigt. Die Klägerseite hat dabei das ihre getan, die neuralgischen Punkte der Prüfung aufzuzeigen und die Entscheidung des Gerichts vorzubereiten (vgl. Klageschrift, S. 16 zu „d) Zusammenfassung“).
> Die Klägerseite ist bereit, nach Vorlage der Unterlagen substantiierter zu deren Unvollständigkeit vorzutragen. Ein Sachverständigengutachten halten wir für nicht notwendig. Die Klägerseite bestreitet die grundsätzliche Richtigkeit der erfolgten Kalkulationen vorliegend nicht. Insofern wäre also auch ein Versicherungsmathematiker nicht nötig. Die Klägerseite bestreitet ausschließlich, dass dem Treuhänder die Überprüfung der Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 155 Abs. 2 VAG zum Zeitpunkt seiner Einverständniserklärung mit der Limitierungsmittelverwendung überhaupt ermöglicht gewesen ist. … Da die Klägerseite die Richtigkeit der Beitragskalkulation von auslösendem Faktor und Neuprämie jeweils nicht bestreitet, kann die gerichtliche Überprüfung ausschließlich anhand des Anlagenkonvoluts zur Limitierungsmittelverwendung erfolgen. … Sollte das Gericht schlussendlich bei seiner Auffassung verbleiben, einen Sachverständigen für nötig zu erachten, so teilen wir wunschgemäß mit, dass dieser Umstand nicht dazu führen würde, dass wir die Vollständigkeit der Treuhänderunterlagen unstreitig stellen würden (vgl. KV-Schriftsatz vom 26.09.2022 als Stellungnahme zum gerichtlichen Hinweis mit Klarstellungsaufforderung vom 20.09.2022).
> Soweit die Beklagte vorträgt, dass eine gerichtliche Überprüfung der Voraussetzungen des § 155 Abs. 2 VAG nicht möglich sei, so ist allein zutreffend, dass sowohl das OLG Stuttgart als auch das Kammergericht aaO jeweils versicherungsmathematische Sachverständigengutachten eingeholt hatten. Hierbei muss jedoch ein wesentlicher Unterschied dieser Verfahren beachtet werden: In den entsprechenden Verfahren wurden nämlich ebenfalls die versicherungsmathematisch ordnungsgemäße Berechnung der auslösenden Faktoren sowie der letztendlich errechneten Versicherungsprämien bestritten. Daher war die Einholung von versicherungsmathematischen Sachverständigengutachten in den dortigen Verfahren unabdinglich. Die Klägerseite bestreitet jedoch die grundsätzliche Richtigkeit der erfolgten Kalkulationen vorliegend nicht. Insofern wäre also auch ein Versicherungsmathematiker nicht nötig. Die Klägerseite bestreitet ausschließlich, dass dem Treuhänder die Überprüfung der Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 155 Abs. 2 VAG zum Zeitpunkt seiner Einverständniserklärung mit der Limitierungsmittelverwendung überhaupt ermöglicht gewesen ist (vgl. KV-Replik vom 10.10.2022).
> Darüber hinaus wird in materieller Hinsicht die Wirksamkeit der Rechtsgrundlage für alle streitigen Prämienneufestsetzungen bestritten, da dem Treuhänder die Überprüfung der Beachtung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 155 Abs. 2 VAG zum Zeitpunkt seiner Einverständniserklärung mit der Limitierungsmittelverwendung nicht ermöglicht worden ist, da ihm die hierzu erforderlichen Unterlagen nicht vollständig vorgelegt worden sind. … Das erstinstanzliche Gericht verkennt, in rechtlich zu beanstandender Weise, dass die ermessensgerechte Vergabe der Limitierungsmittel, die anlässlich jeder Beitragserhöhung geprüft werden muss, vom Treuhänder mittels der ihm zum Zeitpunkt der Zustimmungserklärung vorliegenden Unterlagen nicht festgestellt werden konnte. … Der Angriff der Klägerseite knüpft also an den Voraussetzungen der Zustimmung und nicht an der Person des Treuhänders an. Eine Zustimmung hätte wegen der Unvollständigkeit der Unterlagen nicht erteilt werden dürfen (KV-Berufungsbegründung vom 26.01.2023).
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Aus dieser Zusammenschau des aktenkundigen Vorbringens des Klägers ergibt sich unzweifelhaft, dass dieser – expressis verbis – die Richtigkeit der seitens des Beklagten erfolgten Prämienkalkulation nicht bestritten hat, sondern ausschließlich die Vollständigkeit bzw. Aussagekraft der Unterlagen, die die Beklagte dem Treuhänder zur Zustimmung gemäß § 155 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VAG vorgelegt hat.
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Nicht in Zweifel gezogen hat der Kläger insbesondere, dass der Beklagte bei der – dem Prüfverfahren des Treuhänders zeitlich und sachlich vorgelagerten – Verwendung der Limitierungsmittel den ihm insofern eingeräumten unternehmerischen Beurteilungsspielraum gewahrt hat. Es wird deutlich, dass ein vom Kläger offensichtlich nicht gewünschtes Sachverständigengutachten zur Überprüfung der tarifbezogenen Prämienkalkulation vermieden werden sollte.
59
Der bewusst eng zugeschnittene Klägervortrag – der als Ausprägung der Dispositionsbefugnis bewusst und gewollt lediglich einen abgrenzbaren Teilaspekt der Überprüfung der Prämienkalkulation durch den Treuhänder angreift – ist zwar nicht bereits wegen fehlender Substantiierung unbeachtlich. Er löst allerdings keine subjektive Beweisführungslast des beklagten Versicherers und damit auch keine Notwendigkeit einer Beweisaufnahme (etwa durch Sachverständigengutachten) aus.
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Vor diesem Hintergrund können – entscheidungserhebliche – überzeugende Anhaltspunkte für Zweifel des Senats an der Vollständigkeit und Richtigkeit der im Ersturteil enthaltenen Feststellungen zur materiellen Wirksamkeit der streitgegenständlichen Vertragsänderungen nicht ausgemacht werden, weshalb es auch insoweit bei einer Bindungswirkung nach § 529 Abs. 1 ZPO verbleibt.
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Das angefochtene Urteil erweist sich deshalb in jeder Hinsicht als richtig und das hiergegen gerichtete Rechtsmittel des Klägers als unbegründet.
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5. Da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat, legt das Gericht aus Kostengründen die Rücknahme der Berufung nahe. Im Falle der Berufungsrücknahme ermäßigen sich vorliegend die Gerichtsgebühren von 4,0 auf 2,0 Gebühren (vgl. Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses zum GKG).
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Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Hinweises.