Inhalt

VG Augsburg, Urteil v. 04.05.2023 – Au 2 K 22.983
Titel:

Straßenausbaubeitragsrecht, Antrag auf Gewährung von Härteausgleich, Antragsbefugnis, Auseinanderfallen der Position des Beitragsschuldners und des tatsächlich Beitragsbelasteten, Notwendigkeit des Innehabens des Eigentums am belastungsauslösenden Grundstück zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Härteausgleich, Erbfall

Normenkette:
KAG Art. 19a
Schlagworte:
Straßenausbaubeitragsrecht, Antrag auf Gewährung von Härteausgleich, Antragsbefugnis, Auseinanderfallen der Position des Beitragsschuldners und des tatsächlich Beitragsbelasteten, Notwendigkeit des Innehabens des Eigentums am belastungsauslösenden Grundstück zum Zeitpunkt der Stellung des Antrags auf Härteausgleich, Erbfall
Fundstelle:
BeckRS 2023, 12234

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.  

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten zur Gewährung eines Härteausgleichs wegen der von ihr getragenen finanziellen Belastung durch Zahlungen aufgrund einer im Zusammenhang mit der Erhebung von Straßenausbaubeiträgen zwischen der Rechtsvorgängerin der Klägerin und dem Markt ... geschlossenen Ablösungsvereinbarung.
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Die Klägerin ist die Rechtsnachfolgerin von T.R., die als Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... (Anwesen ...weg ...) mit dem Markt ... am 14. September 2015 eine Ablösevereinbarung über Straßenausbaubeiträge im Rahmen des Ausbaus des ...wegs (westliches Teilstück) abgeschlossen hat und hieraus zur Zahlung eines Ablösungsbetrages in Höhe von 6.190,38 EUR verpflichtet war. Frau R. verstarb am ... 2015. Sie ist von ihrer Tochter, der Klägerin, alleine beerbt worden. Die Klägerin war am 23. Februar 2016 als Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... in das Grundbuch eingetragen worden.
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Die Klägerin stellte unter dem 8. Juli 2019 einen Antrag auf Gewährung eines Härteausgleichs nach Art. 19a KAG bei der Regierung von ... – Geschäftsstelle der Härtefallkommission für Straßenausbaubeiträge – (Härtefallkommission).
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Mit Schreiben der Regierung von ... – Härtefallkommission – vom 5. September 2019 wurde die Klägerin aufgefordert, bis zum 7. Oktober 2019 einen aktuellen Eigentumsnachweis und einen Beleg als Nachweis der Zahlung des Ablösebetrags aufgrund der Ablösevereinbarung vorzulegen.
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Mit E-Mail vom 17. September 2019 wurden der Härtefallkommission die gewünschten Unterlagen als Anlage vorgelegt. Dabei handelte es sich um die Bestätigung des Markts ... vom 17. September 2019, dass Zahlungen in Höhe von 6.190,38 EUR am 13. November und 23. Dezember 2015 eingegangen sind. Darüber hinaus wurde der an die Klägerin gerichtete Grundsteuerbescheid des Markts ... vom 12. April 2016 betreffend die Grundsteuer B für das Grundstück Fl.Nr. ... – Zweifamilienhaus – vorgelegt. Mit E-Mail vom 17. September 2019 teilte die Klägerin mit, dass sie das Grundstück mit notariellem Kaufvertrag vom 9. Dezember 2016 veräußert habe. Telefonisch teilte die Klägerin ergänzend mit, dass sie aufgrund des Verkaufs keinen Grundbuchauszug mehr vorlegen könne. Außerdem habe sie keine Kontoauszüge mehr. Die Erwerberin des Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... wurde am 10. März 2017 als neue Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen.
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Mit Bescheid der Härtefallkommission für Straßenausbaubeiträge vom 21. März 2022 wurde der Antrag auf Gewährung eines Härteausgleichs abgelehnt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass der formwirksame Antrag innerhalb der vorgesehenen Antragsfrist gestellt wurde, die Klägerin jedoch nicht antragsbefugt sei, da sie nicht Partei der Vereinbarung über die Ablösung des Straßenausbaubeitrags gewesen sei.
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Am 20. April 2022 erhob die Klägerin gegen den Ablehnungsbescheid Klage mit dem Antrag,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids der Härtefallkommission für Straßenausbaubeiträge vom 21. März 2022 zu verpflichten, ihr den Betrag in Höhe von insgesamt 6.190,38 EUR zu erstatten.
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Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin führte mit Schriftsatz vom 22. September 2022 zur Begründung der Klage aus, dass die Mutter der Klägerin im Zeitpunkt der Ausbaumaßnahmen im Bereich des ...wegs Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... gewesen sei. Zwischen der Mutter der Klägerin und dem Markt ... sei am 14. September 2015 eine Ablösevereinbarung über Straßenausbaubeiträge geschlossen worden, wonach auf das Grundstück Fl.Nr. ... Gemarkung ... ein Ablösebetrag in Höhe von 6.190,38 EUR entfallen sei. Die Klägerin habe den Betrag am 12. November 2015 und am 21. Dezember 2015 in zwei Raten bezahlt. Soweit in dem Ablehnungsbescheid der Härtefallkommission vom Fehlen der Antragsbefugnis bei der Klägerin ausgegangen werde, sei der Bescheid rechtswidrig. Die Klägerin sei als Alleinerbin Rechtsnachfolgerin der am 10. Oktober 2015 verstorbenen T. R.. Dies ergebe sich aus dem Erbschein des Amtsgerichts Günzburg vom 18. Februar 2016. Sie sei deswegen Eigentümerin des Grundstücks ...weg 17 in ... geworden. Zwar habe die Erblasserin am 14. September 2015 noch die Ablösevereinbarung unterzeichnet, jedoch seien die Ende 2015 erfolgten Zahlungen bereits durch die Klägerin als Rechtsnachfolgerin geleistet worden. Offensichtlich habe die Härtefallkommission den Eintritt des Erbfalls nicht berücksichtigt. Die Klägerin erfülle auch die übrigen Anspruchsvoraussetzungen, da sie kein zu versteuerndes Einkommen von mehr als 100.000,- EUR erzielt habe. Dies habe auch für die Erblasserin gegolten. Die Klägerin habe vor diesem Hintergrund Anspruch auf die Gewährung des begehrten Härteausgleichs.
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Der Beklagte wandte sich mit Schreiben der Härtefallkommission vom 27. September 2022 gegen das Klagebegehren. Für ihn ist beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung ist dargelegt, dass es der Klägerin an der nach Art. 19a Abs. 7 KAG notwendigen Antragsbefugnis fehle. Die Klägerin sei nicht Adressatin bzw. Vertragspartei der Ablösungsvereinbarung betreffend das Grundstück Fl.Nr. ... gewesen. Die Ablösevereinbarung sei am 14. September 2015 zwischen T. R. und dem Markt ... geschlossen worden. Daher erfülle die Klägerin nicht die Voraussetzungen für die Befugnis zur Stellung eines Antrags auf Härteausgleich von Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG. Als Erbin sei sie nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht antragsberechtigt. Die sich aus der Belastung mit einem Straßenausbaubeitrag ergebende Härte sei höchstpersönlicher Natur, so dass die Antragsbefugnis nicht im Wege der Gesamtrechtsnachfolge auf die Erbin übergehen könne. Nach § 1922 Abs. 1 BGB gehe mit dem Erbfall das Vermögen der Erblasserin auf deren Erben über. Hilfsweise sei noch darauf hinzuweisen, dass nach dem Dafürhalten des Beklagten vor der Schaffung des Härteausgleichs Straßenausbaubeiträge nach Art. 19a KAG schon keine vererbbare Rechtsposition in Form eines entsprechenden Vermögensvorteils entstanden sein konnte. Das Härtefallausgleichsverfahren sei erst mit dem Inkrafttreten des Art. 19a KAG am 1. Juni 2019 durch die entsprechende Änderung des Kommunalabgabengesetzes geschaffen worden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Erblasserin bereits verstorben gewesen. Die Klagepartei sei somit nicht in der Lage, die Antragsvoraussetzungen zu erfüllen. Auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung werde verzichtet.
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Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin erwiderte hierauf mit Schriftsatz vom 15. Dezember 2022, dass die Klägerin als alleinige Erbin vollumfänglich in die Rechte der verstorbenen Grundstückseigentümerin T. R. eingetreten sei. In dieser Eigenschaft habe sie den Antrag fristgerecht gestellt. Es sei in Abrede zu stellen, dass die sich aus der Belastung mit einem Straßenausbaubeitrag ergebende Härte von höchstpersönlicher Natur sei. Vielmehr gehe der Anspruch der Erblasserin, sofern er rechtlich bestanden hatte, ohne weiteres auf die Erbin über. Bei dem Härteausgleich handle es sich durchaus um eine vererbbare Rechtsposition in Form eines entsprechenden Vermögensvorteils. Daher sei der Härteausgleich auch der Klägerin als Erbin zu bewilligen. Schließlich habe sie den Ausbaubeitrag Ende 2015 auch wirtschaftlich übernommen.
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Mit Schreiben der Härtefallkommission vom 3. Januar 2023 wurde dargelegt, dass der Ablehnungsbescheid vom 21. März 2022 rechtmäßig sei, da bei der Klägerin keine Antragsbefugnis nach Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG vorgelegen habe. Aus den gesetzlichen Vorschriften gehe hervor, dass der Adressat des Straßenausbaubeitragsbescheids bzw. der Ablösungsvereinbarung personenidentisch sein müsse mit der Stellung als Eigentümer des beitragsauslösenden Grundstücks. Bei einem Auseinanderfallen von Beitragspflicht und Eigentümerstellung scheide die Gewährung eines Härteausgleichs aus. Eine Antragsbefugnis von Erben bzw. von Erwerbern eines Grundstücks, die nicht Adressaten des belastenden Bescheids gewesen seien, sehe das Gesetz nicht vor. Der Härteausgleich diene zur Kompensation von persönlichen Härten bei dem Adressaten des Straßenausbaubeitragsbescheids bzw. dem Schuldner eines Ablösebetrags. Bei der den Zugang zum Härteausgleich eröffnenden persönlichen Härte handle es sich um ein höchstpersönliches und damit per se nicht vererbbares Recht. Höchstpersönliche Rechte seien Rechte, die mit einer Person verknüpft seien, so dass sie nicht übertragen werden könnten. Art. 19a KAG habe den Zweck des Ausgleichs von Härten, die aus der besonderen, durch die Abschaffung der Straßenausbaubeiträge entstandenen Übergangssituation erwachsen seien, die aber alleine die Erblasserin als Vertragspartei der Ablösungsvereinbarung betroffen hätten und eben gerade nicht die Klagepartei. Eine Härte habe daher nur in der Person der Erblasserin vorliegen können und sei deshalb weder übertragbar noch vererblich. Wer die Begleichung der Beitragsforderung übernommen habe, sei demgegenüber irrelevant. Da die Härtefallkommission auch die übrigen eingegangenen Anträge von Erben, bei denen die Erblasser bereits vor Antragstellung verstorben seien, abgelehnt habe, entspreche die vorliegende Entscheidung der Praxis und damit auch dem Gleichbehandlungsprinzip. Rein vorsorglich werde darauf hingewiesen, dass die Erbin durch den Erbfall einen Vermögenszuwachs in Form des Eigentums an dem streitgegenständlichen Grundstück erfahren habe, auch wenn dieser Vorteil um den gezahlten Ablösebetrag gemindert gewesen sei. Eine ausgleichsfähige persönliche Härte, die durch die Festsetzung des Straßenausbaubeitrags bzw. den Abschluss der Ablösungsvereinbarung eingetreten sei, sei daher in der Person der Erbin von vorneherein nicht zu erblicken.
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Mit Schriftsatz vom 12. Januar 2023 erklärte auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin das Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der vorliegenden Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte im Einverständnis der Parteien ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat mangels Antragsbefugnis keinen Anspruch auf die Gewährung des begehrten Härteausgleichs oder die Verpflichtung des Beklagten zur erneuten Verbescheidung ihres entsprechenden Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Der streitgegenständliche Ablehnungsbescheid der Regierung von ... – Härtefallkommission – vom 21. März 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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Mit dem Gesetz über die Feststellung des Haushaltsplans des Freistaats Bayern für die Haushaltsjahre 2019 und 2020 vom 24. Mai 2019 (Haushaltsgesetz 2019/2020 – GVBl S. 266/278) ist durch Art. 19a KAG eine Härtefallregelung als freiwillige Leistung des Freistaats Bayern für eine Übergangszeit geschaffen worden. Zum anteiligen Ausgleich besonderer Härten durch Straßenausbaubeiträge, die im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum 31. Dezember 2017 erhoben wurden, hat der Freistaat Bayern den mit einem Kapital von 50 Mio. EUR ausgestatteten Härtefallfonds errichtet (Art. 19a Abs. 1 KAG, vgl. hierzu allgemein Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Februar 2023, Rn. 2210; Bauer, Der Härteausgleich Straßenausbaubeitrag, KommP BY 2019, 290).
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Art.19a Abs. 8 KAG stellt klar, dass es sich bei der Gewährung eines Härteausgleichs um eine freiwillige staatliche Leistung handelt, auf die kein Rechtsanspruch besteht. Gestützt auf Art. 19a Abs. 11 KAG hat das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Sport und Integration am 1. Juli 2019 in Kraft getretene Bestimmungen zu Kommission, Geschäftsstelle und das Antragsverfahren im Verordnungswege erlassen (Verordnung zum Härteausgleich Straßenausbaubeitrag – BayHärteV – vom 5.6.2019, GVBl S. 327). Über die Leistungen aus dem Härtefallfonds wird auf Antrag durch eine fachlich unabhängige und an Weisungen nicht gebundene Kommission (Härtefallkommission für Straßenausbaubeiträge) durch Verwaltungsakt entscheiden (Art. 19a Abs. 2 KAG). Für die Kommission wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die bei der Regierung von ... angesiedelt ist. Aufgabe der Geschäftsstelle ist es, die Zulässigkeit der bei ihr zu stellenden Anträge zu prüfen, die Sitzungen der Kommission vorzubereiten und den Sachverhalt zu ermitteln (§ 2 BayHärteV).
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Art. 19a Abs. 5 und 7 KAG regeln die Voraussetzungen für den Antrag auf Härteausgleich. Nur wenn diese erfüllt sind, ist der Antrag zulässig. Anträge auf Härteausgleich konnten wirksam nur im Zeitraum vom 1. Juli 2019 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2019 bei der Geschäftsstelle der Kommission unter Verwendung des zur Verfügung gestellten Antragsformulars oder unter Nutzung des entsprechenden elektronischen Antragsverfahrens gestellt werden (§ 3 BayHärteV). War der Bescheid oder die Vereinbarung, durch die eine Zahlungsverpflichtung in Bezug auf die Kosten einer Straßenausbaumaßnahme entstanden ist, an mehrere Personen gemeinschaftlich gerichtet, waren die Adressaten bzw. die Vertragsparteien nach Art. 19a Abs. 5 Satz 2 KAG verpflichtet, den Antrag auf Härteausgleich gemeinschaftlich zu stellen. Antragsbefugt war u.a. gemäß Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG nur, gegen wen nach den Bestimmungen des Kommunalabgabengesetzes durch Bescheid, Vergleich oder Vereinbarung im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 Straßenausbaubeiträge, entsprechende Vorauszahlungen oder eine entsprechende Ablöse in Höhe von mindestens 2.000 EUR festgesetzt wurden, soweit die Beiträge nicht erlassen oder anderweitig erstattet worden sind. Daraus folgt, dass für alle Beitragspflichtigen eine einheitliche Eigenbelastung von 2.000 EUR als zumutbar erachtet worden war. Lag der festgesetzte Beitrag unter 2.000 EUR, fehlte es an der Antragsbefugnis, lag er darüber, waren 2.000 EUR als selbst zu tragende Belastung abzuziehen (Art. 19a Abs. 9 Satz 3 KAG). Antragsbefugt war nach Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG ferner nur, wer bei Antragstellung Eigentümer oder beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigter des Grundstücks war, auf das die Belastung zurückgeht.
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Der Klägerin fehlt hier die für die Bewilligung eines Härteausgleichs notwendige Antragsbefugnis. In Art. 19 Abs. 7 Satz 4 KAG sind neben der in Art. 19a Abs. 7 Satz 1 KAG geregelten und von der Klägerin erfüllten persönlichen Antragsbefugnis drei weitere, sachlich radizierte Voraussetzungen für das Bestehen der Befugnis zur Stellung eines Antrags auf Härteausgleich kumulativ geregelt. Nach Art. 19 Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG ist antragsbefugt nur, gegen wen nach den Bestimmungen dieses Gesetzes durch Bescheid, Vergleich oder Vereinbarung im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 Straßenausbaubeiträge, Vorauszahlungen hierauf oder eine entsprechende Ablöse in Höhe von mindestens 2.000 EUR festgesetzt wurden, soweit die Beiträge nicht erlassen oder anderweitig erstattet worden sind. Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG verlangt für das Bestehen der Antragsbefugnis zusätzlich, dass der Antragsteller bei Antragstellung Eigentümer oder beitragspflichtig dinglich Nutzungsberechtigter des Grundstücks ist, auf das die Belastung zurückgeht. Als drittes, für die Antragsbefugnis zwingend notwendiges Kriterium legt Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 3 KAG fest, dass der Antragsteller im Jahr der Festsetzung der Belastung über ein zu versteuerndes Einkommen von nicht mehr als 100.000 EUR, bei Zusammenveranlagung von Ehegatten oder Lebenspartnern von nicht mehr als 200.000 EUR verfügte.
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Im vorliegenden Fall erfüllt die Klägerin weder die in Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG verlangte Voraussetzung einer ihr gegenüber mittels Bescheid, Vergleich oder Vereinbarung im Zeitraum vom 1. Januar 2014 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2017 in Form von Straßenausbaubeiträgen, Vorauszahlungen hierauf oder entsprechende Ablösungsvereinbarungen in Höhe von mindestens 2.000 EUR festgesetzten bzw. vertraglich übernommenen Beitragsbelastung, noch war sie bei Antragstellung am 8. Juli 2019 Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung, auf das die Belastung durch den Abschluss der Vereinbarung über die Ablösung des Straßenausbaubeitrags mit dem Markt ... am 14. September 2015 zurückgeht (Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG). Der Markt ... hat mit der Mutter der Klägerin als der seinerzeitigen Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... die oben genannte Ablösungsvereinbarung (Art. 5 Abs. 9 Satz 1 KAG a.F.) geschlossen und hieraus den Anspruch auf Zahlung des Ablösungsbetrags in Höhe von 6.190,38 EUR erworben, der dann von der Klägerin am 13. November und 23. Dezember 2015 erfüllt worden war. Damit wurde die – ggf. zu einer auszugleichenden Härte führende – Zahlung des Ablösungsbetrags in Höhe von 6.190,38 EUR nicht mit und zu Lasten der Klägerin, sondern zu Recht mit und zu Lasten ihrer Mutter als der damaligen Eigentümerin und Beitragsschuldnerin gemäß Art. 5 Abs. 6 Satz 2 KAG a.F. vereinbart. Dass die Klägerin aufgrund des am ... 2015 eingetreten Erbfalls als Erbin die aus dem Ausbau der Anlage „...weg (westliches Teilstück)“ herrührende Beitragsbelastung letztlich wirtschaftlich getragen und den Ablösungsbetrag durch Banküberweisungen am 13. November und 23. Dezember 2015 beglichen hat, vermag ihr nicht die in Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG verlangte Belastungsbetroffenheit als Partei der Ablösungsvereinbarung zu vermitteln, da der insoweit eindeutige Wortlaut des Gesetzes und die ratio legis der Bestimmung eine erweiternde Auslegung dahingehend, dass auch derjenige antragsbefugt sein soll, der die auf den maßgeblichen – nicht mit ihm vereinbarten – Ablösungsvertrag zurückgehende Beitragsbelastung – aus welchen Gründen auch immer – übernommen und wirtschaftlich getragen hat, nicht zulässt (s. hierzu auch die Gesetzesmaterialien in LT-Drs.18/1552 S. 4).
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Darüber hinaus mangelt es der Klägerin auch an der in Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 2 KAG normierten Voraussetzung für das Bestehen der Antragsbefugnis, da sie bei Antragstellung am 8. Juli 2019 nicht (mehr) Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. ... Gemarkung ... war, auf das die Belastung mit einer an die Stelle des Straßenausbaubeitrags tretenden Ablösezahlung zurückgeht. Die Klägerin war als Alleinerbin ihrer Mutter am 23. Februar 2016 in das Grundbuch eingetragen worden. Sie hat das Grundstück allerdings mit notariellem Kaufvertrag am 9. Dezember 2016 wieder veräußert. Der Eigentumswechsel wurde am 10. März 2017 durch die Eintragung der Erwerberin als neue Eigentümerin grundbuchrechtlich vollzogen. Maßgeblich für die Stellung als rechtlicher (Voll-)Eigentümer eines Grundstücks ist nach § 873, § 892 BGB nicht bereits die notarvertraglich bewilligte Auflassung, sondern die Eintragung in das Grundbuch, (BayVGH, B.v. 17.10.2000 – 23 ZS 00.2435 – BayVBl 2001, 568 juris Rn. 6 f.; VG Neustadt a.d. Weinstraße, U.v. 6.8.2015 – 4 K 159/15.W – juris Rn. 21; Driehaus/Raden, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 11. Aufl. 2022, § 24 Rn. 3). Der Antrag der Klägerin auf Gewährung von Leistungen aus dem Härtefallfonds war damit mangels Antragsbefugnis durch den Beklagten inhaltlich nicht weiter zu prüfen (vgl. auch LT-Drs. 18/1552, S. 4). Der Ablehnungsbescheid der Härtefallkommission vom 21. März 2022 steht daher im Einklang mit den gesetzlichen Bestimmungen und erweist sich als rechtmäßig. Dem steht auch weder der Eigentumsübergang an dem Grundstück auf die Klägerin durch Erbfolge und deren Eintragung als Eigentümerin im Grundbuch am 23. Februar 2016, noch der Umstand, dass letztlich die Klägerin die mit ihrer Mutter vereinbarte Ablösung des Straßenausbaubaubeitrags wirtschaftlich getragen hat, entgegen. Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen, dass eine Antragsbefugnis im Sinne des Art. 19a Abs. 7 Satz 4 KAG bestehen muss, bevor das Vorliegen einer besonderen Härte im Sinn von Art. 19a Abs. 9 Satz 1 und Satz 2 KAG geprüft werden kann. Bei einem zwischenzeitlichen Eigentumsübergang von dem Vertragspartner einer Ablösungsvereinbarung bzw. dem Adressaten des Straßenausbaubeitragsbescheids auf einen Dritten hat er keine solche Antragsbefugnis angenommen, gleichgültig ob dieser entgeltlich, unentgeltlich oder unter sonstigen Bedingungen – z.B. durch Universalsukzession gemäß § 1922 BGB – erfolgt ist (vgl. VG Augsburg, U.v. 9.2.2023 – Au 2 K 22.892 – BeckRS 2923, 7870 Rn. 31). Gleiches kommt auch in Art. 19a Abs. 7 Satz 4 Nr. 1 KAG beim Auseinanderfallen der Stellung als Partei einer Ablösungsvereinbarung bzw. Adressat des Beitragsbescheids und als tatsächlich materiell Beitragsbelasteter zum Ausdruck. Im Übrigen lag zum Zeitpunkt des Erbfalls am ... 2015 – unabhängig von der Frage der möglicherweise höchstpersönlichen Natur des Anspruchs auf Härteausgleich – kein zum Nachlass zu rechnender übergangsfähiger öffentlich-rechtlicher Anspruch bzw. eine sonstige von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Vermögensposition in Bezug auf einen zukünftigen Härteausgleich vor, da die diesen Anspruch schaffenden gesetzlichen Regelungen gemäß Art. 18 Abs. 2 Nr. 3 des Haushaltsgesetzes 2019/2020 erst am 1. Juni 2019 in Kraft getreten sind.
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Da die Klägerin bereits keine – für die Eröffnung der inhaltlichen Prüfung erforderliche – Antragsbefugnis besitzt, kann auch der der Härtefallkommission in Art. 19a Abs. 9 Satz 2 KAG vom Gesetzgeber eingeräumte Beurteilungsspielraum bei der inhaltlichen Prüfung des Vorliegens einer ausgleichsfähigen Härte keine Bedeutung zukommen. Der nur in diesem Entscheidungsstadium bestehende Beurteilungsspielraum, der es nach der Gesetzesbegründung der Härtefallkommission ermöglichen soll, „bei der Einzelfallbetrachtung auch weitere Umstände des individuellen Falls in die Gesamtschau einzubeziehen“ (LT-Drs 18/1552 S. 5), besteht aber nach den gesetzlichen Regelungen hierzu bei der Beurteilung der Antragsbefugnis im Sinn von Ar. 19a Abs. 7 Satz 4 KAG gerade nicht und lässt sich auch im Wege der Auslegung abweichend vom Wortlaut und der im Aufbau des Art. 19a KAG schlüssig zum Ausdruck kommenden Systematik nicht hierauf übertragen.
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Bedenken hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des in Art. 19a KAG normierten Härteausgleichs Straßenausbaubeitrag bestehen nicht (s. hierzu auch Matloch/Wiens, Das Erschließungsbeitragsrecht in Theorie und Praxis, Stand Februar 2023, Rn. 2210 m.w.N.). Der Gesetzgeber durfte ein legitimes Ziel für die Schaffung des Härtefallfonds als gegeben annehmen. Mit ihm sollen individuell nicht zumutbare finanzielle Belastungen, die auf Grund der Abschaffung der Straßenausbaubeiträge zum 1. Januar 2018 in dem Zeitraum 1. Januar 2014 bis 31. Dezember 2017 entstanden sind und über die als Eigenbelastung zu tragende Grenze von 2.000 EUR hinausgehen, kompensiert werden. Die stichtagsgebundene Abschaffung des Straßenausbaubeitrags hat zur Folge, dass bei Beitragspflichtigen, denen gegenüber vor dem Stichtag eine Beitragsfestsetzung erfolgt ist, weiterhin ein Beitrag zum Ausgleich für den ihnen durch den Straßenausbau geschaffenen Vorteil erhoben werden kann, wohingegen Grundstückseigentümer, denen ein Beitragsbescheid nicht mehr vor dem Stichtag bekanntgegeben wurde, nicht mehr finanziell belastet werden. Es ist dem Gesetzgeber durch den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich nicht verwehrt, zur Regelung bestimmter Lebenssachverhalte einen Stichtag einzuführen. Das Gleichbehandlungsprinzip gebietet wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, wesentlichen Unterschieden hingegen normativ Rechnung zu tragen. Er stellt es dem Normgeber frei, Differenzierungsmerkmale auszuwählen. In diesem Rahmen lässt es der gesetzgeberische Gestaltungsspielraum zu, mit unvermeidlichen Härten verbundene Stichtagsregelungen einzuführen, wenn dies – wie hier – als sachlich vertretbar angesehen werden kann (zur Zulässigkeit von Stichtagsregelungen vgl. z.B. BVerfG, U.v. 23.11.1999 – 1 BvF 1/94 – NJW 2000, 413; B.v. 12.5.2009 – 2 BvL 1/00 – juris Rn. 44; BVerwG, B.v. 10.4.2017 – 2 B 37.16 – juris Rn. 14).
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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Gründe, die Berufung wegen grundsätzlicher Bedeutung oder Divergenz zuzulassen, liegen nicht vor (§ 124 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 3 bzw. Nr. 4, § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO).