Titel:
Vergabeverfahren: Erstattung von Rechtsanwaltskosten des Auftraggebers im Nachprüfungsverfahren
Normenketten:
GWB § 182 Abs. 3 S. 5, Abs. 4 S. 4
BayVwVfg § 80 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3 S. 2
Leitsätze:
1. Die Frage, ob die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung im Nachprüfungsverfahren notwendig war (§ 182 Abs. 4 Satz 4 GWB in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1, 2 und 3 Satz 2 BayVwVfG), beantwortet sich unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls danach, ob der Beteiligte selbst in der Lage gewesen wäre, auf Grund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen, in Ansehung der vergaberechtlichen Bestimmungen zu bewerten, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder Rechtsverteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzutragen. Hierfür können neben Gesichtspunkten wie der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, der Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen auch rein persönliche Umstände in der Person des Beteiligten maßgeblich sein, wie etwa seine sachliche und personelle Ausstattung (BGH BeckRS 2006, 12317). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Einzelfallentscheidung ist auf der Grundlage objektiv anzuerkennender Erfordernisse im Rahmen einer ex-ante Prognose zu treffen (OLG Celle BeckRS 2023, 12183 Rn. 7), wobei ergänzend auch der Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit in die Prüfung einfließen kann (OLG Düsseldorf BeckRS 2021, 3270; BeckRS 2020, 29123). (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Nach diesen Grundsätzen kann es für die Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung sprechen, wenn rechtlich noch ungeklärte oder nicht dem klassischen Vergaberecht zuzurechnende Rechtsfragen im Streit stehen, ebenso wie der typische Zeitdruck im Nachprüfungsverfahren oder eine besondere Bedeutung bzw. ein erhebliches Gewicht des zu vergebenden Auftrags (vgl. BayObLG BeckRS 2022, 28587). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Vertretung eines Auftraggebers durch einen Rechtsanwalt ist danach geboten, wenn ein erheblicher Teil der von einem Bewerber erhobenen Rügen die noch weitgehend ungeklärte Rechtsfrage betreffen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Vertragsbedingungen zur Überprüfung durch die Vergabekammer gestellt werden können. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vergabeverfahren, Erstattung von Rechtsanwaltskosten, Auftraggeber, Nachprüfungsverfahren, notwendige Hinzuziehung, zweckentsprechende Rechtsverteidigung, Einzelfallentscheidung, komplexer Sachverhalt, schwierige Rechtsfragen, sachliche und personelle Ausstattung
Vorinstanzen:
BayObLG, Beschluss vom 08.02.2023 – Verg 17/22
BayObLG, Beschluss vom 20.01.2023 – Verg 17/22
Vergabekammer München, Beschluss vom 03.11.2022 – 3194. Z3-3_01-22-17
Fundstellen:
BeckRS 2023, 12183
LSK 2023, 12183
ZfBR 2023, 624
ZfBR 2023, 728
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 3. November 2022 (Az.: 3194.Z3-3_01-22-17) in den Ziffern 2 und 4 dahingehend abgeändert, dass die Antragstellerin die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin zu tragen hat und die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für notwendig erklärt wird.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der Kosten des Verfahrens nach § 173 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 GWB sowie die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin.
Gründe
1
Die Antragsgegnerin schrieb mit Bekanntmachung vom 7. März 2022 im Amtsblatt der Europäischen Union Leistungen der Tragwerksplanung gemäß § 51 HOAI für den Neubau eines Schulzentrums im Verhandlungsverfahren mit Teilnahmewettbewerb aus. Zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollten maximal fünf Bewerber, die bei Punktgleichstand durch Los ausgewählt werden sollten.
2
Im Nachprüfungsverfahren wandte sich die Antragstellerin gegen eine Reihe von Vorgaben der Ausschreibung. Sie beanstandete unter anderem, dass die Anzahl der einzureichenden Referenzen unzulässig beschränkt worden sei, auch sei unklar, welche Folge es habe, wenn ein Bewerber mehr Referenzen vorlege. Vergaberechtswidrig sei von einer Beauftragung der Leistungsphase 1 abgesehen worden. Damit sei der spätere Auftragnehmer gezwungen, Leistungen unentgeltlich zu erbringen. Im Formblatt Honorarangebot seien nicht nachvollziehbare Angaben gemacht worden. Die Vergleichbarkeit der Angebote sei damit nicht mehr gewährleistet. Weitere Regelungen würden zu einer unangemessenen Benachteiligung und zu unzumutbar langen, einseitigen Bindungen für die Bewerber bzw. Bieter führen.
3
Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag mit Beschluss vom 3. November 2022 zurückgewiesen (Ziffer 1), da die Antragstellerin bei dem zwischenzeitlich durchgeführten Losentscheid nicht zur Angebotsabgabe ausgelost worden sei und etwaige Vergabeverstöße, die lediglich die Angebotsabgabe bzw. den späteren Vertrag beträfen, sie damit nicht in ihren Rechten verletzen könnten. Ihr sind die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin mit Ausnahme der Rechtsanwaltskosten auferlegt worden (Ziffer 2). Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Antragsgegnerin hat die Vergabekammer nicht für notwendig erachtet (Ziffer 4).
4
Eine anwaltliche Vertretung sei nicht erforderlich gewesen, weil sich der Vortrag der Antragsgegnerin im Wesentlichen darin erschöpft habe, den von ihr durchgeführten Teilnahmewettbewerb zu erörtern. Hierzu müsse die Antragsgegnerin, die über mehrere Vergabestellen mit ausgebildetem Personal, darunter im Vergaberecht tätige Juristen, verfüge, auch ohne anwaltliche Unterstützung in der Lage sein. Auf die komplexeren Fragen der Leistungsbestimmung sowie der Beschränkung der Anzahl der Referenzen sowie der Vertragsbestimmungen sei es im vorliegenden Nachprüfungsverfahren nicht entscheidungserheblich angekommen.
5
Beide Verfahrensbeteiligten haben gegen den Beschluss der Vergabekammer sofortige Beschwerde eingelegt. Die Antragstellerin hat die Durchführung eines neuen Teilnahmewettbewerbs mit grundlegend geänderten Vorgaben angestrebt. Nach Ablehnung ihres Antrags auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung ist der Zuschlag erteilt worden. Im Termin vom 19. April 2023 hat die Antragstellerin beantragt, ihre Rechtsverletzung festzustellen, und die sofortige Beschwerde schließlich zurückgenommen.
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Die Antragsgegnerin hat ihre sofortige Beschwerde aufrechterhalten.
7
Sie vertritt den Standpunkt, die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts sei für das Verfahren vor der Vergabekammer notwendig gewesen. Keineswegs habe sich das Nachprüfungsverfahren auf bloße Fragen zum Teilnahmewettbewerb beschränkt.
8
Vielmehr sei es der Antragstellerin in erster Linie darum gegangen, zu klären, ob Vertragsbedingungen der Vergabestelle durch die Vergabekammer überprüft und korrigiert werden könnten. Dabei handele es sich um eine noch weitgehend ungeklärte Frage, welche die Schnittstelle zwischen Vergaberecht und Vertragsvollzug betreffe. Die Antragsgegnerin sei in der Antragserwiderung auf sämtliche im Nachprüfungsantrag vom 12. April 2022 aufgeworfenen tatsächlichen und rechtliche Probleme eingegangen und habe hierauf auch eingehen müssen. Anfang Juni 2022 seien die Bieter über den zwischenzeitlich durchgeführten Losentscheid informiert worden. Erst mit rechtlichem Hinweis vom 5. August 2022 habe die Vergabekammer ihre vorläufige Rechtsauffassung mitgeteilt, dass der Nachprüfungsantrag wegen der nicht mehr möglichen Rechtsverletzung unbegründet sei, weil die Antragstellerin nach dem Ergebnis des inzwischen durchgeführten Losentscheids nicht zu den Bewerbern gehöre, die zur Abgabe eines Angebots aufgefordert werden sollten.
9
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 3. November 2022 (Az.: 3194.Z3-3_01-22-17) dahingehend abzuändern, dass die Hinzuziehung der anwaltlichen Bevollmächtigten durch die Antragsgegnerin für erforderlich erklärt und die Antragstellerin dazu verpflichtet wird, die notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin einschließlich der Kosten der Bevollmächtigten zu tragen.
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Die Antragstellerin beantragt die Zurückweisung der sofortigen Beschwerde.
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Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus, die Antragsgegnerin habe bereits in ihrer Antragserwiderung vom 9. Mai 2022 die Ansicht vertreten, dass sich das Vergabenachprüfungsverfahren durch den mit Losentscheid herbeigeführten Abschluss des Teilnahmewettbewerbs erledigt habe. Die Frage, ob damit auch die Antragsbefugnis der Antragstellerin und deren Chance auf Erteilung des Zuschlags erloschen seien, habe die Antragsgegnerin angesichts ihrer personellen Ausstattung mit zahlreichen im Vergaberecht tätigen Juristen auch ohne anwaltliche Vertretung beantworten können und müssen. Der weitere Vortrag der Antragsgegnerin in ihrer Antragserwiderung habe sich darauf beschränkt, die Entscheidungen, die sie bereits bei der Konzeption der Ausschreibung und während des Vergabeverfahrens getroffen habe, zu rechtfertigen.
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1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin ist zulässig, sie ist insbesondere fristgerecht eingelegt worden. Selbst wenn ihr der Beschluss der Vergabekammer bereits am 9. November 2022 zugestellt worden sein sollte, wie in der Beschwerdeschrift ausgeführt, und nicht erst am 14. November 2022, wie auf dem Empfangsbekenntnis vermerkt, wahrt die am 23. November 2022 beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangene Beschwerdeschrift die zweiwöchige Frist des § 172 Abs. 1 Satz 1 GWB. Es handelt sich damit nicht um eine bloße Anschlussbeschwerde, der durch die Rücknahme der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin der Boden hätte entzogen werden können.
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2. Entgegen der Ansicht der Vergabekammer ist die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten für das Vergabenachprüfungsverfahren durch die Antragsgegnerin als notwendig anzusehen.
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a) Nach § 182 Abs. 4 Satz 4 GWB in Verbindung mit Art. 80 Abs. 1, 2 und 3 Satz 2 BayVwVfG sind Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts erstattungsfähig, wenn die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig war.
15
Diese Frage ist unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls zu beantworten. Abzustellen ist darauf, ob der Beteiligte unter den Umständen des Falles auch selbst in der Lage gewesen wäre, auf Grund der bekannten oder erkennbaren Tatsachen den Sachverhalt zu erfassen, der im Hinblick auf eine (angebliche) Missachtung vergaberechtlicher Bestimmungen von Bedeutung ist, hieraus die für eine sinnvolle Rechtswahrung oder Rechtsverteidigung nötigen Schlüsse zu ziehen und das danach Gebotene gegenüber der Vergabekammer vorzutragen. Hierfür können neben Gesichtspunkten wie der Einfachheit oder Komplexität des Sachverhalts, der Überschaubarkeit oder Schwierigkeit der zu beurteilenden Rechtsfragen auch rein persönliche Umstände in der Person des Beteiligten maßgeblich sein, wie etwa seine sachliche und personelle Ausstattung (BGH, Beschluss vom 26. September 2006, X ZB 14/06, BGHZ 169, 131 Rn. 61). Die Einzelfallentscheidung ist auf der Grundlage objektiv anzuerkennender Erfordernisse im Rahmen einer ex-ante Prognose zu treffen (OLG Celle, Beschl. v. 5. November 2020, 13 Verg 7/20, juris Rn. 7), wobei ergänzend auch der Gesichtspunkt der prozessualen Waffengleichheit in die Prüfung einfließen kann (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. März 2021, Verg 10/20, juris Rn. 44; Beschluss vom 16. März 2020, Verg 38/18, juris Rn. 38 m. w. N.).
16
Dementsprechend wird von der Rechtsprechung die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts durch den öffentlichen Auftraggeber regelmäßig nicht für notwendig erachtet, wenn eine vergaberechtliche Angelegenheit lediglich einfache, auftragsbezogene Sach- und Rechtsfragen auf der Grundlage geklärter Rechtsgrundsätze aufwirft, deren Darlegung und Vertretung im Nachprüfungsverfahren von der Vergabestelle ohne Weiteres erwartet werden kann. Stehen dagegen nicht einfache, insbesondere rechtlich noch ungeklärte oder nicht dem klassischen Vergaberecht zuzurechnende Rechtsfragen im Streit, spricht dies tendenziell für die Notwendigkeit anwaltlicher Vertretung. Weitere Faktoren, die im Rahmen der gebotenen Einzelfallprüfung für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts sprechen können, sind der typische Zeitdruck im Nachprüfungsverfahren und eine besondere Bedeutung bzw. ein erhebliches Gewicht des zu vergebenden Auftrags (vgl. BayObLG, Beschluss vom 20. Oktober 2022, Verg 1/22, NZBau 2023, 347 Rn. 21 m. w. N.).
17
b) Nach diesen Grundsätzen war im vorliegenden Fall die Hinzuziehung eines anwaltlichen Verfahrensbevollmächtigten durch die Vergabestelle notwendig.
18
Die Antragstellerin machte mit ihrem Nachprüfungsantrag zahlreiche angeblich vorliegende, rechtlich nicht einfach zu beurteilende Vergabeverstöße geltend: Sie rügte die Beschränkung der Anzahl der einzureichenden Referenzen auf drei, die unterbliebene Ausschreibung der Leistungen der Leistungsphase 1 nach der HOAI, die Festlegung von Maximalstundensätzen, nicht nachvollziehbare und intransparente Angaben im Formblatt „Honorarangebot“ sowie die in den Vertragsbedingungen enthaltene Regelung, wonach die Antragsgegnerin berechtigt sein sollte, die Leistungen der Leistungsphasen 3 bis 6 jeweils als einzelne Stufe in Auftrag zu geben und den Auftragnehmer innerhalb einer Frist von 24 Monaten nach Fertigstellung der jeweils zuletzt übertragenen Leistung zu deren Ausführung zu verpflichten. Zu Recht weist die Antragsgegnerin darauf hin, dass ein erheblicher Teil der von der Antragstellerin erhobenen Rügen die noch weitgehend ungeklärte Rechtsfrage betraf, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Vertragsbedingungen zur Überprüfung durch die Vergabekammer gestellt werden können.
19
Zwar hat sich die Antragsgegnerin bei der Vergabekammer auch damit verteidigt, dass das Ergebnis des Losentscheids, bei dem die Antragstellerin nicht zur Angebotsabgabe ausgewählt worden war, etwaigen Rügen die Grundlage entzogen habe. Abgesehen davon, dass für die Antragsgegnerin zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Mandatierung eines Rechtsanwalts nicht vorhersehbar war, wie die Vergabekammer die Rechtslage im Hinblick auf den durchgeführten Losentscheid beurteilen wird, war es sachgerecht, im Nachprüfungsverfahren gegen die grundlegenden und rechtlich umstrittenen Einwände der Antragstellerin gegen zahlreiche Vorgaben der Ausschreibung anwaltliche Unterstützung in Anspruch zu nehmen.
20
Ergänzend ist zu bemerken, dass sich infolge der Durchführung des Losentscheids, mit dem die Antragsgegnerin nach Ansicht der Antragstellerin den unzulässigen Versuch unternommen hatte, während des laufenden Nachprüfungsverfahrens „vollendete Tatsachen“ zu schaffen, die rechtlichen Diskussionen sogar noch ausgeweitet hat. Der Nachprüfungsantrag hatte sich, wie die Vergabekammer zutreffend erkannt hat, durch den Losentscheid nicht erledigt; die Auswahl derjenigen Bewerber, welche zur Angebotsabgabe aufgefordert werden sollten, konnte vielmehr grundsätzlich durch Zurückversetzung des Vergabeverfahrens in den Stand vor Abschluss des Teilnahmewettbewerbs wieder aufgehoben werden, wenn dies zur Behebung eines geltend gemachten Verfahrensverstoßes geboten war. Das wäre etwa der Fall gewesen, wenn es an einer tragfähigen Auswahl der zur Angebotsabgabe ausgewählten Bewerber gefehlt hätte. Zudem stellte sich die rechtlich schwierige Problematik, ob einzelne Rügen im zweistufigen Verhandlungsverfahren im Falle ihrer sachlichen Berechtigung trotz des fehlenden Losglücks der Antragstellerin eine Zurückversetzung in das Stadium vor Durchführung des Teilnahmewettbewerbs erfordern oder nicht. Auch hat die Antragstellerin noch in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat betont, dass sie eine grundlegende rechtliche Klärung zahlreicher, von ihr aufgeworfener Fragen anstrebt, da sie immer wieder mit – ihrer Ansicht nach – unzulässigen Bedingungen bei der Ausschreibung von Tragwerksplanungsleistungen konfrontiert sei.
21
Das von der Antragstellerin eingeleitete Nachprüfungsverfahren hatte damit von Anfang an nicht nur einfache, üblicherweise bekannte und geklärte Rechtsfragen zum Gegenstand, zu denen die Antragsgegnerin als große Kommune im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens auch ohne anwaltlichen Beistand ausreichend fundiert hätte Stellung beziehen können.
22
1. Der Antragstellerin sind die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin ohne die von der Vergabekammer ausgesprochene Einschränkung aufzuerlegen (§ 182 Abs. 3 Satz 5, Abs. 4 GWB). Die Vergabekammer hat den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin zu Recht zurückgewiesen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Gründe der Beschlüsse vom 20. Januar und 8. Februar 2023 verwiesen, mit denen der Senat die beantragte Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Antragstellerin abgelehnt hat.
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2. Im Übrigen beruht die Kostenentscheidung auf § 175 Abs. 2, § 71 GWB.
24
Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands entspricht es billigem Ermessen, die Kosten des Beschwerdeverfahrens vollumfänglich der Antragstellerin aufzuerlegen. Mit ihrem bis zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat verfolgten Rechtsschutzziel wäre die Antragstellerin aus den in den vorgenannten Beschlüssen dargelegten Gründen voraussichtlich auch im Beschwerdeverfahren unterlegen. Die Erfolgsaussichten des im Termin gestellten Feststellungsantrags hat der Senat, wie in der mündlichen Verhandlung näher erläutert, vor allem wegen des nach vorläufiger rechtlicher Würdigung fehlenden Feststellungsinteresses als gering eingestuft. Nähere Ausführungen hierzu sind entbehrlich, weil sich die Antragstellerin durch die Beschwerderücknahme in die Rolle der Unterlegenen begeben hat (vgl. BayObLG, Beschluss vom 5. August 2022, Verg 7/22, juris Rn. 7).