Inhalt

VGH München, Beschluss v. 22.05.2023 – 6 CE 23.468
Titel:

Erfolgreiche Konkurrentenklage wegen unzureichend begründeter dienstlicher Beurteilung

Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 123, § 146
Leitsätze:
1. Der bloße Hinweis auf den Quervergleich mit den übrigen zur Vergleichsgruppe gehörenden Beamten, mit denen der Antragsteller in Konkurrenz steht, kann eine Abweichung von der vorbereitenden Stellungnahme durch den Fachvorgesetzten in drei von sechs Beurteilungskriterien nicht begründen, wenn der Antragsteller im Vergleich zu seinem Statusamt deutlich höherwertig eingesetzt wurde (laufbahnübergreifend um 2 Besoldungsstufen) und der Abstand etwa zum Arbeitsposten des ausgewählten Beigeladenen nur eine weitere Stufe innerhalb derselben Laufbahn betrug. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Es ist nach allgemeiner Erfahrung grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Beamter, der die Aufgaben eines Dienst- oder Arbeitspostens „sehr gut“ erfüllt, der einer (deutlich) höheren Besoldungsgruppe zugeordnet ist, als sie seinem Statusamt entspricht, die (wesentlich) geringeren Anforderungen seines Statusamts in mindestens ebenso sehr guter Weise erfüllt. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bundesbeamtenrecht, Telekom, Konkurrentenstreit, Beförderungsrunde 2022/2023 (Beförderungsamt A 9 vz+Z), Dienstliche Beurteilung, Abweichung von der Leistungsbeurteilung des Fachvorgesetzten, Quervergleich, Begründungsmangel, Höherwertiger Einsatz innerhalb der eigenen Laufbahngruppe, Berücksichtigung allgemeiner Wertungsgrundsätze, Auswahl zumindest möglich, Beurteilung, Abweichung, Vorgesetzter, höherwertiger Einsatz, Auswahl
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 06.02.2023 – M 21b E 22.5595
Fundstelle:
BeckRS 2023, 12090

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 6. Februar 2023 – M 21b E 22.5595 – geändert.
Der Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung untersagt, die letzte im Rahmen der Beförderungsrunde 2022/2023 zu besetzende Planstelle der Besoldungsgruppe A 9_vz+Z an den ausgewählten Konkurrenten auf der Beförderungsliste „Beteiligung extern _Vodafone_T` zu vergeben und diesen in die entsprechende Planstelle einzuweisen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden wurde.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selber trägt.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 12.601,02 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Zusammenhang mit einer beamtenrechtlichen Beförderungsentscheidung.
2
Er steht als Beamter auf Lebenszeit (Technischer Fernmeldebetriebsinspektor, Besoldungsgruppe A 9 vz BBesO) im Dienst der Antragsgegnerin, ist bei dem Postnachfolgeunternehmen Deutsche Telekom AG (im Folgenden Telekom) beschäftigt und zur Ausübung einer entsprechend der Besoldungsgruppe A 11 bewerteten Tätigkeit eines Servicetechniker NE2 bei der V. GmbH beurlaubt. Mit der dienstlichen Beurteilung vom 8. Juni 2022 für den Beurteilungszeitraum 1. September 2019 bis 31. August 2021 erhielt er das Gesamturteil „Gut“ mit der Ausprägung „++“. Sein hiergegen erhobener Widerspruch wurde mit Bescheid der Antragsgegnerin zurückgewiesen. Dagegen hat der Antragsteller Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
3
Bei der Beförderungsrunde 2022/2023 konkurrieren der Antragsteller und 24 weitere Beamte auf der Beförderungsliste „Beteiligung extern _Vodafone_T“ um eine von 3 Planstellen zur Beförderung auf ein nach A9_vz+Z bewertetes Amt. Mit Schreiben vom 27. Oktober 2022 teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit, dass er mit dem Ergebnis „gut ++“ geführt werde. Seine Beförderung in dieser Beförderungsrunde sei nicht möglich, weil nur solche Beamte zum Zuge kommen könnten, die mit dem Gesamturteil „sehr gut“ mit der Ausprägung „++“ beurteilt worden seien. Über den hiergegen erhobenen Widerspruch ist noch nicht entschieden.
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Am 11. November 2022 hat der Antragssteller zudem beim Verwaltungsgericht München einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt und zuletzt beantragt, der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die letztgereihte Planstelle an den ausgewählten Konkurrenten zu vergeben und diesen in die entsprechende Planstelle einzuweisen, bis über die Bewerbung des Antragstellers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut entschieden wurde. Das Verwaltungsgericht hat diesen Antrag mit Beschluss vom 6. Februar 2023 mangels Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs abgelehnt. Gegen die der Auswahlentscheidung zugrundeliegenden dienstlichen Beurteilungen des Antragstellers und des Beigeladenen bestünden keine rechtlichen Bedenken. Die Regelbeurteilung des Antragstellers beruhe auf einer ausführlichen und hinreichend aussagekräftigen Stellungnahme seiner unmittelbaren Führungskraft und sei plausibel hieraus entwickelt. Die textlichen Erläuterungen in der Beurteilung zu den Einzelmerkmalen gäben den Sinngehalt der textlichen Erläuterungen in der Stellungnahme der unmittelbaren Führungskraft durchaus wieder. Dass die Beurteiler bei den Einzelmerkmalen „Allgemeine Befähigung“, „Soziale Kompetenzen“ und „Wirtschaftliches Handeln“ eine Herabstufung von „Sehr gut“ auf „Gut“ vorgenommen hätten, lasse keine Rechtsfehler zum Nachteil des Antragstellers erkennen, da dies ausreichend mit dem Ergebnis des Quervergleichs mit den anderen auf derselben Beurteilungsliste geführten Beamten begründet worden sei. Auch das Gesamturteil „Gut“ mit der Ausprägung „++“ sei in der erforderlichen Weise auf die Anforderungen für das Statusamt (A9 vz) bezogen und plausibel aus den Bewertungen der Einzelmerkmale entwickelt sowie begründet. Die Vergabe der Gesamtnote „Gut“ mit der Ausprägung „++“ halte sich im Rahmen des den Beurteilern zustehenden Beurteilungsspielraums. Greifbare Mängel hinsichtlich der Beurteilung des Beigeladenen habe der Antragsteller nicht vorgebracht.
5
Der Antragsteller hat hiergegen Beschwerde eingelegt, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt. Die Antragsgegnerin widersetzt sich der Beschwerde. Der Beigeladene hat ebenfalls die Zurückweisung der Beschwerde beantragt und dazu insbesondere auf seinen Einsatz auf einem noch höherwertigeren Arbeitsposten (Entgeltgruppe TG8 – entspricht BesGr. A 12) hingewiesen.
II.
6
Die Beschwerde des Antragstellers hat Erfolg.
7
Die Gründe‚ die der Antragsteller mit der Beschwerde innerhalb der Frist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO dargelegt hat und auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), führen zu einer Änderung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht‚ dass durch die Besetzung des in Streit stehenden Beförderungs(status) amts mit dem Beigeladenen die Verwirklichung eigener Rechte, nämlich des in Art. 33 Abs. 2 GG verankerten Bewerbungsverfahrensanspruchs, vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Die der Auswahlentscheidung zugrundeliegende dienstliche Beurteilung des Antragstellers vom 8. Juni 2022 für den Beurteilungszeitraum 1. September 2019 bis 31. August 2021 ist rechtswidrig, weil die Beurteiler bei drei der insgesamt sechs zu bewertenden Einzelkriterien die Notenvergabe nicht plausibel und nachvollziehbar begründet (a) und darüber hinaus auch allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet haben (b).
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a) Die Beurteiler sind bei der Bewertung von drei Einzelkriterien von dem herangezogenen Beurteilungsbeitrag des Fachvorgesetzten abgewichen, ohne dies in der gebotenen Weise plausibel und nachvollziehbar zu begründen.
10
aa) Bei den von Art. 33 Abs. 2 GG erfassten Auswahlentscheidungen, wie hier der Vergabe eines nach Besoldungsgruppe A9_vz+Z bewerteten Beförderungsamts, muss der Leistungsvergleich anhand aussagekräftiger, d.h. aktueller, hinreichend differenzierter und auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhender dienstlicher Beurteilungen vorgenommen werden.
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Die dienstliche Beurteilung eines Beamten ist ein von der Rechtsordnung dem Dienstherrn vorbehaltener Akt wertender Erkenntnis. Nur der Dienstherr oder der für ihn handelnde jeweilige Vorgesetzte sollen ein persönlichkeitsbedingtes Werturteil darüber abgeben, ob und inwieweit der Beamte den – ebenfalls grundsätzlich vom Dienstherrn zu bestimmenden – zahlreichen fachlichen und persönlichen Anforderungen seines Amtes und seiner Laufbahn entspricht. Die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung hat sich deshalb darauf zu beschränken, ob der Dienstherr den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem er sich bewegen kann, verkannt, ob er einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt, allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt hat. Hat der Dienstherr Richtlinien über die Erstellung dienstlicher Beurteilungen erlassen (hier: Beurteilungsrichtlinien für die bei der Deutschen Telekom AG beschäftigten Beamtinnen und Beamten vom 19.12.2013 in der Fassung vom 9.6.2021), sind die Beurteiler auf Grund des Gleichheitssatzes hinsichtlich des anzuwendenden Verfahrens und der anzulegenden Maßstäbe an diese Richtlinien gebunden. Das Gericht hat deshalb auch zu kontrollieren, ob die Richtlinien eingehalten sind, ob sie im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung verbleiben und ob sie auch sonst mit den gesetzlichen Vorschriften in Einklang stehen (ständige Rechtsprechung, z.B. BVerwG, U.v. 11.12.2008 – 2 A 7.08 – ZBR 2009, 196/197; BayVGH, B.v. 5.3.2012 – 6 ZB 11.2419 – juris Rn. 4; B.v. 3.6.2015 – 6 ZB 14.312 – juris Rn. 5).
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bb) Das Beurteilungssystem nach den Regelungen der „Beurteilungsrichtlinien für die bei der Deutschen Telekom AG beschäftigten Beamtinnen und Beamten“ gestaltet sich im Kern wie folgt: Die unmittelbare Führungskraft des Beamten fertigt eine vorbereitende Stellungnahme, die die auf dem (unter Umständen höherwertigen) Arbeitsposten gezeigten Leistungen des Beamten an den dortigen Anforderungen – und nicht am Statusamt – misst und für sechs oder ggf. sieben Einzelkriterien unter Beifügung von begründenden Kurztexten jeweils Noten aus einem fünfstufigen, nicht weiter ausdifferenzierten Notensystem mit „sehr gut“ als bester Note vergibt. Auf der Grundlage dieser Stellungnahme erstellen die Beurteiler unter Berücksichtigung der Anforderungen des statusrechtlichen Amts und der konkreten Tätigkeiten die dienstliche Beurteilung. Hierbei sind die Einzelkriterien mittels des geschilderten fünfstufigen Notensystems zu bewerten. Die Beurteilung führt sodann zu einem Gesamturteil zu Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung, für das ein abweichendes, um die Notenstufe „Hervorragend“ nach oben erweitertes sechsstufiges Notensystem gilt, bei dem zudem jede Notenstufe in drei Ausprägungsgrade („Basis“, „+“ und „++“) aufgefächert ist. Nach welchem Maßstab der Vorgang der „Übersetzung“ der Einzelbewertungen in ein Gesamturteil zu erfolgen hat, ist nicht abstrakt vorgegeben. Aus diesem Grund muss die Vergabe des Gesamturteils einschließlich des (für Beförderungschancen relevanten) Ausprägungsgrades in jeder dienstlichen Beurteilung ausgehend von den Umständen des jeweiligen Einzelfalles nachvollziehbar begründet werden.
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Da die Beurteiler im Beurteilungssystem der Telekom (im Regelfall) die Leistungen der zu beurteilenden Beamten nicht aus eigener Anschauung kennen, müssen sie auf die Stellungnahmen der jeweiligen Fachvorgesetzten zurückgreifen, um ihrer Beurteilung eine aussagekräftige Tatsachengrundlage zugrunde legen zu können. Nur diese Informationen erlauben es den Beurteilern, die in der Beurteilung zu bewertenden Elemente der Eignung, Befähigung und Leistung (Art. 33 Abs. 2 GG) zutreffend zu erfassen. Die Beurteilungsbeiträge sind daher unverzichtbare Grundlage der Beurteilung und müssen bei der Ausübung des Beurteilungsspielraums berücksichtigt, d.h. zur Kenntnis genommen und bedacht werden. Der Beurteiler ist allerdings an die Feststellungen und Bewertungen des unmittelbaren Vorgesetzten nicht in der Weise gebunden, dass er sie in seine Beurteilung unverändert übernehmen müsste. Er kann vielmehr insbesondere unter Berücksichtigung der Wertigkeit der Beschäftigung im Vergleich zu derjenigen der übrigen Mitglieder der Vergleichsgruppe zu abweichenden Erkenntnissen gelangen, um leistungsgerecht abgestufte und untereinander vergleichbare Beurteilungen zu erreichen. Der Beurteilungsspielraum wird jedoch nur dann rechtmäßig ausgeübt, wenn der Beurteiler die Beurteilungsbeiträge in seine Überlegungen einbezieht und Abweichungen nachvollziehbar begründet (vgl. BVerwG, U.v. 27.11.2014 – 2 A 10.13 – juris Rn. 24 f. m.w.N.; BayVGH, B.v. 12.11.2015 – 6 CE 15.2031 – juris Rn. 14; B.v. 24.9.2019 – 6 CE 19.1749 – juris Rn. 11).
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Ist der zu beurteilende Beamte im Beurteilungszeitraum zudem höherwertig eingesetzt gewesen, macht die gebotene Berücksichtigung dieses ohne Weiteres beurteilungsrelevanten Umstands den angesprochenen Übersetzungsvorgang noch deutlich komplexer: Die Beurteiler müssen in diesem Fall die auf dem höherwertigen Arbeitsposten erbrachten und vom Fachvorgesetzten an dessen Anforderungen gemessenen Leistungen des Beamten erst zu den abstrakten Anforderungen des von ihm innegehabten Statusamts in Beziehung setzen und sodann den in der Notenskala zum einen für die Einzelmerkmale und zum anderen für das Gesamturteil der Beurteilung geltenden Bewertungsstufen zuordnen. Die entsprechenden Überlegungen der Beurteiler müssen dabei in der Beurteilung nachvollzieh- und überprüfbar gemacht werden (vgl. OVG NW, B.v. 13.5.2020 – 1 B 1038/19 – juris Rn. 14f.).
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cc) Diesen Vorgaben wird die Regelbeurteilung des Antragstellers vom 8. Juni 2020 entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht gerecht. Die Bewertung der Einzelkriterien und damit auch das Gesamturteil halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Die Beurteiler sind bei drei Einzelkriterien zum Nachteil des Antragstellers von der vorbereitenden Stellungnahme durch den Fachvorgesetzten abgewichen, ohne das plausibel und nachvollziehbar zu begründen.
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Von seinem Fachvorgesetzten wird dem Antragsteller mit für sich betrachtet hinreichend aussagekräftiger und plausibler Begründung attestiert, seine dem Statusamt A 11 entsprechende und damit das Statusamt (A 9) um zwei Besoldungsgruppen „übersteigende“ Tätigkeit in allen sechs zu betrachtenden Kriterien „sehr gut“ auszuüben. Die Beurteiler haben sich bei ihrer Bewertung der Einzelkriterien zwar eng an die im Beurteilungsbeitrag verwendeten Formulierungen angelehnt und deren Sinngehalt übernommen. Sie haben jedoch nur bei drei Kriterien (Arbeitsergebnisse, praktische Arbeitsweise, fachliche Kompetenz) entsprechend der Einschätzung des unmittelbaren Vorgesetzten die Bestnote „sehr gut“ vergeben. Hinsichtlich der Bewertung der übrigen drei Merkmale (allgemeine Befähigung, soziale Kompetenz, wirtschaftliches Handeln) sind die Beurteiler der Einschätzung der Führungskraft hingegen nicht gefolgt und haben diese jeweils auf die zweitbeste Note „gut“ herabgestuft. Solche Abweichungen von größerem Gewicht bedürfen einer nachvollziehbaren Begründung (vgl. BayVGH, B.v. 21.2.2023 – 6 CE 22.2587 – Rn. 20; OVG Bremen, B.v. 12.11.2018 – 2 B 167/18 – juris Rn. 11 m.w.N.). Dazu haben die Beurteiler jeweils ausgeführt, eine bessere Beurteilung der Einzelleistung sei in Anbetracht der erzielten Ergebnisse der Beamtinnen und Beamten, die auf derselben Beurteilungsliste zu vergleichen seien, nicht möglich; in der Begründung des Gesamturteils wird ergänzend ausgeführt, dass eine Absenkung bei den Merkmalen vorgenommen werde, die weniger tätigkeitsbezogen seien. Ein solcher pauschaler Quervergleich reicht zur Begründung der Abweichung im konkreten Fall nicht aus.
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Grundsätzlich ist es allerdings möglich, Bewertungsunterschiede zwischen Beurteilungsbeitrag und Beurteilung auch hinsichtlich der Note in bestimmten Einzelkriterien mit einem – nur bei der Erstellung der dienstlichen Beurteilung vorzunehmenden – Quervergleich mit den übrigen zur Vergleichsgruppe gehörenden Beamten, mit denen der Antragsteller in Konkurrenz steht, zu begründen (vgl. BVerwG, U.v. 17.9.2020 – 2 C 2.20 – juris Rn. 40; BayVGH, B.v. 24.9.2019 – 6 CE 19.1749 – juris Rn. 14 m.w.N.; OVG NW, B.v. 22.12.2014 – 6 A 1123/14 – juris; B.v. 28.4.2010 – 6 A 676/08 – juris Rn. 7). Im Quervergleich ist besonders zu berücksichtigen, wie sich ein höherwertiger Einsatz des zu beurteilenden Beamten zum Grad der höherwertigen Tätigkeit anderer im selben Statusamt zu Beurteilenden verhält (vgl. BayVGH, B.v. 26.8.2019 – 6 CE 19.1409 – juris Rn. 16 m.w.N.). Dabei dürfen die Anforderungen an die Abweichungsbegründung – zumal mit Blick auf die dienstrechtlichen Besonderheiten bei den Postnachfolgeunternehmen – nicht überspannt werden. Aus diesem Grund hat der Senat einen nicht näher spezifizierten Hinweis auf noch bessere Leistungen anderer Konkurrenten als Begründung für eine Notenabsenkung bei der Beurteilung von Einzelkriterien in bestimmten Fällen ausreichen lassen (vgl. BayVGH, B.v. 24.9.2019 – 6 CE 19.1749 – juris Rn. 13).
18
Im vorliegenden Fall kann der bloße Hinweis auf den Quervergleich die Abweichung jedoch nicht begründen, weil der Antragsteller selbst im Beurteilungszeitraum bereits im Vergleich zu seinem Statusamt deutlich höherwertig eingesetzt wurde (laufbahnübergreifend um 2 Besoldungsstufen) und der Abstand etwa zum Arbeitsposten des ausgewählten Beigeladenen nur eine weitere Stufe innerhalb derselben Laufbahn betrug.
19
Der dienstlichen Beurteilung des Antragstellers lässt sich schon nicht hinreichend plausibel entnehmen, warum die Einschätzung der Führungskraft wegen des Quervergleichs bei drei von sechs Einzelkriterien ohne Einschränkung übernommen wurde (Arbeitsergebnisse, praktische Arbeitsweise, fachliche Kompetenz), bei den anderen drei Kriterien hingegen nicht (allgemeine Befähigung, soziale Kompetenz, wirtschaftliches Handeln). Dass letztere im Vergleich zu ersteren weniger tätigkeitsbezogen sind, kann die Absenkung auch im Quervergleich nicht schlüssig begründen.
20
Die Absenkung der Einzelnoten finden zudem in der jeweiligen verbalen Erläuterung keine hinreichende Stütze. Im Gegenteil unterscheiden sich die Einzelbegründungen zu den drei Merkmalen (allgemeine Befähigung, soziale Kompetenzen und wirtschaftliches Handeln) weder in der der Wortwahl noch der Sache nach wesentlich von der jeweiligen Stellungnahme des Fachvorgesetzten und bescheinigen dem Antragsteller auch insoweit ein sehr gutes – und nicht nur „gutes“ – Leistungsbild. So wird in den Erläuterungen zum Kriterium „Allgemeine Befähigung“ ausgeführt, aufgrund seiner „bemerkenswerten Auffassungsgabe“ könne sich der Antragsteller „schnell in neue Themen einarbeiten und komplexe Sachverhalte eigenständig mit sehr guten Ergebnissen lösen“ und dabei „seine Gestaltungsmöglichkeiten optimal nutzen“. Er werde den Anforderungen, die an seine – deutlich höherwertige – Funktion gestellt würden, „jederzeit in sehr hohem Maße gerecht“; auch unter Zeitdruck „bewältige er seine Aufgaben sehr gut“ und er „überzeuge mit einer bemerkenswerten Belastbarkeit“. Er zeige eine „stets weit überdurchschnittliche Leistungsbereitschaft“. Im Hinblick auf das Kriterium „Soziale Kompetenzen“ attestieren die Beurteiler dem Antragsteller, ein „sehr geschätzter, sehr hilfsbereiter, zuverlässiger und kompetenter und bemerkenswert professioneller Ansprechpartner zu sein. In der Leistungsbeschreibung zum Einzelkriterium „Wirtschaftliches Handeln“ bescheinigen die Beurteiler dem Antragsteller eine „sehr gute kaufmännische Betrachtungsweise“, „ausgesprochen hohe Effizienz“ und ein „auffallendes Kostenbewusstsein“.
21
Angesichts des so beschriebenen, deutlich überdurchschnittlichen Leistungsbildes ist es auch im Hinblick auf einen Quervergleich nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen der Antragsteller gemessen an seinem Statusamt gerade bei den in Rede stehenden drei Einzelkriterien abweichend vom Beurteilungsbeitrag nur mit der Note „gut“ und nicht mit „sehr gut“ bewertet worden ist. Im Vergleich mit der Beurteilung des um eine weitere Besoldungsstufe (A 12) höherwertig eingesetzten Beigeladenen ergeben sich keine Unterschiede in der Leistungsbeschreibung, die eine Notenabsenkung bei den drei „weniger tätigkeitsbezogenen“ Einzelmerkmalen rechtfertigen können. Die Beurteilungsrichtlinien bieten den Beurteilern anderweitige Möglichkeiten, dem Ausmaß des Auseinanderfallens von Statusamt und Arbeitsposten beim Quervergleich sachgerecht Rechnung zu tragen. Denn sie lassen für das Gesamturteil im Vergleich zu den Beurteilungsmöglichkeiten der Einzelkriterien eine weitaus differenziertere Aussage im überdurchschnittlichen Leistungsbereich zu (vgl. BayVGH, B.v. 24.9.2019 – 6 CE 19.1749 – juris Rn. 20). So ist die beste (von fünf) Notenstufe „sehr gut“ bei einem Einzelmerkmal von ihrem Gewicht keineswegs gleichbedeutend mit der besten (von sechs) Notenstufe „hervorragend“ bei dem Gesamturteil, sondern kann mehr oder weniger deutlich geringer zu bewerten sein. Insoweit kommt es vorrangig auf den Vergleich der jeweils konkurrierenden Beamten, den Wortlaut der verbalen Umschreibungen der Führungskräfte sowie in besonderem Maße der Wertigkeit der jeweiligen Beschäftigung an.
22
b) Die Beurteiler haben zugleich bei der – vorrangig am Maßstab des Statusamts erfolgenden – Beurteilung der drei Einzelkriterien allgemeine Befähigung, soziale Kompetenz und wirtschaftliches Handeln die allgemein gültigen Wertmaßstäbe nicht beachtet.
23
Denn es besteht der allgemeine Erfahrungssatz, dass mit einem höheren Statusamt die Wahrnehmung höherwertiger Aufgaben verbunden ist, die im allgemeinen gegenüber einem niedrigeren Statusamt gesteigerte Anforderungen beinhalten und mit einem größeren Maß an Verantwortung verbunden sind (vgl. nur BayVGH, B.v. 20.8.2020 – 6 B 18.2657 – juris Rn. 22 m.w.N.). Es ist deshalb grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Beamter, der die Aufgaben eines Dienst- oder Arbeitspostens „sehr gut“ erfüllt, der einer (deutlich) höheren Besoldungsgruppe zugeordnet ist, als sie seinem Statusamt entspricht, die (wesentlich) geringeren Anforderungen seines Statusamts in mindestens ebenso sehr guter Weise erfüllt. Sollte es im Einzelfall Gründe geben, aus denen diese Annahme nicht gerechtfertigt wäre, müsste das nachvollziehbar und plausibel begründet werden (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2016 – 6 CE 16.240 – juris Rn. 11; OVG NW, B.v. 18.6.2015 – 1 B 146/15 – juris Rn. 35).
24
Diesen allgemeinen Grundsatz haben die Beurteiler im Fall des Antragstellers nicht beachtet, und das – deutliche – Auseinanderfallen von Statusamt (Besoldungsgruppe A9_vz) und tatsächlich wahrgenommener Tätigkeit (TG7, entspricht A 11) bei dem Rückgriff auf die allein am Arbeitsposten ausgerichtete Stellungnahme der unmittelbaren Führungskraft unzureichend berücksichtigt. Den Begründungen zu den Abweichungen von der Leistungsbewertung des Fachvorgesetzten ist dazu nichts Stichhaltiges zu entnehmen.
25
2. Der Antragsteller kann auch eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, da seine Aussichten, bei einer erneuten, die aufgezeigten Rechtsfehler vermeidenden Auswahlentscheidung ausgewählt zu werden, offen sind, d.h. dass seine Auswahl zumindest möglich erscheint.
26
Die Anforderungen an einen Erfolg des unterlegenen Bewerbers dürfen nicht überspannt werden (vgl. BVerfG‚ B.v. 16.12.2015 – 2 BvR 1958/13 – ZBR 2016, 128 Rn. 57; BVerwG‚ B.v. 22.11.2012 – 2 VR 5.12 – juris Rn. 22; BayVGH‚ B.v. 3.6.2015 – 6 ZB 14.312 – juris Rn. 10 m.w.N.). Ergibt allerdings die wertende Betrachtung aller Umstände des Einzelfalls klar erkennbar, dass der Rechtsschutzsuchende auch im Falle einer rechtsfehlerfrei vorgenommenen Auswahlentscheidung im Verhältnis zu den Mitbewerbern chancenlos sein wird, eine realistische und nicht nur theoretische Beförderungschance also nicht gegeben ist, kann ein Anspruch auf eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung nicht bestehen.
27
Eine solche realistische Beförderungschance kann dem Antragsteller jedoch nicht abgesprochen werden. Er ist insbesondere im Verhältnis zum Beigeladenen nicht von vornherein als chancenlos anzusehen. Es erscheint durchaus möglich, dass auch der Antragsteller bei einer erneuten Erstellung seiner dienstlichen Beurteilung die nächsthöhere Gesamtnote „sehr gut“ mit der höchsten Ausprägung erreicht. Auch in Anbetracht der um eine Besoldungsstufe (innerhalb derselben Laufbahngruppe) höherwertigen Verwendung des Beigeladenen ist es keineswegs ausgeschlossen, dass sich der Antragsteller dann gegenüber dem Beigeladenen durchsetzt. Denn aufgrund des Gewichtungsspielraums lässt sich nicht hinreichend sicher prognostizieren, wie sich die (geringe) Höherwertigkeit der Tätigkeit des Beigeladenen letztlich tatsächlich auswirken wird.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.
29
Der Streitwert in einem beamtenrechtlichen Konkurrenteneilverfahren, das auf die vorläufige Freihaltung der zu besetzenden Beförderungsstelle(n) durch Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichtet ist, bemisst sich nach neuerer Rechtsprechung des Senats nach § 52 Abs. 6 Satz 4 GKG und beträgt ein Viertel der für ein Kalenderjahr in dem angestrebten Amt zu zahlenden Bezüge nach Maßgabe von § 52 Abs. 6 Sätze 1 bis 3 GKG. Die beantragte Zahl der freizuhaltenden Stellen wirkt sich grundsätzlich nicht streitwerterhöhend aus (BayVGH, B.v. 24.10.2017 – 6 C 17.1429 – juris).
30
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).