Titel:
Keine „vorläufige“ Ernennung zum Beamten
Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
BBG § 9
Leitsatz:
Mit dem Begehren, im Wege der einstweiligen Anordnung in das Beamtenverhältnis auf Probe übernommen zu werden, wird eine unzulässige Vorwegnahme der Hauptsache erstrebt. Eine „vorläufige“ Ernennung zum Beamten ist im Beamtenrecht nicht vorgesehen und das Abwarten einer Hauptsacheentscheidung zumutbar. (Rn. 18 und 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einstweiliger Rechtsschutz auf Übernahme in das Probebeamtenverhältnis, charakterliche Eignung, Polizeivollzugsbeamter, fehlender Anordnungsgrund, Vorwegnahme der Hauptsache
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 24.05.2023 – 6 CE 23.613
Fundstelle:
BeckRS 2023, 12085
Tenor
1. Der Antrag wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 15.688,74 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die einstweilige Übernahme in den mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei.
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Der Antragsteller wurde mit Wirkung zum 01.09.2020 als Polizeimeisteranwärter (PMA) in das Beamtenverhältnis auf Widerruf bei der Antragsgegnerin berufen. Im Rahmen eines gegen ihn am 08.11.2022 eingeleiteten Disziplinarverfahren wurde ihm Nachfolgendes zur Last gelegt:
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Aufgrund anderweitiger Ermittlungen wurde das Mobiltelefon des Auszubildenden PMA R. durch die Landespolizei ... ausgewertet. Im Zuge dieser Auswertung wurden WhatsApp-Gruppenchats bekannt, in welchen unterschiedliche Bildnisse mit diskriminierenden Darstellungen gegen Menschen mit Migrationshintergrund oder Behinderung verbreitet und ausgetauscht wurden. Der Antragsteller war Mitglied in der WhatsApp-Gruppe mit dem Titel „…“. Weitere Mitglieder waren PMA R., PMA J. und PMA N.
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Am 04.04.2021 postete PMA N. um 11:16:22 Uhr einen Sticker, der einen dunkelhäutigen Jungen in einem blauen Pullover zeigt. Auf dem Pullover ist der Text: „Wer’s pflückt, darf’s auch tragen“ zu lesen. Weiterhin fragt PMA N., „Habt ihr auch nice Sticker?“. Der Antragsteller reagierte mit der ihm zuzuordnenden Rufnummer um 11:17:59 Uhr mit einem lachenden Smiley. Auf die Reaktion des PMA N. um 11:19:04 Uhr „Das war ne Frage …“, antwortete der Antragsteller um 11:19:32 Uhr „Ach was (lachendes Smiley), nein“. Weiterhin war der Antragsteller Mitglied in der WhatsApp-Gruppe mit dem Titel „…“. Am 01.06.2021 um 16:55:27 Uhr postete der Antragsteller in dieser Gruppe einen Sticker. Dieser zeigte eine korpulente weiße Frau, welche von einem dunkelhäutigen Mann von hinten umarmt wird. Überschrieben ist dieser Sticker mit „Alles für Deutschepass“.
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Dieser Sachverhalt begründete aus Sicht der Antragsgegnerin den Verdacht, dass der Antragsteller gegen die Pflicht zur Verfassungstreue gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) sowie gegen die Wohlverhaltenspflicht gemäß § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG (Pflicht zum inner- und außerdienstlichen achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten) verstoßen habe.
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Mit Schreiben der Direktion der Bundesbereitschaftspolizei vom 05.02.2023 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass er nach abgeschlossener Laufbahnausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei kraft Gesetzes (§ 37 Abs. 2 Nr. 1 BBG i.V.m. § 2 des Bundespolizeibeamtengesetzes – BPolBG –) entlassen sei und nicht beabsichtigt sei, ihn in ein Beamtenverhältnis auf Probe wiedereinzustellen.
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Zur Begründung wurde ausgeführt, dass erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers bestünden. Aufgrund anderweitiger Ermittlungen sei das Mobiltelefon eines Mitauszubildenden des Antragstellers ausgewertet worden. Dabei habe sich herausgestellt, dass der Antragsteller in einem WhatsApp-Gruppenchat unangemessen und belustigt auf dort gepostete Abbildungen reagiert habe, welche Migranten und Menschen mit Behinderung diskriminiert hätten. Gleiches gelte für darin aufgetauchte Bilder pornographischen Inhalts.
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Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 17.02.2023 erhob der Antragsteller Widerspruch und beantragte, die angekündigte Entscheidung zu revidieren und die Wiedereinstellung zuzusichern. Die getroffene Entscheidung sei nicht nachvollziehbar. Die Hinweise der Antragsgegnerin auf eine vorgeblich fehlende charakterliche Eignung des Antragstellers wegen eines Zufallsfundes im höchstpersönlichen Bereich eines WhatsApp-Gruppenchats zwischen Auszubildenden gingen völlig fehl. Hieraus könne nicht auf eine bestimmte innerliche Haltung oder ein Charakterbild geschlossen werden. Über den Widerspruch des Antragstellers ist bislang noch nicht entschieden.
9
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 20.02.2023, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag eingegangen, beantragt der Antragsteller,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, den Antragsteller vorläufig unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe in die Laufbahn des mittleren Bundespolizeidienstes zu übernehmen,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Berufung des Antragstellers in das Beamtenverhältnis auf Probe in die Laufbahn des mittleren Bundespolizeidienstes (vorläufig) neu zu entscheiden,
die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, eine Planstelle vorläufig freizuhalten, bis über die Ernennung des Antragstellers zum Beamten auf Probe rechtskräftig entschieden wurde.
10
Zur Begründung wird ausgeführt, dass es in der Sache um persönliche, gänzlich außerdienstliche Handy-Korrespondenz zwischen jungen Polizeianwärtern von vor knapp zwei Jahren ginge. Aufgrund strafrechtlicher Ermittlungen, die sich in keiner Weise gegen den Antragsteller gerichtet hätten, sei dies dem Dienstherrn überhaupt erst offenbar geworden. Lediglich die private Korrespondenz, in der sich der Antragsteller gänzlich defensiv verhalten habe, liefere keinen Rückschluss auf eine fehlende charakterliche Eignung. Auch habe sich der Antragsteller in einem Disziplinarverfahren glaubhaft von jedem denkbaren Verdacht der Verfassungsuntreue oder rassistischen Gesinnung distanziert. Um nicht noch mehr Zeit zu verlieren, werde im Wege des vorliegenden Eilantrags wenigstens die einstweilige weitere Teilnahme am Bewerbungsverfahren begehrt. Ein Anordnungsgrund bestehe, da wirksamer Rechtsschutz im Hauptsacheverfahren im Hinblick auf eine Ernennung nicht anderweitig zu erreichen sei und der Antragsteller infolge des Zeitablaufs unzumutbare Nachteile erleiden würde. Bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens könnten mehrere Monate oder sogar Jahre vergehen. Der Antragsteller würde dann nicht nur zu dem zunächst anvisierten Ernennungstermin, sondern auch danach seinem Berufswunsch nach erfolgreich absolvierter Laufbahnprüfung nicht nachkommen können. Dieser Zeitverlust wäre irreversibel, da eine rückwirkende Ernennung nicht möglich sei. Ferner könne der Antragsteller auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft machen. Die Ablehnung der Übernahme wegen fehlender charakterlicher Eignung erweise sich nämlich als rechtswidrig, was für die vorläufige Fortsetzung des Einstellungsverfahrens genüge. An der charakterlichen Eignung des Antragstellers bestünden keine berechtigten Zweifel. Die Antragsgegnerin gewichte sowohl das Alter des Antragstellers und den Zeitablauf als auch dessen während der Ausbildung gemachte Entwicklung sowie die gezeigte Distanzierung und reine Privatheit der Korrespondenz völlig falsch.
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Mit Schriftsatz vom 21.02.2023 beantragt die Direktion der Bundesbereitschaftspolizei für die Antragsgegnerin, den Antrag abzulehnen.
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Dem Antrag fehle es bereits an einem Anordnungsgrund. Vielmehr sei eine Einstellung nach ordnungsgemäßer Durchführung des Widerspruchsverfahrens auch zu einem späteren Zeitpunkt ohne Weiteres möglich und zumutbar. Zudem sei zu berücksichtigen, dass durch eine beamtenrechtlich bereits nicht vorgesehene „vorläufige“ Übernahme des Antragstellers unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe teilweise irreversible Fakten geschaffen würden. Auch sei es der Antragsgegnerin als Dienstherrin schlechterdings nicht zuzumuten, den Antragsteller, der die diesem zur Last gelegten Fehlverhaltensweisen aufgezeigt habe, bis zum Abschluss eines eventuellen Widerspruchs- bzw. Klageverfahrens weiterhin zu beschäftigen und zu alimentieren mit der Folge, dass eine Rückforderung der insoweit gezahlten Bezüge nicht möglich sei. Das Begehren des Antragstellers sei mit einer unzulässigen Vorwegnahme der Hauptsache verbunden. Weiterhin habe der Antragsteller keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Weder Art. 33 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) noch die zu seiner Konkretisierung ergangenen einfachgesetzlichen Vorschriften des Bundes vermittelten einen Anspruch auf Übernahme in ein Beamtenverhältnis. Es sei gerichtlich nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr für den Polizeivollzugsdienst besonders hohe Anforderungen an die charakterliche Stabilität der Beamtinnen und Beamten stelle. Die Antragsgegnerin habe ihre Entscheidung zur Nicht-Übernahme des Antragstellers ermessensfehlerfrei und aufgrund eines nicht willkürlichen Sachgrundes getroffen. Sie unterhalte berechtigte Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers. Der Antragsteller habe – was hinsichtlich des äußeren Tatbestandes unstreitig sei – an zwei Chatgruppen – bewusst und gewollt – mitgliedschaftlich teilgenommen, welche den Austausch von in hohem Maße sittlich anstößigen, rassistischen, behindertenfeindlichen und menschenverachtenden Inhalten zum Gegenstand gehabt hätten. Der Antragsteller habe sich in Kenntnis der vorgenannten Posts affirmativ mit diesen auseinandergesetzt. Auch habe der Antragsteller eigenständig einen erkennbar rassistisch konnotierten Sticker gepostet, wobei dieser aufgrund seines Inhalts („Alles für Deutschepass“) sogar einen nicht fernliegenden Bezug zu der dienstlichen Aufgabenwahrnehmung als Angehöriger einer Grenzbehörde aufgewiesen habe. Hierdurch sei bei gebotener objektiver Betrachtung zurechenbar zumindest der Anschein dafür gesetzt worden, dass der Antragsteller im Rahmen seiner Amtsführung eben nicht allen Menschen unparteiisch und gerecht gegenübertrete, sondern aufgrund der Hautfarbe, der Staatsangehörigkeit, der Glaubensrichtung oder des Geschlechts Unterschiede in der Rechtsanwendung oder im Umgang mit Personen treffen könne. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Antragsteller tatsächlich parteiisch sei und dem Gerechtigkeitsgebot zuwiderhandle. Er sei insoweit gehalten, bereits jedweden Anschein einer nicht unparteilichen Amtsführung zu meiden und jede Handlung zu unterlassen, welche einen solchen Eindruck schuldhaft bei einem objektiven Dritten erwecken könne. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass in vergleichbar gelagerten Fällen die Entlassung von Widerrufsbeamten – auch im Falle rein passiver Mitgliedschaft in vergleichbaren Chatgruppen – als ausreichend erachtet worden sei. Bei Lebzeitbeamten wäre im Falle von menschenverachtenden respektive rassistischen Chats bezüglich des Disziplinarmaßes der Orientierungsrahmen – auch in Ermangelung eines nachweisbar gefestigten rechtsextremistischen Weltbildes – zumindest bis hin zu einer empfindlichen Gehaltskürzung eröffnet.
13
Mit Schriftsatz vom 06.03.2023 teilte die Antragsgegnerin mit, dass der Antragsteller die Laufbahnprüfung am 22.02.2023 mit der Gesamtnote „gut“ bestanden habe.
14
Mit weiterem Schriftsatz vom 13.03.2023 führt die Antragsgegnerin aus, dass der Antragsteller für die Bundespolizeiabteilung … vorgesehen gewesen sei und dort im personellen Überhang hätte geführt werden sollen. Die Zuteilung zum personellen Überhang sei unabhängig von der Entscheidung über die Wiedereinstellung erfolgt. Eine „Verdrängung“ des Beamten im Folge einer Nachbesetzung stehe damit nicht im Raum.
15
Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
16
Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
17
Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt also ein besonderes Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes (Anordnungsgrund) im Interesse einer Wahrung des behaupteten streitbefangenen Rechts (Anordnungsanspruch) voraus. Beides ist vom Antragsteller glaubhaft zu machen, § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO).
18
1. Mit seinem im Hauptantrag verfolgten Begehren, ihn im Wege der einstweiligen Anordnung in das Beamtenverhältnis auf Probe zu übernehmen, erstrebt der Antragsteller keine vorläufige Maßnahme, sondern eine endgültige Entscheidung, die die Hauptsache vorwegnähme. Denn sollte das Hauptsacheverfahren ergeben, dass der Antragsteller keinen Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe hat, wäre die aufgrund der einstweiligen Anordnung ausgesprochene Ernennung nicht rückgängig zu machen. Anders als für Beamte auf Widerruf, die gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 BBG jederzeit entlassen werden können, existiert eine entsprechende Beendigungsmöglichkeit des Beamtenverhältnisses für Beamte auf Probe nicht (vgl. § 34 BBG). Darüber hinaus kommt – entgegen der Auffassung des Antragstellerbevollmächtigten – eine „vorläufige“ Berufung in das Beamtenverhältnis nicht in Betracht. Es ist nicht möglich, die begehrte Rechtsposition auf Zeit – für die Dauer des Hauptsacheverfahrens – einzuräumen. Eine „vorläufige“ Ernennung zum Beamten ist im Beamtenrecht nicht vorgesehen und mit Blick auf die Formenstrenge des Beamtenrechts auch nicht denkbar (vgl. VGH BW, B.v. 18.3.2014 – 4 S 509/14 – juris Rn. 13; B.v. 13.6.2013 – 4 S 324/13; OVG NW, B.v. 9.1.2008 – 6 B 1763/07 – IÖD 2008, 146). Die hilfsweise begehrte Neubescheidung über seinen Einstellungsantrag nähme eine erneute Entscheidung ebenfalls vorweg (vgl. OVG NW, B.v. 2.12.2016 – 1 B 1194/16 – juris Rn. 8).
19
Nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung ist eine Vorwegnahme der Hauptsache im Verfahren nach § 123 Abs. 1 VwGO nur ausnahmsweise zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes (vgl. Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) dann gerechtfertigt, wenn glaubhaft gemacht ist, dass der Erfolg der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist, die Sache also bei Anlegung eines strengen Maßstabs an die Erfolgsaussichten erkennbar Erfolg haben wird (Anordnungsanspruch) und dass das Abwarten in der Hauptsache für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte (Anordnungsgrund). Dabei ist dem jeweils betroffenen Grundrecht und den Erfordernissen eines effektiven Rechtsschutzes Rechnung zu tragen. Droht dem Antragsteller bei Versagung des Rechtsschutzes eine erhebliche, über Randbereiche hinausgehende Verletzung in seinen Grundrechten, die durch eine der Klage stattgebende Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden kann, so ist – erforderlichenfalls unter eingehender tatsächlicher und rechtlicher Prüfung des im Hauptsacheverfahren geltend gemachten Anspruchs – einstweiliger Rechtsschutz zu gewähren, wenn nicht ausnahmsweise überwiegende gewichtige Gründe entgegenstehen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschl. v. 12.9.2011 – 2 BvR 1206/11 – juris Rn. 15; BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 9.12 – juris Rn. 22; BVerwG B.v. 12.4.2016 – 1 WDS-VR 2.16 – juris Rn. 19; B.v. 10.2.2011 – 7 VR 6.11 – juris Rn. 6; so auch OVG NW, B.v. 2.12.2016 – 1 B 1194/16 – juris Rn. 9).
20
Vorliegend hat der Antragsteller zwar einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (dazu unter a), es fehlt jedoch an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes (dazu unter b).
21
a) Der erforderliche Anordnungsanspruch liegt vor. Der Antragsteller hat glaubhaft gemacht, dass ihm mit überwiegender Wahrscheinlichkeit ein Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe zusteht.
22
Nach Art. 33 Abs. 2 GG hat jeder Deutsche nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Diese Vorschrift gewährt – ebenso wie die einfachgesetzlichen Vorschriften des Bundes – keinen unbedingten Einstellungsanspruch. Sie vermittelt dem Bewerber vielmehr ein grundrechtsgleiches Recht darauf, dass über seinen Antrag auf Zugang zu öffentlichen Ämtern nur nach Maßgabe seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung ermessensfehlerfrei entschieden wird. Insoweit ist § 9 Satz 1 BBG zu berücksichtigen, wonach Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen sind. Bei Fehlen einer dieser Voraussetzungen ist eine Ernennung ausgeschlossen. Hinsichtlich der Prüfung der Kriterien für die Ernennung eines Beamten wird dem Dienstherrn ein Beurteilungsspielraum eingeräumt. Die vom Dienstherrn vorzunehmende Beurteilung der für den Polizeivollzugsdienst erforderlichen charakterlichen Eignung ist ein Akt wertender Erkenntnis. Sie ist als solche vom Gericht nur beschränkt darauf zu überprüfen, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff verkannt, einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt, allgemein gültige Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachwidrige Erwägungen angestellt hat (vgl. BVerwG, U.v. 30.1.2003 – 2 A 1.02 – juris Rn. 11; OVG NW, B.v. 2.11.2016 – 6 B 1172/16 – juris Rn. 9; B.v. 18.10.2013 – 1 B 1131/13 – juris Rn. 7ff.; B.v. 2.12.2016 – 1 B 1194/16 – juris Rn. 13). Ausnahmsweise kann ein Ernennungsanspruch gegeben sein, wenn eine rechtsverbindliche Zusicherung im Sinne von § 38 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) vorliegt, eine entsprechende Bedarfsausbildung ausnahmsweise mit einem besonderen Vertrauenstatbestand verbunden ist, der Gleichbehandlungsgrundsatz zu beachten ist oder der Bewerber im Rahmen der Bestenauswahl zwingend zu berücksichtigen ist (vgl. VG Ansbach, U.v. 4.4.2007 – AN 11 K 07.00045 – juris Rn. 24).
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Unter Zugrundelegung der vorgenannten Maßstäbe darf der Dienstherr die Einstellung eines Bewerbers bereits dann ablehnen, wenn berechtigte Zweifel an dessen Eignung bestehen (vgl. OVG NW, B.v. 2.11.2016 – 6 B 1172/16 – juris Rn. 9; B.v. 18.10.2013 – 1 B 1131/13 – juris Rn. 7ff.; B.v. 2.12.2016 – 1 B 1194/16 – juris Rn. 15). Die Zweifel müssen jedoch auf tatsächlichen Feststellungen und Erkenntnissen basieren und dürfen sich nicht im Bereich bloßer Mutmaßungen bewegen (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2017 – 3 CS 17.257 – juris; U.v. 13.1.2016 – 3 B 14.1487 – juris).
24
Der Begriff der Eignung im oben genannten Sinne umfasst die körperlichen, psychischen und charakterlichen Voraussetzungen, die nach Beurteilung des Dienstherrn für die Wahrnehmung des angestrebten Amtes vorauszusetzen sind (vgl. BVerwG, U.v. 21.6.2007 – 2 A 6/06 – juris). Dabei bezieht sich die Entscheidung auf die konkrete künftige Dienstausübung und enthält zugleich eine Prognose darüber, ob der Bewerber die ihm im jeweiligen Amt obliegenden Pflichten erfüllen wird, was eine einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Bewerbers erfordert.
25
Die charakterliche Eignung ist ein Unterfall der persönlichen Eignung. Hierfür ist die prognostische Einschätzung entscheidend, inwieweit der Bewerber der von ihm zu fordernden Loyalität, Aufrichtigkeit, Zuverlässigkeit, Fähigkeit zur Zusammenarbeit und Dienstauffassung gerecht werden wird. Dies erfordert eine wertende Würdigung aller Aspekte des Verhaltens des Bewerbers, die einen Rückschluss auf die für die charakterliche Eignung relevanten persönlichen Merkmale zulassen (vgl. BVerwG, B.v. 20.7.2016 – 2 B 18/16 – juris Rn. 26 m.w.N.).
26
Auch die Einstellung des Disziplinarverfahrens nach § 32 Abs. 2 Nr. 2 des Bundesdisziplinargesetzes (BDG) durch Beendigung des Beamtenverhältnisses auf Widerruf führt nicht automatisch zu einem Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe. Die Einstellung hindert die Antragsgegnerin nicht, die im Disziplinarverfahren aufgeworfenen Vorwürfe bei der Ernennungsentscheidung zu berücksichtigen (vgl. OVG SH, B.v. 23.7.2019 – 12 B 7/19 – juris Rn. 51).
27
Aufgabe der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung der Entscheidung der Antragsgegnerin ist nicht, ein eigenes Urteil über die charakterliche Eignung des Antragstellers zu fällen, sondern die Entscheidung der Antragsgegnerin auf Mängel hin zu überprüfen (vgl. OVG SH, B.v. 23.7.2019 – 12 B 7/19 – juris Rn. 54).
28
Gemessen an diesen Grundsätzen hat die Antragsgegnerin ihre Entscheidung, dem Antragsteller die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe zu versagen, in ermessensfehlerhafter Weise getroffen.
29
Zwar ist die Polizei in ganz besonderem Maße auf ihr Ansehen und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger angewiesen. Letztere müssen sich in jeder Lage darauf verlassen können, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Polizei neutral und unvoreingenommen ihrer Aufgabe, dem Schutz der Bürgerinnen und Bürger sowie der Gesetze widmen. Insbesondere gehört hierzu auch, dass Frauen sowie Personen anderer Herkunft, Religion oder Meinung nicht geringschätzig und abwertend behandelt werden. Unabhängig davon, ob sich der Polizeibeamte zivil oder in Uniform bewegt, besteht die Gefahr, dass eine Person, die um seinen Beruf weiß, bei derartigen Äußerungen in Zukunft weniger auf die Unvoreingenommenheit der Polizei vertraut. Vor diesem Hintergrund ist gerichtlich nicht zu beanstanden, wenn der Dienstherr für den Polizeivollzugsdienst besonders hohe Anforderungen an die charakterliche Stabilität eines Beamten stellt (vgl. VGH BW, B.v. 27.11.2008 – 4 S 2332/08 – juris Rn. 4, 7; B.v. 10.3.2017 – 4 S 124/17 – juris Rn. 7; SächsOVG, B.v. 20.9.2017 – 2 B 180/17 – juris Rn. 13).
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Mithin kann die Antragsgegnerin für eine Einstellung in den Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei insbesondere fordern, dass der Bewerber die Fähigkeit und die innere Bereitschaft aufweist, die dienstliche Aufgabe der Wahrung der Rechtsordnung nach den Grundsätzen der Verfassung wahrzunehmen, für Freiheitsrechte einzutreten und rechtsstaatliche Regeln einzuhalten (vgl. BVerfG, B.v. 21.2.1995 – 1 BvR 1397/93 – juris). Der Antragsgegnerin ist daher insoweit zuzustimmen, als ein Polizeibeamter Gewähr für die Verhinderung und Verfolgung von Straftaten bieten soll, daher als Repräsentant der verfassungsmäßigen Werteordnung auftritt und als solcher auch selbst eine Persönlichkeit aufweisen muss, die insbesondere geprägt ist von Integrität, Zuverlässigkeit und Verantwortungsbewusstsein. Zur Beurteilung, ob diese Eigenschaften vorhanden sind, können auch tatsächliche Anhaltspunkte und Verhaltensweisen herangezogen werden, die aus dem außerdienstlichen Bereich stammen, aber auf eigene Rechtsverstöße des Bewerbers hindeuten (vgl. VGH BW, B.v. 27.11.2008 – 4 S. 2332 /08 – juris Rn. 7; MV, B.v. 12.9.2007 – 2 M 159/07 – juris).
31
Dem Antragsteller wurde zu Last gelegt, dass er auf den Stickerpost eines Kollegen vom 04.04.2021 im Rahmen eines privaten WhatsApp-Gruppenchats, welcher das Bild eines kleinen Jungen dunkler Hautfarbe in einem blauen Pullover und die Aufschrift „Wer’s pflückt, darf’s auch tragen“ zeigte, und dessen weitere Aufforderungen „Habt ihr auch nice Sticker?“ sowie „Des war ne Frage …“ mit dem Post „Ach was (lachender Smiley), nein“ reagierte. Weiterhin wirft ihm die Antragsgegnerin vor, dass er in einer ebenfalls privaten WhatsApp-Gruppe von Polizeimeisteranwärter/innen am 01.06.2021 einen Sticker postete, der das Bild einer korpulenten weißen Frau zeigt, welche von einem dunkelhäutigen Mann von hinten umarmt wird. Überschrieben ist der Sticker mit „Alles für Deutschepass“.
32
Die beiden o.g. Vorkommnisse sind nicht geeignet, berechtigte Zweifel an der charakterlichen Ungeeignetheit des Antragstellers für das Amt eines Polizeivollzugsbeamten zu begründen. Vielmehr werden durch die in Rede stehende Würdigung der Antragsgegnerin die gesetzlichen Grenzen des dem Dienstherrn zukommenden Beurteilungsspielraums verkannt und hierdurch auch allgemeine Wertmaßstäbe verletzt. Zwar muss das Verhalten eines Beamten nach § 61 Abs. 1 Satz 3 BBG innerhalb und außerhalb des Dienstes der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die sein Beruf erfordern. Ein Verhalten wirkt jedoch nur dann achtungs- bzw. vertrauensunwürdig, wenn ihm eine ansehensschädigende Außenwirkung zukommt, die nachteilige und für den Dienst relevante Rückschlüsse für die „menschliche Substanz“ des Beamten erlaubt. Ein außerdienstliches Verhalten wird erst dann beamtenrechtlich relevant, wenn sich eine damit verbundene Beeinträchtigung der persönlichen Achtung und Vertrauenswürdigkeit auch auf das Beamtenverhältnis und die damit verbundenen Aufgaben negativ auswirkt. Je enger der Bezug eines Verhaltens zum Beruf ist, umso höhere Anforderungen können an den Beamten gestellt werden. Was zur Wahrung von Achtung und Vertrauen in Bezug auf den Beruf erforderlich erscheint, richtet sich sowohl nach dem Amtsstatus als auch nach dem Amt im konkret funktionellen Sinne (vgl. VG Würzburg, B.v. 29.3.2020 – W 1 S 20.433 – juris Rn. 58 m.w.N.). Entsprechend hoch sind ausweislich der vorstehenden Ausführungen die Anforderungen an das von einem Polizeivollzugsbeamten zu erwartende achtungs- und vertrauenswürdige Verhalten anzusetzen. Gemäß § 60 Abs. 1
33
Satz 3 BBG müssen sich Beamtinnen und Beamte durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennen und für deren Einhaltung eintreten.
34
Vorliegend sind weder ein Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht im vorgenannten Sinne erkennbar noch liegt eine Missachtung der Pflicht zur Verfassungstreue gemäß § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG vor. Die entgegenstehende Annahme der Antragsgegnerin überschreitet die Grenzen des Beurteilungsspielraums des Dienstherrn. Hinsichtlich des Vorfalls vom 04.04.2021 ist schon unklar, ob sich der Post des Antragstellers tatsächlich auf die von dessen Kollegen geteilte rassistische Abbildung bezieht oder ob er nicht lediglich auf dessen Frage, ob er auch „nice Sticker“ habe, reagiert hat und dem Antragsteller damit gerade nicht unterstellt werden kann, dass er den Rassismus seines Kollegen gutgeheißen habe. Bezüglich des durch den Antragsteller am 01.06.2021 geposteten – zweifellos geschmacklosen – Stickers, ist in Rechnung zu stellen, dass es sich lediglich um ein einmaliges und zudem außerdienstliches Fehlverhalten in einem privaten WhatsApp-Gruppenchat gehandelt hat. Ein inhaltlicher Zusammenhang zwischen dem außerdienstlichen Chatverhalten und den zu erfüllenden Dienstaufgaben ist ebenso wenig erkennbar wie eine negative Auswirkung auf dieselben. Auch lässt das Verhalten des Antragstellers keine nachteiligen und für den Dienst relevanten Rückschlüsse auf seine Persönlichkeit zu. Zwar ist die Antragsgegnerin der Auffassung, dass aus dem geposteten Sticker auf Charakterschwächen des Antragsstellers geschlossen werden könne und insbesondere zu befürchten sei, dass er nicht gewillt und in der Lage sei, Menschen unparteiisch, gerecht und diskriminierungsfrei gegenüberzutreten, jedoch wird diese Behauptung nicht nachvollziehbar und plausibel begründet, wie es für eine tatsachenbasierte Prognoseentscheidung im Mindestmaß erforderlich wäre. So wird in keiner Weise dargelegt, aus welchem Grund das einmalige außerdienstliche Fehlverhalten bei der dienstlichen Wahrnehmung von Polizeiaufgaben (erneut) zu Tage treten sollte. Zumal der Antragsteller seinen Dienst nach Aktenlage stets beanstandungsfrei leistete und es in den auf die Vorfälle folgenden mehr als eineinhalb Jahren seiner Laufbahnausbildung offenbar auch zu keinem außerdienstlichen Fehlverhalten mehr kam. Zugunsten des Antragstellers war darüber hinaus zu berücksichtigten, dass er zum Zeitpunkt der geschilderten Vorkommnisse 17 Jahre alt war und er infolgedessen wohl noch keine gefestigte charakterliche Persönlichkeit besaß. Vielmehr wirkte die einem Heranwachsenden zugutekommende jugendliche Unreife zum Zeitpunkt der Vorfälle zu seinen Gunsten. Da der Antragsteller – abgesehen von den geschilderten Vorkommnissen – bislang weder straf- noch disziplinarrechtlich in Erscheinung getreten ist, dürfte es sich bei dem getätigten Post um ein „Augenblicksversagen“ handeln, aus welchem nicht auf die Offenbarung seiner Charaktereigenschaften geschlossen werden kann. Mangels weiterer konkreter Anhaltspunkte war ein rassistisches Verhalten nicht in seiner Persönlichkeit verankert, so dass auch angesichts der von Seiten der Antragsgegnerin für den Polizeivollzugsdienst verlangten besonders hohen Anforderungen an die charakterliche Stabilität eines Beamten nicht von berechtigten Eignungszweifeln ausgegangen werden kann. Dies ergibt sich letztlich auch aus dem in den Akten befindlichen Persönlichkeits- und Leistungsbild vom 08.11.2022, in welchem der Antragsteller seitens seiner Ausbilder als zurückhaltend, höflich und motiviert beschrieben wird. Sowohl das gezeigte Verhalten als auch die bisherigen Leistungen würden ein durchgehend konstantes positives Bild zeigen. Seine Leistungen und konstruktive Unterrichtsbeteiligung ließen ein Interesse am Polizeiberuf erkennen. Er identifiziere sich mit dem Berufsbild eines Polizeibeamten und werde diese Einstellung im späteren Berufsleben auch umsetzen. Dem Antragsteller wird seitens seiner Ausbilder eine „uneingeschränkte Eignung zum Polizeivollzugsbeamten“ bestätigt. Im Hinblick darauf votiert das Ausbildungspersonal für eine Übernahme nach erfolgreich abgeschlossener Ausbildung in ein Beamtenverhältnis auf Probe (Bl. 45f. der gerichtlichen Beiakte II – Sachvorgang). Die Laufbahnprüfung für die Laufbahn des mittleren Polizeivollzugsdienstes in der Bundespolizei hat der Antragsteller im Nachgang mit der Abschlussnote „gut“ (Bl. 66 GA) bestanden.
35
Nach alledem erweist sich der Schluss der Antragsgegnerin aus dem einmaligen unangemessenen Chatverhalten des Antragstellers auf dessen charakterliche Ungeeignetheit als spürbar überzogen und nicht mehr vom Beurteilungsspielraum gedeckt.
36
b) Jedoch fehlt es hinsichtlich des Haupt- und des ersten Hilfsantrages an einem Anordnungsgrund. Ein solcher liegt vor, wenn der Antragsteller glaubhaft machen kann, dass ihm Nachteile drohen, die ein Abwarten der Entscheidung im Hauptsacheverfahren als unzumutbar erscheinen lassen.
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Es bestehen vorliegend aufgrund des Vortrags des Antragstellers keine genügenden Anhaltspunkte dafür, dass es ihm nicht zuzumuten ist, eine Hauptsacheentscheidung abzuwarten. Für die Glaubhaftmachung der Eilbedürftigkeit gelten besonders hohe Anforderungen, insbesondere wenn – wie vorliegend – inhaltlich eine Vorwegnahme der Hauptsache erstrebt wird. In diesem Fall reicht die bloße Befürchtung, dass künftig unzumutbare Nachteile drohen könnten, zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes nicht aus. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt mit Blick auf das Erfordernis effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG vielmehr nur dann in Betracht, wenn dem Antragsteller ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 8.9.2017 – 2 WDS-VR 4.17 – juris Rn. 15; OVG NW, B.v. 13.1.2020 – 6 B 1317/19 – juris Rn. 8). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor. Zwar ist eine rückwirkende Ernennung gemäß § 12 Abs. 2 Satz 2 BBG ausgeschlossen. Auch lässt ein etwaiger beamtenrechtlicher Ersatzanspruch, mit dem sich der Antragsteller im Falle des späteren Obsiegens in der Hauptsache ggf. beim Dienstherrn schadlos halten könnte, vor dem Hintergrund des Art. 19 Abs. 4 GG nicht den Anordnungsgrund für eine einstweilige Anordnung entfallen (vgl. OVG SH, B.v. 23.7.2019 – 12 B 7/19 – juris Rn. 27), zumal der Rechtsgedanke des § 839 Abs. 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) dem Antragsteller gebietet, seine Ansprüche im Wege des Primärrechtsschutzes geltend zu machen und sich nicht auf die spätere Geltendmachung von Sekundäransprüchen zu verlagern (vgl. BVerwG, U.v. 15.6.2018 – 2 C 19.17 – juris Rn. 22ff.).
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Andererseits ist zu berücksichtigten, dass durch die einstweilige Anordnung entsprechend der Anträge zu 1 und 2 irreversible Verhältnisse geschaffen würden. Vor diesem Hintergrund erweist sich der pauschale Verweis der Antragstellerseite auf den drohenden Zeitverlust beim Abwarten einer Hauptsacheentscheidung als nicht hinreichend. Die Notwendigkeit des Abwartens einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache stellt für sich genommen keinen schlechthin unzumutbaren Nachteil im vorgenannten Sinne dar, sondern ist Folge des – grundsätzlich nachrangig ausgestalteten – verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzsystems (vgl. BayVGH, B.v. 27.6.2012 – 3 AE 12.734 – juris Rn. 13). Ein tragfähiger Anhaltspunkt dafür, dass es dem Antragsteller nicht zugemutet werden kann, seinen Lebensunterhalt bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens durch eine Erwerbstätigkeit außerhalb des Polizeivollzugsdienstes zu finanzieren, ist seinem Vorbringen nicht zu entnehmen (vgl. OVG NW, B.v. 13.1.2020 – 6 B 1317/19 – juris Rn. 13).
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2. Schließlich fehlt es auch hinsichtlich des Hilfsantrages, eine Planstelle vorläufig freizuhalten, bis über die Ernennung des Antragstellers zum Beamten auf Probe rechtskräftig entschieden wurde, an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes. Die Gefahr, dass durch eine – vor einer bestandskräftigen Entscheidung in der Hauptsache durchgeführte – anderweitige Stellenbesetzung eine Ernennung des Antragstellers zum Beamten auf Probe nicht mehr möglich wäre, besteht nicht. Ausweislich der Ausführungen der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom 13.03.2023 steht eine „Verdrängung“ des Antragstellers infolge einer Nachbesetzung nicht im Raum.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG). Demnach ist in Verfahren, die die Begründung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnisses betreffen, der Streitwert die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte wir vorliegend das Grundgehalt der ersten Stufe der Besoldungsgruppe A7 (2.614,79 Euro) im Jahr 2023 (vgl. § 52 Abs. 6 Satz 2 GKG) zugrunde gelegt, woraus sich ein Streitwert von 15.688,74 Euro ergibt. Eine Herabsetzung (Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit) kommt aufgrund des Umstandes, dass das Antragsbegehren – wie dargestellt – auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist, nicht in Betracht.