Titel:
Anordnungsgrund für Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe
Normenketten:
BBG § 34, § 37
VwGO § 123
Leitsatz:
Durch die Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe werden irreversible Verhältnisse geschaffen, so dass im Eilverfahren der Anordnungsgrund für den Erlass einer einstweiligen Anordnung fehlt. Denn anders als für Beamte auf Widerruf, die jederzeit entlassen werden können, existiert eine entsprechende Beendigungsmöglichkeit des Beamtenverhältnisses für Beamte auf Probe nicht. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bundesbeamtenrecht, Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe, Eignung, WhatsApp-Gruppenchat, Anordnungsgrund (verneint)
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 24.03.2023 – B 5 E 23.134
Fundstelle:
BeckRS 2023, 12084
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 24. März 2023 – B 5 E 23.134 – wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 15.688,74 € festgesetzt.
Gründe
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Der Antragsteller begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die einstweilige Übernahme als Beamter auf Probe in den mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei.
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Mit Schreiben der Direktion der Bundesbereitschaftspolizei vom 5. Februar 2023 wurde dem Antragsteller mitgeteilt, dass er nach abgeschlossener Laufbahnausbildung für den mittleren Polizeivollzugsdienst der Bundespolizei kraft Gesetzes (§ 37 Abs. 2 Nr. 1 BBG i.V.m. § 2 BPolBG) entlassen sei und nicht beabsichtigt sei, ihn in ein Beamtenverhältnis auf Probe wiedereinzustellen. Zu Begründung wurde ausgeführt, dass erhebliche Zweifel an der charakterlichen Eignung des Antragstellers bestünden. Aufgrund anderweitiger Ermittlungen sei das Mobiltelefon eines Mitauszubildenden des Antragstellers ausgewertet worden. Dabei habe sich herausgestellt, dass der Antragsteller in einem WhatsApp-Gruppenchat unangemessen und belustigt auf dort gepostete Abbildungen reagiert habe, welche Migranten und Menschen mit Behinderung diskriminiert hätten. Gleiches gelte für darin aufgetauchte Bilder pornographischen Inhalts.
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Hiergegen hat der Antragsteller Widerspruch erhoben, über den nach Aktenlage noch nicht entschieden ist. Weiter hat er mit Schriftsatz vom 20. Februar 2023 die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes beim Verwaltungsgericht beantragt.
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Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 VwGO mit Beschluss vom 24. März 2023 abgelehnt und zur Begründung ausgeführt: Es bestehe zwar ein Anordnungsanspruch. Denn die Antragsgegnerin habe ihre Entscheidung, dem Antragsteller die Übernahme in ein Beamtenverhältnis auf Probe zu versagen, in ermessensfehlerhafter Weise getroffen. Weder sei ein Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht eines Polizeivollzugsbeamten erkennbar noch liege eine Missachtung der Pflicht zur Verfassungstreue gemäß § 60 Abs. 3 BBG vor. Jedoch fehle es an dem weiter erforderlichen Anordnungsgrund.
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Der Antragsteller hat hiergegen Beschwerde eingelegt, mit der er seinen erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt.
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Die Antragsgegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.
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Die zulässige Beschwerde des Antragstellers bleibt in der Sache ohne Erfolg.
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Die Gründe, die mit der Beschwerde fristgerecht dargelegt worden sind und auf deren Prüfung das Gericht beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 i.V.m. Satz 1 und 3 VwGO), rechtfertigen es nicht, dem mit dem Rechtsmittel weiterverfolgten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu entsprechen.
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Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass zwar der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderliche Anordnungsanspruch vorliegt. Der Antragsteller habe aber keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Inhaltlich werde eine Vorwegnahme der Hauptsache erstrebt. Durch eine einstweilige Anordnung entsprechend der vom Antragsteller gestellten Anträge auf Übernahme in die Laufbahn des mittleren Bundespolizeidienstes unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe oder hilfsweise auf eine neue Entscheidung hierüber unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts würden irreversible Verhältnisse geschaffen. Die Notwendigkeit des Abwartens einer gerichtlichen Entscheidung in der Hauptsache stelle für sich genommen keinen schlechthin unzumutbaren Nachteil dar, sondern sei Folge des grundsätzlich nachrangig ausgestalteten verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzsystems. Ein tragfähiger Anhaltspunkt dafür, dass es dem Antragsteller nicht zugemutet werden könne, seinen Lebensunterhalt bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens durch eine Erwerbstätigkeit außerhalb des Polizeivollzugsdienstes zu finanzieren, sei seinem Vorbringen nicht zu entnehmen.
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Das hiergegen gerichtete Beschwerdevorbringen greift nicht durch.
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Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die mit dem Antrag im Wege einer Regelungsanordnung i.S.v. § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO begehrte „vorläufige“ Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe ebenso wie eine „vorläufige“ Neuverbescheidung auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist. In diesem Fall reicht die bloße Befürchtung, dass künftig unzumutbare Nachteile drohen könnten, zur Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes nicht aus. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt mit Blick auf das Erfordernis effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG vielmehr nur dann in Betracht, wenn dem Antragsteller ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Nachteile entstehen, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (vgl. BayVGH, B.v. 12.5.2016 – 6 CE 16.371 – juris Rn. 6; BVerwG, B.v. 8.9.2017 – 2 WDS – VR 4.17 Rn. 15; OVG NW, B.v. 13.1.2020 – 6 B 1317/19 – juris Rn. 8). Diese Voraussetzungen werden auch mit der Beschwerde nicht aufgezeigt.
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Das Argument des Antragstellers, der vom Verwaltungsgericht angenommene Anordnungsanspruch indiziere bereits das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, verhilft der Beschwerde nicht zum Erfolg. Denn der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt kumulativ das Vorliegen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund voraus. Beide müssen glaubhaft gemacht werden (Puttler in Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 123 Rn. 95). Nur im Einzelfall hat die Bejahung des Anordnungsanspruchs Indizwirkung für das Vorliegen eines Anordnungsgrunds. Das ist etwa dann der Fall, wenn der Anspruch bei Versagung des vorläufigen Rechtsschutzes fortschreitend endgültig vereitelt würde und insoweit auch Grundrechtspositionen von Gewicht in Rede stehen. Das mit einer Vorwegnahme der Hauptsache typischerweise verbundene Fehlentscheidungsrisiko ist dann gering (s. hierzu Kuhla in Posser/Wolf, BeckOK VwGO, VwGO, Stand Juli 2022, § 123 Rn. 131a m.N. zur Rspr.). Dass ein solcher Einzelfall vorliegt, hat die Beschwerde nicht hinreichend dargelegt.
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Der Antragsteller ist unter Verweis auf einen Beschluss des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NW, B.v. 9.1.2008 – 6 B 1763/07 – juris) der Auffassung, es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass eine vorläufige Vorwegnahme der Hauptsache in beamtenrechtlichen Einstellungskonstellationen unproblematisch erscheine. Dem kann nicht gefolgt werden.
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Aus der vom Antragsteller angeführten Gerichtsentscheidung ergibt sich dies nicht. Wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt hat, würden gerade bei der vom Antragsteller begehrten Einstellung in das Beamtenverhältnis auf Probe irreversible Verhältnisse geschaffen. Anders als für Beamte auf Widerruf, die gemäß § 37 BBG im Grundsatz jederzeit entlassen werden können, existiert eine entsprechende Beendigungsmöglichkeit des Beamtenverhältnisses für Beamte auf Probe nicht (vgl. § 34 BBG; s. OVG NW, B.v. 13.1.2020 – 6 B 1317/19 – juris Rn. 6; BayVGH, B.v. 27.6.2012 – 3 AE 12.734 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 12.5.2016 – 6 CE 16.371 – juris Rn. 6).
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Ein Anordnungsgrund ergibt sich auch nicht aus der vom Antragsteller ins Feld geführten Interessenabwägung, die zu seinen Gunsten ausfallen müsse. Zunächst ist nicht davon auszugehen, dass die in der Ausbildung erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten in so kurzer Zeit verfallen, dass ein Abwarten bis zu einer Hauptsacheentscheidung unzumutbar wäre. Zudem wird der Vortrag, der Antragsgegnerin entstünden durch die begehrte Vorwegnahme der Hauptsache gar keine Nachteile, von dieser ausdrücklich bestritten. Diese weist insoweit auf die im Vergleich zum Beamtenverhältnis auf Widerruf beim Beamten auf Probe eingeschränkte Möglichkeit der Entlassung nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 BBG hin und die aus ihrer Sicht vorliegende Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung und Alimentierung des Antragstellers mit der Folge, dass eine Rückforderung insoweit bezahlter Bezüge nicht möglich erscheine.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 und Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG; eine Halbierung kommt nicht in Betracht, weil das Rechtsschutzbegehren auf eine Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet ist.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).