Inhalt

VGH München, Beschluss v. 25.05.2023 – 4 CE 23.854
Titel:

zur Rechtswidrigkeit eines Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit durch formlosen Stadtratsbeschluss

Normenketten:
GG Art. 3 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, Art. 28 Abs. 2, Art. 74 Abs. 1 Nr. 20, Art. 84 Abs. 1 S. 7
BayGO Art. 21, Art. 24 Abs. 1 Nr. 1, Art. 57 Abs. 1 S. 1
TierSchG § 11 Abs. 1 Nr. 8 lit. d, Abs. 4
Leitsatz:
Die Gemeinden können Zirkusbetriebe, die Wildtiere mit sich führen oder zur Schau stellen, jedenfalls nicht auf der Grundlage eines schlichten Ratsbeschlusses von der Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen ausschließen. (Rn. 18 – 22)
Schlagworte:
Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung, Ausschluss von Zirkussen mit Wildtieren, eigene Angelegenheit der Gemeinde, bundesgesetzliche Regelungen des Tierschutzrechts, faktischer Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit, satzungsrechtliche Ermächtigung für Grundrechtseingriffe, Vorwegnahme der Hauptsache, Gestaltungsermessen der Gemeinde, Widmungsbeschränkung, gewerbsmäßiges Zurschaustellen von Wildtieren, formloser Stadtratsbeschluss, Satzung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 03.05.2023 – M 7 E 23.1847
Fundstellen:
NuR 2024, 65
RÜ 2023, 537
DVBl 2023, 1233
BayVBl 2023, 531
BeckRS 2023, 12083
NVwZ-RR 2023, 733
LSK 2023, 12083
GewA 2023, 328

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird in Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 3. Mai 2023 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller nach ihrer Wahl den städtischen Platz „Schlüsselanger“ oder den städtischen Platz „Waitzinger Wiese“ ohne Beschränkung der mitzuführenden bzw. zur Schau zu stellenden Tiere für zehn Tage im Zeitraum Mai/Juni 2023 zur Verfügung zu stellen.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller erstrebt als Inhaber eines Zirkusunternehmens die Zulassung zu einem kommunalen Veranstaltungsplatz. Er bewarb sich am 3. März 2023 bei der Antragsgegnerin um ein Gastspiel im Zeitraum Mai/Juni 2023 und fügte eine tierschutzrechtliche Erlaubnis bei, in der als zugelassene Tierarten unter anderem vier rote Riesenkängurus, sechs Großkamele und zwei Zebras aufgeführt waren. Die Antragsgegnerin lehnte den Antrag mit Schreiben vom 10. März 2023 ab und verwies auf einen Stadtratsbeschluss vom 22. Februar 2017, wonach die Widmung der städtischen Veranstaltungsplätze aus Gründen des Tierschutzes dahingehend geändert werde, dass Gastspiele von Zirkussen, welche Wildtiere mitführten und/oder zur Schau stellten, aus Gründen des Tierschutzes künftig nicht mehr zugelassen würden. Eine entsprechende Widmungsbeschränkung enthält auch die für die privatrechtlichen Verträge über die Nutzung der Festplätze geltende Tarifordnung Nr. 10 der Antragsgegnerin.
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Am 17. April 2023 beantragte der Antragsteller, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm einen der beiden Veranstaltungsplätze ohne Beschränkung der mitzuführenden Tiere in einem zehn Tage umfassenden Zeitraum im Mai 2023 zur Verfügung zu stellen. Er sei als Inhaber einer tierschutzrechtlichen Erlaubnis nach § 11 TierSchG berechtigt, bundesweit diskriminierungsfrei öffentliche Einrichtungen wie jeder andere in Anspruch zu nehmen. Eine kommunalrechtliche Einschränkung der bundesrechtlich legitimen Nutzung scheide mangels Regelungskompetenz der Kommune aus. Der Antragsteller werde dadurch gegenüber anderen Unternehmen diskriminiert; zudem liege in der Weigerung der Zurverfügungstellung öffentlich gewidmeter Flächen ein nicht gerechtfertigter Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit.
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Mit Beschluss vom 3. Mai 2023 lehnte das Verwaltungsgericht München den Antrag ab. Ein Eilrechtschutzbegehren, das wie hier auf eine Vorwegnahme der Hauptsache hinauslaufe, könne nur Erfolg haben, wenn das Abwarten der Hauptsacheentscheidung für den Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Nach diesen Maßstäben habe der Antragsteller schon das Bestehen eines Anordnungsgrunds nicht glaubhaft gemacht. Seinem Vortrag könne nicht entnommen werden, worin die ohne Erlass der einstweiligen Anordnung eintretenden schweren und unzumutbaren Nachteile bestünden. Auch das Bestehen eines Anordnungsanspruchs sei nicht glaubhaft gemacht. Ein Anspruch auf Zulassung zu einem der in Frage stehenden Veranstaltungsplätze sei nach der gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage nicht gegeben, da der Antragsteller ein von der Antragsgegnerin aufgestelltes Zulassungskriterium nicht erfülle. Der Zulassungsanspruch nach Art. 3 Abs. 1 GG, Art. 118 Abs. 1 Satz 1 BV bestehe im Rahmen der Widmung, die den Umfang der Benutzung in personeller und sachlicher Hinsicht regele. Gegen die Rechtmäßigkeit der nachträglichen Beschränkung der Widmung bestünden wohl keine durchgreifenden Bedenken. Bei der Ausgestaltung einer öffentlichen Einrichtung komme der Gemeinde eine Gestaltungsprärogative zu. Modifikationen der inhaltlichen Ausgestaltung der Einrichtung müssten sich durch den Einrichtungszweck vernünftigerweise rechtfertigen lassen und dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechen. Für die streitgegenständliche Beschränkung der Widmung auf Zirkusse, die keine Wildtiere mitführten und/oder zur Schau stellten, besitze die Antragsgegnerin die erforderliche Verbandskompetenz. Bei freiwilligen Einrichtungen sei es grundsätzlich der Gemeinde überlassen, wie sie diese widme und wie sie die Benutzung ausgestalte. Bei Benutzungsregelungen für öffentliche Einrichtungen handle es sich regelmäßig um Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Dass vorliegend die Antragsgegnerin mit ihrem Stadtratsbeschluss vom 22. Februar 2017 zugleich das Ziel des Tierschutzes verfolge, stehe dem nicht entgegen. Die Gemeinden dürften bei der Wahrnehmung ihrer Selbstverwaltungsaufgaben auch überörtliche (Neben-)Ziele verfolgen, wenn diese in einem objektiven Zusammenhang mit der jeweiligen kommunalen Aufgabe stünden. Dies sei hier gegeben, da die Widmung der Festplätze für Zirkusse überwiegend dem Zweck der Unterhaltung der örtlichen Bevölkerung diene und mit der streitgegenständlichen Beschränkung lediglich dem Wunsch der örtlichen Bevölkerung nach dem Inhalt des Unterhaltungsangebots – einer Zulassung nur von Zirkussen ohne Wildtiere – Rechnung getragen habe. Auch bei Volksfesten dürfe die Gemeinde bestimmte Geschäfte ausschließen, wenn diese nach ihrer Auffassung nur wenig zur Attraktivität des Fests beitrügen. Es sei weder sachfremd noch willkürlich, wenn sich die Antragsgegnerin am Publikumsinteresse oder an den Wünschen und Bedürfnissen ihrer Bevölkerung orientiere. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes für den Tierschutz gemäß Art. 74 Abs. 1 Nr. 20, 72 Abs. 1 GG und die Regelung des § 11 TierSchG stünden dem nicht entgegen. Bei der streitgegenständlichen Widmungsbeschränkung handle es sich nicht um eine Tierschutzregelung im Sinne von Anforderungen an die Haltung und den konkreten Umgang mit Tieren, sondern um eine Benutzungsregelung für eine öffentliche Einrichtung. Die Widmungsbeschränkung verstoße auch nicht gegen das durch Art. 12 GG garantierte Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit. Da die Überlassung der Festplätze an Zirkusse im Rahmen der Leistungsverwaltung erfolge und es der Antragsgegnerin freistehe, entsprechende Flächen zur Verfügung zu stellen, fehle es wohl schon an einem Eingriff in den Schutzbereich. Anhaltspunkte für eine willkürliche Beschränkung der Widmung lägen nicht vor.
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Der Antragsteller hat dagegen am 9. Mai 2023 Beschwerde zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof erhoben. Er beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 3. Mai 2023 abzuändern und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm vorzugsweise den städtischen Platz „Schlüsselanger“ oder den städtischen Platz „Waitzinger Wiese“ ohne Beschränkung der mitzuführenden Tiere in einem zehn Tage umfassenden Zeitraum im Monat Mai 2023, vorzugsweise zwischen dem 14. Mai 2023 (Anfahrt) und dem 23. Mai 2023 (Abfahrt) zur Verfügung zu stellen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.
II.
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1. Die Beschwerde des Antragstellers, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 1 und 6 VwGO), hat Erfolg. Dem Antragsteller steht gegenüber der Antragsgegnerin der geltend gemachte Anspruch auf Eilrechtsschutz zu, so dass die erstinstanzliche Entscheidung keinen Bestand haben kann.
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a) Zur Begründung der Beschwerde trägt der Antragsteller vor, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht einen Anordnungsgrund verneint. Wenn wie hier eine Veranstaltung auszufallen drohe, gebiete es Art. 19 Abs. 4 GG, effektive Rechtschutzmöglichkeiten unabhängig von der Höhe des drohenden Schadens zur Verfügung zu stellen. Die nicht wiedergutzumachenden Nachteile lägen bereits darin, dass die Veranstaltung ersatzlos ausfalle; auf spätere Schadensersatzansprüche müsse sich der Antragsteller nicht verweisen lassen. Aus einer vorgelegten eidesstattlichen Versicherung ergebe sich im Übrigen, dass der Antragsteller keinen Alternativstandort habe finden können. Auch hinsichtlich der Ablehnung eines Anordnungsanspruchs sei dem Verwaltungsgericht nicht beizupflichten. Die Herausnahme der wildtierhaltenden Unternehmen aus dem Anwendungsbereich des Zugangsanspruchs weise eine berufsregelnde Tendenz auf. Solche Eingriffe bedürften einer besonderen Rechtfertigung und stünden unter Gesetzesvorbehalt. Der gezielte und dauerhafte Ausschluss einzelner zulässiger Nutzungen stelle einen für die Betroffenen spürbaren Eingriff in die Berufsfreiheit dar, der nicht mit der Belegungsentscheidung von Volksfesten oder Märkten zu vergleichen sei, da es dort nicht um einen dauerhaften Ausschluss einzelner Bewerber, sondern lediglich um deren Nichtberücksichtigung für ein bestimmtes befristetes Ereignis gehe. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei anerkannt, dass das kommunale Selbstverwaltungsrecht nicht als Grundlage für Eingriffe in die Berufsausübungsfreiheit genutzt werden könne. Unabhängig davon sei es der Antragsgegnerin bereits aus Kompetenzgründen verwehrt, Widmungsbeschränkungen aus Gründen des Tierschutzes zu erlassen. Der Tierschutz stelle eine bundesrechtlich abschließend geregelte Materie dar. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts werde der Tierschutz auch nicht nur beiläufig „mitgeregelt“, wenn eine Kommune die Nutzungsbreite einer öffentlichen Einrichtung einschränke; es gehe vielmehr gezielt darum, aus Gründen des (vermeintlichen) Tierschutzes wildtierhaltende Zirkusunternehmen insgesamt nicht mehr zuzulassen. Wenn eine Widmung mit einer bestimmten Nutzungsbreite bestehe, dürften einzelne Nutzungen nur diskriminierungsfrei ausgeklammert werden. Bei wildtierhaltenden und nicht wildtierhaltenden Zirkusunternehmen handle es sich nicht um wesentlich verschiedene Unternehmen; erstere würden daher in diskriminierender Weise von der Nutzung ausgeschlossen.
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b) Ausgehend von diesen Darlegungen führt die im Eilverfahren nur mögliche summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage zu dem Ergebnis, dass die beantragte einstweilige Anordnung erlassen werden muss. Der dafür notwendige Anordnungsanspruch (aa) liegt ebenso vor wie ein hinreichender Anordnungsgrund (bb).
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aa) Dem Antragsteller steht nach derzeitigem Stand wegen seines Rechts auf Gleichbehandlung mit anderen Zirkusunternehmen (Art. 3 Abs. 1 GG) ein Anspruch auf Benutzung eines der beiden als öffentliche Einrichtungen (Art. 21 GO) auch für Zirkusveranstaltungen gewidmeten Festplätze „Schlüsselanger“ und „Waitzinger Wiese“ zu. Die Beschränkung der Widmung auf Zirkusse, die keine Wildtiere mitführen und/oder zur Schau stellen, muss jedenfalls in der vorliegenden Form als unzulässig angesehen werden.
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(1) Der auf Gründe des Tierschutzes gestützte Ausschluss von Zirkussen mit Wildtieren dürfte allerdings nicht schon deshalb rechtswidrig sein, weil es sich dabei nicht um eine örtliche Angelegenheit der Gemeinde handeln würde oder weil bundesrechtliche Vorschriften des Tierschutzgesetzes der Regelung entgegenstünden.
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(a) Wie das Verwaltungsgericht zutreffend dargelegt hat, verfügen die Gemeinden aufgrund ihres aus der Selbstverwaltungsgarantie (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 2 BV) folgenden Rechts auf eigenverantwortliche Aufgabenwahrnehmung bei der Festlegung des Zwecks und des Benutzerkreises ihrer freiwillig geschaffenen öffentlichen Einrichtungen (Art. 57 Abs. 1 Satz 1 GO) über ein weites, gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbares Gestaltungsermessen (BayVGH, U.v. 17.11.2020 – 4 B 19.1358 – BayVBl 2021, 159 Rn. 47 m.w.N.). Sie können durch (anfängliche oder nachträgliche) Widmungsbeschränkungen den gewünschten Nutzerkreis festlegen und ihre Einrichtungen von vornherein nur für ganz bestimmte, nach objektiven Kriterien abgrenzbare Arten von Veranstaltungen zur Verfügung stellen (BayVGH, a.a.O., m.w.N.). Auch darüber, ob und unter welchen Voraussetzungen ein kommunaler Veranstaltungsplatz für Zirkusvorstellungen zur Verfügung gestellt wird, kann die einzelne Gemeinde daher grundsätzlich nach ihren eigenen Vorstellungen entscheiden.
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Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats dürfen mit den zur Leistungsverwaltung zählenden gemeindlichen Angeboten auch überörtliche (Neben-)Ziele verfolgt und entsprechende Anforderungen an die Benutzer gestellt werden, wenn ein objektiver Zusammenhang mit der kommunalen Aufgabe besteht und die entsprechenden Regelungen als deren konkretisierende Ausgestaltung verstanden werden können (BayVGH, a.a.O., Rn. 47; U.v. 16.6.2021 – 4 B 20.3008 – BayVBl 2022, 92 Rn. 25; vgl. auch Gottschalk, NVwZ 2019, 1728/1731). Eine dem Wohl der Gemeindeeinwohner dienende Einrichtung wird nicht schon dadurch zu einer überörtlichen Angelegenheit, dass bei ihrer Inanspruchnahme auch solche inhaltlichen Vorgaben des Einrichtungsträgers zu beachten sind, die für sich genommen keinen spezifischen Ortsbezug aufweisen (vgl. Burgi, VerwArch 1999, 70/83 f.). So darf etwa eine Gemeinde ihre öffentlichen Veranstaltungsräume im Rahmen der Widmung einzelnen als förderwürdig angesehenen Sparten des Kulturlebens vorbehalten und damit zwangsläufig andere Interessenten von der Nutzung ausschließen. Auch im vorliegenden Fall ändert die aus allgemeinen Tierschutzerwägungen vorgenommene generelle Beschränkung des Benutzerkreises auf Zirkusse ohne Wildtiere nichts daran, dass die Antragsgegnerin mit dem Betrieb der städtischen Veranstaltungsplätze eine Angelegenheit ihres eigenen Wirkungskreises erfüllt.
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(b) Die auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 20, Art. 72 Abs. 1 GG beruhenden tierschutzrechtlichen Bestimmungen dürften der streitigen Widmungsbeschränkung ebenfalls nicht entgegenstehen.
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Zwar hat der Gesetz- und Verordnungsgeber mit den Vorschriften, die das gewerbsmäßige Zurschaustellen von Wildtieren unter bestimmten Voraussetzungen erlauben (§ 11 Abs. 1 Nr. 8 Buchst. d, Abs. 4 TierSchG), eine abschließende bundesrechtliche Regelung getroffen, die auch von den Gemeinden beachtet werden muss. Dem Antragsteller, der eine wirksame Erlaubnis besitzt, könnte danach kein rechtswidriges Verhalten zum Vorwurf gemacht werden, wenn er mit seinen Tieren im Stadtgebiet der Antragsgegnerin auftritt. Daraus folgt aber nicht, dass die Antragsgegnerin verpflichtet wäre, ihm einen solchen Auftritt durch Überlassung ihres städtischen Veranstaltungsplatzes aktiv zu ermöglichen. In dem auf einer Widmungsbeschränkung beruhenden Ausschluss von Zirkussen mit Wildtieren von der Nutzung einer kommunalen Einrichtung liegt entgegen einer vielfach vertretenen Auffassung (vgl. NdsOVG, B.v. 2.3.2017 – 10 ME 4/17 – NVwZ 2017, 135 Rn. 12; OVG MV, B.v. 3.7.2017 – 2 M 369/17 – juris Rn. 9; SächsOVG, B.v. 5.6.2019 – 4 B 441/18 – NVwZ-RR 2020, 218) kein dem staatlichen Tierschutzrecht zuwiderlaufendes eigenständiges Verbot, sondern lediglich die Vorenthaltung einer Leistung, auf die kein originärer Anspruch besteht. So wie sich z.B. aus dem Besitz einer den Betrieb eines Fahrgeschäfts betreffenden Reisegewerbekarte kein Recht ergibt, dass Geschäfte dieser Art auf einem gemeindlichen Volksfest allgemein zugelassen werden, kann auch die tierschutzrechtliche Erlaubnis für das Zurschaustellen von Wildtieren dem Inhaber kein Recht auf Nutzung eines kommunalen Veranstaltungsplatzes vermitteln. Ob die Gemeinden durch eine bundesgesetzliche Regelung nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 20 GG überhaupt verpflichtet werden könnten, den Inhabern tierschutzrechtlicher Erlaubnisse den Zugang zu ihren öffentlichen Einrichtungen zu gewähren, erscheint angesichts der in Art. 28 Abs. 2 GG garantierten gemeindlichen Organisationshoheit und des Durchgriffsverbots nach Art. 84 Abs. 1 Satz 7 GG höchst fraglich, bedarf hier aber keiner Klärung. Es spricht nichts dafür, dass mit den bestehenden Regelungen des Tierschutzrechts eine solche Begünstigung beabsichtigt gewesen wäre.
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(2) Die Entscheidung der Antragsgegnerin, Zirkussen mit Wildtieren die Benutzung der Veranstaltungsplätze zu verwehren, ist jedoch aus grundrechtlicher Sicht zu beanstanden. Zwar stellt sie keine unzulässige Diskriminierung und damit keinen Gleichheitsverstoß nach Art. 3 Abs. 1 GG dar, weil die damit bezweckte Förderung des Tierwohls schon im Hinblick auf Art. 20a GG einen legitimen Differenzierungsgrund darstellt. Der Ausschluss von Zirkussen, die Wildtiere mit sich führen und/oder zur Schau stellen, verstößt aber zumindest deshalb gegen das Grundrecht der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG), weil er nur auf einem formlosen Stadtratsbeschluss beruht.
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(aa) Der Antragsteller kann sich als Zirkusunternehmer auf dieses Grundrecht berufen (VGH BW, B.v. 9.12.2019 – 1 S 2580/19 – juris Rn. 39). Durch die Ablehnungsentscheidung der Antragsgegnerin wird er an der beabsichtigten Ausübung seines Gewerbes gehindert, so dass in die Freiheit der Berufsausübung eingegriffen wird. Dass die Gewährung des Zugangs zu gemeindlichen Einrichtungen im Rahmen der Leistungsverwaltung erfolgt, schließt das Vorliegen eines Eingriffs in dieses Freiheitsgrundrecht nicht von vornherein aus (so aber OVG BerlBbg, B.v. 4.11.2019 – OVG 1 S 73.19 – juris Rn. 10 f.; Lange, DVBl 2014, 753/754; Penz, KommJur 2017, 241/243 f.; ders., NVwZ 2017, 730/731; Hirt in Hirt/Maisack/Moritz/Felde, Tierschutzgesetz, 4. Aufl. 2023, Einleitung Rn. 131; wie hier i.E. Helbich, JuS 2017, 507/510 f.). Aus der Sicht des modernen Eingriffsbegriffs ist vielmehr entscheidend, ob die Zugangsverweigerung eine objektiv berufsregelnde Tendenz aufweist, also nach ihrer Zielrichtung und Intensität zumindest faktisch in die Berufsfreiheit eingreift (BVerwG, U.v. 16.10.2013 – 8 CN 1.12 – BVerwGE 148, 13 Rn. 24; NdsOVG, B.v. 2.3.2017 – 10 ME 4/17 – NVwZ 2017, 728 Rn. 15 f.; VGH BW, a.a.O., Rn. 40 ff. m.w.N.). Bei einer nachträglichen Widmungsbeschränkung, die aus Gründen des Tierschutzes erklärtermaßen allein auf eine Verhinderung von Zirkusveranstaltungen mit Wildtieren abzielt, kann dies nicht ernstlich zweifelhaft sein. Angesichts der eindeutigen Intention des Einrichtungsträgers kann die Grundrechtsbetroffenheit auch nicht davon abhängen, ob und zu welchen Bedingungen der abgelehnte Bewerber für die geplanten Auftritte auf Alternativstandorte ausweichen könnte.
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(bb) Der mit dem Benutzungsausschluss verbundene Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Antragstellers ist rechtswidrig, weil die dafür nach Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG erforderliche normative Grundlage in einem Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes jedenfalls im vorliegenden Fall fehlt.
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Die Gemeinden werden allerdings in Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO ausdrücklich ermächtigt, durch Satzung die Benutzung ihrer öffentlichen Einrichtungen zu regeln. Die Vorschrift erlaubt zwar keine schwerwiegenden berufsbeschränkenden Maßnahmen gegenüber Dritten, die in das Benutzungsverhältnis nur mittelbar einbezogen sind (vgl. BVerwG, a.a.O., Rn. 28). Im Rahmen einer Satzung nach Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO können aber gemäß ständiger Rechtsprechung gegenüber den Einrichtungsbenutzern belastende Benutzungsregelungen erlassen werden, aus denen sich Handlungs- oder Duldungspflichten ergeben und die daher auch mit Grundrechtseingriffen verbunden sein können (BayVGH, U.v. 9.9.1981 – 81 IV 78 – BayVBl 1982, 594; U.v. 17.10.1984 – 5 B 83 A/1134 – NVwZ 1985, 844 f.; U.v. 9.5.1994 – 4 B 92.1872 – NVwZ-RR 1995, 347 f.; B.v. 26.2.1999 – 4 N 98.1181 – BayVBl 2000, 21; U.v. 14.7.2011 – 4 N 10.2660 – BayVBl 2012, 90 Rn. 31; B.v. 20.12.2016 – 4 CE 16.1939 – BayVBl 2017, 492 Rn. 15). Ohne ein derart weites Verständnis dieser speziellen Satzungsermächtigung ließe sich der widmungsgemäße Betrieb öffentlicher Einrichtungen kaum sicherstellen (ebenso bereits Burgi, VerwArch 1999, 70/94 ff.), da Eingriffe in Freiheit und Eigentum nicht auf die allgemeine Satzungsautonomie der Gemeinde nach Art. 23 Satz 1 GO gestützt werden können (vgl. dazu BayVGH, U.v. 22.1.1992 – 20 N 91.285 – NVwZ 1992, 1004/1006 m.w.N.).
22
Die auf die Benutzungsbedingungen abzielende Satzungsermächtigung des Art. 24 Abs. 1 Nr. 1 GO dürfte auch den Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit rechtfertigen, der in dem Ausschluss von Zirkussen mit Wildtieren liegt. Von dieser rechtssatzförmigen Regelungsoption hat die Antragsgegnerin aber keinen Gebrauch gemacht, sondern über die entsprechende Widmungsbeschränkung nur im Wege eines schlichten Stadtratsbeschlusses entschieden. Da auch der Hinweis auf diese Beschränkung in der den zivilrechtlichen Nutzungsverträgen zugrundeliegenden Tarifordnung dem Satzungsvorbehalt nicht genügt, fehlt es an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage für den genannten Grundrechtseingriff.
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bb) Der Antragsteller hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Nach der vorgelegten eidesstattlichen Versicherung vom 10. Mai 2023 ist im Rahmen seiner Tourenplanung in dem beantragten Zeitraum ein zehntägiges Gastspiel im Stadtgebiet der Antragsgegnerin vorgesehen. Ohne die Gewährung von Eilrechtsschutz wäre sein Anspruch auf Zugang zu dem städtischen Veranstaltungsplatz zu den gewünschten Vorstellungsterminen nicht durchsetzbar, da eine Entscheidung im Hauptsacheverfahren in jedem Fall zu spät käme.
24
Dass mit der beantragten Eilentscheidung eine (endgültige) Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist, steht dem Erlass einer einstweiligen Anordnung unter den vorliegenden Umständen nicht entgegen. Im Interesse effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) kann es ausnahmsweise geboten sein, die Hauptsache vorwegzunehmen, wenn eine Versagung vorläufigen Rechtsschutzes den Antragsteller schwer und unzumutbar oder irreparabel belasten würde (Kuhla in BeckOK VwGO, § 123 Rn. 156 m.w.N.). Ein solcher Fall ist hier anzunehmen. Der Antragsteller hat in seiner eidesstattlichen Versicherung glaubhaft dargelegt, dass er trotz Bemühungen keine geeignete Ausweichspielstätte an einem anderen Ort hat finden können, so dass sein Unternehmen im beantragten Zeitraum stillstehen müsste. Da ein solcher Zirkusbetrieb mit hohen Fixkosten verbunden ist, kann schon der kurzfristige ersatzlose Ausfall eines einzelnen Gastspiels zu einer wirtschaftlichen Existenzgefährdung führen. Zudem handelt es sich bei den geplanten Vorstellungen im Stadtgebiet der Antragsgegnerin um ein termingebundenes Ereignis, das im Rahmen der Tourenplanung nicht ohne weiteres nachholbar ist, so dass sich auch daraus die besondere Dringlichkeit einer gerichtlichen Eilentscheidung ergibt (vgl. Dombert in Finkelnburg/Dombert/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 7. Aufl. 2017, § 123 VwGO Rn. 199).
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Da das Gericht bei der Tenorierung des Beschlusses nach § 123 VwGO nicht an den Wortlaut des Antrags gebunden ist, sondern den erkennbaren Interessen des Rechtsschutzsuchenden bestmöglich Rechnung zu tragen hat (Kuhla, a.a.O., Rn. 143 m.w.N.), war hier angesichts des bereits zu Ende gehenden Monats Mai der für die Erfüllung des Anspruchs bestimmte Zeitraum entsprechend dem ursprünglich geäußerten Begehren des Antragstellers auf die noch verbleibenden Wochen im Mai und Juni 2023 festzulegen; dies entspricht seiner ursprünglichen Antragstellung bei der Antragsgegnerin.
26
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 22.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Wegen der mit der beantragten Entscheidung verbundenen Vorwegnahme der Hauptsache bestand kein Anlass für eine Reduzierung des Streitwerts.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).