Inhalt

VGH München, Beschluss v. 22.05.2023 – 3 ZB 22.1220
Titel:

Keine Berufung im Verfahren wegen Dienstzeugnis

Normenketten:
BayBG Art. 72
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3
Leitsatz:
Nach rechtkräftiger Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wegen Nichtbewährung kann im Verfahren um ein Dienstzeugnis eine erneute Beweiserhebung über die fachlichen Leistungen nicht verlangt werden. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dienstzeugnis, Probezeitbeurteilung, Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis, Beurteilungsspielraum, Beamter auf Probe, Lehrkraft, Feststellung der Nichtbewährung, Entlassung, Berufung, ernstliche Zweifel, besondere Schwierigkeiten, grundsätzliche Bedeutung, Beweiserhebung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 06.04.2022 – M 5 K 21.94
Fundstelle:
BeckRS 2023, 12082

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 5.000 Euro fest-gesetzt.

Gründe

1
Der zulässige Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt in der Sache ohne Erfolg, weil keiner der drei vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 124 Abs. 2 Nr. 1, 2, 3 VwGO) vorliegt.
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1. Aus seinem Vorbringen ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils sind dann zu bejahen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen. Das ist hier nicht der Fall.
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1.1 Der Kläger hält die Annahme des Verwaltungsgerichts für rechtsfehlerhaft, das ihm ausgestellte Dienstzeugnis genüge den Anforderungen von Art. 72 BayBG. Das Urteil bemühe nicht bestehende Erfahrungssätze (etwa Präjudiz der Probezeitbeurteilung) und übersehe, dass die Probezeitbeurteilung andere Zielrichtungen als das wohlwollend auszugestaltende Dienstzeugnis verfolge und daher Wesensunterschiede bestünden. Es hätten auch die zweifellos vorhandenen Stärken des Klägers in das Zeugnis einfließen müssen. Die auf den vorliegenden Fall entsprechend anzuwendende arbeitsgerichtliche Rechtsprechung – insbesondere im Hinblick auf die Darlegungs- und Beweislastregeln – verlange, dass das Dienstzeugnis nicht zu einer Behinderung im beruflichen Fortkommen führen dürfe. Die Einwände des Klägers gegen die Probezeitbeurteilung hätten zu einer Beweisaufnahme führen müssen und die in der mündlichen Verhandlung gestellten fünf Beweisanträge nicht abgelehnt werden dürfen. Eine kritiklose Hinnahme insbesondere der Beurteilung vom 31. Juli 2017 stelle einen massiven Rechtsfehler dar. Das Verwaltungsgericht habe wesentliche Tatsachenfeststellungen unterlassen und entscheidungserheblichen Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Die den Beurteilern vorgeworfene Voreingenommenheit werde völlig außer Acht gelassen.
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1.2 Das angefochtene Urteil entspricht den Anforderungen der Rechtsprechung an die Erstellung eines Dienstzeugnisses nach Art. 72 Satz 2 BayBG, ohne dass die Zulassungsbegründung hieran Zweifel aufzuwerfen vermag. Zweck eines qualifizierten Dienstzeugnisses (Verwaltungsakt) ist es, dem Kläger einen Nachweis seines beruflichen Werdegangs (einschließlich Leistungsbewertung) an die Hand zu geben, ohne dabei sein berufliches Fortkommen ungerechtfertigt zu erschweren. Zugleich dient das Zeugnis der Unterrichtung künftiger Dienst- oder Arbeitgeber über seine Leistungen und der Vermittlung eines zutreffenden Bildes seiner Gesamtpersönlichkeit. Der Spannungsbogen zwischen der Verpflichtung zum Wohlwollen und der Wahrheitspflicht bereitet in der Praxis die entscheidenden Probleme (vgl. Lorse, Die dienstliche Beurteilung, 6. Aufl. 2016, Rn. 310; BVerwG, B.v. 8.7.2014 – 1 WBN 2.14 – juris Rn. 11 zu qualifiziertem Dienstzeugnis nach § 85 Satz 2 BBG).
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Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass sich der Kläger bis zum Ende des (bereits verlängerten) Beamtenverhältnisses auf Probe nicht bewährt hat und damit die zu stellende Prognose, ob er den an die Wahrnehmung der Ämter seiner Laufbahn verbundenen Anforderungen voraussichtlich gerecht wird, rechtskräftig negativ ausgefallen ist (vgl. Klageverfahren zwischen den gleichen Beteiligten: VG München, U.v. 9.10.2019 – M 5 K 18.6141 –, bestätigt durch BayVGH, B.v. 8.6.2020 – 3 ZB 19.2442 – jeweils juris). Grundlage dieser Prognose war primär die Probezeitbeurteilung vom 31. Juli 2017. Die dortigen Feststellungen und Erkenntnisse waren für die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis mit Ablauf des 31. Dezember 2017 maßgeblich. Dem Beklagten kann nicht vorgeworfen werden, das streitgegenständliche Dienstzeugnis (vom 22.1.2018 in der korrigierten Fassung vom 16.2.2021) ohne umfassende neuerliche Prüfung („kritiklos“), sondern auf Basis der letzten negativen Probezeitbeurteilung erstellt zu haben, nachdem diese im rechtskräftig abgeschlossenen Klageverfahren inzidenter überprüft und für rechtmäßig befunden worden war.
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Der Kläger kann insbesondere nicht verlangen, dass die im angesprochenen ersten Rechtsstreit – zur Frage der Rechtmäßigkeit der Entlassung auf Basis der Probezeitbeurteilungen – durchgeführten Beweiserhebungen (insbesondere: Zeugenvernehmung des verantwortlichen Schuldirektors) nun noch einmal im Rahmen der Überprüfung des Dienstzeugnisses durchgeführt werden, auch nicht mit anderen Zeugen und neuem Vortrag. Es ist vielmehr (nach wie vor) von der fehlenden fachlichen Leistung des Klägers auszugehen. Ein weitergehender Aufklärungsbedarf ist nicht zu erkennen und wurde schon im zitierten Beschluss des Senats vom 8. Juni 2020 (a.a.O. Rn. 12 f.) verneint. Das feststehende Fehlen der fachlichen Eignung rechtfertigt gerade vor dem Hintergrund des Erfordernisses der Wahrhaftigkeit des Dienstzeugnisses die dort verwendeten, vom Kläger beanstandeten negativen Formulierungen.
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Kein anderes Ergebnis vermag der Hinweis auf die bereits vom Verwaltungsgericht benannten grundsätzlichen Wesensunterschiede zwischen einer Probezeitbeurteilung und einem Dienstzeugnis zu rechtfertigen (vgl. BayVGH, B.v. 18.11.2015 – 6 CE 15.2260 – juris Rn. 13 f.). Denn sie führen nicht dazu, dass im Beurteilungsverfahren festgestellte und dokumentierte Leistungsmerkmale, die zur Entlassung aus einem Beamtenverhältnis auf Probe geführt haben, nicht in einem nachfolgenden Verfahren, in dem es um den Inhalt eines Dienstzeugnisses über das gleiche Beamtenverhältnis geht, erneut Verwendung finden dürften. Zu Recht weist der Beklagte darauf hin, dass der Dienstherr die Leistung eines ehemaligen Beamten im Dienstzeugnis nicht grundsätzlich anders bewerten darf, als er dies im Entlassungsbescheid und der ihm zugrundeliegenden Probezeitbeurteilung getan hat. Andernfalls bestünde die Gefahr widersprüchlicher Leistungsbewertungen, obwohl die Rechtmäßigkeit der gerichtlich bestätigten Probezeitbeurteilung und der darauf basierenden Entlassungsverfügung feststeht.
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Die Frage, ob die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung zu den Beweislast- und Darlegungsregeln bei der Erstellung eines Arbeitszeugnisses auch für das Dienstzeugnis anzuwenden ist – wie der Kläger fordert –, kann offenbleiben (vgl. hierzu: ThürOVG, B.v. 9.10.2017 – 2 EO 113/17 – juris Rn. 14; VG Frankfurt, U.v. 17.11.2014 – 9 K 3310/13.F – juris Rn. 74). Diese Regeln besagen, dass der Arbeitgeber ein leistungsgerechtes Zeugnis schuldet; will er dem Arbeitnehmer nur eine „ausreichende“ oder noch schlechtere Bewertung zukommen lassen, muss er den dafür erforderlichen Nachweis erbringen, wohingegen der Arbeitnehmer beweispflichtig für den Fall ist, dass er eine „sehr gute“ oder „gute“ Bewertung anstrebt (ErfK/Müller-Glöge, 23. Aufl. 2023, GewO § 109 Rn. 86, 87; BAG, U.v. 27.4.2021 – 9 AZR 262/20 – juris Rn. 30; U.v. 18.11.2014 – 9 AZR 584/13 – juris Rn. 9 f.). Im vorliegenden Fall hat jedenfalls der Beklagte als Dienstherr den Nachweis der Richtigkeit der angegriffenen unterdurchschnittlichen Leistungsbewertung erbracht. Der Senat folgt dabei den verwaltungsgerichtlichen Feststellungen aus dem abgeschlossenen Klageverfahren (a.a.O.), mit dem der Kläger seine Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis wegen fehlender fachlicher Eignung ohne Erfolg angefochten hat. Sein Vortrag, das Verwaltungsgericht hätte im vorliegenden Verfahren (erneut) „Beweis für die schlechten Leistungen des Klägers fordern“ und die von ihm gegen die Probezeitbeurteilungen erhobenen Einwände berücksichtigen müssen, ist unzutreffend. Er übersieht, dass die Entlassungsverfügung wegen mangelnder fachlicher Leistung inzwischen rechtskräftig geworden ist und daher auch die bereits thematisierte Gefahr sich widersprechender Entscheidungen bestünde, wollte man neuerlich die Frage der fachlichen Leistungen des Klägers während des Beamtenverhältnisses auf Probe beantworten.
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Auch das Argument, der Kläger habe die Lehrbefähigung für die von ihm unterrichteten Fächer „in kürzester Zeit erworben“, belegt keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der angefochtenen Entscheidung. Die Geschwindigkeit, mit der die Lehrbefähigung erworben wurde, führt zwar zu einer positiven Bewertung (vgl. indirekt aus Dienstzeugnis S. 2, 1. Satz), besagt jedoch nicht unmittelbar etwas über die fachlichen Leistungen, insbesondere nicht über die nachfolgende Erfüllung der pädagogischen Anforderungen.
10
Schließlich führt der erneut vorgetragene (pauschale) Vorwurf der Voreingenommenheit der in der Probezeit des Klägers als Beurteiler tätigen Personen nicht zur Zulassung der Berufung. Der Senat verweist insoweit auf seine Ausführungen im Beschluss vom 8. Juni 2020 (a.a.O., Rn. 23, 24). Auch die weiteren in der Beschwerdebegründung vorgebrachten Argumente des Antragstellers hat der Senat zur Kenntnis genommen und erwogen. Sie führen jedoch ebenfalls nicht zu einer Abänderung der angefochtenen Entscheidung, ohne dass es insoweit einer ausdrücklichen Auseinandersetzung im vorliegenden Beschluss bedurft hätte.
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2. Die Rechtssache weist nicht die behaupteten besonderen rechtlichen und tatsächlichen Schwierigkeiten im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auf.
12
Der Kläger sieht die besonderen Schwierigkeiten der Rechtssache im Wesentlichen in denselben Fragen, die er auch zu dem Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Verwaltungsgerichts angeführt hat. Diese Fragen können jedoch – wie sich aus vorstehenden Darlegungen ergibt – ohne nennenswerten Aufwand im Zulassungsverfahren beantwortet werden. Im vorliegenden Fall sind einzelfallbezogen grundsätzlich geklärte rechtliche Maßstäbe auf einen durchschnittlich schwierig gelagerten auch Sachverhalt anzuwenden.
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Soweit der Kläger meint, das Verwaltungsgericht habe sich mit seinem erstinstanzlichen Vortrag nicht weiter auseinandergesetzt und sei auf bestimmte Fragen nicht eingegangen, legt er schon nicht plausibel und detailliert dar, woraus sich insofern der besondere Schwierigkeitsgrad ergeben sollte.
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3. Der Rechtssache fehlt auch die behauptete grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Eine Rechts- oder Tatsachenfrage ist dann grundsätzlich bedeutsam, wenn sie für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich ist, höchstrichterlich oder durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts noch nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist. Die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (vgl. BVerwG, B.v. 16.11.2010 – 6 B 58.10 – juris Rn. 3; B.v. 17.12.2010 – 8 B 38.10 – juris Rn. 7 f.).
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Die vom Kläger aufgeworfene Frage: „Ist wie im Arbeitsrecht von einer notenabhängigen Darlegungs- und Beweislast auszugehen oder ist Maßstab allein die Beurteilung des Beurteilers?“, ist nicht entscheidungserheblich, denn selbst wenn man der arbeitsgerichtlichen Entscheidungspraxis im Hinblick auf die Beweislast für die Geltendmachung über- oder unterdurchschnittliche Leistungsdarstellungen im Arbeitszeugnis für das Dienstzeugnis folgt, hält das hier streitgegenständliche Dienstzeugnis – wie unter 1.2 dargestellt – einer rechtlichen Überprüfung stand. Im Übrigen vertritt das angefochtene Urteil auch nicht die Auffassung, als Maßstab sei allein die vorangegangene Probezeitbeurteilung heranzuziehen.
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4. Der Zulassungsantrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO abzulehnen.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 2 GKG.
18
Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).