Titel:
Keine vollumfängliche waffenrechtliche Unzuverlässigkeit bei Einordnung als „Reichsbürger“
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5, § 88
WaffG § 5, § 41 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Leitsätze:
1. Die Feststellung der fehlenden Zuverlässigkeit als tatbestandliche Voraussetzung für ein Verbot des Besitzes und Erwerbs erlaubnisfreier Waffen gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG erfordert eine Prognose. Diese Prognose ist von derjenigen nach § 45 Abs. 2 WaffG i.V.m. § 5 WaffG zu unterscheiden, insbesondere werden ihre Strukturelemente nicht unmittelbar von § 5 WaffG gesteuert. (Rn. 18 und 20)
2. Die von § 41 Abs. 1 WaffG vorgeschriebene Ermessensausübung hat auf der Rechtsfolgenseite der erheblichen Wirkungsbreite eines Waffenverbots Rechnung zu tragen. (Rn. 25)
Schlagworte:
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung, Teilbarkeit einer Anordnung, Umgangsverbot mit erlaubnisfreien Waffen und Munition, Begriff der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit bei erlaubnisfreien Waffen, Ermessensausübung, Ausübung des Schießsports, Unzuverlässigkeit, Waffenrecht, Reichsbürger, Umgangsverbot, erlaubnisfreie Waffen, Ermessen, Schießsport
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 26.04.2023 – M 7 S 23.1898
Fundstellen:
BeckRS 2023, 12080
NVwZ-RR 2023, 1031
LSK 2023, 12080
Tenor
I. Unter Abänderung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 26. April 2023 wird die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen Ziffer I.1 des Bescheids vom 15. Februar 2023 wiederhergestellt, soweit dem Antragsteller ein Verhalten nach § 12 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 4 Satz 1 WaffG untersagt wird.
II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen einen Bescheid, der ein Erwerbs- und Besitzverbot für erlaubnisfreie Waffen und Munition, den Widerruf seiner waffenrechtlichen Erlaubnisse und entsprechende Folgeanordnungen enthält, soweit ihm der Umgang mit Waffen auf zugelassenen Verbands- und Vereinsschießstätten und bei Meisterschaften untersagt wird.
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Am 13. Dezember 2022 teilte das Polizeipräsidium M. dem Kreisverwaltungsreferat der ... M. (nachfolgend: Antragsgegnerin) mit, der Antragsteller werde aus fachlicher Sicht der „Reichsbürgerbewegung“ zugeordnet. Hintergrund seien einschlägige Äußerungen des Antragstellers per E-Mail im Rahmen eines Vollstreckungsverfahrens gegenüber einer Gerichtsvollzieherin vom 12. April 2021 und 27. Juli 2021 („Standgericht“, „Gilde“; Zweifel am Beamtenstatus der Gerichtsvollzieherin). Zudem habe der Antragsteller bereits im März 2021 im Rahmen einer allgemeinen Verkehrskontrolle geäußert, keinen Personalausweis zu besitzen, da er „kein Personal der BRD“ sei. Einer Vorladung zum persönlichen Gespräch im Oktober 2022 sei er nicht nachgekommen. Im Rahmen eines Telefonats am 27. Oktober 2022 habe der Antragsteller gegenüber dem zuständigen polizeilichen Sachbearbeiter diese Einschätzung nicht entkräften können, sondern vielmehr den Eindruck vermittelt, sehr auf seine Wortwahl zu achten und sich der Auswirkungen auf seine Waffenerlaubnisse bewusst zu sein.
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Mit Bescheid vom 15. Februar 2023 untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller mit Zustellung des Bescheids auf Dauer erlaubnisfreie Waffen und Munition zu erwerben oder zu besitzen (Nr. I.1), widerrief die ihm erteilten Waffenbesitzkarten (Nr. I.2) und verfügte die entsprechende Folgeanordnungen mit Zwangsgeldandrohung (Nrn. I.3, I.4 und I.6). Die sofortige Vollziehung der Nrn. I.1, I.3 und I.4 wurde angeordnet (Nr. I.5).
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Hiergegen erhob der Antragsteller am 13. März 2023 Klage (M 7 K 23.1219), über die noch nicht entschieden ist.
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Seinen am 19. April 2023 gestellten Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gegen Nr. I.1 des Bescheids, eingeschränkt auf den Umgang mit Waffen auf zugelassenen Verbands- und Vereinsschießstätten und bei Meisterschaften, hat das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 26. April 2023 abgelehnt, da sich die Anordnung in Nr. I.1 des Bescheids nach summarischer Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt der Gerichtsentscheidung als rechtmäßig darstelle. Gemäß § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG könne die zuständige Behörde den Besitz von erlaubnisfreien Waffen oder Munition untersagen, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass dem Antragsteller die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehle. Zur Konkretisierung des Begriffs der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit könne auf die allgemeine Vorschrift des § 5 WaffG zurückgegriffen werden. Der Antragsteller habe durch sein Verhalten Tatsachen geschaffen, die nach Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls die Annahme rechtfertigten, dass er der „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig sei bzw. sich deren Ideologie verbindlich zu eigen gemacht habe, was die Prognose der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG rechtfertige. Hierfür sprächen sowohl seine E-Mail an die Gerichtsvollzieherin, in der er deren Beamtenstatus anzweifle, als auch die Aussage im Rahmen der allgemeinen Verkehrskontrolle, keinen Personalausweis zu besitzen, da er kein „Personal der BRD“ sei. Seine im Verfahren vorgebrachten Einlassungen seien als Schutzbehauptung zu werten, da seine aktuellen Äußerungen bereits aus einer in der Vergangenheit bestehenden Überzeugung entspringen würden und nicht lediglich einer situativen, durch Ärger oder Unmut bedingten Motivation. So habe der Antragsteller bereits bei einer Verkehrskontrolle 2010 einen Führerschein vorgelegt, bei dem es sich offensichtlich um ein Phantasiedokument gehandelt habe und geäußert, das Deutsche Reich habe nie aufgehört zu existieren. Daher bestünden keine Zweifel daran, dass die nach außen getätigten Äußerungen auch die innere Einstellung des Antragstellers widerspiegelten. Das damalige Verhalten sei als waffenrechtlich berücksichtigungsfähige Tatsache in die aktuelle Prognose mit einzubeziehen, der Antragsteller könne sich nicht auf ein damaliges Nichtvorhalten durch die Behörde oder Verwirkung berufen, unabhängig davon, ob deren Voraussetzungen überhaupt vorlägen. Der Antragsteller sei in jüngerer Zeit mit „reichsbürgertypischen“ Äußerungen in Erscheinung getreten. Auch wenn das damalige Ermittlungsverfahren eingestellt worden sei, seien die insoweit gewonnenen Erkenntnisse waffenrechtlich im Rahmen der Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG berücksichtigungsfähig. Der Antragsteller habe die so geweckten, berechtigten Zweifel an seiner waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nicht entkräftet. Auch die Ermessensausübung dürfte nicht zu beanstanden sein, die Antragsgegnerin habe das Ermessen erkannt und gemäß Art. 40 BayVwVfG ausgeübt. Das Waffenbesitz- und Waffenerwerbsverbot dürfte sich auch dann nicht als unverhältnismäßig erweisen, wenn damit dem Antragsteller auch der vorübergehende Erwerb einer Waffe und Munition zum Schießen auf einer Schießstätte (vgl. § 12 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Nr. 2 WaffG) versagt wäre. Der Erwerb von Waffen solle im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die (abstrakt) bestehende Gefährdungslage grundsätzlich verboten sein. Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit dürfte nicht in unangemessenem Verhältnis zu der bestehenden Gefährdungslage stehen. Angesichts des sich aus der fehlenden waffenrechtlichen Zuverlässigkeit ergebenden Sicherheitsrisikos sowie der mit dem Erwerb und Besitz von Waffen verbundenen erheblichen Gefahren für die Allgemeinheit dürfte das rein private Interesse des Antragstellers an weiterer schießsportlicher Betätigung und damit auch der Möglichkeit der Teilnahme an Wettbewerben zurückstehen müssen. Ein darüber hinausgehendes besonderes Bedürfnis habe der Antragsteller nicht geltend gemacht. Nachdem die Unzuverlässigkeitsprognose im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG einen unmittelbaren Waffenbezug aufweise, unterscheide sich der Antragsteller deutlich von anderen, nicht zuverlässigkeitsüberprüften Personen, die an Schießstätten unter Aufsicht erlaubnisfrei den Schießsport ausüben dürften. Gerade bei Personen, die der sog. „Reichsbürgerbewegung“ bzw. deren Ideologie zuzuordnen seien, bestünde ein gewichtiges öffentliches Interesse daran, diesen auch nicht ein weiteres Training mit erlaubnisfreien Waffen zu ermöglichen. Bei den „Reichsbürgern“ und sog. Selbstverwaltern sei eine zunehmende Radikalisierung zu verzeichnen und sie würden in ihrer Gesamtheit als staats- und verfassungsfeindlich eingestuft. Der durch die Generalbundesanwaltschaft jüngst aufgedeckte und vereitelte Umsturzplan durch Angehörige der „Reichsbürger- und Selbstverwalterszene“ habe einmal mehr die Bedrohung durch diese Szene aufgezeigt. Im Ergebnis seien die Erfolgsaussichten bezüglich des Waffenverbots als gering einzustufen und es überwiege das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der verfahrensgegenständlichen Anordnung das private Interesse des Antragstellers an der diesbezüglichen teilweisen Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
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Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Rechtsschutzziel weiter und beantragt,
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den Beschluss vom 26. April 2023 abzuändern und die aufschiebende Wirkung der Klage bezüglich der Ziffer I.1 des Bescheids vom 15. Februar 2023 wiederherzustellen, soweit dem Antragsteller der vorübergehende erlaubnisfreie Erwerb und Besitz von Waffen und Munition auf zugelassenen Schießstätten sowie das dortige erlaubnisfreie Führen und Schießen von Waffen in Anwesenheit einer verantwortlichen Aufsichtsperson untersagt wird.
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Zur Begründung trägt er vor, das Verwaltungsgericht habe im vorliegenden Verfahren den Schwerpunkt verkannt und zu Unrecht auf die durch Verdachtsmomente ausgelöste „Reichsbürgereigenschaft“ des Antragstellers abgestellt. Denn dem Antragsteller gehe es lediglich um einen kleinen Teil der Verfügung in Ziffer I.1 des Bescheides, welcher im Rahmen der Interessenabwägung des Sofortvollzuges aufgrund fehlender Gefährlichkeit zu seinen Gunsten ausfallen müsse. Er wolle lediglich auf der zugelassenen Schießstätte seines Vereins dem Schießsport weiter nachgehen können; auf die vorgelegten Urkunden über die Teilnahme an vergangenen Meisterschaften werde verwiesen. Das Verwaltungsgericht habe sich nicht mit den typischen Umständen und Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Verhängung eines Waffenverbots auseinandergesetzt, welche ein individualisiert-konkreter Missbrauch sei. Nicht jede Fallgestaltung der Unzuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG rechtfertige ein Waffenverbot, was bereits die Benutzung des Wortes „soweit“ in der Ermächtigungsgrundlage zeige. Etwaige denkbare Fallgestaltungen, in denen auch die Untersagung des Schießsports möglicherweise zu Recht denkbar wäre, wie z.B. gewalttätiges Auftreten auf einer Schießanlage, wiederholte gravierende Sicherheitsverstöße auf dem Schießstand, Verursachung einer konkreten Gefahr oder eines Unfalls mit Sach- oder Personenschäden, seien hier nicht gegeben. Vielmehr halte das Verwaltungsgericht dem Antragsteller schwerpunktmäßig ein Verhalten von vor 13 Jahren vor, bei dem er ein rechtliches Nicht-Dokument bei einer Verkehrskontrolle vorgezeigt habe, was die Waffenbehörde damals nicht als relevant angesehen habe; der Aspekt der Verwirkung werde insoweit im Hauptsacheverfahren zu klären sein. Aber auch die weiteren ihm vorgeworfenen Verhaltensweisen sprächen nicht für eine entsprechende Gesinnung. Der Antragsteller möge zwar durch Verwendung von bestimmten, teils respektlosen Worten in die Nähe zu Versatzstücken der „Reichsbürgerargumentation“ geraten sein, jedoch fehlten die weiteren „reichsbürgertypischen“ Elemente, insbesondere habe er nie zu erkennen gegeben, sich nicht an Gesetze oder polizeiliche Weisungen halten zu wollen. All diese Verhaltensweisen beträfen in keiner Weise seinen sicheren Umgang mit Schusswaffen und Munition bei Ausübung des Schießsports. Das Verwaltungsgericht scheine davon auszugehen, dass es bei der Einstufung als „Reichsbürger“ – was von der Polizei nur apodiktisch festgestellt und im Hauptsacheverfahren zu klären sei – aufgrund einer immanenten Gefährlichkeit nicht hinnehmbar sei, dass ein Verdächtiger auch noch erlaubterweise schießen dürfe. Beim Antragsteller liege jedoch keine Zugehörigkeit zu irgendeiner „reichsbürgerlichen“ Gruppe oder einer ähnlichen Gesinnungsgemeinschaft vor, was vergleichbar zu den sog. „Ein-Prozent-Gruppen“ eine Gefährlichkeit begründen könnte. Der Argumentation des Verwaltungsgerichts, ein des „Reichsbürgerdenkens“ Verdächtiger dürfe sich nicht auch noch im Schießen üben, sei zu widersprechen. Denn der Antragsteller wolle das Schießen nicht erst erlernen, sondern habe diese Fertigkeit bereits in den Jahren als Sportschütze erworben.
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Die Antragsgegnerin tritt dem entgegen und beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen,
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und verweist auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen sowie die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
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Die zulässige Beschwerde hat Erfolg.
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Die geltend gemachten Beschwerdegründe, auf die sich die Prüfung des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt, erfordern eine Änderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Entgegen der Annahme des Verwaltungsgerichts spricht viel dafür, dass die Anfechtungsklage gegen den Bescheid, soweit er hier streitgegenständlich ist, Erfolg haben wird, sodass die vorzunehmende Interessenabwägung zu einem Überwiegen des Aussetzungsinteresses des Antragstellers gegenüber dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin führt.
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1. Auch wenn im Rahmen der zu treffenden Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Antragstellers an der Aussetzung der Vollziehung und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung vorzunehmen ist, bedeutet dies keine vom materiellen Recht losgelöste reine Interessenabwägung, sondern die Abwägung hat sich am materiellen Recht zu orientieren. Hierbei kommt den Erfolgsaussichten in der Hauptsache maßgebliche Bedeutung zu. Danach ist zunächst die offensichtliche Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bzw. die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs zu prüfen; nur bei offener Erfolgsprognose, also einer ergebnislosen Evidenzkontrolle, soll eine Interessenabwägung durchgeführt werden (vgl. Gersdorf in Posser/Wolf, BeckOK VwGO, 64. Ed. 1.7.2021, VwGO § 80 Rn. 187).
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Folglich ist im vorliegenden Beschwerdeverfahren die Anordnung in Ziffer I.1 des Bescheids vom 15. Februar 2023 auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. An diesem Prüfungsumfang ändert auch die Argumentation des Antragstellers nichts, dass Inhalt des vorliegenden Eilverfahrens lediglich ein Teilbereich des verfügten Besitz- und Erwerbsverbots mit erlaubnisfreien Waffen und erlaubnisfreier Munition – nämlich die Ausübung des Schießsports auf einer zugelassenen Schießstätte unter Aufsicht – sei und daher in erster Linie nur eine Interessenabwägung hinsichtlich der aus diesem Teilbereich potentiell erwachsenden Gefahren mit dem Interesse des Antragstellers an der fortgesetzten Ausübung des Schießsports vorzunehmen wäre. Zwar steht es dem Antragsteller in prozessualer Hinsicht frei, nur dieses (Teil-)Begehren zum Inhalt eines vorläufigen Rechtsschutzverfahrens zu machen. Jedoch dürfte der konkrete Umfang eines behördlich verfügten Waffenverbots nach § 41 Abs. 1 Satz 1 WaffG – vollumfänglich oder mit Ausnahme von bestimmten Umgangsarten oder Umgangsformen – materiell-rechtlich dem Bereich der Ermessensausübung hinsichtlich des Auswahlermessens und des „Wie“ i.R.d. Verhältnismäßigkeit unterfallen. Folglich kann das Begehr des Antragstellers nicht losgelöst von der zugrundeliegenden Verfügung geprüft werden.
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Soweit das Verwaltungsgericht Zweifel an der Statthaftigkeit des Antrags und einer Teilbarkeit in prozessualer Hinsicht andeutet (BA S. 14), werden diese vom Senat nicht geteilt. Die Frage nach einer teilweisen Stattgabe und damit Teilbarkeit des Antrags in sachlicher Hinsicht stellt sich insbesondere dann, wenn von Antragstellerseite ein unbeschränkter Antrag gestellt worden ist, das Gericht aber nur zu einer teilweisen Begründetheit käme (in diesem Sinne Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 109). Ist der Verwaltungsakt grundsätzlich teilbar, wird bei einem von Antragstellerseite bereits beschränkt gestellten Antrag – wie hier – das Gericht im Falle der Begründetheit die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung (nur) in dem beantragten Umfang aussprechen, da es gemäß § 88 VwGO, der nach § 122 Abs. 1 VwGO im vorläufigen Rechtsschutz Anwendung findet, dem Gericht verwehrt ist, über den Antrag der Klagepartei hinauszugehen („ne ultra petita“). Der im Tenor formulierte Umfang der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung entspricht daher vollständig dem Begehr des Antragstellers, sodass auch keine Zurückweisung „im Übrigen“ erforderlich ist.
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2. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung erweist sich die Anordnung in Ziffer I.1 des Bescheides vom 15. Februar 2023, welche einen Dauerverwaltungsakt darstellt, zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats als voraussichtlich rechtswidrig. Der Senat hat bereits Zweifel an der Richtigkeit der Unzuverlässigkeitsprognose des Verwaltungsgerichts. § 41 Abs. 2 WaffG verlangt nach einer Prognose, in deren Rahmen eine Anwendung von § 5 WaffG nicht ohne weiteres in Betracht kommt (2.1.). Im Rahmen der auf erlaubnisfreie Waffen und Munition ausgerichteten Prognose dürfte daher allein aus der – zutreffenden (unten 3.) – Einordnung des Antragstellers als „Reichsbürger“ nicht auf eine vollumfängliche Unzuverlässigkeit geschlossen werden können (2.2). Jedenfalls erfolgte die Ermessensausübung fehlerhaft (2.3.).
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2.1. Die in Ziffer I.1 des Bescheids der Antragsgegnerin verfügte Untersagung, erlaubnisfreie Waffen und Munition zu besitzen und zu erwerben, hat ihre Rechtsgrundlage in § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Waffengesetzes (WaffG) i.d.F. d. Bek. vom 11. Oktober 2002 (BGBl I S. 3970), zuletzt geändert durch Verordnung vom 19. Juni 2020 (BGBl I S. 1328). Durch die Ermächtigung in § 41 Abs. 1 WaffG wird den zuständigen Behörden ein Mittel an die Hand gegeben, Besitz- und Erwerbsverbote für erlaubnisfreie Waffen und Munition im Einzelfall, also auf die Person des Waffenbesitzers bezogen, auszusprechen. Dabei unterscheidet § 41 Abs. 1 WaffG in seinen Nummern 1 und 2 zwei Fallgruppen: Ein Umgangsverbot kann einerseits ausgesprochen werden, soweit es zur Verhütung von Gefahren für die Sicherheit oder zur Kontrolle des Umgangs mit diesen Gegenständen geboten ist (§ 41 Abs. 1 Satz. 1 Nr. 1 WaffG), oder andererseits, wenn Tatsachen bekannt werden, die die Annahme rechtfertigen, dass der rechtmäßige Besitzer oder Erwerbswillige abhängig von Alkohol oder anderen berauschenden Mitteln, psychisch krank oder debil ist oder sonst die erforderliche persönliche Eignung nicht besitzt oder ihm die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen oder Munition erforderliche Zuverlässigkeit fehlt (§ 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG). § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WaffG ist am Rechtsgüterschutz orientiert und hat die Verhütung von Gefahren zum Gegenstand. Demgegenüber stellt § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG nicht primär auf die Gefahrenlage ab. Hier geht es um einzelne Personen, die durch ihr konkretes Verhalten bewiesen haben, dass sie das Vertrauen nicht verdienen, das der Gesetzgeber in den durchschnittlichen Volljährigen setzt, bei dem er hinsichtlich der erlaubnisfreien Waffen auf eine Überprüfung bestimmter persönlicher Voraussetzungen (hier: persönliche Eignung und Zuverlässigkeit) verzichtet. In diesen Fällen ist das Waffenverbot für den Einzelfall zulässig, wenn eine auf Tatsachen gestützte Annahme fehlender Eignung oder Zuverlässigkeit gerechtfertigt erscheint (vgl. Heller/Soschinka/Rabe, Waffenrecht, 4. Aufl. 2020, Rn. 1022).
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Soweit § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG tatbestandlich das Vorliegen einer waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit voraussetzt, bedarf es zu deren Feststellung einer Prognose (zu ihren Elementen vgl. BayVGH, B.v. 20.4.2023 – 24 CS 23.495 – Rn. 21). Diese Prognose ist auf den Umgang mit erlaubnisfreien Waffen und Munition auszurichten. Ihre Strukturelemente werden nicht unmittelbar von § 5 WaffG gesteuert. Insoweit sind die Tatbestandsvoraussetzungen des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG einerseits und des § 45 Abs. 1 oder Abs. 2 Satz 1 WaffG andererseits nicht kongruent.
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Für dieses Verständnis spricht bereits der Wortlaut, der das maßgebliche Prognoseereignis ausdrücklich auf die Unzuverlässigkeit hinsichtlich erlaubnisfreier Waffen ausrichtet („die für den Erwerb oder Besitz solcher Waffen erforderliche Zuverlässigkeit“), während demgegenüber § 5 WaffG auf erlaubnispflichtige Waffen und das mit ihnen verbundene Gefährdungspotential gerichtet ist. Auch in systematischer Hinsicht ist zu beachten, dass der Gesetzgeber § 5 WaffG nicht als Teil der allgemeinen Bestimmungen in Abschnitt 1, sondern im Unterabschnitt 1 des Abschnitts 2 verortet hat, der zwar auch als allgemein bezeichnete Voraussetzungen enthält, aber dies nur für Waffen und Munitionserlaubnisse und damit gerade nicht für erlaubnisfreie Waffen und Munition. Dass der Gesetzgeber die Vorschriften aus Abschnitt 2, Unterabschnitt 1 im Rahmen des § 41 WaffG nicht ohne Weiteres für anwendbar hält, wird im Übrigen auch dadurch deutlich, dass die entsprechende Anwendung von Teilen des § 6 WaffG in § 41 Abs. 1 Satz 2 Hs. 2 WaffG ausdrücklich normiert ist. Ferner hätte eine identische Handhabung des Zuverlässigkeitskriteriums in § 45 WaffG und in § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG wenig überzeugende Ergebnisse zur Folge. Es ist kein Grund ersichtlich, den Tatbestand des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG unterschiedslos bei allen Besitzern oder Erwerbswilligen zu bejahen, die zu einem Jahr Freiheitsstrafe im Sinne von § 5 Abs. 1 Nr. 1-Buchst. b WaffG verurteilt worden sind (und einer Differenzierung zwischen verschiedenen Straftaten nur noch auf Ermessensebene Rechnung zu tragen).
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Auch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zum Waffengesetz (WaffVwV) lässt dies erkennen. So ist nach Nr. 41.1 WaffVwV ein Verbot nach § 41 Abs. 1 WaffG anzuordnen, wenn Belange der öffentlichen Sicherheit schon durch den Umgang mit erlaubnisfreien Waffen und Munition beeinträchtigt werden, während § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG sonstige tatsächliche Umstände betrifft, die die Zuverlässigkeit oder persönliche Eignung betreffen. Auch hieraus wird ersichtlich, dass sich die waffenrechtliche Zuverlässigkeit bzw. deren Fehlen auf den Umgang mit erlaubnisfreien Waffen und Munition beziehen muss, welche ihrerseits im Rahmen einer Prognose zu einer Beeinträchtigung der Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung führen können muss.
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Schließlich ist diese gesetzgeberische Entscheidung auch aus grundrechtlicher Perspektive sachgerecht. Denn ein angeordnetes Erwerb- und Besitzverbot von erlaubnisfreien Waffen und Munition nach § 41 Abs. 1 Satz 1 WaffG hat zur Folge, dass die betroffene Person das Recht zum Erwerb und Besitz solcher Waffen verliert, die nach Anlage 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 2 zum Waffengesetz grundsätzlich erlaubnisfrei sind. Die Beschränkung der im Rahmen des § 12 WaffG jedem Volljährigen grundsätzlich zustehenden Möglichkeiten zum erlaubnisfreien Umgang mit Waffen und Munition hat gegenüber einem Widerruf der Waffenbesitzkarte nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG eine erheblich größere Wirkungsbreite und stellt insoweit einen intensiveren Eingriff in die Rechte des Betroffenen dar.
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Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, auch im Rahmen von § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG auf § 5 WaffG zurückgreifen zu können (vgl. BayVGH, B.v. 24.1.2019 – 21 CS 18.1579 – juris Rn. 10; BayVGH, B.v. 1.2.2021 – 24 ZB 19.1086 – juris Rn. 8; vgl. auch BayVGH, B.v. 15.10.2020 – 24 ZB 18.1159 – juris Rn. 9; Gade, 3. Aufl. 2022, WaffG, § 41 Rn. 7). Dabei ist aber zwingend zu beachten, dass § 5 WaffG insoweit nur entsprechend seiner Bewertungsmaßstäbe herangezogen, aber nicht schematisch angewendet werden kann.
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Mit Blick auf die erhebliche Wirkungsbreite eines Waffenverbots und den damit verbundenen grundrechtlichen Folgen hat der Gesetzgeber der Waffenbehörde folgerichtig für die Entscheidung über ein Waffenverbot gem. § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG – anders als beim Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG – ein Ermessen eingeräumt („kann“). Bei der Ausübung ihres Ermessens hat die Waffenbehörde insbesondere dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen. Von spezifisch auf § 41 WaffG und seine Wirkungen bezogenen Ermessenserwägungen kann sie auch dann regelmäßig nicht absehen, wenn daneben mangels waffenrechtlicher Zuverlässigkeit die Voraussetzungen für einen Widerruf einer Erlaubnis nach § 45 Abs. 1 Satz 1 WaffG vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2016 – 6 C 36/15 – juris Rn. 20).
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Vor diesem Hintergrund ist die Erforderlichkeit des Waffenverbots immer gesondert durch die Behörde zu prüfen (vgl. Heller/Soschinka/Rabe, Waffenrecht, Rn. 1024) und kann gerade nicht gleichsam eines Automatismus als einheitliches „Paket“ zusammen mit einem Widerruf nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG i.V.m. § 5 WaffG angeordnet werden.
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2.2. Unter Anwendung der oben genannten Grundsätze hat der Senat bei summarischer Prüfung erhebliche Zweifel, ob die vorhandenen Erkenntnisse genügen, um eine Unzuverlässigkeit des Antragstellers bezüglich erlaubnisfreier Waffen und Munition anzunehmen. Weder die Antragsgegnerin noch das Verwaltungsgericht setzen sich mit diesen Voraussetzungen hinreichend auseinander, sondern wenden § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b und c WaffG unmittelbar im Tatbestand des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG an, ohne sich mit den diesbezüglichen speziellen Anforderungen an die Untersagung des Umgangs mit erlaubnisfreien Waffen zu befassen (vgl. S. 4 des Bescheids). Eine auf § 41 Abs. 1 WaffG ausgerichtete Prognose über die Unzuverlässigkeit des Antragstellers fehlt.
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Soweit vorliegend der erlaubnisfreie Erwerb und Besitz von Waffen und Munition in Zusammenhang mit der Ausübung des Schießsports auf Verbands- und Vereinsschießstätten und Teilnahme an Meisterschaften im Raum steht, dürfte die alleinige Nähe des Antragsstellers zur „Reichsbürgerszene“ – jedenfalls nicht ohne weitere tatsächliche Anhaltspunkte – die Prognose fehlender Zuverlässigkeit nicht tragen. Vor dem Hintergrund der Eigenständigkeit der Prognose im Rahmen des § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG kommt es nicht in Betracht, die Rechtsprechung des Senats zur Unzuverlässigkeit im Sinne von § 5 WaffG im Rahmen der Entziehung waffenrechtlicher Erlaubnisse von Anhängern der „Reichsbürgerszene“ (vgl. BayVGH, U.v. 11.8.2022 – 24 B 20.1363 – juris 17 ff.) ohne weiteres zu übertragen. Denn die Annahme, dass Anhänger der „Reichsbürgerszene“ gerade die einschlägigen waffenrechtlichen Vorschriften für erlaubnispflichtige Waffen und Munition – insbesondere zur sicheren Aufbewahrung und der Weitergabe an unberechtigte Dritte – nicht einhalten, trägt nicht ohne weiteres die Annahme, dass etwa auch ein erlaubnisfreier Erwerb und Besitz von Waffen und Munition auf einer Schießstätte nach § 27 WaffG lediglich vorübergehend zum dortigen Schießen (§ 12 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 Nr. 2 WaffG) unter Aufsicht (vgl. §§ 10, 11 AWaffV) mit Fehlverhalten und nicht hinnehmbaren Gefahren verbunden sein wird oder dass mit erlaubnisfreien Waffen in unzulässiger Art und Weise umgegangen werden wird. Dass beim Antragsteller über seine Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerszene“ hinaus prognoserelevante Anhaltspunkte, wie sie etwa in Nr. 41.3 WaffVwV formuliert sind, vorliegen, ist derzeit aus den vorhandenen Akten nicht ersichtlich und wurde seitens der Antragsgegnerin weder im zugrundeliegenden Bescheid noch im gerichtlichen Verfahren dargelegt. Die vom Verwaltungsgericht angestellte pauschale Überlegung, bei „Reichsbürgern“ müsse nicht zuletzt wegen der jüngst aufgedeckten und vereitelten Umsturzpläne (vgl. BA Rn. 39, dort aber im Rahmen des Ermessens) die Ausbildung oder Aufrechterhaltung einer „Schusswaffenkompetenz“ unterbunden werden, findet im geltenden Waffenrecht keine Stütze. Gerade mit der gleichzeitig vom Verwaltungsgericht festgestellten Heterogenität der „Reichsbürgerszene“ ist es nicht vereinbar, einzelfallunabhängig davon auszugehen, dass unterschiedslos bei jedem Anhänger der Szene selbst ein „Schießen unter Aufsicht“ oder ein Umgang mit erlaubnisfreien Waffen mit nicht hinnehmbaren Gefahren verbunden ist, die die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit hinsichtlich erlaubnisfreier Waffen rechtfertigen.
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2.3. Jedenfalls ist aber die gerichtlich nur eingeschränkt im Rahmen des § 114 Satz 1 VwGO überprüfbare Ermessensausübung fehlerhaft, so dass sich der Bescheid schon deshalb als rechtswidrig erweist. Denn es wird aus den Bescheidsgründen nicht ersichtlich, dass die Antragsgegnerin die Folgen ihrer Anordnung für den Lebensbereich „Ausübung des Schießsports“ erkannt und in ihre Erwägungen eingestellt hat. Das von § 41 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 WaffG eröffnete Ermessen erfordert eine Entscheidung sowohl hinsichtlich der Frage, ob die Behörde überhaupt tätig wird, als auch in welchem Umfang sie ein Verbot im Umgang mit erlaubnisfreien Waffen und Munition ausspricht, was wiederum gebietet, die für den jeweiligen Einzelfall und die eine solche Unzuverlässigkeit begründenden Umstände darzulegen und zu bewerten. Dies ist vorliegend nicht erfolgt.
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3. Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist anzumerken, dass mit dem Verwaltungsgericht davon auszugehen ist, dass durch die aktenkundigen Umstände Tatsachen nachgewiesen wurden, die die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller nach derzeitigem Sachstand der Szene der sog. „Reichsbürger“ zuzuordnen sein dürfte. Ergänzend ist auszuführen:
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Das Verwaltungsgericht hat unter Verweis auf die Rechtsprechung des Senats in nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass Umstände vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, dass der Antragsteller im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG unzuverlässig ist. Denn unter Gesamtwürdigung aller Umstände des konkreten Einzelfalls begründen die ermittelten Verhaltensweisen und Einlassungen des Antragstellers die Annahme, dass dieser der sog. „Reichsbürgerbewegung“ zugehörig ist oder sich deren Ideologie für sich verbindlich zu eigen gemacht hat. Es hat die insoweit vorhandenen Tatsachen umfassend bewertet und nachvollziehbar dargelegt, weshalb der Antragsteller die entstandenen Zweifel an seiner waffenrechtlichen Zuverlässigkeit nicht entkräften konnte. Bei der Frage, ob ein Verhalten eines Betroffenen den Verdacht auf die Zugehörigkeit zur „Reichsbürgerbewegung“ rechtfertigt, kommt es auf eine Gesamtwürdigung der im jeweiligen Einzelfall an den Tag gelegten Verhaltens und sonstiger Indizien an. Es ist Sache des Antragstellers, die von ihm durch sein Verhalten selbst hervorgerufenen, berechtigten Zweifel im Hinblick auf seine waffenrechtliche Zuverlässigkeit zu entkräften (BayVGH, U.v. 30.7.2020 – 24 BV 18.2500 – juris Rn. 16). Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt, dass auch jenseits der Nähe zum eigentlichen „Reichsbürger“-Spektrum eine Einstellung, die die Existenz und Legitimation der Bundesrepublik Deutschland negiert und die auf dem Grundgesetz fußende Rechtsordnung nicht als für sich verbindlich betrachtet, die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG rechtfertigt; ob die Person sich selbst als „Reichsbürger“ empfindet und ansonsten „unauffällig“ ist, ist dabei unerheblich (BA S. 21).
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Entgegen der Beschwerdebegründung hat das Verwaltungsgericht auch nicht lediglich auf die polizeiliche Einschätzung, welcher ein besonderes Gewicht zukommt, abgestellt, sondern sämtliche bekannten Umstände einbezogen und gewertet. Diese Bewertung hat der Antragsteller nicht substantiell in Frage gestellt, sondern im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht seine Einschätzung auch nicht maßgeblich auf den Vorfall 2010, bei dem der Antragsteller bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle anstelle eines Führerscheins ein Phantasie-Dokument (mit einem Stempel des Reichsadlers mit Hakenkreuz im Eichenkranz) vorzeigte, gestützt. Vielmehr hat es den damaligen Vorfall für die Beurteilung herangezogen, ob es sich bei den aktuellen Vorfällen von 2021 gemäß dem Vorbringen des Antragstellers im Verfahren um situationsbedingte, provokante, gereizte, lediglich durch Ärger, Unmut oder Hilflosigkeit bedingten Äußerungen handeln könnte. Zwar ist dem Antragsteller zuzugeben, dass mit zunehmenden Zeitablauf immer weiter in der Vergangenheit liegende Umstände immer weniger eine heute anzustellende Unzuverlässigkeitsprognose stützen können. Doch hierauf kommt es vorliegend nicht an, da das Verwaltungsgericht gerade nicht tragend auf den Vorfall von 2010 abstellt, sondern diesen nur ergänzend zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Einlassungen des Antragstellers zu den aktuellen Vorfällen herangezogen hat.
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4. Nachdem sich die zugrundeliegende Anordnung in Ziffer I.1 des Bescheids vom 15. Februar 2023 zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats als rechtswidrig darstellt, kommt dem Suspensivinteresse des Antragstellers ein höheres Gewicht zu als dem Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin. Denn bei dem hier verfahrensgegenständlichen Umgangsverbot handelt es sich um keine von Gesetzes wegen sofort vollziehbare Anordnung (vgl. § 45 Abs. 5 WaffG). Zwar handelt es sich bei der Untersagung um einen Dauerverwaltungsakt, für dessen Rechtmäßigkeitsbeurteilung es auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ankommt. Jedoch hat die Antragsgegnerin auch im gerichtlichen Verfahren keine Umstände geltend gemacht, die ausnahmsweise eine abweichende Beurteilung im Rahmen der Interessenabwägung erforderlich machen könnten.
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5. Der Tenor wurde nach § 122 Abs. 1 i.V.m. § 118 Abs. 1 VwGO gegenüber dem aufgrund der besonderen Eilbedürftigkeit vorab übermittelten Tenor berichtigt, da eine offenbare Unrichtigkeit vorlag.
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6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
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7. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47, 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG unter Berücksichtigung der Nr. 1.5, des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit i.d.F. vom 18. Juli 2013. Das Interesse des Antragstellers an der Beseitigung des Waffenerwerbs- und Waffenbesitzverbotes ist mit dem Auffangstreitwert zu bemessen, der im vorläufigen Rechtsschutz zu halbieren war.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).