Inhalt

VG Regensburg, Beschluss v. 06.03.2023 – RN 6 S 22.2695
Titel:

Anordnung einer Baustellenabsicherung: Einstweiliger Rechtsschutz gegen Zwangsgeldandrohung

Normenketten:
BayVwZVG Art. 37, Art. 38 Abs. 1 S. 3
BayVwVfG Art. 44
Leitsätze:
1. Die Vorschrift des Art. 38 Abs. 1 S. 3 BayVwZVG schränkt die Anfechtung isolierter Zwangsgeldandrohungen, die nicht mit dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt verbunden sind, wesentlich ein. Diese können nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Einwendungen gegen den unanfechtbaren Verwaltungsakt sind demnach ausdrücklich ausgeschlossen. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes ist keine allgemeine Vollstreckungsvoraussetzung, weil keine Konnexität gefordert ist. Insofern genügt es, wenn ein wirksamer, dh nicht nichtiger (Art. 44 BayVwVfG) Verwaltungsakt vorliegt. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Verwaltungsakt ist gem Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG nichtig, wenn ihn aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann. Beruft sich - wie hier - eine Antragstellerin darauf, dass sie eine alleinstehende Frau sei, die nicht über Kenntnisse, Material oder Hilfskräfte zur Sicherung einer Baustelle verfüge, ist dies unbeachtlich, weil auf die objektive Unmöglichkeit und nicht auf das subjektive Unvermögen des Adressaten abzustellen ist. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
einstweiliger Rechtsschutz, Baustellenabsicherung, Zwangsgeld, Grundverfügung, Nichtigkeit, objektive Unmöglichkeit, Anordnungsanspruch, Fälligkeit
Rechtsmittelinstanzen:
VGH München, Beschluss vom 12.05.2023 – 15 CS 23.606
VGH München, Beschluss vom 16.06.2023 – 15 CS 23.983
Fundstelle:
BeckRS 2023, 12055

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 1.250,- € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt einstweiligen Rechtsschutz im Hinblick auf eine Zwangsgeldandrohung vom 9. September 2022, die Fälligkeitsmitteilung dieses Zwangsgelds vom 12. Oktober 2022 sowie gegen die Androhung eines weiteren Zwangsgelds vom 12. Oktober 2022.
2
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Fl.Nr. … der Gemarkung …, Stadt L., und Bauherrin einer dort seit etwa vier Jahren im Rohbauzustand befindlichen Doppelhaushälfte. Infolge einer E-Mail des Nachbarn der Antragstellerin vom 25. September 2021, in der dieser auf spielende Kinder in der ungesicherten Baustelle hinwies, forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin nach einer Ortseinsicht am 4. Oktober 2021 mit Schreiben vom 5. Oktober 2021 dazu auf, die Zugänge zu verschließen und Absturzsicherungen anzubringen. Eine Reaktion der Antragstellerin erfolgte nicht. Am 6. September 2022 meldete der Nachbar erneut, dass die Baustelle weiterhin ungesichert sei. Am 6. Oktober 2022 erfolgte eine Baukontrolle. Das Gebäude bzw. der Rohbau sei frei zugänglich. Absturzsicherungen an Öffnungen würden fehlen. Ein offener Bodendurchbruch sei nicht abgedeckt (Bl. 27 ff.). Am 8. September 2022 erfolgte eine telefonische Anhörung der Antragstellerin zum beabsichtigten Erlass eines Bescheids dahingehend, dass die Baustelle gesichert werden müsse.
3
Mit Bescheid vom 9. September 2022, Az. …, adressiert an Frau …, …, L., forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin dazu auf, alle Zugänge zum Rohbau „A.“ […] zu verschließen und die Aussparungen für bodentiefe Fenster, Balkontüren bzw. Balkon-/Terrassenbereiche o.Ä. mit einer geeigneten Absturzsicherung (z.B. Geländer oder provisorische Absperrung aus Holz) zu versehen (Ziff. 1). Die sofortige Vollziehung der Ziff. 1 wurde angeordnet (Ziff. 2). Für den Fall der Nichtbefolgung der Anordnung aus Ziff. 1 binnen einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids drohte die Antragsgegnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € an (Ziff. 3). Für diesen Bescheid erhob die Antragsgegnerin eine Gebühr i.H.v. von 150 € und Auslagen i.H.v. von 3,50 €.
4
Blatt 23 der Behördenakte enthält ein Empfangsbekenntnis im Sinne des Art. 5 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG), wonach das Schriftstück „Baustellensicherung (A. ...); Datum: 8. September 2022“ am 12. September 2022 wegen Unmöglichkeit der Übergabe durch Einlegen in den Briefkasten zur Wohnung „Frau …, L.“ zugestellt worden ist. Blatt 24 der Behördenakte enthält einen Aktenvermerk in dem es heißt: „Wenn Briefe von unserer Poststelle nicht zugestellt werden, weil der Empfänger unter der angegebenen Adresse nicht wohnhaft ist oder die Adresse bzw. der Name auf der Zustellungsurkunde und auf dem Briefkuvert nicht übereinstimmen, wird bei uns im Amt üblicherweise nicht das komplette Schreiben neu ausgedruckt, sondern nur das Kuvert mit einem Etikett mit der richtigen Adresse versehen. Dies wurde auch im vorliegenden Fall so gehandhabt.“
5
Mit Schreiben vom 12. Oktober 2022, Az. 5.63.1 Ge/GG, teilte die Antragsgegnerin mit, dass das angedrohte Zwangsgeld in Höhe von 1.000 € fällig geworden sei.
6
Mit Bescheid vom 12. Oktober 2022, Az. 5.63.1 Ge/GG, der Antragstellerin zugegangen am 19. Oktober 2022, drohte die Antragsgegnerin für den Fall, dass die in Nr. 1 des Bescheids vom 9. September 2022 festgelegten Pflichten zu Baustellensicherung […] nicht bis spätestens 21. Oktober 2022 erfüllt würden erneut ein Zwangsgeld in Höhe von 2.000 € an.
7
Mit Schreiben vom 24. Oktober 2022 legte die Antragstellerin Widerspruch ein gegen die Bescheide vom 12. Oktober und 9. September 2022.
8
Bei einer Baukontrolle am 7. November 2022 wurde festgestellt, dass der Zugang zum Rohbau durch rot-weiße Absperrbänder und quer gelegte Holzlatten abgesperrt worden sei (Bl. 64 ff.). Der Antragstellerin sei mitgeteilt worden, dass das zur Baustellensicherung nicht ausreiche. Sie könne beispielsweise einen Bauzaun kaufen und fest verschraubt vor die Zugänge anbringen. Eine Baukontrolle am 21. November 2022 ergab, dass in die beiden Eingänge teilweise Gitter eingebaut worden seien (Bl. 69 ff.).
9
Die Antragstellerin hat am 21. November 2022 als Rechtsanwältin in Selbstvertretung Klage erhoben (RN 6 K 22.2696) und um einstweiligen Rechtsschutz nachgesucht. Zur Begründung wird im Wesentlichen vorgebracht, der am 8. September telefonisch angekündigte Bescheid vom 9. September 2022 sei an die vormalige Kanzleiadresse der Antragstellerin (., L.*) übersandt worden. Die Kanzlei befinde sich jedoch seit August 2017 in der … in L. Dieser Bescheid sei demnach nicht zugestellt worden. Die Antragstellerin könne sich nicht erinnern, ein Empfangsbekenntnis abgegeben zu haben. Der Bescheid sei unbestimmt, weil keine konkrete Maßnahme verlangt werde, sodass die Vollstreckungsvoraussetzungen nicht vorlägen. Die Antragstellerin habe bei der Antragsgegnerin nachgefragt, was sie zur Baustellensicherung vornehmen solle. Sie verfüge nicht über Material und Hilfskräfte, um eine Baustellenabsicherung zu errichten. Sie sei eine alleinstehende Frau und insoweit eine Privatperson, die nicht über die entsprechenden Kenntnisse verfüge. Am 24. Oktober 2022 habe die Antragstellerin zwei Vier-Kant-Baumpfähle, schräg in die schmalen Türeingänge eingestellt und dann mit Absperrband abgesichert. Bei einer weiteren Baukontrolle am 7. November 2022 sei die Anbringung eines Baustellen- bzw. Baustahlgitters empfohlen worden. Daher sei am 12. November 2022 ein solches (1 m x 2 m) gekauft und mit U-Haken angebracht worden. Nach einer weiteren Baukontrolle am 21. November 2022 sei die Anbringung von Baustellentüren, über die die Antragstellerin nicht verfüge, oder das Aufstellen eines Bauzaunelements mit Betonsockel angeregt worden. Auf das Urteil des VG Ansbach vom 16. Juli 2020, AN 17 K 20.00541, werde Bezug genommen. Die Antragsgegnerin sei von sachfremden Erwägungen getrieben. Am Nachmittag des Tags, an dem die Klagefrist abgelaufen sei, habe die Antragsgegnerin der Antragstellerin angeboten, dass das Bauamt ausnahmsweise bereit sei, irgendwelche Arbeiten durchzuführen. Zweck dieses Vorgehens sei es gewesen, die Klageeinreichung zu verhindern. Dies sei ein unstatthaftes Vorgehen, das rechtlich als Schikane unter Verstoß gegen § 226 BGB und ein Verstoß gegen faires Handeln einer Behörde nach Art. 20 Abs. 3 GG einzustufen sei. Die Antragsgegnerin sei daran gebunden, dass bei der Ortsbesichtigung vom 12. Oktober 2022 festgelegt worden sei, dass in den beiden offenen Türen jeweils nur noch ein Baustahlgitter angebracht werden müsse und dann sei die Sache in Ordnung.
10
Die Antragstellerin hatte zunächst beantragt,
„Die aufschiebende Wirkung der […] erhobenen Klage gegen die Zwangsgeldbescheide der Stadt L. vom 9. September 2022 und 12. Oktober 2022 wird angeordnet.“
11
Die Antragstellerin beantragt zuletzt,
Die Zwangsvollstreckung in Bezug auf das Zwangsgeld aus dem von der Beklagten behaupteten Bescheid vom 9. September 2021 über Zwangsgeld, Gebühren und Auslagen, sowie die Zwangsvollstreckung aus dem Bescheid der Beklagten vom 12. Oktober 2022 mit Zwangsgeld, Gebühren und Auslagen wird vorläufig eingestellt.
12
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
13
Soweit der Antrag den Bescheid vom 9. September 2022 betreffe, sei er unzulässig, da dieser Bescheid bestandskräftig geworden sei. Der Bescheid sei der Antragstellerin mit Empfangsbekenntnis am 12. September 2022 zugestellt worden (Bl. 23). Es treffe zwar zu, dass im Adressfeld des Bescheids die alte Kanzleiadresse bezeichnet sei. Gleichwohl sei das Briefkuvert mit der neuen Adresse versehen gewesen. Soweit der Antrag die Fälligkeitsmitteilung betreffe sei der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO nicht statthaft. Im Übrigen sei der Antrag unbegründet. Die Grundverfügung vom 9. September 2022 sei unanfechtbar und damit vollstreckbar. Mangels Konnexitätserfordernisses komme es auf deren Rechtmäßigkeit ohnehin nicht an. Es genüge, dass – wie hier – ein wirksamer Verwaltungsakt vorliege. Die Grundverfügung habe sich auch nicht zwischenzeitlich erledigt, weil die von der Antragstellerin vorgenommenen Maßnahmen ersichtlich unzureichend seien.
14
Mit Schreiben vom 23. November 2022 wies die Antragsgegnerin die Antragstellerin darauf hin, dass die Baustelle schnellstmöglich und nach den aktuell anerkannten Regeln der Technik sach- und fachgerecht zu sichern sei. Hierzu seien die Zugänge zum Rohbau gänzlich zu verschließen oder durch andere Personen, z.B. eine Fachfirma verschließen zu lassen. Beispielweise könnten Bautüren eingesetzt oder ein Bauzaunelement inklusive Betonsockel und fester Verschraubung mit dem Gebäude aufgestellt werden.
15
Mit gerichtlichem Schreiben vom 24. November 2022 wurde darauf hingewiesen, dass der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO hinsichtlich der Fälligkeitsmitteilung nicht die statthafte Antragsart sein dürfte.
16
Im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakte, jeweils auch im Verfahren RN 6 K 22.2696.
II.
17
Der Antrag ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.
18
Grundsätzlich muss das Gericht das Begehren – das wirkliche Rechtsschutzziel – des Antragstellers von Amts wegen ermitteln (§ 88 i.V.m. § 122 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), wobei sich dieses aus dem gesamten Vortrag des Antragstellers, insbesondere aus der Antragsbegründung, ergibt. An die Fassung gestellter Anträge ist das Gericht nicht gebunden; sie können das Begehren nicht nur schief, sondern insbesondere auch unvollständig erfassen oder zu weit gefasst sein. Die Anträge sind daher gemäß §§ 133, 157 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) auszulegen, ggf. unter Rückgriff auf die Interessenlage. Der anwaltlich Vertretene muss sich zwar eher an seinen Anträgen festhalten lassen, allerdings ist das Gericht auch dann nicht strikt an den Antragswortlaut gebunden, wenn die Klagebegründung, die beigefügten Bescheide oder sonstige Umstände eindeutig erkennen lassen, dass das wirkliche Klageziel von der Antragsfassung abweicht (Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022 § 88 Rn. 8 f. m.w.N.). Das Gericht darf nicht mehr oder etwas anders zusprechen als beantragt wurde. Andererseits muss es über das Begehren vollständig entscheiden.
19
Vorliegend geht aus dem Vorbringen der Antragstellerin in der Gesamtschau hervor, dass sie sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Zwangsgeldandrohungen vom 9. September und 12. Oktober 2022, gegen die Fälligkeitsmitteilung vom 12. Oktober 2022 sowie jeweils gegen die Gebühren und Auslagen für beide Bescheide wendet.
20
Gegen die Zwangsgeldandrohungen sowie die Kostenentscheidungen im Verwaltungsverfahren ist jeweils der Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO (dazu 1.) statthaft, da in der Hauptsache jeweils eine isolierte Anfechtungsklage die richtige Klageart ist, vgl. Art. 38 Abs. 1 VwZVG und Art. 12 Abs. 3 KG, und die aufschiebende Wirkung dieser Anfechtungsklage jeweils entfällt, § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a VwZVG und § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO. Die Fälligkeitsmitteilung ist im Wege der Feststellungsklage anzugreifen. Im einstweiligen Rechtsschutz ist ein Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO (dazu 2.) statthaft, um zu bewirken, dass der Antragsgegnerin aufgegeben wird, den aus der Fälligkeitsmitteilung und Zahlungsaufforderung betriebenen Vollzug einzustellen. Das Begehren der Antragstellerin wird dahingehend ausgelegt.
21
1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist teilweise unzulässig (a) und im Übrigen unbegründet (b).
22
Der Antrag hat nur dann Erfolg, wenn das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das öffentliche Interesse am Sofortvollzug des streitgegenständlichen Verwaltungsakts überwiegt. Da an der Umsetzung eines rechtswidrigen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse besteht, richtet sich diese Interessenabwägung in der Regel nach den Erfolgsaussichten in der Hauptsache bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO.
23
Führt diese summarische Prüfung dazu, dass der Rechtsbehelf offensichtlich Erfolg haben wird, so kann kein Interesse der Öffentlichkeit oder anderer Beteiligter daran bestehen, dass der mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrige Verwaltungsakt sofort vollzogen wird. Wird der Hauptsacherechtsbehelf umgekehrt aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weil nach der im vorläufigen Rechtsschutzverfahren gebotenen summarischen Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen, kann der Antrag abgelehnt werden, ohne dass es einer zusätzlichen Interessenabwägung bedarf. Denn der Bürger hat grundsätzlich kein schutzwürdiges privates Interesse daran, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, ohne dass es darauf ankommt, ob der Vollzug dringlich ist oder nicht (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 11 CS 08.3273 – juris m.w.N.). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
24
Im vorliegenden Fall spricht nach summarischer Prüfung alles dafür, dass die Klage keinen Erfolg haben wird.
25
a) Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung vom 9. September 2022 und der Kostenentscheidung vom 9. September 2022 ist der Antrag bereits unzulässig, da dieser Bescheid bestandskräftig geworden ist.
26
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zwar nicht fristgebunden, kann jedoch längstens bis zum Eintritt der Bestandskraft des Verwaltungsakts gestellt werden. Ist die Anfechtungsfrist des § 74 Abs. 1 VwGO – wie hier – abgelaufen, ist der Antrag bereits unzulässig. Denn wenn der angegriffene Verwaltungsakt nicht mehr anfechtbar ist, kann folglich auch keine aufschiebende Wirkung einer (unzulässigen) Klage mehr angeordnet werden.
27
Die einmonatige Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO beginnt mit der Bekanntgabe des Verwaltungsakts. Der Zeitpunkt der Bekanntgabe und damit der Fristbeginn richtet sich vorliegend gemäß Art. 41 Abs. 5 Bayerisches Verwaltungsverfahrensgesetz (BayVwVfG) nach dem Zeitpunkt der Zustellung im Sinne des VwZVG. Der Bescheid vom 9. September 2022 wurde ausweislich des im Behördenakt befindlichen Empfangsbekenntnisses (Bl. 23) durch die Behörde gegen Empfangsbekenntnis gemäß Art. 5 VwZVG zugestellt. Grundsätzlich händigt bei dieser Art der Zustellung der zustellende Bedienstete das Dokument dem Empfänger in einem verschlossenen Umschlag aus und der Empfänger hat ein Empfangsbekenntnis zu unterschreiben. Wird die Person, der zugestellt werden soll, in ihrer Wohnung, in der sie wohnt, nicht angetroffen werden, kann das Schriftstück in der Wohnung einem erwachsenen Familienangehörigen, einer in der Familie beschäftigten Person oder einem erwachsenen ständigen Mitbewohner zugestellt werden, Art. 5 Abs. 1 VwZVG, § 177 Abs. 1 Nr. 1 Zivilprozessordnung (ZPO). Ist auch dies nicht ausführbar, kann das Schriftstück in einen zu der Wohnung gehörenden Briekasten eingelegt werden. Mit der Einlegung gilt das Schriftstück als zugestellt, Art. 5 Abs. 1 VwZVG, § 180 Sätze 1 und 2 ZPO. In letzterem Fall ist zum Nachweis der Zustellung in den Akten der Grund der Ersatzzustellung sowie wann und wo das Dokument in einen Briefkasten eingelegt wurde zu vermerken, Art. 5 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 VwZVG.
28
Das im Behördenakt befindliche Empfangsbekenntnis (Bl. 23) stellt nach Ansicht des Gerichts einen Nachweis der Zustellung des Bescheids vom 9. September 2022 im genannten Sinne dar. Zwar heißt es in der Kopfzeile „Datum: 8. September 2022“. Allerdings führt dieser Umstand nicht dazu, dass der Nachweis der Zustellung als nicht erbracht anzusehen ist, da es sich um eine offensichtliche Unrichtigkeit im Sinne eines Tippfehlers handeln dürfte. Zum einen ist die Bezeichnung des Schriftstücks „Baustellensicherung (A.*)“ unmissverständlich. Zum anderen ist im Adressfeld des Empfangsbekenntnisses als Adressatin die Antragstellerin unter ihren privaten Adresse angegeben. Es kann sich also nur um den gegenständlichen Bescheid handeln. Dass die Adresse auf dem Bescheid selbst von der des Empfangsbekenntnisses abweicht führt ebenfalls nicht dazu, dass der Nachweis der Zustellung als nicht erbracht angesehen werden könnte. Denn die gewählte Art der Zustellung sieht grundsätzlich das Aushändigen eines verschlossenen Umschlags vor, sodass auch maßgeblich ist, welche Adresse auf dem Umschlag steht und nicht, welche Adresse sich im Adressfeld des in dem verschlossenen Umschlag befindlichen Schriftstücks befindet. Die im Aktenvermerk (Bl. 24) angegebene Vorgehensweise, bei zunächst falscher Adressierung nur die Adresse auf dem Umschlag auszubessern, genügt daher den Anforderungen im Hinblick auf die gewählte Art der Zustellung im verschlossenen Umschlag. Da das Empfangsbekenntnis die übrigen Voraussetzungen (Grund der Ersatzzustellung, Ort, Datum und Uhrzeit) erfüllt, gilt das Schriftstück als am 12. September 2022 als zugestellt.
29
Somit begann die Klagefrist gemäß § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO und § 187 Abs. 1 BGB am 13. Oktober 2022 um 0:00 Uhr zu laufen und endete gemäß § 188 Abs. 2 BGB mit Ablauf des 12. Oktober 2022. Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtsbehelfsbelehrungunrichtig ist und somit eine Jahresfrist gelten würde, wurden weder vorgebracht noch sind solche ersichtlich (vgl. § 58 VwGO).
30
Zum Zeitpunkt der Klageerhebung und des Ersuchens um einstweiligen Rechtsschutzes am 21. November 2022 ist daher die Klagefrist bereits abgelaufen gewesen, der gegenständliche Bescheid somit bestandskräftig und der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO letztlich unzulässig.
31
b) Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung vom 12. Oktober 2022 sowie der Kostenentscheidung ist der Antrag unbegründet.
32
aa) Die erneute Zwangsgeldandrohung vom 12. Oktober 2022 ist rechtmäßig und verletzt die Antragstellerin nicht in ihren Rechten (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
33
Gemäß Art. 29 Abs. 1 des VwZVG können Verwaltungsakte, mit denen die Vornahme einer Handlung, Duldung oder Unterlassung gefordert wird, mit Zwangsmitteln vollstreckt werden. Als Zwangsmittel nennt das Gesetz in Art. 29 Abs. 2 Nr. 1 VwZVG das Zwangsgeld und bestimmt in Art. 29 Abs. 3 Satz 1 VwZVG, dass das Zwangsmittel in angemessenem Verhältnis zu seinem Zweck stehen muss. Die Vollstreckung setzt voraus, dass der zu einer sonstigen Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung Verpflichtete seine Verpflichtung nicht rechtzeitig erfüllt (Art. 19 Abs. 2 VwZVG). Einzelheiten zum Zwangsgeld sind in Art. 31 VwZVG geregelt. Nach Art. 31 Abs. 1 VwZVG kann die Vollstreckungsbehörde, wenn die Pflicht zu einer Handlung nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit erfüllt wird, den Pflichtigen durch ein Zwangsgeld zur Erfüllung anhalten. Das Zwangsgeld beträgt bis zu 50.000,00 € und soll das nach Ermessen zu schätzende wirtschaftliche Interesse, das der Pflichtige an der Vornahme oder am Unterbleiben der Handlung hat, erreichen (Art. 31 Abs. 2 VwZVG). Eine neue Androhung ist erst dann zulässig, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist (Art. 36 Abs. 6 Satz 2 VwZVG). Zwangsmittel können so lange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist (37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG).
34
Die Vorschrift des Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG schränkt die Anfechtung isolierter Zwangsgeldandrohungen, die nicht mit dem zugrundeliegenden Verwaltungsakt verbunden sind, wesentlich ein. Diese können nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird. Einwendungen gegen den unanfechtbaren Verwaltungsakt sind demnach ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. BayVerfGH, E.v. 24.1.2007 – Vf. 50-VI-05 – BayVBl. 2007, 306; OVG Koblenz, U.v. 20.11.1996 – 8 A 13546/95 – NVwZ 1997, 1009). Möglich ist nur noch die Rüge von Rechtsverletzungen, die die gesetzlichen Voraussetzungen der Zwangsmittelandrohung als solche betreffen (vgl. etwa Art. 31, 36 VwZVG; BayVerfGH, E.v. 24.1.2007, a.a.O. m.w.N.). Daneben ergibt sich aus Art. 38 Abs. 3 VwZVG der verwaltungsgerichtliche Rechtsschutz gegen die Anwendung von Zwangsmitteln (vgl. BayVGH, B.v. 27.7.2009 – 20 CS 09.1410 – juris).
35
Ausgehend von diesen Maßgaben ist das angedrohte Zwangsgeld nicht zu beanstanden.
36
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen liegen vor.
37
Der Zwangsgeldandrohung vom 12. Oktober 2022 liegt die Anordnung in Ziff. 1 des Bescheids vom 9. September 2022 zugrunde, wonach die Baustelle innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu sichern war. Diese Grundverfügung war gemäß Ziff. 2 des Bescheids vom 9. September 2022 sofort vollziehbar und damit vollstreckbar im Sinne des Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG. Die Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Verwaltungsaktes ist dabei keine Vollstreckungsvoraussetzung, da keine Konnexität gefordert ist (vgl. BVerwG, U.v. 13.4.1984 – 4 C 31/81 – NJW 1984, 2591). Insofern genügt es, wenn – wie hier – ein wirksamer Verwaltungsakt vorliegt. Der Bescheid vom 9. September 2022 ist auch nicht nichtig nach Art. 44 BayVwVfG. Die Grundverfügung leidet nicht an einem besonders schwerwiegenden Fehler im Sinne des Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG. Von einem solchen ist erst dann zu sprechen, wenn der Verstoß schlechthin unerträglich ist, also wenn die an eine ordnungsgemäße Verwaltung zu stellenden Anforderungen in einem so hohen Maße verletzt werden, dass von niemandem erwartet werden kann, den Verwaltungsakt als verbindlich anzuerkennen (Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, 10. Aufl. 2022, VwVfG § 44 Rn. 104). Ein völlig unbestimmter Verwaltungsakt, bei dem nicht erkennbar ist, was der Adressat zu tun oder zu lassen hat und bei dem die Annahme der Nichtigkeit diskutabel erscheint, liegt hier jedoch nicht vor. Um dem Erfordernis der Bestimmtheit zu genügen muss das Ziel der geforderten Handlung so bestimmt sein, dass keine unterschiedliche subjektive Beurteilung möglich ist. Hieran fehlt es, wenn nicht angegeben wird, welche Maßnahmen durchzuführen sind (Stelkens/Bonk/Sachs/U. Stelkens, 10. Aufl. 2022, VwVfG § 37 Rn. 31 ff.). Die Antragstellerin bringt vor, dass der Verwaltungsakt unbestimmt im Sinne des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG sei, weil keine konkrete Maßnahme von ihr verlangt worden sei. In Ziff. 1 des Bescheids vom 9. September 2022 heißt es wörtlich: „Frau … wird verpflichtet, alle Zugänge zum Rohbau A., L., auf dem Grundstück Fl.Nr. …, Gemarkung …, zu verschließen und Aussparungen für bodentiefe Fenster, Balkontüren bzw. Balkon-/Terrassenbereiche o.ä. mit einer geeignete Absturzsicherung (z.B. Geländer oder provisorische Absperrung aus Holz) zu versehen“. Damit ist entgegen des antragstellerseitigen Vorbringens aber sehr wohl angegeben, welche Maßnahmen durchzuführen sind. Denn der Antragstellerin wurde zum einen aufgegeben, die Zugänge zu verschließen. Bereits dem Wortlaut und der Bedeutung des Verbs „verschließen“ nach ist daher zu bewirken, dass die Zugänge nach außen hin fest zu sind, mithin unzugänglich zu machen sind. Dass nicht festlegt ist, welche von mehreren denkbaren technischen Ausführungsmöglichkeiten zu wählen ist, ist unschädlich, da das Ziel klar aus der Formulierung hervorgeht. Zum anderen wurde der Antragstellerin aufgegeben, Aussparungen für bodentiefe Fenster, Balkontüren etc. mit einer geeigneten Absturzsicherung zu versehen, sogar unter Angabe zweier beispielhafter Ausführungsmöglichkeiten. Auch hier geht das Ziel klar hervor, sodass unter keinem Gesichtspunkt eine Unbestimmtheit der Grundverfügung angenommen werden kann. Darüber hinaus liegt insbesondere nicht der Nichtigkeitsgrund des Art. 44 Abs. 2 Nr. 4 BayVwVfG vor, wonach ein Verwaltungsakt nichtig ist, den aus tatsächlichen Gründen niemand ausführen kann. Die Antragstellerin beruft sich zwar darauf, dass sie eine alleinstehende Frau sei, die nicht über Kenntnisse, Material oder Hilfskräfte zur Sicherung der Baustelle verfüge. Abzustellen ist hierbei jedoch auf die objektive Unmöglichkeit und nicht auf das subjektive Unvermögen des Adressaten (Stelkens/Bonk/Sachs/Sachs, 10. Aufl. 2022, VwVfG § 44 Rn. 144).
38
Weiterhin setzt nach Art. 19 Abs. 2 VwZVG die Vollstreckung voraus, dass der zur Zahlung von Geld oder zu einer sonstigen Handlung, einer Duldung oder einer Unterlassung Verpflichtete seine Verpflichtung nicht rechtzeitig erfüllt. Auch davon ist vorliegend auszugehen, da die Antragstellerin ihrer im Bescheid vom 9. September 2022 festgelegten Verpflichtung zur entsprechenden Sicherung der Baustelle nicht nachgekommen ist. Zum Zeitpunkt der Baukontrolle am 6. Oktober 2022 waren sämtliche Eingänge und Aussparungen für bodentiefe Fenster etc. gänzlich ungesichert und somit frei zugänglich (vgl. Lichtbilder Bl. 27 ff.). Da die Antragstellerin die Pflichten zur Sicherung der Baustelle ausweislich der Bilder der Ortseinsicht vom 6. Oktober 2022 somit nicht innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids (12. September 2022) befolgt hat, ist die Voraussetzung des Art. 19 Abs. 2 VwZVG erfüllt.
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Auch die besonderen Voraussetzungen der Zwangsgeldandrohung sind erfüllt.
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Nach Art. 29 Abs. 1 und 2 VwZVG können Verwaltungsakte, mit denen die Herausgabe einer Sache, die Vornahme einer sonstigen Handlung oder eine Duldung oder eine Unterlassung gefordert wird, mit Zwangsmitteln, unter anderem mit Zwangsgeld, vollstreckt werden. Nach Art. 37 Abs. 1 Satz 2 VwZVG können Zwangsmittel solange und so oft angewendet werden, bis die Verpflichtung erfüllt ist. Allerdings ist nach Art. 36 Abs. 1 Satz 1, Abs. 6 Satz 2 VwZVG ein wiederholter Zwangsmitteleinsatz auf Grund der gleichen Verpflichtung nur möglich nach einer erneuten Androhung des Zwangsmittels und soweit die vorausgegangene Androhung – wie hier – erfolglos geblieben ist. Dieser Vollstreckungsvoraussetzung kommt die angefochtene Entscheidung nach. Nicht Voraussetzung ist, dass eine vorausgegangene Zwangsmittelandrohung auch bereits tatsächlich vollstreckt worden ist. Die erneute Androhung eines Zwangsgelds ist zur Durchsetzung der Verpflichtung, die Baustelle zu sichern, erforderlich. Nur so kann die Antragsgegnerin erreichen, dass rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Mildere Mittel sind nicht ersichtlich.
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Das mit Bescheid vom 12. Oktober 2022 erneut angedrohte Zwangsgeld ist auch ausreichend bestimmt im Sinne von Art. 36 Abs. 3 VwZVG. Die Höhe des angedrohten Zwangsgelds hält sich dabei im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG, wobei auch ein Ermessensfehler im Hinblick auf die Festlegung der Höhe nicht erkennbar ist. Die Erhöhung des Zwangsgeldes auf 2.000 € im Bescheid vom 12. Oktober 2022 gegenüber demjenigen im Bescheid vom 9. September 2022 ist nicht zu beanstanden. Ermessensfehler bezüglich der Höhe des Zwangsgeld sind nicht ersichtlich. Der zulässige Rahmen für die Festsetzung eines Zwangsgeldes beträgt mindestens 15 € und maximal 50.000 €, Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG. Insbesondere befindet sich das Zwangsgeld noch im unteren Bereich des Rahmens. Auch beinhaltet die erneute Zwangsgeldandrohung eine noch ausreichend bemessene Erfüllungsfrist im Sinne von Art. 36 Abs. 1 Satz 2 VwZVG, da die bestandskräftigen Verpflichtung der Antragstellerin zum Zeitpunkt der Zustellung am 19. Oktober 2022 bereits eine Woche feststand und der Zeitraum von zwei Tagen zur endgültigen Sicherung der zwar knapp bemessen, aber angesichts der seit geraumer Zeit ungesicherten sowie zwischenzeitlich bereits teilweise gesicherten Baustelle durch die Antragstellerin selbst zu bewerkstelligen war.
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Die gebotene Interessenabwägung orientiert sich vorrangig daran, ob der angegriffene Bescheid bei summarischer Überprüfung rechtmäßig oder rechtswidrig erscheint. Für eine Vollzugsfolgenabwägung ist insoweit kein Raum. Der BayVGH führt im Beschluss vom 6. Februar 2023 (Az. 1 CS 22.2511 – juris, Rn. 10) hierzu aus:
„Ist der angefochtene Bescheid – wie hier – voraussichtlich rechtmäßig, ist für eine Vollzugsfolgenabwägung kein Raum. Darüber hinaus muss die gesetzliche Wertung, dass Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung nach Art. 21a VwZVG von Gesetzes wegen sofort vollziehbar sind, bei der gerichtlichen Entscheidung Berücksichtigung finden (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, § 80 Rn. 87). Liegen die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen vor, so überwiegt grundsätzlich das öffentliche Interesse an der Durchsetzung das Interesse des Vollstreckungsschuldners an der Verhinderung der Vollstreckung, weil nur so Anordnungen effektiv durchgesetzt werden können.“
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bb) Die Kostenentscheidung vom 12. Oktober 2022 begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
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Rechtsgrundlagen sind die Art. 1, 2 Abs. 1 Satz 1, 6 und 10 Kostengesetz (KG). Als Veranlasserin des Zwangsgeldbescheides ist die Antragstellerin die richtige Kostenschuldnerin, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 KG. Die Gebührenhöhe begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Gemäß Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KG in Verbindung mit Tarif-Nr. 1.I.8/1 der Verordnung über den Erlass des Kostenverzeichnisses zum Kostengesetzes (KVz) beträgt der Gebührenrahmen für die Androhung von Zwangsmitteln nach Art. 36 VwZVG, die nicht mit dem Verwaltungsakt verbunden ist und durch die eine Handlung, Duldung oder Unterlassung aufgegeben wird, 12,50 bis 150,00 €. Mit 150,00 € befindet sich die veranschlagte Gebühr zwar im obersten Bereich des Gebührenrahmens, begegnet im Hinblick auf den von der Antragstellerin verursachten Verwaltungsaufwand jedoch keinen rechtlichen Bedenken (vgl. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 KG). Die Auslagen in Höhe von 3,50 € für die gewählte Art der Zustellung begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken, vgl. Art. 10 Abs. 1 Nr. 2 KG.
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Da die Anfechtungsklage in der Hauptsache somit nach summarischer Prüfung keine Erfolgsaussichten hat, war der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
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2. Der Antrag nach § 123 VwGO bzgl. der Fälligkeitsmitteilung vom 12. Oktober 2022 ist unbegründet.
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Nach § 123 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf die Streitsache treffen, wenn die Gefahr besteht, dass ohne die beantragte Maßnahme die Verwirklichung eines Rechtes des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (sog. Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn die Regelung notwendig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gefahren zu verhindern (sog. Regelungsanordnung). In entsprechender Anwendung des § 920 ZPO (§ 123 Abs. 3 VwGO) sind sowohl ein Anordnungsgrund als auch ein Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Maßgeblich sind die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung.
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Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch (nämlich die Feststellung, dass das im Bescheid vom 9. September 2022 angedrohte Zwangsgeld nicht fällig geworden ist) glaubhaft gemacht.
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Das angedrohte Zwangsgeld ist fällig geworden.
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Erfüllt ein Pflichtiger die ihm auferlegte Pflicht nicht bzw. nicht rechtzeitig, so wird die angedrohte Zwangsgeldforderung kraft Gesetzes fällig (Art. 31 Abs. 3 Satz 3 VwZVG). Die Voraussetzungen für die Vollstreckung des Leistungsbescheids liegen dann vor (Art. 23 Abs. 1 Nr. 2 VwZVG). Bestreitet der Pflichtige den Eintritt der Bedingung, so bestreitet er die Geldforderung der öffentlichen Hand und kann ein Interesse am Nichtbestehen der Zwangsgeldforderung geltend machen, das nach § 43 VwGO den Weg für eine Feststellungsklage eröffnet (BayVGH, U.v. 17.12.2019 – 10 B 19.1297 – BeckRS 2019, 37212 mit Verweis auf Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Stand Okt. 2017, VwZVG, Art. 31 Anm. VIII. 4.). Steht aber nicht zweifelsfrei fest, dass einer bestandskräftigen Verpflichtung zuwider gehandelt wurde, tritt die Fälligkeit nicht ein und die diesbezügliche Feststellungsklage ist begründet.
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Die Antragstellerin ist nach Ziff. 1 des bestandskräftigen Bescheids vom 9. September 2022 dazu verpflichtet, die gegenständliche Baustelle zu sichern. Dies hatte binnen einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu erfolgen. Gemäß Art. 19 Abs. 1 Nr. 3 VwZVG konnte der Verwaltungsakt vollstreckt werden, da der Sofortvollzug angeordnet worden ist.
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Aufgrund des Verstoßes gegen Ziff. 1 des Bescheids vom 9. September 2022 (s.o.) ist das angedrohte Zwangsgeld gegenüber der Antragstellerin fällig geworden. Da der Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich ist, sind auch die zwischenzeitlich erfolgten Sicherungsversuche der Antragstellerin zu berücksichtigen. Aber auch diese teilweisen Sicherungsmaßnahmen (vgl. Lichtbilder Bl. 69 ff.) reichen für eine Erfüllung der auferlegten Pflicht nicht aus, da die Zugänge nicht „verschlossen“, also unzugänglich sind. Die Gitter lassen beide weiterhin einen Spalt frei (links bzw. unten), der insbesondere Kindern ein Vorbeischlüpfen möglich machen dürfte. Es ist ohne weiteres möglich, das rot-weiße Absperrband zu entfernen oder zu durchtrennen, sodass auch dies keinen ausreichenden Schutz bietet. Dass an den bodentiefen Fenstern, Balkontüren etc. Absturzsicherungen angebracht worden sind, ist weder von der Antragstellerin vorgebracht worden noch sonst aufgrund der gefertigten Lichtbilder ersichtlich. Da der auferlegten Pflicht somit nicht nachgekommen wurde, ist das angedrohte Zwangsgeld fällig geworden.
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Somit war auch der Antrag nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO abzulehnen.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz (GKG) unter Berücksichtigung der Ziffn. 1.7.1 und 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Das fällig gestellte Zwangsgeld i.H.v. 1.000 € wird komplett angerechnet, die angedrohten Zwangsgelder i.H.v. 1.000 € und 2.000 € werden jeweils zur Hälfte angerechnet, sodass sich für die Hauptsache ein Streitwert von 2.500 € ergibt, der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes zu halbieren war.