Titel:
Fahrraddemonstration: Streckenänderung ohne Autobahn
Normenketten:
VwGO § 146 Abs. 4
BayVersG Art. 15 Abs. 1
GG Art. 2 Abs. 2 S. 1, Art. 8 Abs. 1
Leitsätze:
1. Auch aufgrund der Erfahrungen mit bisherigen Fahrraddemonstrationen durften die Sicherheitsbehörden davon ausgehen, dass es bei einem Fahrradkorso auf einer Bundesautobahn (auch) hinsichtlich des Verkehrs auf der Gegenfahrbahn gerade bei hoher Verkehrsdichte und hohen Fahrgeschwindigkeiten zu gefährlichen Situationen und Verkehrsunfällen kommen kann und Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der Gegenfahrbahn diesen Gefahren nicht adäquat entgegenwirken, sondern eine Vollsperrung in beiden Fahrtrichtungen erforderlich ist. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das nachgeordnete Straßennetz im Raum Augsburg ist nicht ausreichend leistungsfähig, im Falle einer Vollsperrung der A8 die auszuleitenden Verkehrsteilnehmer aufzunehmen, und hätte somit zwangsläufig ganz erhebliche Staubildungen und Beeinträchtigungen nicht zuletzt der Anwohner sowie der Rettungswege (für Rettungs- und Feuerwehreinsätze), darunter auch die An- und Abfahrt zum Uniklinikum (mit Kinderklinik), zur Folge. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Versammlungsrechtliche Beschränkung, Fahrraddemonstration auf Autobahnteilabschnitt BAB 8, Änderung der Streckenführung (ohne Autobahnabschnitt), Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung, Gefahrenprognose, Abwägung zur Herstellung praktischer Konkordanz, Versammlung, Beschränkung, Änderung, Strecke, Autobahn, Fahrraddemo, Abwägung, praktische Konkordanz
Vorinstanz:
VG Augsburg, Beschluss vom 09.05.2023 – Au 8 S 23.665
Fundstellen:
RÜ 2023, 597
BayVBl 2023, 630
LSK 2023, 12047
BeckRS 2023, 12047
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Mit der Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren in erster Instanz erfolglosen Antrag weiter, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Auflage in Nr. 2.1. des Bescheids der Antragsgegnerin vom 24. April 2023 (Anordnung zum Streckenverlauf) anzuordnen. Mit diesem Bescheid bestätigte die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin für Sonntag, den 14. Mai 2023, ab 15:00 Uhr (bis 15:50 Uhr) im Wesentlichen in Form eines Fahrradkorsos über ein Teilstück der BAB 8 (zwischen den Anschlussstellen Augsburg-West oder Augsburg-Ost und Friedberg) angezeigte Versammlung mit dem Thema „Für wöchentliche autofreie Tage auf der A8, bei denen die A8 zur Fahrradstraße umgewidmet wird, ein Tempolimit von 80 km/h auf der A8 und für eine Ablehnung des Landes Bayern zum beschleunigten Ausbau der A8, wie er von der Bundesregierung vorgeschlagen wurde, und gegen Verbote von Fahrraddemonstrationen auf der A8“. Im Rahmen ihrer Anordnungen zum Versammlungsablauf setzte die Antragsgegnerin in Nr. 2.1. des Bescheids – abweichend von der Versammlungsanzeige – unter Verlegung der Route von der Autobahn A8 auf nachgeordnete Straßen eine andere Streckenführung für den Fahrradkorso fest.
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Die Antragsgegnerin hat ihre auf Art. 15 Abs. 1 BayVersG gestützte Anordnung einer alternativen Streckenführung im Wesentlichen damit begründet, dass bei Befahren eines Teilabschnitts der A8 im Bereich zwischen Friedberg und Augsburg-West durch die angezeigte Fahrraddemonstration nach den eingeholten Stellungnahmen der beteiligten Fachstellen eine Vollsperrung der Autobahn von nahezu 4,5 Stunden erforderlich sei, das nachgeordnete Straßennetz als Ausweich- bzw. Umfahrungsstrecke nicht geeignet sei und es infolge der aufgrund der Vollsperrung zu erwartenden massiven Staubildungen und Verkehrsstörungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu konkreten Gefahren für Leben und Gesundheit, Eigentum, Berufsausübung sowie Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs bei einer Vielzahl unbeteiligter Dritter kommen werde, darunter auch zu einer Beeinträchtigung der An- und Abfahrt des Uniklinikums (mit Kinderklinik) und des Josefinums.
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Den gegen die Routenverlegung gerichteten Eilantrag der Antragstellerin nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Verwaltungsgericht mit dem angefochtenen Beschluss vom 9. Mai 2023 abgelehnt. Die der angegriffenen Beschränkung zu Grunde liegende Gefahrenprognose der Antragsgegnerin begegne keinen durchgreifenden Bedenken. Die Annahme einer notwendigen Vollsperrung der BAB 8 sei nicht zu beanstanden; mildere Mittel wie eine Geschwindigkeitsbegrenzung und ein kontrolliertes Abbremsen und Hinterherfahren des Verkehrs kämen nicht in Betracht. Die Antragsgegnerin habe die Auswirkungen einer solchen Vollsperrung in Hinblick auf den von der Antragstellerin vorgeschlagenen sowie einen weiteren (im Verfahren alternativ diskutierten) Teilabschnitt der Autobahn geprüft. Sie sei unter Berücksichtigung des an diesem Tag zu erwartenden hohen Verkehrsaufkommens zu Recht zu der Bewertung gelangt, dass eine für notwendige Sicherungsmaßnahmen zur Durchführung der Fahrraddemonstration und die reine Durchfahrzeit der Fahrraddemonstration erforderliche mehrstündige Vollsperrung zu einer unverhältnismäßigen, nicht mehr vom Grundrecht der Versammlungsfreiheit gerechtfertigten Behinderung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und konkreten Gefahren für Leben und Gesundheit führen werde. Demgemäß entspreche es praktischer Konkordanz zwischen der Versammlungsfreiheit der Antragstellerin und den durch die Versammlung betroffenen Rechtsgütern, den Streckenverlauf der Fahrraddemonstration wie angeordnet zu verändern.
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Die Antragstellerin führt zur Begründung ihrer Beschwerde im Wesentlichen aus, das Verwaltungsgericht habe ihre Ausführungen im Eilrechtsschutzverfahren nicht hinreichend berücksichtigt und die Bedeutung des Grundrechts der Versammlungsfreiheit verkannt. Das Recht auf die sogenannte Leichtigkeit des Verkehrs sei gegenüber der Versammlungsfreiheit deutlich niederrangig und berücksichtige zudem einseitig nur den Autoverkehr. Angesichts eines lediglich 2,0 km kurzen Teilstücks zwischen zwei unmittelbar aufeinanderfolgenden Autobahn-Anschlussstellen, für das leistungsfähige Bedarfsumleitungen zur Verfügung stünden, der zugrunde gelegten hohen Durchfahrdauer (der Versammlungsteilnehmer) und „geradezu astronomischer Sperrdauern“ werde die Versammlungsfreiheit in unzumutbarer Weise eingeschränkt. Es sei nicht berücksichtigt worden, dass der Autobahn-Verkehr während der Vorbereitungen für die Sperrung ungehindert fließen könne, die Sperrung selbst nur für wenige Minuten erfolgen müsse und demzufolge die Zahl der betroffenen Autofahrer „künstlich aufgeblasen“ sei. Autobahnsperrungen seien in der Vergangenheit nicht nur für die Durchführung von Versammlungen, sondern beispielsweise zuletzt durch die Polizei auch aufgrund der „Kreuzung einer Entenfamilie“ (Sperrdauer 15 Minuten) erfolgt. Auch sonst entsprächen kurzfristige Autobahnsperrungen polizeilicher Routine. Laut einer Auskunft der Polizeiinspektion Göttingen nehme die Vor- und Nachbereitung einer Sperrung (der Autobahn) jeweils höchstens ca. 30 Minuten in Anspruch. Die streitgegenständliche Versammlung sei bezüglich Ort, Ablauf und Zeitpunkt gezielt so angezeigt worden, um Gefahren und Störwirkungen zu reduzieren; kleinere Störungen des Autoverkehrs müssten hingenommen werden. Die angefochtene Beschränkung verstoße im Übrigen auch gegen Art. 12 EU-Grundrechte-Charta. Die angeordnete Alternativroute führe über eine unwichtige Nebenstraße. Die Parallelen des vorliegenden Streitverfahrens zum Verfahren 10 CS 23.575 drängten sich geradezu auf.
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Die Antragsgegnerin beantragt die Zurückweisung der Beschwerde. Die Antragstellerin verkenne, dass das Verwaltungsgericht im Rahmen der Abwägung nicht nur auf die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, sondern auch auf die besonders schützenswerten Rechtsgüter Leben und Gesundheit abgestellt habe. Zudem dürfe den Verkehrsinteressen im Rahmen versammlungsrechtlicher Anforderungen nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG gerade bei Bundesautobahnen kein zu geringes Gewicht beigemessen werden. Auch den (nur mittelbaren) Bezug der Versammlung zum Versammlungsort habe das Verwaltungsgericht zutreffend gewürdigt. Die angenommene Durchfahrzeit und Dauer der Vollsperrung beruhten auf plausiblen und nachvollziehbaren Einschätzungen der beteiligten Fachbehörden. In der Beschwerdebegründung angeführte „vergleichbare“ Autobahnsperrungen seien weder hinsichtlich Anlass noch Örtlichkeit und Zuständigkeit tatsächlich vergleichbar. Die durch die Behörde angeordnete Alternativroute führe auch nicht nur über unwichtige Nebenstraßen, sondern – soweit geographisch möglich – nördlich entlang der BAB 8 und quere diese sogar einmal, sodass regelmäßig auch unmittelbarer Sichtkontakt zur Autobahn bestehe. Die Annahme ausreichender Umleitungsmöglichkeiten entbehre jeglicher Grundlagen. Die dem angeführten Verfahren 10 CS 23.575 (BayVGH, Beschluss vom 24.3.2023) zugrundeliegenden konkreten Umstände seien mit der vorliegenden Situation nicht vergleichbar.
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Der am Verfahren beteiligte Vertreter des öffentlichen Interesses tritt dem Beschwerdevorbringen ebenfalls entgegen. Die Kritik der Antragstellerin an der behördlichen Gefahrenprognose greife nicht durch. Dazu würden eingeholte ergänzende Stellungnahmen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration (Sachgebiet Einsatz der Polizei) sowie des Polizeipräsidiums Schwaben Nord jeweils vom 12. Mai 2023 vorgelegt. Daraus ergebe sich, dass der Einwand einer jederzeit durch Polizeikräfte gefahrlos möglichen und üblichen Stauabsicherung nicht haltbar, eine Vollsperrung des betroffenen Autobahnabschnitts in beiden Fahrtrichtungen unausweichlich sei und entgegen der Auffassung der Antragstellerin ausreichende Kapazitäten für Umleitungen nicht gegeben seien.
7
Die Antragstellerseite hat ihren Beschwerdevortrag mit weiteren Schriftsätzen ergänzt und konkretisiert.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
9
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin ist unbegründet. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, die der Verwaltungsgerichtshof nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO allein zu prüfen hat, rechtfertigen nicht die beantragte Abänderung des angefochtenen Beschlusses.
10
Gemäß Art. 15 Abs. 1 BayVersG kann die zuständige Behörde eine Versammlung beschränken oder verbieten, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der Versammlung unmittelbar gefährdet ist.
11
Der Schutz der „öffentlichen Sicherheit“ im Sinne von Art. 15 Abs. 1 BayVersG umfasst die gesamte Rechtsordnung und damit auch die straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften, die die Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs regeln und die in diesem Zusammenhang betroffenen Rechte Dritter. Kollidiert die Versammlungsfreiheit mit dem Schutz der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und in diesem Zusammenhang betroffenen Rechten Dritter, ist – wie auch sonst – eine Abwägung der betroffenen Positionen zur Herstellung praktischer Konkordanz erforderlich. Dabei sind die kollidierenden Positionen so in Ausgleich zu bringen, dass sie für alle Beteiligten möglichst weitgehend wirksam werden (vgl. BVerfG, B.v. 11.4.2018 – 1 BvR 3080/09 – juris Rn. 32). Wichtige Abwägungselemente sind dabei unter anderem die Dauer und Intensität der Aktion, deren vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten, die Dringlichkeit der blockierten Tätigkeit Dritter, aber auch der Sachbezug zwischen den beeinträchtigten Dritten und dem Protestgegenstand (stRspr des Senats, vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 24.3.2023 – 10 CS 23.575 – juris Rn. 16 m.w.N.).
12
Bundesfernstraßen sind, obwohl sie von ihrem eingeschränkten Widmungszweck her anders als andere öffentliche Verkehrsflächen nicht der Kommunikation dienen, sondern ausschließlich dem Fahrzeugverkehr, nicht generell ein „versammlungsfreier Raum“. Zwar darf hier den Verkehrsinteressen im Rahmen von versammlungsrechtlichen Anforderungen nach Art. 15 Abs. 1 BayVersG erhebliche Bedeutung beigemessen werden. Die Einstufung einer Straße als Bundesautobahn oder Bundesstraße entscheidet allerdings nicht darüber, ob auf dieser Straße grundsätzlich eine Versammlung stattfinden darf und entbindet Versammlungsbehörden und Gerichte nicht von einer Güterabwägung. Sie entfaltet allenfalls Indizwirkung für das Gewicht der gegen eine Versammlung sprechenden Interessen der Öffentlichkeit oder Dritter (vgl. BayVGH, B.v. 24.3.2023 – 10 CS 23.575 – juris Rn. 17; B.v. 7.9.2021 – 10 CS 21.2282 – juris Rn. 33; B.v. 4.6.2021 – 10 CS 21.1590 – juris Rn. 21; HessVGH, B.v. 5.6.2021 – 1 B 1193/21 – juris Rn. 4, jew. m.w.N.; VG Frankfurt, B.v. 21.1.2022 – 5 L 148/22.F – juris Rn. 10).
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Unter Berücksichtigung der Bedeutung der Versammlungsfreiheit dürfen beim Erlass von versammlungsrechtlichen Beschränkungen oder eines Versammlungsverbots keine zu geringen Anforderungen an die Gefahrenprognose gestellt werden. Sie ist auf konkrete und nachvollziehbare tatsächliche Anhaltspunkte zu stützen, die bei verständiger Würdigung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit des Gefahreneintritts ergeben (vgl. BVerfG, B. v. 6.6.2007 – 1 BvR 1423/07 – juris Rn. 17). Bloße Verdachtsmomente und Vermutungen reichen für sich allein nicht aus (vgl. BVerfG, B. v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 17; BayVGH, B.v. 24.3.2023 – 10 CS 23.575 – juris Rn. 19; B.v. 6.6.2015 – 10 CS 15.1210 – juris Rn. 22; U.v. 10.7.2018 – 10 B 17.1996 – juris Rn. 26; BVerwG, B.v. 24.8.2020 – 6 B 18.20 – juris Rn. 6). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen von Gründen für ein Verbot oder eine Beschränkung liegt grundsätzlich bei der Behörde (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2012 – 1 BvR 2794/10 – juris Rn. 17; B.v. 12.5.2010 – 1 BvR 2636/04 – juris Rn. 19 jeweils m.w.N.; BayVGH, B.v. 24.3.2023 – 10 CS 23.575 – juris Rn. 19; B.v. 19.12.2017 – 10 C 17.2156 – juris Rn. 16 m.w.N.).
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Gemessen daran zeigt die Beschwerdebegründung weder durchgreifende Mängel der behördlichen und erstgerichtlichen Gefahrenprognose noch eine unzureichende Abwägung der betroffenen Positionen zur Herstellung praktischer Konkordanz auf. Vielmehr erweist sich die streitbefangene Beschränkung der Antragsgegnerin (Routenänderung) bei summarischer Prüfung jedenfalls im Ergebnis voraussichtlich als rechtmäßig.
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Der Einwand der Beschwerde, das Verwaltungsgericht habe bei seiner Gefahrenprognose und nachfolgenden Abwägung einseitig auf das Recht der sogenannten Leichtigkeit des Verkehrs und damit ein gegenüber dem Grundrecht der Versammlungsfreiheit niederrangiges Recht abgestellt, geht schon im Ansatz fehl. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht in Übereinstimmung mit den oben dargelegten Grundsätzen maßgeblich auf eine konkrete Gefährdung der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs und in diesem Zusammenhang betroffener Rechte Dritter, insbesondere der höchstrangigen Rechtsgüter Leben und Gesundheit (s. Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG) anderer Verkehrsteilnehmer abgestellt (vgl. BA S. 16). Es hat sich demgemäß entgegen der Auffassung der Antragstellerin gerade nicht nur mit „Spezialinteressen einzelner Verkehrsteilnehmer*innen, immer überall und unbehindert fahren zu können“ auseinandergesetzt.
16
Nicht substantiiert infrage gestellt wird mit der Beschwerde auch die durch das Verwaltungsgericht geteilte Annahme der Notwendigkeit einer Vollsperrung des durch die Fahrraddemonstration betroffenen Autobahnabschnitts in beiden Fahrtrichtungen unter anderem wegen der Gefahr von Auffahrunfällen (vgl. BA S. 14 f.). Die diesbezügliche Rüge der Antragstellerin, das Verwaltungsgericht habe nicht berücksichtigt, „dass der Autobahn-Verkehr während der logistischen Vorbereitungen für die Sperrung (während der Durchfahrt der Versammlungsteilnehmer) ungehindert fließen kann“, ist durch die der behördlichen und gerichtlichen Gefahrenprognose zugrunde liegenden Stellungnahmen der Fachbehörden und deren im Beschwerdeverfahren erfolgte Ergänzung durch die mit Schriftsatz des Vertreters des öffentlichen Interesses vom 12. Mai 2023 vorgelegten Stellungnahmen des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Sport und Integration sowie des Polizeipräsidiums Schwaben Nord (jeweils vom gleichen Tag) nachvollziehbar und schlüssig widerlegt. Auch aufgrund der Erfahrungen mit bisherigen Fahrraddemonstrationen bzw. Fahrrad-Sternfahrten (zuletzt des ADFC München am 23.4.2023 auf einer Teilstrecke der BAB 96) durften die Sicherheitsbehörden weiter davon ausgehen, dass es bei einem Fahrradkorso auf einer Bundesautobahn (auch) hinsichtlich des Verkehrs auf der Gegenfahrbahn gerade bei hoher Verkehrsdichte und hohen Fahrgeschwindigkeiten zu gefährlichen Situationen und Verkehrsunfällen kommen kann und Geschwindigkeitsbegrenzungen auf der Gegenfahrbahn diesen Gefahren nicht adäquat entgegenwirken.
17
Auch die ohne nähere Erläuterungen aufgestellte Behauptung der Antragstellerseite, für das zugunsten der angezeigten Versammlung gegebenenfalls zu sperrende Autobahnteilstück stünden „leistungsfähige Bedarfsumleitungen zur Verfügung“, ist nicht geeignet, die auf der Beurteilung fachkundiger Stellen beruhende Annahme nicht ausreichender Kapazitäten der Bedarfsumleitungen im Raum Augsburg ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Dies gilt im Übrigen unabhängig davon, ob man die in der Versammlungsanzeige ursprünglich zugrunde gelegte Strecke auf der BAB 8 zwischen den Anschlussstellen Augsburg-West und Friedberg oder die nach dem Beschwerdevorbringen der Antragstellerin (wohl) allein noch weiter verfolgte Route zwischen den Anschlussstellen Augsburg-Ost und Friedberg in den Blick nimmt. Für den nicht näher konkretisierten Vorschlag der Antragstellerseite eines zehnminütigen von der Polizei angeleiteten Fahrens auf der Autobahn, der in den Behördenakten allerdings keinen Niederschlag gefunden hat, ist im Beschwerdeverfahren, das auf die Überprüfung der erstinstanzlichen Eilentscheidung ausgelegt ist, kein Raum. Dass das nachgeordnete Straßennetz im Raum Augsburg nicht ausreichend leistungsfähig ist, im Falle einer Vollsperrung der A8 die auszuleitenden Verkehrsteilnehmer aufzunehmen, und somit zwangsläufig ganz erhebliche Staubildungen und Beeinträchtigungen nicht zuletzt der Anwohner sowie der Rettungswege (für Rettungs- und Feuerwehreinsätze), darunter auch die An- und Abfahrt zum Uniklinikum (mit Kinderklinik), zur Folge hätten (vgl. dazu auch die ergänzende Stellungnahme des Polizeipräsidiums Schwaben Nord vom 12.5.2023), ist für den Senat ohne Weiteres nachvollziehbar und überzeugend. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Streitfall in tatsächlicher Hinsicht grundlegend von den besonderen verkehrlichen Gegebenheiten am Autobahnende der A9 im Stadtgebiet München (besondere Lage, Qualität, bestehende Ausweichmöglichkeiten, ohnehin geltende Geschwindigkeitsbeschränkung auf 60 km/h), denen im Rahmen der Entscheidung des Senats vom 24. März 2023 (Verfahren 10 CS 23.575 – juris) – unter anderem – entscheidende Bedeutung zugekommen ist.
18
Durch die Beschwerde nicht in Zweifel gezogen werden schließlich die der behördlichen und gerichtlichen Gefahrenprognose zugrunde gelegten Zahlen zur Verkehrsbelastung auf der BAB 8 am 14. Mai 2023 im betroffenen Teilabschnitt (vgl. S. 14 des angefochtenen Bescheids), wonach für die beiden Fahrtrichtungen von (hohen) Werten von ca. 4500 Fahrzeugen/Stunde bzw. 3900 Fahrzeugen/Stunde auszugehen ist.
19
Die Einwände der Antragstellerin, die sich auf die durch die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht angenommene Dauer einer Vollsperrung der BAB 8 im betroffenen Bereich (ca. 4,5 Stunden) beziehen, sind zwar im Grundsatz stichhaltig, wenn man entsprechend dem Eilantrags- und vor allem Beschwerdevorbringen davon ausgeht, dass die Antragstellerin ihre Fahrraddemonstration nur noch auf dem kürzeren Teilstück zwischen den Autobahn-Anschlussstellen Augsburg-Ost und Friedberg durchführen will. In diesem Fall beträgt die genutzte Strecke nämlich nicht mehr 6,3 km, sondern nur mehr 2,8 km und verkürzt sich die reine Fahrzeit von ca. 54 auf ca. 24 Minuten. Bei dieser kürzeren und nur zwischen zwei Anschlussstellen liegenden Versammlungsroute ist weiter davon auszugehen, dass die Vorarbeiten und eigentlichen Sperrmaßnahmen entsprechend weniger umfangreich und aufwendig sind und auch deren Abbau schneller vonstattengeht. Entsprechend den im Beschwerdeverfahren durch den Vertreter des öffentlichen Interesses vorgelegten Erfahrungswerten des Polizeipräsidiums Schwaben Nord (bezüglich einer Sperrung der BAB 8 am 12.3.2023 anlässlich eines Sprengmittelfundes) hält der Senat in diesem Fall bei summarischer Prüfung eher eine Sperrdauer von zwei bis zweieinhalb Stunden für wahrscheinlich.
20
Dass polizeiliche ad hoc-Sperrmaßnahmen wie bei plötzlichen Verkehrsunfällen oder anderen unvorhergesehenen Vorfällen (beispielsweise auch der Vorfall mit der von der Antragstellerin angeführten Entenfamilie auf der Autobahn) mit einer zwangsläufig verbundenen erhöhten Gefährdung der eingesetzten Polizeikräfte hier nicht ernsthaft als alternative Maßnahme in Betracht kommen, liegt für den Senat auf der Hand. Abgesehen von Zuständigkeitsfragen kann die Antragstellerin nicht verlangen, dass sich Polizeivollzugsbeamte zur Verwirklichung ihres Anliegens in vermeidbare Gefahren begeben. Auch die Notwendigkeit einer sorgfältigen Kontrolle und gegebenenfalls erforderlichen Fahrbahnreinigung nach Ende einer Fahrraddemonstration von Autobahngegnern ist für den Senat ohne Weiteres einleuchtend. Ob und unter welchen Umständen bei Fahrraddemonstrationen auf Autobahnen in anderen Bundesländern Fahrbahnen in Gegenrichtung (zur Demonstrationsroute) nicht gesperrt wurden, ist hier schon mangels hinreichend dargelegter Vergleichbarkeit nicht entscheidungserheblich. Auf die Frage notwendiger Zahlungen oder Forderungen der A2. GmbH für von ihr veranlasste Sperrmaßnahmen hat das Verwaltungsgericht zu Recht nicht abgestellt.
21
Eine gegenüber der Annahme der Behörde und des Erstgerichts kürzere Sperrdauer ändert jedoch letztlich nichts an der Prognose, dass eine derartige sich über einen erheblichen Zeitraum erstreckende Vollsperrung einer sechsspurigen Autobahn bei der gegebenen Verkehrsbelastung und fehlenden leistungsfähigen Bedarfsumleitungen eine konkrete Gefährdung nicht nur der Sicherheit und Leichtigkeit des Verkehrs, sondern vor allem auch höchstrangiger Rechtsgüter Leben und Gesundheit bedeuten würde. Soweit die Antragstellerin insoweit noch auf Zeitungsberichte zu einer Vollsperrung dieses Teilstücks der A8 anlässlich der Entschärfung einer Granate und das dabei (angeblich) ausgebliebene Verkehrschaos verweist, ist auch dieser Vortrag schon mangels hinreichender Vergleichbarkeit der konkreten Umstände nicht geeignet, diese Prognose zu entkräften.
22
Angesichts der dargelegten konkreten Gefahren ist das Verwaltungsgericht im Ergebnis in rechtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass die angefochtene Änderung des Streckenverlaufs der Versammlung pflichtgemäßer Ermessensausübung entspricht und die durch die Antragsgegnerin dabei vorgenommene Abwägung der betroffenen Positionen zur Herstellung praktischer Konkordanz – auch unter Berücksichtigung der konstituierenden Bedeutung der Versammlungsfreiheit für die freiheitlich-demokratische Grundordnung und das Versammlungsanliegen in einer die Gesellschaft wesentlich berührenden Frage − die Antragstellerin nicht in ihrem Grundrecht der Versammlungsfreiheit verletzt. Die angeordnete Alternativroute in Sichtverbindung zu der Autobahn ermöglicht einen Beachtungserfolg. Auch die gerügte Verletzung des Art. 12 EU-Grundrechte-Charta ist aus den genannten Gründen zu verneinen.
23
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2 und § 52 Abs. 2 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).