Inhalt

VG Augsburg, Beschluss v. 17.04.2023 – Au 8 S 23.352
Titel:

Leinenzwang für großen Hund nach Beißvorfällen – Anforderungen an konkrete Gefahr und Sofortvollzug

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 3 S. 1, Abs. 5, § 113 Abs. 1 S. 1
LStVG Art. 18
BayVwVfG Art. 44
VwZVG Art. 31 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. An die Begründung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 3 S. 1 VwGO sind keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen, sofern die Behörde den Ausnahmecharakter der Maßnahme unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Einzelfalls nachvollziehbar dargelegt hat. (Rn. 15 – 16) (red. LS Mendim Ukaj)
2. Die Anordnung eines Leinenzwangs ist bereits dann zulässig, wenn eine konkrete Gefahr für Leben, Gesundheit oder Eigentum Dritter besteht. Ein nachgewiesener Beißvorfall ist nicht erforderlich. Die Prognose einer konkreten Gefahr reicht aus. (Rn. 18 und 21 – 22) (red. LS Mendim Ukaj)
3. Die Gefährlichkeit eines Hundes – insbesondere eines freilaufenden Hundes mit hypertrophierter Aggressivität – ist anhand abstrakter verhaltensbezogener Kriterien zu beurteilen. Eine solche Gefahr kann bereits bei freilaufenden großen Hunden im öffentlichen Verkehrsraum angenommen werden – auch ohne vorausgegangenen Beißvorfall – und ist jedenfalls gegeben, wenn frühere Angriffe erfolgt sind und eine Wiederholung ohne behördliche Anordnung nicht ausgeschlossen werden kann. (Rn. 18 und 21 – 22) (red. LS Mendim Ukaj)
4. Die Anordnung eines Leinenzwangs fällt in den übertragenen Wirkungskreis der Gemeinde, da sich deren Wirkung nicht auf ein einzelnes Gemeindegebiet beschränkt. Die Verwaltungsgemeinschaften sind insoweit zuständig für sicherheitsrechtliche Maßnahmen mit gemeindeübergreifender Relevanz. (Rn. 19) (red. LS Mendim Ukaj)
Schlagworte:
Leinenzwang für einen großen Hund, Leinenzwang, Hundehaltung, Gefahrenabwehr, großer Hund, Mischlingshund, Beißvorfall, sicherheitsrechtliche Anordnung, Zuständigkeit der Verwaltungsgemeinschaft
Fundstelle:
BeckRS 2023, 12036

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
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Der Antragsteller wendet sich gegen die Anordnung eines Leinenzwangs für seinen Hund „...“.
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Der Antragsteller ist Halter zweier Hunde, eines Collie-Appenzeller-Mischlings namens „...“ und eines Labrador-Mischlings mit Rufnamen „...“. Am 7. November 2022 ist es zu einem schweren Beißvorfall gekommen, bei dem „...“ alleine ohne Leine unterwegs war und dem Nachbarn des Antragstellers in den kleinen Finger gebissen hat, sodass dieser auf Grundgliedhöhe amputiert werden musste. Hinsichtlich beider Hunde gab es mehrere Beschwerden, weil diese unangeleint und teils ohne Aufsicht im Gemeindegebiet umhergelaufen seien.
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Nach Anhörung verpflichtete die Antragsgegnerin den Antragsteller mit Bescheid vom 6. Februar 2023, seinen Collie-Appenzeller-Mischling „...“ ab sofort in allen öffentlichen Anlagen und auf allen öffentlichen Wegen, Straßen und Plätzen innerhalb des bebauten Zusammenhangs und im Umkreis von 100 m davon jeweils an einer reißfesten Leine, deren Länge nicht mehr als 2 m betragen darf, und mit einem schlupfsicheren Halsband auszuführen (Ziffer 1). In Ziffer 2 wurde der Sofortvollzug angeordnet. Für den Fall eines Verstoßes gegen die Anordnung aus Ziffer 1 des Bescheids wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Ziffer 3). Über die Hundehaltung würden mehrere Beschwerden vorliegen. Am 10. November 2022 habe einer der Hunde versucht, über die Eingangstreppe durch die geöffnete Haustür in ein anderes Wohnhaus zu gelangen. Der Hund sei ohne Leine und alleine unterwegs gewesen. Er habe durch sein Verhalten die Grundstückseigentümerin erschreckt. Am 11. Dezember 2022 sei es zu einem Angriff eines anderen Hundes durch einen der unangeleinten Hunde des Antragstellers gekommen. Bei den Anordnungen handle es sich um Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises, da die Auswirkungen der Gefahren nicht auf das Stadtgebiet beschränkt seien. Der Collie-Appenzeller-Mischling „...“ sei in der Vergangenheit bereits mehrmals verhaltensauffällig geworden. Daneben seien weitere Fälle gemeldet worden, bei denen er andere Personen gefährdet habe (10.11.2022, 11.12.2022). Ein Fehlverhalten der Geschädigten bei den Zwischenfällen sei nicht ersichtlich. Anhaltspunkte, die die Richtigkeit dieser Vorfälle in Zweifel ziehen könnten, würden aufgrund der bei der Polizeiinspektion aktenkundigen Aussagen der Geschädigten und der vorliegenden Unterlagen nicht bestehen. Nach pflichtgemäßem Ermessen werde ein Einschreiten im öffentlichen Interesse für notwendig gehalten. Die wiederholten Vorfälle würden zeigen, dass es auch in der Zukunft zu Sicherheitsstörungen kommen werde. Die Maßnahmen seien auch geeignet, um die von dem Hund ausgehenden Gefahren zu verhindern. Solange der Hund an der Leine geführt werde, könne er besser vom Hundehalter unter Kontrolle gehalten und Beißvorfälle o.ä. verhindert werden. Mildere Mittel seien nicht ersichtlich. Dem Auslaufbedürfnis des Hundes werde dadurch Rechnung getragen, dass außerhalb der bebauten Gebiete Auslauf auch ohne Leine möglich sei. Mit einer Leinenpflicht innerhalb bebauter Gebiete werde lediglich ein Verhalten zur Pflicht gemacht, das jeder verantwortungsbewusste Hundehalter ohnehin an den Tag legen sollte. Unter Abwägung der gegenläufigen Interessen müssten im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr und der insoweit höherrangigen Grundrechte betroffener Personen die Interessen des Hundehalters zurücktreten. Die sofortige Vollziehung liege im öffentlichen Interesse. Ansonsten bestehe die Gefahr, dass in der Zeit zwischen dem Erlass des Bescheids und seiner Bestandskraft die hochrangigen Rechtsgüter des Lebens und der Gesundheit der Bevölkerung geschädigt würden.
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Dagegen erhob der Antragsteller Klage, über die noch nicht entschieden worden ist (Au 8 K 23.351), und beantragte gleichzeitig,
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die aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs im Wege des einstweiligen Rechtschutzes herzustellen.
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Der Verwaltungsakt sei bereits nichtig. Er gehe von falschen, „halluzinierten“ Sachverhalten aus. „...“ habe er erst kurz vor Ostern 2022 bekommen. Von seinem Hund gehe keine konkrete Gefahr aus. Hinsichtlich der genannten Vorfälle sei zu beachten, dass es im Gemeindegebiet mindestens ein halbes Dutzend ähnlicher Hunde, die seinen zum Teil zum Verwechseln ähnlich sehen würden, geben würde. Es dränge sich der Anfangsverdacht mehrerer Straftaten im Bereich der Verleumdung, falscher Verdächtigung etc. auf. Gleiches gelte für den Vorfall vom 10. November 2022. Bei dem Vorfall am 11. Dezember 2022 sei ein nicht unerheblich alkoholisiert wirkender Mann mit einem kleinen Hund entgegengelaufen, während er mit seinen beiden Hunden unangeleint entgegengekommen sei. „...“ habe mit dem kleinen Hund Kontakt aufnehmen wollen, habe aber problemlos zurückgerufen werden können. Die Antragsgegnerin habe gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen. Des Weiteren würde die Antragsgegnerin ihre Kompetenzen hinsichtlich sachlicher und örtlicher Zuständigkeit überschreiten.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Der angefochtene Bescheid erweise sich als voraussichtlich rechtmäßig. Die Verwaltungsgemeinschaft sei sachlich und örtlich zuständig, sodass keine Nichtigkeit vorliege. Die mit der sicherheitsrechtlichen Einzelfallanordnung verfolgte Schutzwirkung ende nicht zwangsläufig an der Grenze des Gemeindegebietes. Es handle sich damit regelmäßig um Aufgaben des übertragenen Wirkungskreises, womit die Anordnungen auch außerhalb des Gemeindegebiets und damit letztlich bayernweite Geltung beanspruchen würden. Aus dem Akteninhalt gehe hervor, dass die Hunde des Antragstellers wiederholt unangeleint im Gemeindegebiet unterwegs seien und dabei auch Privatgrund betreten würden mit der Folge, dass den Tieren mit großer Angst begegnet werde. Die einzelnen Vorfälle seien auch nicht als „freie Halluzinationen“ anzusehen. Die aus dem Akteninhalt hervorgehenden Fälle würden belegen, dass die Hunde des Antragstellers aggressiv gegenüber anderen Hunden reagieren würden. Von dem Hund „...“ gehe eine konkrete Gefahr aus, selbst wenn es zu keinem nachweislichem Beißvorfall gekommen sein sollte, da es sich bei „...“ um einen großen Hund handle. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Antragsteller insoweit auch als uneinsichtig bezeichnet werden müsse, nachdem er die von seinem freilaufenden Tier ausgehende Gefahr herunterspiele und diese als „psychotischen Alarmismus“ bezeichne. Der angeordnete Leinenzwang sei mit einer nur geringen Beeinträchtigung von Halter und Hund verbunden. Auch die angeordnete Länge der Leine von 2 m sei nicht zu beanstanden. Das Für und Wider sei umfassend gegeneinander abgewogen worden, wobei insbesondere auch durch die Beschränkung der Anordnungen innerhalb des bebauten Zusammenhangs und im Umkreis von 100 m dem Auslaufbedürfnis des Hundes Rechnung getragen werde. Mildere Mittel seien nicht erkennbar.
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Auf Frage des Gerichts teilte die Antragsgegnerin mit, dass die genaue Schulterhöhe der Hündin „...“ nicht bekannt sei. Eine Appenzeller-Hündin weise in der Regel eine Schulterhöhe von 50-54 cm auf, eine Collie-Hündin zwischen 51-56 cm. Somit handle es sich bei „...“ um einen großen Hund im Sinne der Rechtsprechung. Der Antragsteller äußerte sich dazu nicht.
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Mit weiterem Bescheid vom 6. Februar 2023 ordnete die Antragsgegnerin für den Hund „...“ u.a. einen kombinierten Leinen- und Maulkorbzwang an, gegen den der Antragsteller ebenfalls Klage erhoben hat, über die noch nicht entschieden ist (Au 8 K 23.346). Aufgrund eines Eilantrages des Antragstellers stellte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 17. April 2023 u.a. die aufschiebende Wirkung hinsichtlich des Maulkorbzwangs wieder her (Au 8 S 23.347).
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte, auch in den Verfahren Au 8 K 23.346 und Au 8 S 23.347, Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg. Dabei wird nach dem erkennbaren Rechtsschutzziel des Antragstellers der Antrag gemäß §§ 122, 88 VwGO dahingehend ausgelegt, dass beantragt wird, die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheids wiederherzustellen und hinsichtlich Ziffer 3 des Bescheids anzuordnen.
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1. Gemäß § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht bei seiner Entscheidung über den Antrag, die aufschiebende Wirkung der erhobenen Klage wiederherzustellen bzw. anzuordnen, das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes und das Interesse des Betroffenen, vom sofortigen Vollzug bis zur Entscheidung in der Hauptsache zunächst verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen. Hierbei hat das Gericht die Erfolgsaussichten der Klage, soweit sie im Rahmen der im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung überschaubar sind, zu berücksichtigen. Lassen sich nach summarischer Überprüfung noch keine Aussagen über die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs machen, ist also der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. zum Vorstehenden BVerfG, B.v. 24.2.2009 – 1 BvR 165/09 – NVwZ 2009, 581; BVerwG, B.v. 11.11.2020 – 7 VR 5.20 u.a. – juris Rn. 8; BayVGH, B.v. 17.9.1987 – 26 CS 87.01144 – BayVBl. 1988, 369).
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2. Soweit die Behörde die sofortige Vollziehung ausdrücklich gemäß der Regelung in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO angeordnet hat, d.h. die aufschiebende Wirkung der Klage nicht bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, hat das Gericht zunächst zu prüfen, ob sich bereits die Anordnung der sofortigen Vollziehung als formell rechtswidrig erweist, insbesondere ob sich die behördliche Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung im Sinne des § 80 Abs. 3 VwGO als ausreichend erweist. Ist dies nicht der Fall, hat das Gericht ohne weitere Sachprüfung die Vollziehungsanordnung aufzuheben (Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 98). An die im Bescheid gegebene Begründung für die sofortige Vollziehung sind keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen, soweit darin der Ausnahmecharakter der Vollziehungsanordnung für die Behörde erkennbar wird (Eyermann/Hoppe, VwGO, § 80 Rn. 54 ff.).
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Vorliegend genügt die Begründung den Anforderungen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Die Antragsgegnerin setzt sich in ihrer Begründung hinreichend mit den Besonderheiten des Einzelfalls unter Berücksichtigung der typischen Interessenslagen bei der Haltung eines Hundes auseinander (vgl. BayVGH, B.v. 30.6.2014 – 10 CS 14.1245 u.a. – juris Rn. 14). Eine bloß formelhafte Begründung liegt nicht vor.
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3. Der Antrag hinsichtlich Ziffer 1 des Bescheids (Leinenzwang) hat keinen Erfolg. Die Anordnung erweist sich nach summarischer Prüfung voraussichtlich als rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gründe, gleichwohl im Interesse des Antragstellers die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen, sind nicht ersichtlich.
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a) Rechtsgrundlage für die sicherheitsrechtliche Anordnung ist Art. 18 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 LStVG. Danach können die Gemeinden zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit und Eigentum Anordnungen für den Einzelfall zur Haltung von Hunden treffen. Eine solche Anordnung darf jedoch nur verfügt werden, wenn in dem zu betrachtenden Einzelfall eine konkrete Gefahr für die genannten Schutzgüter vorliegt. Nach der Rechtsprechung ist von einer solchen konkreten Gefahr auszugehen, wenn große Hunde auf öffentlichen Straßen und Wegen mit relevantem Publikumsverkehr frei herumlaufen, auch wenn es in der Vergangenheit noch nicht zu konkreten Beißvorfällen gekommen ist (vgl. grundlegend BayVGH, U.v. 9.11.2010 – 10 BV 06.3053 – juris Rn. 25; U.v. 6.4.2016 – 10 B 14.1054 – juris Rn. 19 m.w.N.). Ist es bereits zu einem Beißvorfall oder sonstigen Schadensfall durch den Hund gekommen, ist eine konkrete Gefahr zu bejahen, wenn nicht dargelegt werden kann, dass eine Wiederholung auch ohne Erlass einer sicherheitsrechtlichen Anordnung auszuschließen ist (BayVGH, B.v. 3.6.2022 – 10 CS 22.982, 10 C 22.983 – juris Rn. 15 m.w.N.).
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b) Der Bescheid ist nicht nichtig. Nach Art. 44 BayVwVfG ist ein Bescheid nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Anhaltspunkte dafür liegen entgegen der Behauptung des Antragstellers nicht vor. Insbesondere war die Antragsgegnerin örtlich und sachlich für den Erlass des streitgegenständlichen Bescheids zuständig. Die Anordnung des Leinenzwangs ist dem sog. übertragenen Wirkungskreis zuzuordnen, da sie sich nicht auf das Gebiet einer (Mitglieds-)gemeinde beschränkt. Nach Art. 4 Abs. 1 der Verwaltungsgemeinschaftsordnung für den Freistaat Bayern nimmt die Verwaltungsgemeinschaft alle Angelegenheiten des übertragenen Wirkungskreises ihrer Mitglieder wahr (BayVGH, B.v. 7.4.2004 – 24 CS 04.53 – juris Rn. 11 ff.; B.v. 3.5.2017 – 10 CS 17.405 – juris Rn. 4; B.v. 10 ZB 21.2487 – juris Rn. 11).
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c) Die Klage gegen Ziffer 1 (Leinenzwang) hat voraussichtlich keinen Erfolg, da es sich bei dem Hund „...“ bei summarischer Prüfung um einen großen Hund im Sinne der o.g. Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, die einen großen Hund bei einer Schulterhöhe ab ca. 50 cm annimmt, handelt. Bei Collies erreichen die Weibchen eine Schulterhöhe zwischen 51-56 cm groß (Internetrecherche, u.a. https://de.wikipedia.org/wiki/Langhaarcollie), eine Appenzeller-Hündin weist in der Regel eine Schulterhöhe von 50-54 cm auf (https://de.wikipedia.org/wiki/Appenzeller_Sennenhund). Es ist daher davon auszugehen, dass auch ein Mix aus den Hunderassen die Anforderungen an einen großen Hund erfüllt (VG Bayreuth, B.v. 11.5.2021 – B 1 S 21.449 – juris Rn. 32). Der Antragsteller äußerte sich dazu nicht.
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Da sich der Hund des Antragstellers unstreitig öfter freilaufend und unbeaufsichtigt im Gemeindegebiet aufgehalten hat und dort sowohl Publikums- als auch Autoverkehr stattfindet, ist nachvollziehbar von einer konkreten Gefahr auszugehen. Unabhängig davon, ob der Hund selbst als gefährlich einzustufen ist, ist mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten, dass Menschen, die in bewohntem Umfeld vor einem unangeleinten großen Hund, auch dann, wenn er auf den ersten Blick nicht furchteinflößend wirkt, Angst haben und es aufgrund von unvorhersehbaren oder unkontrollierten Reaktionen von Menschen und/oder Hunden zu erheblichen Gefahren für Leben und Gesundheit kommen kann (BayVGH, B.v. 13.11.2008 – 10 CS 18.1780 – juris Rn. 10).
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Damit durfte die Antragsgegnerin bei der von ihr vorzunehmenden Gefahrenprognose zu Recht davon ausgehen, dass von diesem Hund eine konkrete Gefahr ausgeht. Auf die weiteren angeführten Vorfälle kommt es insoweit nicht mehr maßgeblich an, unabhängig davon, ob es sich dabei tatsächlich jeweils um den Hund des Antragstellers gehandelt hat.
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Die Regelung, die sich auf Plätze innerhalb des bebauten Zusammenhangs und im Umkreis von 100 m bezieht, ist auch bestimmt genug. Die Entfernung von 100 m außerhalb des bebauten Zusammenhangs lässt sich leicht abschätzen und ist daher als ausreichend bestimmt anzusehen (BayVGH, B.v. 12.2.2015 – 10 CS 14.2820 – juris Rn. 8).
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d) Die Antragsgegnerin hat auch ihr Ermessen, das nach § 114 VwGO nur auf das Vorliegen möglicher Ermessensfehler hin zu überprüfen ist, fehlerfrei ausgeübt. Insoweit wurde auch der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz berücksichtigt. So hat die Antragsgegnerin die Anordnung des Leinenzwangs auf den bebauten Bereich und einem Umkreis von 100 m davon beschränkt und damit für den Außenbereich grundsätzlich einen Auslauf ohne Leinenzwang zugelassen. Es besteht kein Zweifel daran, dass diese teilweise Einschränkung der Bewegungsfreiheit des Hundes im Sinne einer effektiven Gefahrenabwehr geboten ist. Insoweit ist auch nicht zu beanstanden, dass eine Leinenlänge von zwei Meter angeordnet worden ist. Nur bei Verwendung einer entsprechenden kurzen Leine wird der Hundehalter in die Lage versetzt, bei Gefahrensituationen unverzüglich auf den Hund einwirken zu können (VG Ansbach, B.v. 23.7.2018 – AN 15 S 17.02338 – juris Rn. 45; BayVGH, B.v. 31.3.2022 – 10 CS 21.2222 – juris Rn. 10).
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e) Insoweit liegen auch keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der Zwangsgeldandrohung vor. Die Höhe des Zwangsgelds verhält sich im Rahmen des Art. 31 Abs. 2 Satz 1 VwZVG und ist angemessen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 Satz 1.
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5. Der Streitwert war nach §§ 52 Abs. 2, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG zu bestimmen. Das Gericht orientiert sich dabei an den Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Nrn. 1.5, 35.1).