Titel:
Erfolgreiche Klage auf Verpflichtung einer Gemeinde zur Bestätigung des gewählten Kommandanten einer freiwilligen Feuerwehr - Eignung - Kein Ermessen der Gemeinde
Normenketten:
BayFwG Art. 8 Abs. 3, Abs. 4
AVBayFwG § 7 Abs. 1
Leitsätze:
1. Eine Diagnose ADHS führt nicht zwingend und unausweichlich zu der gesundheitlichen Ungeeignetheit als Kommandant einer freiwilligen Feuerwehr. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Tatsache, dass der gewählte Kommandant, dem noch die strittige Bestätigung der Gemeinde fehlt, anlässlich der Kirchweih in erheblich alkoholisierter Form mit einem E-Skooter unterwegs war, was strafrechtlich zu einem Führerscheinentzug führte, vermag es nicht, die Eignung zur Übernahme des Amtes des Kommandanten aus sonstigen wichtigen Gründen zu beseitigen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die konkrete Tat nicht einen derart hohen Unrechtsgehalt aufweist, dass dadurch der gewählte Kommandant die Achtung seiner Kollegen verlöre und als Kommandant quasi untragbar würde. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Gemeinde kann sich den Feuerwehrkommandanten nicht aussuchen. Sie ist an die Wahl der Feuerwehrdienstleistenden nach Art. 8 Abs. 2 BayFwG gebunden. Ein wie auch immer geartetes Ermessen der Gemeinde besteht nicht.(Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Eignung als Kommandant einer Feuerwehr, gesundheitliche Eignung, ADHS (angeblich), Vertretung bei beruflicher Abwesenheit, Ermessen, Gesundheit, Eignung, sonstiger wichtiger Grund, ADHS, Bestätigung, Feuerwehr, freiwillige Feuerwehr, Führerscheinentzug, Trunkenheitsfahrt, Feuerwehrkommandant
Fundstelle:
BeckRS 2023, 11980
Tenor
1. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 24. Juni 2022 verpflichtet, den Kläger als gewählten Feuerwehrkommandanten nach Art. 8 Abs. 4 BayFwG unter der auflösenden Bedingung, dass er binnen 1 ½ Jahren ab Rechtskraft des Urteils nicht den erfolgreichen Besuch des Lehrgangs „Leiter einer Feuerwehr“ nachweist, zu bestätigen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger begehrt von der Beklagten die Bestätigung seiner Wahl zum Kommandanten der Freiwilligen Feuerwehr … Am 1. April 2022 fand im Rathaus … um 18:00 Uhr eine Dienstversammlung der Freiwilligen Feuerwehr … zur Wahl des Feuerwehrkommandanten statt. Die Wahlbekanntmachung wurde am 15. März 2022 an den Anschlagtafeln angeschlagen und zudem am 18. März 2022 im Amtsblatt der Gemeinde, mit Hinweis darauf im Mitteilungsblatt der Gemeinde, bekannt gemacht. Zudem wurden die Feuerwehrmitglieder mit gleichlautendem Schreiben der Gemeinde vom 15. März 2022 hierzu eingeladen. Von den in der Wählerliste enthaltenen 41 wahlberechtigten Feuerwehrdienstleistenden waren 25 Mitglieder erschienen. Ausweislich der Niederschrift über die Ermittlung und Feststellung des Ergebnisses der Wahl waren zuvor als schriftlich eingereichte Wahlvorschläge der bisherige Kommandant und der Kläger benannt worden. Für den Kläger wurden 16 Stimmen abgegeben, für den bisherigen Kommandanten neun Stimmen. Der Kläger nahm die Wahl an.
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Bei der Sitzung des Gemeinderates der Beklagten am 23. Juni 2022 wurde mit elf gegen fünf Stimmen entschieden, dass der Kläger nicht als neuer Kommandant der Feuerwehr … bestätigt werde. Dies wurde dem Kläger mit Schreiben der Verwaltungsgemeinschaft … vom 24. Juni 2022 mitgeteilt.
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Mit am 13. Juli 2022 beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach eingegangenem Schriftsatz seines Bevollmächtigten hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben. Zur Begründung wurde vorgetragen, der Kläger sei Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr der Gemeinde, älter als 18 Jahre und habe mehr als zehn Jahre Dienst in der Feuerwehr geleistet. Er habe die für das Amt eines Feuerwehrkommandanten vorgesehenen Lehrgänge mit Erfolg besucht bzw. werde diese plangemäß absolvieren. Die erste Bürgermeisterin der Beklagten habe sich noch während der Versammlung dahingehend geäußert, dass sie sich keine Zusammenarbeit mit dem Kläger vorstellen könne. Der Kläger sei intrigant, sozial inkompetent und habe die Wahl manipuliert. Der anwesende Kreisbrandmeister … sei sodann eingeschritten, sodass keine weiteren beleidigenden Aussagen über den Kläger gefallen seien. Bei einem Vieraugengespräch am Anfang des folgenden Monats und bei der Kommandantenbesprechung am 27. Mai 2022 sei der Kläger von der ersten Bürgermeisterin aufgefordert worden, den Rücktritt vom Amt des Kommandanten zu erklären. Andernfalls werde der Gemeinderat die Bestätigung verweigern. Der Kläger habe einen Rücktritt ausgeschlossen. Vom bisherigen Kommandanten sei vorgeschlagen worden, dass der Kläger zurücktreten solle, woraufhin für ihn die Stelle eines weiteren stellvertretenden Kommandanten geschaffen werden würde. Auch diesen Vorschlag habe er zurückgewiesen. Am 24. Mai 2022 habe eine weitere Kommandantenbesprechung stattgefunden, bei der dem Kläger erneut der Rücktritt nahegelegt worden sei. Er habe am gleichen Tag vom bisherigen Kommandanten einen Textentwurf erhalten, mit dem er gegenüber der Beklagten seinen Rücktritt von der Wahlannahme erklären sollte. Am 14. und 15. Juni 2022 sei er von der ersten Bürgermeisterin telefonisch gefragt worden, ob er zum Rücktritt bereit sei und den unterbreiteten Vorschlag akzeptiere, was er verneint habe. Am 17. Juni 2022 sei eine Versammlung der aktiven Feuerwehrleute der Gemeinde erfolgt, an der auch die erste Bürgermeisterin und deren Stellvertreter teilgenommen hätten. Die erste Bürgermeisterin habe dem Kläger vor allen Anwesenden Können und Fähigkeiten abgesprochen. Seitens der aktiven Feuerwehrleute sei daraufhin geäußert worden, dass sie den Kläger als gewählten Kommandanten sähen und ihre Sichtweise nicht teilten. Der stellvertretende Bürgermeister habe hierzu erklärt, dass eine Gruppe von acht Gemeinderäten bei der Abstimmung dem Vorschlag der ersten Bürgermeisterin folgen würde. Bei der öffentlichen Gemeinderatsitzung am 23. Juni 2022 sei dem Kläger die Bestätigung verweigert worden.
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In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass die Bestätigung des gewählten Feuerwehrkommandanten einen begünstigenden Verwaltungsakt darstelle. Nach Art. 8 Abs. 4 Satz 2 BayFwG sei die Bestätigung zu versagen, wenn der Gewählte fachlich, gesundheitlich oder aus sonstigen wichtigen Gründen ungeeignet sei. Das Kriterium der Eignung umfasse, wie § 9 AVBayFwG zeige, verschiedene Aspekte in der Gestalt der körperlichen, geistig-seelischen und charakterlichen Eignung, zu der auch die in § 9 Satz 1 AV BayFwG gesondert erwähnte Zuverlässigkeit gehöre. Beim Kläger lägen keine derartigen Umstände vor. Er sei beruflich als Disponent in Ausbildung bei der Integrierten Leitstelle in … tätig. Zuvor habe er als ausgebildeter Notfallsanitäter gearbeitet. Er habe die für die Wahl zum Feuerwehrkommandanten notwenigen Lehrgänge mit Erfolg absolviert und werde den weiteren, plangemäß nach einer Wahl vorgesehenen Lehrgang noch belegen. Er sei von den aktiven Feuerwehrleuten mit deutlicher Mehrheit gewählt worden und auch seitens des Kreisbrandrates bestünden keine Einwendungen. Die von der ersten Bürgermeisterin vorgebrachten Gründe stellten emotionsgeladene Werturteile dar, die beleidigenden Charakter hätten. Sie könnten die Eignung des Klägers nicht in Frage stellen. Wie sich aus der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 23. August 2021 (4 CS 21.1227) ergebe, könne die Beklagte keinen Feuerwehrkommandanten beanspruchen, der sich unterordne. Vielmehr gehöre zum Anforderungsprofil in Anbetracht seiner Führungsfunktion ein selbstbewusstes Auftreten und Durchsetzungsfähigkeit auch gegenüber den Gemeindeorganen. Dass er den Forderungen nach einem freiwilligen Rücktritt nicht nachgekommen sei, könne ihm nicht vorgeworfen werden. Ein Ermessen bei der Bestätigung lasse sich aus Art. 8 Abs. 4 BayFwG nicht ableiten. Sollte die Vorschrift dennoch ein Ermessen beinhalten, dürfte dieses nur ermessensgerecht ausgeübt werden.
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Die Beklagte nahm mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 19. August 2022 zur Klage dahingehend Stellung, dass der Kläger aus gesundheitlichen Gründen ungeeignet für das Amt des Feuerwehrkommandanten sei. Er leide seit seiner Kindheit und Jugend an einer Aufmerksamkeitsdefizits-Hyperaktivitätsstörung (ADHS). Die Symptomatik ergebe sich bei ihm vor allem aus einem hyperaktiven, impulsiven und unbeherrschten Verhalten, außerdem agiere und reagiere er oft mit hoher Risikobereitschaft und teilweise auch cholerisch. Sein unkontrolliertes, unbeherrschtes Verhalten zeige sich zum Beispiel darin, dass er wiederholt bei Einsätzen teils auch innerorts das schwere Einsatzfahrzeug mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit gefahren habe und damit eine zumindest abstrakte Gefährdung für andere Verkehrsteilnehmer verursacht habe. Auf dem ADHS-Infoportal finde sich eine Unterrubrik „ADHS und Wehrdienst“, in der ein Stabsfeldwebel der Bundeswehr zu der Frage Stellung nehme, ob die Diagnose eines Aufmerksamkeitsdefizitsbeziehungsweise Hyperaktivitätssyndroms ein Ausschlussgrund für eine Karriere bei der Bundeswehr sei. Danach stelle diese Diagnose nur für einige wenige Verwendungen einen Ausschlussgrund dar. Im gleichen Portal finde sich unter dem Unterpunkt „ADHS und Polizeiausbildung“, dass ADHS per se keinen Ausschlussgrund für eine Bewerbung bei der Polizei darstelle. Wichtig sei, im Falle einer Bewerbung alle ärztlichen Befunde mit einzureichen. Außerdem sei wichtig, dass zum Zeitpunkt der Bewerbung keine Symptome vorlägen und bereits einige Zeit im Vorfeld keine Medikamente mehr eingenommen würden. Der Bewerbung müssten in jedem Fall alle ärztlichen Befunde über Erkrankungen und Behandlungen in den Vorjahren und aktuell andauernde Behandlungen beigelegt werden. Bestehe aktuell noch eine klinische ADHS-Diagnose, die eine medikamentöse oder psychotherapeutische Behandlung erfordere, sei die Polizeidiensttauglichkeit nicht gegeben.
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Daneben sei im Falle des Klägers häufig die Übernahme der Einsatzleitung unmöglich. Er sei beruflich als Disponent in Ausbildung bei der Integrierten Leitstelle in … tätig. Bei einem Einsatz müsse der Kläger die ca. 30 km lange Strecke bis zum Feuerwehrhaus … über den … fahren. Laut Routenplaner benötige er hierfür fast 40 Minuten. Zudem sei hier häufig Stau. Die Übernahme der Einsatzleitung sei die wichtigste Aufgabe eines Kommandanten. Im Falle des Klägers könne die Hilfsfrist von zehn Minuten nicht verbindlich eingehalten werden. Wer diese Frist im Regelfall aufgrund seiner weit weg vom Feuerwehrgerätehaus gelegenen Arbeitsstätte nicht einhalten könne, sei nicht oder nur sehr eingeschränkt für den Feuerwehrdienst geeignet. Erst recht gelte dies für einen Kommandanten. Dies stelle hier einen weiteren sonstigen wichtigen Grund i.S.v. Art. 8 Abs. 4 Satz 2 BayFwG dar.
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Der Bevollmächtigte des Klägers nahm mit Schriftsatz vom 29. August 2022 zur Klageerwiderung dahingehend Stellung, dass der Kläger weder derzeit noch zur Zeit seiner Kindheit und Jugend unter einer Aufmerksamkeitsdefizits-Hyperaktivitätsstörung leide. Es handle sich hierbei um eine erfundene Behauptung, die keinerlei Wahrheitsgehalt habe. Den Beweisanregungen der Beklagten sei nicht nachzugehen, da es sich um einen Ausforschungsbeweis handle. Der Kläger zeige kein hyperaktives, krankhaft impulsives und unbeherrschtes Verhalten, er agiere und reagiere nicht mit hoher Risikobereitschaft und verhalte sich auch nicht cholerisch. Nach § 35 Abs. 1 StVO sei die Feuerwehr von den Vorschriften der Straßenverkehrsordnung befreit, soweit das zur Erfüllung hoheitlicher Aufgaben dringend geboten sei. Der Kläger habe das Einsatzfahrzeug in Einklang mit den gesetzlichen Vorschriften geführt, eine unberechtigte Geschwindigkeitsüberhöhung habe es nicht gegeben. Die Formulierung, es habe zumindest eine abstrakte Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer vorgelegen, müsse wohl so verstanden werden, dass auch nach Ansicht der Beklagten niemand gefährdet worden sei. Eine ADHS-Diagnose würde keinen Ausschlussgrund für das Amt des Feuerwehrkommandanten bilden. Die Beklagte habe vor der Entscheidung des Gemeinderates nichts unternommen, um die nun von ihr aufgezeigten Kriterien, ob eine ADHS-Diagnose einen Ausschluss rechtfertige, zu ermitteln und zu bewerten.
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Der Kläger habe seine Fähigkeiten als Angehöriger der Feuerwehr mit der sehr guten Bewertung seiner Leistungen bei der Ausbildung zum FW-Modul II bei der Berufsfeuerwehr in … unter Beweis gestellt (unter Vorlage des entsprechenden Zeugnisses vom 22. Juli 2022).
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Die aufgeworfene Frage, wie schnell der Kläger als Kommandant von seiner Arbeitsstelle zu einem Einsatz kommen könne, spiele bei der Entscheidung über die Bestätigung keine Rolle. Jemand, der in einem Beschäftigungsverhältnis außerhalb seines Wohnorts stehe, könne es nicht schaffen, als Kommandant so zeitig vor Ort zu sein, dass er von Beginn an den Einsatz leiten könne innerhalb der Hilfsfrist. Dass Kommandant nur Personen werden dürften, die keiner Arbeit außerhalb ihres Wohnortes nachgingen, sei nicht geregelt. Das Gesetz sehe einen Stellvertreter des Kommandanten vor, der bei Abwesenheit des Kommandanten dessen Aufgaben übernehmen könne.
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Die Bevollmächtigte der Beklagten trug mit Schriftsatz vom 29. November 2022 weiter vor. Der ersten Bürgermeisterin sei im Oktober 2022 aus „Kreisen der Feuerwehr“ berichtet worden, dass dem Kläger wegen Trunkenheit im Verkehr die Fahrerlaubnis für die Dauer von sechs Monaten entzogen worden sei. Sie habe sich deswegen mit Schreiben vom 14. November 2022 an den Kläger gewandt, der bis dato auf dieses Schreiben aber nicht geantwortet habe. Dass der Kläger bestreite, seit seiner Kindheit an ADHS zu leiden und kein hyperaktives, krankhaft impulsives und unbeherrschtes Verhalten zu zeigen, werde mit Erstaunen aufgenommen. Um dies zu belegen, wurden drei Vorfälle aus den Jahren 2004, 2009 und 2012, bei denen der Kläger jeweils noch minderjährig war, geschildert. Auf die Einzelheiten wird Bezug genommen.
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Daneben wurde ein von den Sonderpädagogen … und … geschilderter Vorfall vom 21. Juli 2021 wiedergegeben. An diesem Tag habe anlässlich einer Brandschutzerziehungsmaßnahme ein Besuch einer Grundschulklasse der Evangelischen Jugendheimstätte „…“ in der Feuerwehr … stattgefunden. Dabei sei unter anderem der Kläger für die Feuerwehr anwesend gewesen. Während der Vorführung sei ein Wohnmobil in den Feuerwehrhof eingefahren und, als der Fahrer das Fahrzeug verlassen habe, sei er vom Kläger lautstark etwa mit folgenden Worten angesprochen worden: „Hey, junger Mann, so geht das fei nicht, das ist ein Feuerwehrhof und kein Parkplatz, hier können Sie nicht stehen bleiben. Aber sofort wegfahren, ein bisschen flott, wenn ich bitten darf“. Bei dem Angesprochenen habe es sich offensichtlich um einen Mann deutlich jenseits des 70. Lebensjahres gehandelt. Als dieser unwillig auf die Ansprache reagiert habe, sei der Kläger deutlich ein paar Schritte auf ihn zugegangen. Der Angesprochene habe lautstark zurückgekeift, worauf der Kläger noch einen Schritt auf ihn zugegangen sei und dabei aggressiv die Arme geöffnet habe. Zu den Nebenstehenden habe er die Bemerkung gemacht, „wenn der herkommt, hau ich ihm ein paar aufs Maul“ oder ähnlich. Auf die Aufforderung von Herrn …, dass er dies nicht machen könne, habe der Kläger geantwortet, dass dieser schon sehen werde, was er machen könne.
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Der Bevollmächtigte des Klägers nahm mit Schriftsatz vom 2. März 2023 hierzu dahingehend Stellung, dass dem Kläger aufgrund eines straßenverkehrsrechtlichen Fehlverhaltens befristet die Fahrerlaubnis entzogen worden sei. Dies berühre die für das Amt des Kommandanten bestimmten Voraussetzungen nicht. Auch beeinträchtige es nicht den Dienst als Feuerwehrmann. Daneben wurde zu den dem Kläger vorgehaltenen Verhaltensweisen aus seiner Kindheit und Jugend Stellung bezogen. Zu dem Vorfall vom 21. Juli 2021 wurde vorgetragen, dass die Maßnahme um 10:00 Uhr begonnen und um 10:45 Uhr geendet habe. Zu diesem Zeitpunkt hätten die Schüler zusammen mit den Schulverantwortlichen den Rückweg angetreten. Bis dahin sei kein fremdes Fahrzeug, geschweige denn ein Wohnmobil, auf das Grundstück gefahren worden. Nachdem die Klasse gegangen sei, hätten der Kläger und Frau …, die ebenfalls Feuerwehrdienstleistende der Feuerwehr … sei, die Gerätschaften aufgeräumt. Dabei sei auch Herr … anwesend gewesen. Ca. um 11:15 Uhr sei ein älterer Herr mit einem roten BMW X3 in dem Feuerwehrhof eingefahren und sei unter Missachtung des ausgeschilderten absoluten Halteverbots im Bereich der Ein- und Ausfahrt des Feuerwehrhauses zum Stehen gekommen. Er habe sein Fahrzeug verlassen, was der Kläger nicht habe unbeanstandet lassen können. Er habe ihn aufgefordert, das Fahrzeug wegzufahren und habe diesen tatsächlich, um keine Spannungen entstehen zu lassen, mit „junger Herr“ angesprochen. Der Angesprochene habe sich aber angegriffen gefühlt, sei dem Kläger gegenüber ungehalten geworden und habe ihn mehrfach beleidigt. Er habe die Aufforderung ignoriert und Altglas im dort stehenden Container entsorgt. Nach ca. 5 Minuten sei er wieder weggefahren. Frau … könne dies bestätigen. Die Brandschutzerziehungsmaßnahme werde von Frau … und dem Kläger immer in der gleichen Weise durchgeführt. Es werde jedes Mal der Feuerwehrhof mit Pylonen und anderen Geräten so abgesperrt, dass von der Straße kein Fahrzeug einfahren könne. So sei es auch diesmal geschehen. Der BMW X3 sei erst nach Abbau der Sperre in den Hof gesteuert worden.
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Der Berichterstatter hat zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung mit Schreiben vom 6. März 2023 die Beklagte um eine detaillierte Darstellung der Freiwilligen Feuerwehr … (insbesondere Zahl der Feuerwehrdienstleistenden, Zahl und Art der Fahrzeuge, besondere gefahrträchtige Punkte im Zuständigkeitsbereich, Führung) gebeten. Daneben wurde der Kläger um Mitteilung gebeten, ob er die Ausbildung zum Disponenten der Integrierten Leitstelle abgeschlossen habe. Der Berichterstatter hat darauf hingewiesen, dass der einschlägige Kommentar zum Bayerischen Feuerwehrgesetz bezüglich hauptberuflicher Angehöriger einer Berufsfeuerwehr ausführe, dass Voraussetzung für eine Eignung derartiger Personen als Kommandant wegen der zweifelsfrei bestehenden Pflichtenkollision die gesicherte gegenseitige Vertretung sei. Es werde daher die Beklagte um Darlegung gebeten, ob der stellvertretende Kommandant oder weitere Stellvertreter bei beruflich bedingter Abwesenheit bzw. Nichtverfügbarkeit des Klägers als Kommandant verfügbar wären. Schließlich wurde um Mitteilung der Aktenzeichen von Polizei und Strafgericht zu dem Vorfall, der zum verhängten Fahrverbot führte, gebeten.
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Mit Beweisbeschluss vom 3. März 2023 wurde das persönliche Erscheinen des Klägers in der mündlichen Verhandlung angeordnet und Beweiserhebung durch Zeugeneinvernahme zu im Einzelnen genannten Aspekten angeordnet. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen.
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Der Bevollmächtigte des Klägers teilte mit Schriftsatz vom 8. März 2023 mit, dass der Kläger weiterhin Angestellter bei der Integrierten Leitstelle der Stadt … sei. Bei der Durchführung des Disponentenlehrgangs sei es zu Verschiebungen von Seiten der staatlichen Feuerwehrschule gekommen. Der Lehrgang sei nun am 26. Mai 2023 beendet, ebenso sei damit die gesamte Ausbildung beendet. Daneben wurden die geforderten Aktenzeichen mitgeteilt.
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Aus den auf Anforderung des Gerichts von der Staatsanwaltschaft … mit Schreiben vom 13. März 2023 übersandten Strafakten geht hervor, dass der Kläger am 17. Juli 2022 gegen 1:50 Uhr mit einem E-Scooter unterwegs war und einer Verkehrskontrolle unterzogen wurde. An dem Tag war in der Gemeinde … Kirchweih. Der Kläger gab an, von der Kirchweih zu kommen und dort im Einzelnen genannte alkoholische Getränke zu sich genommen zu haben. Die Untersuchung einer genommenen Blutprobe ergab einen Blutalkoholgehalt von 1,5 Promille. Dem Kläger wurde daraufhin mit Beschluss des AG … vom 7. September 2022 nach § 111a StPO die Fahrerlaubnis vorläufig entzogen. Mit Strafbefehl vom gleichen Tag wurde er zu einer Geldstrafe von 20 Tagessätzen verurteilt und ihm die Fahrerlaubnis entzogen. Sein Führerschein wurde eingezogen; der Fahrerlaubnisbehörde wurde aufgegeben, dass sie für die Dauer von sechs Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilen dürfe. Für drei Monate wurde dem Kläger nach § 44 StGB verboten, im Straßenverkehr Kraftfahrzeuge zu führen. Hiergegen legte der Kläger zunächst Einspruch ein, den er dann aber wieder zurücknahm.
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In der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2023 hat die Kammer insbesondere Beweis erhoben über das Verhalten des Klägers als Feuerwehrdienstleistender und über den Vorfall vom 21. Juli 2021 auf den Feuerwehrhof … durch Einvernahme der Zeugen … (Kreisbrandmeister), …, …, … und … Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 24. Juni 2022 verpflichtet, den Kläger als gewählten Feuerwehrkommandanten nach Art. 8 Abs. 4 Bayerisches Feuerwehrgesetz unter der auflösenden Bedingung, dass er binnen 1 ½ Jahren ab Rechtskraft dieses Urteils nicht den erfolgreichen Besuch des Lehrgangs „Leiter einer Feuerwehr“ nachweist, zu bestätigen.
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Die Beklagte beantragt
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze, die Behördenakten und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2023 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist als Verpflichtungsklage mit dem Ziel der Bestätigung durch die Beklagte nach Art. 8 Abs. 4 Bayerisches Feuerwehrgesetz (BayFwG) statthaft, da es sich bei der Bestätigung des gewählten Kommandanten durch die Gemeinde um einen diesen begünstigenden Verwaltungsakt handelt (BayVGH, B.v. 23.8.2021 – 4 CS 21.1227 – BeckRS 2021, 36699, Rn. 22). Das formlose Schreiben der Beklagten vom 24. Juni 2022 stellt daher einen den Erlass dieses Verwaltungsakts ablehnenden Versagungsbescheid dar.
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Die Klage ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben.
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Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat im beantragten Umfang einen Anspruch gegen die beklagte Gemeinde auf Bestätigung als gewählter Kommandant der Feuerwehr … nach Art. 8 Abs. 4 BayFwG (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der entgegenstehende Bescheid der Gemeinde vom 24. Juni 2022 ist daher aufzuheben und die Beklagte zur Bestätigung des Klägers zu verpflichten.
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Nach Art. 8 Abs. 4 BayFwG bedarf der gewählte Kommandant der Bestätigung durch die Gemeinde im Benehmen mit dem Kreisbrandrat. Die Bestätigung ist zu versagen, wenn er fachlich, gesundheitlich oder aus sonstigen wichtigen Gründen ungeeignet ist.
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Der Kläger wurde im vorliegenden Fall entsprechend Art. 8 Abs. 2 BayFwG in geheimer Wahl von den feuerwehrdienstleistenden Mitgliedern der Freiwilligen Feuerwehr … gewählt. Anhaltspunkte dafür, dass die Wahl nicht ordnungsgemäß verlaufen wäre, lassen sich den übersandten Unterlagen nicht entnehmen und werden von Seiten der Beklagten auch nicht vorgebracht. Das Benehmen mit dem Kreisbrandrat des Landkreises … wurde hergestellt: Dieser hat mit Schreiben vom 19. April 2022 bestätigt, dass die vorläufige Bestätigung des gewählten Kommandanten, des Klägers, erfolgen könne. Es sei jedoch noch der Lehrgang „Leiter einer Feuerwehr“ an der Staatlichen Feuerwehrschule zu besuchen.
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Der Kläger besitzt die notwendige fachliche Eignung, um Kommandant der Freiwilligen Feuerwehr der Beklagten zu sein. Nach Art. 8 Abs. 3 BayFwG kann zum Feuerwehrkommandanten nur gewählt oder bestellt werden, wer nach Vollendung des 18. Lebensjahres mindestens vier Jahre in einer Feuerwehr Dienst geleistet und die vorgeschriebenen Lehrgänge mit Erfolg besucht hat. Nach Satz 2 dieser Bestimmung genügt es ausnahmsweise, wenn den Umständen nach anzunehmen ist, dass der Betreffende solche Lehrgänge in angemessener Frist mit Erfolg besuchen wird. Konkretisiert wird diese Bestimmung durch § 7 der Verordnung zur Ausführung des Bayerischen Feuerwehrgesetzes (AVBayFwG). Nach dessen Abs. 1 ist für Feuerwehrkommandanten und ihre Stellvertreter der Lehrgang für den Leiter einer Feuerwehr vorgeschrieben. Je nach Stärke der Feuerwehr ist zusätzlich nach Satz 2 der Bestimmung jedenfalls auch der Lehrgang für Gruppenführer vorgeschrieben.
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Der Kläger hat das 18. Lebensjahr vollendet und weit mehr als vier Jahre in der Feuerwehr der Beklagten Dienst geleistet. Den Lehrgang für Gruppenführer hat er erfolgreich absolviert und war nach seinen unwidersprochenen Angaben in der mündlichen Verhandlung auch bereits für die Feuerwehr der Beklagten als Gruppenführer tätig. Die nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2 AVBayFwG gegebenenfalls zu fordernden Lehrgänge für Zugführer oder Verbandsführer sind im Falle der Feuerwehr der Beklagten für den Kommandanten nicht erforderlich, da die Feuerwehr ausweislich der Stellungnahme der Bevollmächtigten der Beklagten vom 23. März 2023 nicht über einen Zug verfügt. Auf den erfolgreichen Abschluss des Lehrgangs „Leiter einer Feuerwehr“ kann im vorliegenden Fall nach Art. 8 Abs. 3 Satz 2 BayFwG zunächst verzichtet werden, da anzunehmen ist, dass er diesen innerhalb der im Tenor der vorliegenden Entscheidung genannten angemessenen Frist mit Erfolg besuchen wird (vgl. hierzu: Ziffer 8.2.2 der Vollzugsbekanntmachung zum Bayerischen Feuerwehrgesetz).
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1. Entgegen dem Vortrag der Beklagten fehlt dem Kläger nicht die gesundheitliche Eignung für das Amt des Kommandanten nach Art. 8 Abs. 4 Satz 2 BayFwG.
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Der gewählte Kommandant einer Feuerwehr muss mindestens dieselbe gesundheitliche Eignung besitzen, wie sie von jedem Feuerwehrdienstleistenden verlangt wird (vgl. Forster/Pemler/Remmele, BayFwG, Art. 8 Rn. 33). Dass der Kläger diese Eignung besitzt, sieht offenbar auch die Beklagte so. Denn sie hat seine gesundheitliche Eignung als „normaler Feuerwehrdienstleistender“ nie in Frage gestellt. Eine diesbezügliche Überprüfung wurde von Seiten der Beklagten nie veranlasst (vgl. hierzu: Forster/Pemler/Remmele a.a.O., Rn. 33).
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Aber auch, wenn man davon ausgeht, dass der Kommandant einer Feuerwehr, da er regelmäßig im Einsatz dessen Leitung innehat, gegebenenfalls höhere Anforderungen, insbesondere hinsichtlich der psychischen Belastbarkeit, erfüllen muss, bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass diese gesundheitliche Eignung dem Kläger fehlen würde.
31
Die von Seiten der Beklagten behauptete Erkrankung des Klägers am Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätssyndrom (ADHS) ist nämlich in keiner Weise nachgewiesen. Die Beklagte stützt sich insoweit allein auf die mehr als zweifelhafte Einschätzung von Laien. Soweit von diesen von der Beklagten angeführten Personen Vorfälle aus der Kindheit und Jugend des inzwischen 28 Jahre alten Klägers geschildert werden, sind diese bereits aus dem Grunde vollkommen untauglich, da sie schon sehr lange zurückliegen und nicht den jungen Erwachsenen, der nun zum Kommandanten der Feuerwehr … gewählt wurde und dessen gesundheitliche Eignung hier in Frage steht, betreffen, sondern das Kind bzw. den Jugendlichen gleichen Namens.
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Ein Kind oder auch ein Jugendlicher darf auch auffällige Verhaltensweisen zeigen, dies ist gerade kennzeichnend dafür, dass es sich nicht um einen bereits vollständig entwickelten Erwachsenen, sondern erst um einen heranwachsenden Menschen handelt. Auch wenn es im Bereich von Kindern und Jugendlichen durchaus einen Bereich geben mag, der von der Norm abweicht und gegebenenfalls von Fachleuten auch als krankhaft eingestuft wird, kommt es hierauf im vorliegenden Fall keineswegs an. Maßgeblich für die Beurteilung der Frage, ob der Kläger gesundheitlich geeignet ist, um Kommandant der Feuerwehr … zu sein, sind allein die Verhältnisse im Zeitpunkt der vorliegenden gerichtlichen Entscheidung. Eine Beweiserhebung über die von der Beklagten behaupteten Vorfälle aus der Kindheit und Jugend des Klägers war also nicht erforderlich, da diese Ereignisse für die Entscheidung des Rechtsstreits keine Bedeutung haben.
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Zudem handelt es sich bei ADHS um eine Erkrankung mit einem hochgradig unspezifischen Krankheitsbild, das fließende Übergänge zur sog. Normalität aufweist (vgl. den Eintrag zu ADHS im Deutschen Wikipedia). Zudem kann auch ein impulsives oder extrovertiertes Verhalten nicht ohne Weiteres als krankhaft gedeutet werden. Aus diesem Grund ist auch die von Seiten der Beklagten schriftsätzlich angeregte Begutachtung des Klägers durch einen psychiatrischen Sachverständigen nicht veranlasst: Mangels belegbarer Anknüpfungstatsachen bestehen keinerlei Anhaltspunkte für das Gericht dafür, anzunehmen, dass der Kläger unter ADHS leidet, geschweige denn, dass ihm aus diesem Grunde die gesundheitliche Eignung für das Amt des Feuerwehrkommandanten fehlen würde.
34
Hinzu kommt, dass auch die in der mündlichen Verhandlung vom Gericht vernommenen Zeugen … und …, die den Kläger bei der Tätigkeit als Feuerwehrdienstleistender, teilweise auch in Einsatzsituationen, erlebt haben, nicht über negative Auffälligkeiten beim Kläger berichten konnten. Auch die von Seiten der Beklagten vorgelegten Unterlagen zum Einsatz von Personen mit (anders als hier nachgewiesenem) ADHS in Bundeswehr und Polizei gehen nicht von einer generellen Ungeeignetheit von Personen mit diesem Krankheitsbild für eine Verwendung in beiden Organisationen aus. Dementsprechend führt auch die Diagnose ADHS nicht zwingend und unausweichlich zu der gesundheitlichen Ungeeignetheit als Kommandant.
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Vielmehr konnte das Gericht keinerlei Auffälligkeiten dahingehend feststellen, dass der Kläger als Feuerwehrdienstleistender, insbesondere auch in Fällen, in denen er die Einsatzleitung innehatte, in der Vergangenheit in einer Weise tätig wurde, die darauf schließen ließe, dass ihm die gesundheitliche Eignung für das Amt des Kommandanten fehlen würde. Der Kläger ist folglich gesundheitlich für das Amt des Kommandanten einer Feuerwehr geeignet.
36
2. Nach Art. 8 Abs. 4 Satz 2 BayFwG ist die Bestätigung auch dann zu versagen, wenn der gewählte Kommandant aus sonstigen wichtigen Gründen ungeeignet ist. Dies sind Gründe, die die sachgerechte Ausübung der Funktion des Kommandanten ausschließen. Der Kommandant soll Vorbild in jeder Hinsicht sein: Neben dem Fachwissen und der körperlichen Belastbarkeit sollen insbesondere Führungsqualitäten vorhanden sein wie integratives Wesen, Ausgeglichenheit, ein offenes Ohr für Sorgen und Nöte der Feuerwehrdienstleistenden, aber auch selbstbewusstes Auftreten und Durchsetzungsfähigkeit gegenüber öffentlichen Institutionen wie Gemeinde, Landratsamt, Polizei etc. (vgl. Schober, Das Bayerische Feuerwehrrecht in der Praxis, 3. Aufl. 2021, Ziffer 9.4). Problematisch wird insoweit auch gesehen, wenn der gewählte Kommandant wegen einer Pflichtenkollision regelmäßig nicht zur Ausübung des Kommandantenamtes in der Lage ist (vgl. Forster/Pemler/Remmele, BayFwG, Art. 8, Rn. 36f.).
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Dem Kläger fehlt nach der Überzeugung des Gerichts auch nicht diese Eignung aus sonstigen wichtigen Gründen.
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a) Der Kläger ist nicht als Kommandant ungeeignet, weil er eine übersteigerte Risikobereitschaft im Straßenverkehr oder bei feuerwehrlichen Einsätzen an den Tag legen würde.
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Insoweit hat der Zeuge …, der in den letzten sechs Jahren Kommandant und vorher stellvertretender Kommandant der Feuerwehr … war, auf Nachfrage des Gerichts angegeben, dass er dies nicht bestätigen könne, und zwar weder, dass der Kläger im Einsatzfall zu einem riskanten Verhalten neige, noch, dass ihm aufgefallen wäre, dass er Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr besonders riskant gefahren wäre. Dieser Zeugenaussage widersprechende, belastbare Angaben hat die Beklagte nicht vorbringen können.
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Auch aus der Tatsache, dass dem Kläger nun der Führerschein entzogen wurde, kann eine fehlende Eignung aus sonstigen Gründen nicht abgeleitet werden. Aus der vom Gericht beigezogenen Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft … ergibt sich vielmehr, dass es sich bei der Tat, die zum Führerscheinentzug führte, um einen Einzelfall handelte. Dass der Kläger bereits mehrfach einschlägig auffällig geworden wäre, hat das Amtsgericht … im Strafbefehl nicht festgestellt. Auch beklagtenseits wurde nicht vorgetragen, geschweige denn unter Beweis gestellt, dass es sich bei der zum Führerscheinentzug führenden Trunkenheitsfahrt um einen Wiederholungsfall oder um ein wiederholt vom Kläger gezeigtes Verhalten, das seine Eignung zur Übernahme eines derartigen Amtes im Hinblick auf die oben dargestellte Vorbildfunktion in Frage stellen würde, gehandelt hat. Vielmehr ereignete sich der Vorfall auf der Kirchweih in der Gemeinde. Auch wenn die Tatsache, dass der Kläger an diesem Tag in erheblich alkoholisierter Form mit einem E-Skooter unterwegs war, eine Straftat darstellt und auch als solche geahndet wurde, vermag es nicht, die Eignung zur Übernahme des Amtes des Kommandanten zu beseitigen. Denn die konkrete Tat weist nicht einen derart hohen Unrechtsgehalt auf, dass dadurch der gewählte Kommandant die Achtung seiner Kollegen verlöre und als Kommandant quasi untragbar würde. Derartiges könnte man allenfalls dann annehmen, wenn ein derartiges Verhalten wiederholt aufträte und der Kläger sich die einmalige Verurteilung nicht zum Anlass nehmen würde, ein derartiges Verhalten in Zukunft nicht mehr zu zeigen. Hierfür bestehen aber wie dargestellt keinerlei Anhaltspunkte.
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b) Es fehlt auch nicht deshalb die Eignung für das Amt des Kommandanten, da der Kläger zu einem unbeherrschten und aggressiven Verhalten neigen würde. Insoweit hat die Beklagte an belastbaren Ereignissen allein den Vorfall vom 21. Juli 2021 angeführt.
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Insoweit hat die durchgeführte Beweisaufnahme, konkret die Vernehmung der Zeugen …, … und … den von der Beklagten behaupteten Sachverhalt nicht eindeutig nachgewiesen. Alle Zeugen waren sich in wesentlichen Punkten der Sachverhaltsschilderung uneinig bzw. konnten maßgebliche Details nicht mehr aus der Erinnerung abrufen: So war bereits unklar, um was für ein Fahrzeug es sich gehandelt hat, das auf den Feuerwehrhof … fuhr. Ebenfalls widerstreitend waren die Angaben zwischen den Zeugen … auf der einen und … und … auf der anderen Seite, ob die Schulklasse zu diesem Zeitpunkt bereits den Feuerwehrhof verlassen hatte. Letztlich und vor allem maßgeblich ist jedoch, dass die Einschätzung des Verhaltens des Klägers zwischen dem Zeugen … auf der einen und den Zeugen … und auch … auf der anderen Seite divergierte. So gab die Zeugin … auf Nachfrage an, dass sie nicht sagen könne, dass eine Tätlichkeit zwischen dem Kläger und dem anderen Mann bevorgestanden hätte. Die Zeugin … gab an, dass der Kläger bei der Konfrontation mit dem anderen Mann nicht sauer geworden sei. Einzig der Zeuge … gab an, dass die beiden Männer fast „aufeinander los“ gegangen seien.
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Fest steht daher aus der Sicht des Gerichts allenfalls, dass an jenem Tag jemand auf den Feuerwehrhof gefahren ist, den der Kläger trotz fortgeschrittenen Alters als „junger Mann“ angesprochen hat und aufforderte, wieder vom Feuerwehrhof herunterzufahren. Eine gesteigerte Aggressivität oder sonstige unangemessene Sprache des Klägers konnte jedoch vom Gericht nicht festgestellt werden. Die Frage, ob das Verhalten dabei als aggressiv und unpassend anzusehen war, wurde von den Zeugen unterschiedlich bewertet. Dies könnte hier auch damit zu tun haben, dass der Zeuge … mit (im Zeitpunkt der Zeugenvernehmung) 66 Jahren ebenfalls schon älter ist und eine Anrede als „junger Mann“ daher möglicherweise auch für sich selbst als unpassend empfindet. Ein grob ungebührliches Verhalten, das geeignet wäre, die Eignung zur Übernahme des Amts des Kommandanten einer Feuerwehr in Frage zu stellen, konnte aber nicht festgestellt werden.
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Dessen ungeachtet ist ein derartiges, einmaliges Ereignis nach der Überzeugung des Gerichts nicht geeignet, die Eignung des gewählten Kommandanten im Sinne von Art. 8 Abs. 4 BayFwG in Frage zu stellen. Denn schließlich handelt es sich hier allein um einen Einzelfall, dessen Einzelheiten unterschiedlich geschildert werden und der jedenfalls nicht so gravierend ist, dass er von vornherein Rückschlüsse auf eine fehlende Eignung des Klägers erlauben würde.
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c) Die mündliche Verhandlung hat zudem ergeben, dass die Eignung des Klägers für das Amt des Feuerwehrkommandanten der Feuerwehr … auch nicht aus dem Grunde ausgeschlossen ist, dass er als Disponent bei der Integrierten Leitstelle … während seiner Dienstzeit nicht in der Lage wäre, einen Einsatz der Feuerwehr im Gemeindegebiet zu leiten (vgl. hierzu: Forster/Pemler/Remmele, BayFwG, Art. 8 Rn. 35 bis 36). Denn einerseits zeigt sich bereits aus der von der Beklagten mit Schriftsatz vom 23. März 2023 genannten Häufigkeit von Einsätzen, dass die Feuerwehr … – auch auf Grund der Größe des Gemeindegebietes – mit ca. 23 Einsätzen jährlich über nicht sehr viele Einsätze im Jahr verfügt. Daneben ist hier zu berücksichtigen, dass auf Grund des vorliegenden Rechtsstreits derzeit der Posten des Kommandanten der Feuerwehr vakant ist. Nachdem ein weiterer stellvertretender Kommandant nach Art. 8 Abs. 5 BayFwG in … nicht vorhanden ist, verfügt die Feuerwehr derzeit allein über den stellvertretenden Kommandanten. Dieser ist nach dem erwähnten Schriftsatz vom 23. März 2023 zugleich aktiver Feuerwehrdienstleistender in der Werksfeuerwehr von … in … und daher bei einem dortigen Einsatz für die Feuerwehr … unabkömmlich. Dennoch war die Situation für die Beklagte seit der Wahl (und Nicht-Bestätigung) des Klägers offenbar nicht so problematisch, dass ein weiterer stellvertretender Kommandant benannt wurde. Dementsprechend kann auch dem Kläger seine berufsbedingte Nichtverfügbarkeit während seiner Dienstzeit in der ILS nicht vorgehalten werden.
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Hinzu kommt, dass nach den übereinstimmenden Bekundungen der Beteiligten in der mündlichen Verhandlung eine Zweckvereinbarung mit der Stadt … besteht, wonach in der Zeit zwischen 6:00 Uhr und 18:00 Uhr ein Fahrzeug der ständigen Wache in … für Einsätze im Gemeindegebiet der Beklagten bereitsteht. Die Gefahr, dass bei einem Einsatz im Gemeindegebiet kein Einsatzleiter zur Verfügung stünde, besteht daher auch im Falle der Bestätigung des Klägers als Kommandant schon aus diesem Grunde nicht.
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Nachdem also keine Gründe vorliegen, die die fehlende Eignung des Klägers für das Amt des Kommandanten der Feuerwehr … begründen würden, ist die Beklagte verpflichtet, diesen nach Art. 8 Abs. 4 Satz 1 BayFwG zu bestätigen. Ein wie auch immer geartetes Ermessen der Gemeinde besteht nicht. Die Gemeinde kann sich den Feuerwehrkommandanten nicht aussuchen. Sie ist an die Wahl der Feuerwehrdienstleistenden nach Art. 8 Abs. 2 BayFwG gebunden. Nur bei einer fehlenden Eignung im Sinne von Art. 8 Abs. 4 Satz 2 BayFwG kann sie als Korrektiv die Bestätigung verweigern. Dafür, dass der gewählte Kommandant aber ausnahmsweise nicht geeignet ist, hat die Gemeinde die Darlegungs- und Beweislast. Dieser konnte sie im vorliegenden Fall aber nicht nachkommen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.