Titel:
Weitergeltung einer befristeten glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle
Normenketten:
AEUV Art. 49, Art. 56
GG Art. 3, Art. 12, Art. 14
GlüStV 2021 § 4, § 9 Abs. 4 S. 2, § 21a
BayAGGlüStV Art. 7 Abs. 2 Nr. 4, Art. 15 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2
VwGO § 123
Leitsätze:
1. Im Falle einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis ist entscheidend für die Frage der materiellen Teilbarkeit von Verwaltungsakt und Nebenbestimmung – wie eine Befristung –, ob die Rechtsordnung eine glücksspielrechtliche Erlaubnis auch ohne Befristungsregelung kennt, und nicht, ob eine solche im Übrigen rechtmäßig ist oder ein Anspruch auf die Erlaubnis besteht. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Das Abstandsgebot in Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 BayAGGlüStV stellt einen zulässigen und verhältnismäßigen Eingriff in die in Art. 49 und Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) garantierte Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit dar und genügt insbesondere dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot. (Rn. 31 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
3. An der Verfassungsmäßigkeit der Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 BayAGGlüStV bestehen im Hinblick auf Art. 12 GG, Art. 14 GG und Art. 3 GG keine durchgreifenden Bedenken. (Rn. 41 – 44) (redaktioneller Leitsatz)
4. Art. 16 Abs. 2 BayAGGlüStV regelt nicht lediglich den zeitlichen Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 2 BayAGGlüStV in dem Sinne, dass sich die Vorschrift überhaupt nicht zur Dauer einer nach § 9 Abs. 4 S. 2 GlüStV 2021 zu befristenden Erlaubnis verhält, sondern ist für die Frage der Befristungsdauer „ermessenslenkend“ dahingehend, dass die Geltung der Erlaubnis bei Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 BayAGGlüStV nicht über den 31.12.2022 hinaus erstreckt werden kann. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
5. Die Anwendung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 BayAGGlüStV mit Ablauf des 31.12.2022, dh die Befristung einer Erlaubnis bis zu diesem Zeitpunkt, stellt sich auch im Hinblick auf eine mögliche Beeinträchtigung eines Sportwettvermittlers in seinen Rechten aus Art. 12 und Art. 14 GG als rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig dar. (Rn. 51 – 52) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vorläufiger Rechtsschutz, Glücksspielrecht, Mindestabstand von einer Wettvermittlungsstelle zu Schulen, Einrichtungen für Kinder und Jugendliche sowie zur Suchtberatung, Ausnahme, Befristung bis zum 31. Dezember 2022, glücksspielrechtliche Erlaubnis, Befristung, Nebenbestimmung, Teilbarkeit, Weitergeltung, Duldung, Wettvermittlungsstelle, Abstandsgebot, Kohärenzgebot, Verhältnismäßigkeit
Fundstelle:
BeckRS 2023, 118
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.500,00 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin begehrt die einstweilige Weitergeltung einer befristeten glücksspielrechtlichen Erlaubnis für den Betrieb einer Wettvermittlungsstelle über den Zeitpunkt der Befristung hinaus.
2
Die Antragstellerin ist Sportwettvermittlerin. Sie ist die Betreiberin der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle in der K. … …, … W. … Der Veranstalter … … … hat mit Schreiben 10. Dezember 2020 für die Antragstellerin die Erteilung einer Erlaubnis zum Betrieb einer Wettvermittlungsstelle beantragt. Vorgelegt wurden mit dem Antrag u.a. der Wettvermittlungsvertrag der Antragstellerin mit dem Veranstalter, der Konzessionsbescheid, das Sozialkonzept, das Führungszeugnis, eine Auskunft aus dem Schuldnerverzeichnis, eine vom Finanzamt erstellte Bescheinigung bezüglich der steuerlichen Unbedenklichkeit sowie ein Gewerbezentralregisterauszug. Mit E-Mail vom 30. September 2021 wies die Regierung von U. den Bevollmächtigten der … … … darauf hin, dass einer über den 31. Dezember 2022 hinausgehenden Erlaubniserteilung ein Konflikt mit Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen sowie einer Suchtberatungsstelle im Sinne von Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV entgegenstünde. Der Bevollmächtigte nahm mit Schreiben vom 8. Dezember 2021 hierzu Stellung.
3
Mit Bescheid vom 8. Juni 2022 erlaubte die Regierung von U. der Antragstellerin (Erlaubnisinhaberin), in der Wettvermittlungsstelle K. … …, … W. …, Sportwetten an den mit Konzession des Regierungspräsidiums D. vom 9. Oktober 2020 (Gz. RPDA - Dez. III 34 - 73 c 38.01/6 - 2019/4) erlaubten Veranstalter … … … im dort erlaubten Umfang zu vermitteln (Ziffer 1). Diese Erlaubnis wurde widerruflich erteilt (Ziffer 2). In Ziffer 3 des Bescheids ist geregelt, dass die Erlaubnis bis zum 31. Dezember 2022 gilt und die Erlaubnis mit Beendigung des Wettvermittlungsvertrags oder mit dem Verlust der Konzession des Veranstalters erlischt. Ziffer 4 des Bescheids enthält weitere Nebenbestimmungen.
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Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, dass die Erlaubnis befristet mit Nebenbestimmungen habe erteilt werden können. Gemäß § 9 Abs. 4 S. 2 GlüStV 2021 sei eine Erlaubnis widerruflich zu erteilen und zu befristen. Im vorliegenden Fall stehe der Erlaubniserteilung Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV entgegen. Danach sei der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle im Hauptgeschäft unzulässig und die Erlaubnis hierfür unbeschadet Art. 2 Abs. 1 AGGlüStV auch zu versagen, wenn Sportwetten vermittelt würden ohne einen Mindestabstand von 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richteten, sowie Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen, wobei die zuständige Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen könne. Innerhalb des 250 m-Radius um die Wettvermittlungsstelle befänden sich das R. …-Gymnasium (Re. … … …, … W. …; ca. 190 m), das S. …-Gymnasium (Re. … … …, … W. …; ca. 240 m) und die J. …-Schule-W. … (. … …, … W. …; ca. 215 m). Ferner sei innerhalb des gesetzlich vorgesehenen Radius das Haus St. … (B. … P. …, … W. …; ca. 48 m) angesiedelt, das neben einem Jugendwohnheim auch eine heilpädagogische Wohngruppe u.a. für unbegleitete Flüchtlinge beherberge, sowie die W. … Fachambulanz für Abhängigkeitskranke (N. …, … W. …; ca. 130 m). Der erforderliche Mindestabstand von Konfliktfällen im Sinne des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV von 250 m Luftlinie sei somit nicht eingehalten. Bei den o.a. Konfliktfällen handele es sich um Einrichtungen, die unausweichlich und mit gezielter Regelmäßigkeit von Kindern und Jugendlichen sowie Suchtkranken besucht würden. Speziell sei die besondere Gefährdungslage für die Bewohner des Hauses St. … zu nennen, bei denen es sich vorwiegend um Kinder bzw. Jugendliche handele, die i.S.d. Sozialgesetzbuches VIII (Kinder- und Jugendhilfe) hilfsbedürftig seien. Im gleichen Maße verhalte es sich mit der W. Fachambulanz für Abhängigkeitskranke. Dabei handele es sich ohne Zweifel um eine Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstelle i.S.d. Art. 7 Abs. 2 Nr. 4, 3. Fall AGGlüStV. Der Wortlaut sei diesbezüglich bewusst weit gefasst, um auch einer Mehrfachabhängigkeit gerecht zu werden. Da Drogen- und Alkoholsucht nicht selten auch mit Spielsucht einhergingen, gebe es keinen Anlass zu einer engen Auslegung der Begrifflichkeiten und der Norm. Es entspreche gerade dem Schutzzweck des Gesetzes zu verhindern, dass Suchtkranke in unmittelbarer Nähe ihrer Beratungs- und Therapieeinrichtung mit Glücksspielangeboten konfrontiert würden. Eine Ausnahme von dieser Mindestabstandsregelung erteile die Regierung von U. bei pflichtgemäßer Ermessensausübung nicht. Der Weg zwischen der Wettvermittlungsstelle und den mit ihr nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV in Konflikt stehenden Örtlichkeiten sei ohne größere Schwierigkeiten zu bewältigen. Ferner seien auf der Verbindungsstrecke keine natürlichen Geländehindernisse oder andere Sonderverhältnisse gegeben, die eine andere Sichtweise erforderten als die pauschalisierende Bemessung des Abstands mittels Luftlinie. Dies betreffe vor allem das Haus St. …, dessen Gebäudekomplex (inklusive Eingangsbereich und Nebengebäude) sich in direkter Nähe der Wettvermittlungsstelle befinde. Auch sei angemerkt, dass die Wettvermittlungsstelle unmittelbar zwischen dem Bahnhof und den beiden o.g. Gymnasien liege und somit direkt am hochfrequentierten Schulweg zwischen einem der W. … Hauptverkehrsknotenpunkte und den Schulinstituten angesiedelt sei. Darüber hinaus werde erwähnt, dass das S. …-Gymnasium in der Wa. … …, … W. …, eine Außenstelle mit sechs dauerhaft genutzten Klassenzimmern unterhalte. Hier herrsche zwischen Außenstelle und dem Hauptgebäude ein reger Schülerverkehr, dessen kürzeste Verbindung in unmittelbarer Nähe an der Wettvermittlungsstelle vorbeiführe. Ein atypischer Einzelfall im Sinne besonderer örtlicher Verhältnisse, der ausnahmsweise zu einer anderen Beurteilung führen könnte, liege daher nicht vor. Aus diesem Grund müsse hier das Interesse des Wettvermittlers hinter dem allgemeinen Interesse am Schutz von Kindern, Jugendlichen und Suchtkranken vor den Gefahren des Glücksspiels zurückstehen. Die Regierung habe überdies die Regelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV uneingeschränkt anzuwenden. Ihr stehe als Verwaltungsbehörde keine Normverwerfungskompetenz zu. Des Weiteren habe weder das Bundesverfassungsgericht noch der Bayerische Verfassungsgerichtshof die Rechtswidrigkeit der Normen festgestellt, noch habe ein nationales Gericht einen Anwendungsvorrang der Dienstleistungs- bzw. Niederlassungsfreiheit bezüglich dieser Regelungen angenommen. Eine Verfassungs- bzw. Unionsrechtswidrigkeit liege auch nicht offensichtlich auf der Hand. Die Regelungen seien vielmehr verfassungs- und unionsrechtsmäßig. Insbesondere genügten sie dem Gebot der Normenklarheit und der Transparenz. Der Feststellung eines Versagungsgrundes nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV stehe auch kein Bestandsschutz der Wettvermittlungsstelle entgegen. Der Bestandsschutz ergebe sich nicht einfachgesetzlich, da Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV i.V.m. Art. 15 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV aufgrund der Duldung vom 12. Juni 2020 keinen Bestandsschutz über den 31. Dezember 2022 hinaus vorsehe. Auch aus dem zeitweisen unionsrechtswidrigen Fehlen eines transparenten Erlaubnisverfahrens lasse sich nicht folgern, dass jede vor dessen Einführung ausgeführte Vermittlungstätigkeit dauerhaften Bestandsschutz genießen müsste. Des Weiteren rechtfertige auch das Vorbringen des Bevollmächtigten bezüglich des Erfordernisses einer Berücksichtigung wirtschaftlicher Interessen der Antragstellerin keine abweichende Beurteilung. Gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 a.E. AGGlüStV könne die Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen. Als Lage des Einzelfalls sei insoweit bereits nach einer allgemeinen Wortbedeutung die Örtlichkeit zu verstehen, an der die Wettvermittlungsstelle in Bezug auf ihre Umgebung liege. Lediglich im Rahmen der befristeten Übergangsregelung des Art. 15 Abs. 2, Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV berücksichtige der Gesetzgeber ergänzend wirtschaftliche Interessen von bestehenden und geduldeten Wettvermittlungsstellen. Aufgrund der Übergangsregelung des Art. 15 Abs. 2 i.V.m. Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV könne die Erlaubnis aber befristet bis zum 31. Dezember 2022 erteilt werden. Die Länge der Frist richte sich nach Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV, wonach die Übergangsregelung mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft trete.
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Gegen den Erlaubnisbescheid der Regierung von U. vom 8. Juni 2022 ließ die Antragstellerin am 30. Juni 2022 Klage erheben (Az. W 5 K 22.1102), über die noch nicht entschieden ist.
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Mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2022, eingegangen bei Gericht am gleichen Tag, ließ die Antragstellerin beantragen,
- 1.
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das Gericht möge einstweilig anordnen, dass die Erlaubnis über den in Ziffer 3. S. 1 des Erlaubnisbescheids der Regierung von U. vom 8. Juni 2022, Az.: 10-....1-12-2, genannten Zeitraum (31. Dezember 2022) hinaus bis zur Entscheidung des Gerichts in diesem Eilverfahren vorübergehend weiter gilt und der Kläger und Antragsteller bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die Wettvermittlungsstelle K. … … öffnen darf („Hängebeschluss“),
- 2.
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das Gericht möge einstweilig anordnen, dass die Erlaubnis über den in Ziffer 3. Satz 1 des Erlaubnisbescheids der Regierung von U. vom 8. Juni 2022, Az.: 10-....1-12-2, genannten Zeitraum (31. Dezember 2022) hinaus bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache vorübergehend weiter gilt und der Kläger und Antragsteller bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die Wettvermittlungsstelle K. … … öffnen darf.
- 3.
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hilfsweise: nach § 80 Abs. 5 VwGO analog festzustellen, dass die Klage aufschiebende Wirkung hat und die Erlaubnis über den in Ziffer 3. Satz 1 des Erlaubnisbescheids der Regierung von U. vom 8. Juni 2022, Az.: 10-....1-12-2, genannten Zeitraum (31. Dezember 2022) hinaus bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache vorübergehend weiter gilt (Suspensiveffekt) und der Kläger und Antragsteller bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen die Wettvermittlungsstelle K. … … öffnen darf.
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Zur Begründung ließ die Antragstellerin im Wesentlichen Folgendes vortragen: Die Regierung von U. habe mit Schreiben vom 27. Dezember 2022 mitgeteilt, dass sie als Erlaubnisbehörde nicht davon ausgehe, dass die Klage aufschiebende Wirkung habe, da eine isolierte Anfechtung nicht statthaft sei. Durch diese Aussage bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis sowohl für den Eilantrag auf einstweilige Anordnung als auch für die Zwischenentscheidung. Der Antragstellerin drohten in ihrem ausgeübten und eingerichteten Gewerbebetrieb die Umsätze ab dem 2. Januar 2023 für die - in W. besonders umsatzstarke - Wettvermittlungsstelle K. … … auszufallen. Die ausgefallenen Umsätze aus der Wettvermittlungsstelle könnten aller Lebenserfahrung nach nicht nachgeholt werden. Aus den Umsätzen würden die laufenden Kosten bestritten. Diese fielen während des laufenden Klageverfahrens weiter an; insbesondere könne das geschulte Personal nicht entlassen werden, weil es sich sonst auf dem Arbeitsmarkt anders orientiere und dann nicht mehr zur Verfügung stünde. Darüber hinaus bestehe für das gesamte Gebiet des Stadtzentrums von W. (Altstadt, F., S.) derzeit kein legales Wettangebot im Sinne von § 1 Nr. 2 GlüStV 2021, also kein begrenztes, eine geeignete Alternative zum nicht erlaubten Glücksspiel darstellendes Glücksspielangebot, das geeignet sei, den natürlichen Spieltrieb der Bevölkerung in geordnete und überwachte Bahnen zu lenken sowie der Entwicklung und Ausbreitung von Glücksspielen in Schwarzmärkten entgegenzuwirken. Es gebe ab dem 1. Januar 2023 keine einzige legale geöffnete Wettvermittlungsstelle. Das sei nicht nur mit § 1 Nr. 2 GlüStV 2021 nicht vereinbar, sondern führe auch dazu, dass die weiteren Ziele in § 1 Nrn. 1, 3, 4 und 5 GlüStV 2021 konterkariert würden. Durch den Wegfall von sämtlichen legalen Angeboten werde nach aller Lebenserfahrung eine Teilnahme der Spieler am Schwarzmarkt erfolgen. Nachdem die Antragstellerin für ihre Wettvermittlungsstelle in der Fr. … … die Klage zurückgenommen habe und für die Wettvermittlungsstelle in der Sa. … keinen Eilantrag stellen werde, sei damit zu rechnen, dass allein für die drei bisherigen Innenstadt-Standorte der Antragstellerin erheblicher Wettbewerb vorhanden sei, der nur durch den Weiterbetrieb der Wettvermittlungsstelle K. … … bedient werden könne.
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Im Übrigen führte der Bevollmächtigte der Antragstellerin aus, dass der Klage in der Hauptsache stattzugeben sei, weil die Erlaubnis unbefristet bzw. mit einer längeren Bewilligungsdauer hätte erteilt werden müssen und der Antragsgegner die Erlaubnis rechtswidrig nur bis zum 31. Dezember 2022 erteilt habe. In tatsächlicher Hinsicht sei festzustellen, dass praktisch keine Schulkinder an der K. … … vorbeigingen. Die Stadt W. sei zu einer Ausnahme bisher nicht angehört worden. Im Stadtkern von W. gebe es keine Wettvermittlungsstelle mehr. Die Wettvermittlungsstelle K. … … sei seit 2018 stets ohne Vorkommnisse geführt worden. Eine Baugenehmigung sei am 13. Oktober 2020 erteilt worden.
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Rechtlich stelle sich die Anwendung der Mindestabstandsregelung für Altstandorte, d.h. für Wettvermittlungsstellen, die formell legal betrieben worden seien, bevor die Regelung in Kraft getreten sei, als offensichtlich unionsrechtswidrig dar. Denn der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle hätte zum Zeitpunkt der Betriebsaufnahme, zu denen keine Mindestabstände einzuhalten gewesen seien, eine Sportwettvermittlungserlaubnis erteilt werden können und wohl auch müssen, wenn der Antragsgegner hiervon nicht unionsrechtswidrig abgesehen hätte. Die Betriebsaufnahme sei vor Inkrafttreten der vom Antragsgegner in Bezug genommenen Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV erfolgt. Zu einer Erlaubniserteilung mit entsprechend langer Laufzeit habe es vor Einführung der Mindestabstände nur deshalb nicht kommen können, weil zum damaligen Zeitpunkt und auch darüber hinaus bis Oktober 2020 wegen der rechtswidrigen Ausgestaltung des Konzessionsverfahrens keine Konzession an Sportwettveranstalter habe erteilt werden können. Die Wirkungen des rechtswidrigen Konzessionsverfahrens würden also perpetuiert, wenn man nun einem Standort, von dem aus formell legal Sportwetten vermittelt worden seien, erst nachträglich in das Gesetz aufgenommene Abstandsvorgaben im Wege einer knappen Befristung entgegenhalten würde. Ferner sei die Vorschrift des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV europa- und verfassungsrechtswidrig. Die Frage der Unionsrechtswidrigkeit der Mindestabstandsregelungen zu Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen sowie zu Suchtberatungsstellen im Sportwettbereich sei völlig offen. Sie hätten bisher nur die wissenschaftliche Diskussion erreicht. Ebenso wenig werde die Frage durch die klare Rechtsprechung im Spielhallenbereich irgendwie präjudiziert. Zum einen komme Sportwetten eine geringere Gefährlichkeit zu. Zum anderen seien Sportwetten außerhalb von Wettvermittlungsstellen durch Lottoannahmestellen, mobil auf dem Handy und im Internet legal omnipräsent. Sie seien faktisch auch viel weiter verbreitet. Kinder und Jugendliche seien derartigen Angeboten daher ohnehin ausgesetzt. Die Regelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV stelle im Vergleich zur Praxis der übrigen Landesausführungsgesetzgebung eine Ausnahmeerscheinung dar. Der unionsrechtlich erforderliche Gefahrennachweis könne nicht geführt werden. Er sei aber anerkanntermaßen Voraussetzung für Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit. Darüber hinaus sei Inkohärenz gegeben. Das Mindestabstandserfordernis verkenne vollständig die regulatorischen Rahmenbedingungen des AGGlüStV und des GlüStV 2021 zum einen im Hinblick auf den Internetvertrieb als gefährlichere Betriebsform. Zudem sehe das Ausführungsgesetz keine Mindestabstandsgebote zu Kinder- und Jugendhilfeeinrichtungen für Spielhallen oder Annahmestellen vor. Aus suchtpräventiver Sicht sei besonders die Ungleichbehandlung zwischen Wettvermittlungsstellen und Spielhallen frappierend. Die Abstandsregelung sei darüber hinaus nicht geeignet zur Erreichung ihrer Zielsetzung. Sie sei auch unverhältnismäßig, weil sie nicht erforderlich sei; als milderes Mittel wären qualitative Anforderungen an das Angebot oder die Auswahl der Anbieter möglich gewesen.
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Die Erlaubniserteilung mit längerer Geltungsdauer sei nach der Neufassung des Ausführungsgesetzes zum Glücksspielstaatsvertrag möglich und geboten. Denn nach der Regelung des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV finde Art. 7 Abs. 2 AGGlüStV für Wettvermittlungsstellen, für die - wie hier - am 16. Juni 2020 ein Duldungsbescheid bestanden habe, der bis zum 10. Dezember 2019 beantragt worden sei, keine Anwendung. Die Befristung der Erlaubnis lasse sich auch nicht durch einen Verweis auf Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV in Verbindung mit Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV rechtfertigen. Diese Vorschriften träfen keine Aussage darüber, für welchen Zeitraum eine Erlaubnis erteilt werden könne. Die Regelung des Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV wirke in der Frage der Befristungsdauer nicht ermessenslenkend. Sie regele lediglich den zeitlichen Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV. Schließlich sei die kurze Befristung auch unangemessen, also unverhältnismäßig im engeren Sinne. Jedenfalls habe eine Abweichung von den Mindestabstandsvorgaben des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV nahegelegen. Der Bescheid erweise sich daher als ermessensfehlerhaft. Der Antragsgegner hätte sich vertieft mit der Frage gleich geeigneter, aber milderer Mittel beschäftigen müssen, beispielsweise durch Anpassungen bei der Ausgestaltung oder der Öffnungszeiten. Schließlich lasse der Antragsgegner bei seiner Prüfung den Umstand unberücksichtigt, dass die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle bereits vor Inkrafttreten der in Rede stehenden Mindestabstandsregelung bestanden habe und insoweit Bestands- und Vertrauensschutz genieße.
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Die Regierung von U. beantragte für den Antragsgegner,
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgebracht: Für den unter Ziffer 1 des Antrags beantragten Hängebeschluss dürfte es unter Berücksichtigung des Schreibens der Regierung von U. vom 30. Dezember 2022 an das Verwaltungsgericht, in dem zugesichert werde, dass der Antragsgegner bis zur Entscheidung des vorläufigen Rechtsschutzes den Betrieb der Wettvermittlungsstelle dulde und von Vollstreckungsmaßnahmen absehe, bereits am Rechtsschutzbedürfnis fehlen. Im Übrigen fehle es jedenfalls an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Zu den Ausführungen der Antragstellerin zur Begründung des Eilantrags sei anzumerken, dass die glücksspielrechtliche Erlaubnis gemäß § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 zwingend zu befristen sei, da diese ohne Befristung nicht in rechtmäßiger Weise bestehen bleiben könne. Eine Befristung über den 31. Dezember 2022 hinaus widerspreche zudem den gesetzlichen Regelungen des Art. 15 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV . Die Berücksichtigung der vom Bevollmächtigten der Antragstellerin geltend gemachten wirtschaftlichen Interessen führe zu keinem anderen Ergebnis. Diese Interessen stünden dem höher zu gewichtenden Rechtsgut der Zielsetzung des Glücksspielstaatsvertrages 2021 gegenüber, sprich der Abwendung wesentlicher Nachteile für Kinder, Jugendliche und suchtkranke Menschen. Im Übrigen sei zu den Ausführungen der Antragstellerseite dahingehend Stellung zu nehmen, dass nicht die Nichterteilung einer Erlaubnis (unions-)rechtswidrig gewesen sei, sondern die Faktizität eines grundsätzlich überhaupt nicht vorgesehenen (diskriminierungsfreien und transparenten) gesetzlichen Verfahrens zur Beantragung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis. Aus dem unionsrechtswidrigen Fehlen eines transparenten Erlaubnisverfahrens lasse sich aber nicht ableiten, dass jede vor dessen Einführung ausgeführte Vermittlungstätigkeit dauerhaften Bestandsschutz genießen müsse. Der EuGH habe insoweit entschieden, dass ein (faktisches) staatliches Monopol wie das zu dieser Zeit in Deutschland bestehende gegen Art. 56 AEUV verstoße. Trotzdem habe aber noch kein den unionsrechtlichen Anforderungen genügendes Verfahren zur Erteilung einer Vermittlungserlaubnis zur Verfügung gestanden. Da das Konzessionsverfahren für Veranstalter nicht beendet worden sei, hätten letztlich auch keine rechtlichen Erlaubnisse für die Vermittler erteilt werden können. Der Betrieb von entsprechenden Einrichtungen sei deshalb unter Berücksichtigung des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts lediglich geduldet gewesen. Diese bloße Duldung lasse sich aber mit einer, eine Legalisierungswirkung entfaltenden behördlichen Genehmigung nicht gleichsetzen, sodass Inhaber von Wettvermittlungsstellen nicht von vornherein auf einen längerfristigen oder sogar zeitlich unbefristeten Betrieb vertrauen durften und konnten. Des Weiteren könne der Antragstellerin nicht gefolgt werden, soweit sie die Ansicht zum Ausdruck bringe, dass das hypothetische rechtmäßige Verhalten des Freistaats Bayern die Zurverfügungstellung eines gänzlich voraussetzungslosen Genehmigungsverfahrens gewesen wäre und die Antragstellerin daher bereits eine längerfristige Genehmigung hätte erhalten müssen. Darüber hinaus seien die Regelungen verfassungs- und unionsrechtsmäßig. Insbesondere genügten sie dem Gebot der Normenklarheit und Transparenz. Die mit den Regelungen verbundenen Eingriffe in die Grundrechte bzw. Grundfreiheiten seien durch Gründe des Allgemeinwohls, hier der Suchtprävention im Sinne des § 1 Satz 1 Nr. 1 GlüStV 2021 und Art. 1 Abs. 1 AGGlüStV , gedeckt. Schutzwürdiges Vertrauen der Antragstellerin stehe dem nicht entgegen. Die Regelungen und der Normvollzug verstießen auch nicht gegen den Grundsatz der Kohärenz. Der Rechtsauffassung der Antragstellerin bezüglich der Rechtswidrigkeit der Befristung der Vermittlungserlaubnis bis zum 31. Dezember 2022 könne nicht gefolgt werden. Nach § 4c Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 könne in begründeten Fällen eine Erteilung der Erlaubnis für eine kürzere Dauer als fünf Jahre festgelegt werden. Ein derartiger Fall sei vorliegend gegeben. Die Befristung entspreche Sinn und Zweck von Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Art. 15 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV sowie § 1 GlüStV 2021 . Eine Einschränkung der zulässigen Ermessensgesichtspunkte, wie sie die Antragstellerin vorschlage, habe der Gesetzgeber in § 1 Satz 1 GlüStV 2021 gerade nicht vorgenommen. Des Weiteren erschließe sich im Ergebnis nicht, weshalb Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV für die Frage der Befristung keine Maßgeblichkeit haben solle. Dass die Vorschrift die Entscheidung der Behörde nicht dahingehend binde, den Stichtag des Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV berücksichtigen zu müssen, bedeute im Umkehrschluss nicht, dass sie diesen nicht im Rahmen ihres pflichtgemäßen Ermessens berücksichtigen dürfe. Richtigerweise sei das von Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV vorgesehene Auslaufen der Übergangsregelung des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV ein Gesichtspunkt, der für die Dauer der Befristung berücksichtigungsfähig sei. Art. 15 Abs. 2 und Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV böten dem Vermittler zwar einen vorübergehenden Bestandsschutz, damit die bisherige Duldung bis zum 31. Dezember 2022 nicht durch die neuen Anforderungen des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV berührt werde. Der Gesetzgeber hebe in der Gesetzesbegründung aber unmissverständlich hervor, dass Vertrauensschutz in den Fortbestand der Duldung insoweit zwingend nur bis zum 31. Dezember 2022 bestehe. Dies werde durch den Umstand untermauert, dass sich die bayerische Gesetzesbegründung hierbei an der Regelung des § 29 Abs. 3 GlüStV 2021 orientiere, in der die Geltungsdauer der Veranstalterkonzessionen ebenfalls bis zum 31. Dezember 2022 verlängert worden sei. Es müsse weitergehend konstatiert werden, dass die Erlaubnisbehörde mit einer über den 31. Dezember 2022 hinausgehenden Befristungsdauer sehenden Auges die Rechtswidrigkeit des Dauerverwaltungsaktes „Vermittlungserlaubnis“ nach Ablauf des 31. Dezember 2022 verursachen würde. Es wäre gerade ermessensfehlerhaft, würde die Behörde eine Erlaubnis erlassen, die während ihrer Laufzeit rechtswidrig werde. Die Entscheidung der Erlaubnisbehörde, die von der Erteilung einer Ausnahme abgesehen habe, sei auch nicht ermessensfehlerhaft. Die Antragstellerin verkenne, dass die Voraussetzung einer in Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 a.E. AGGlüStV normierten und im Ermessen der Behörde stehenden Ausnahme (vom Mindestabstandsgebot) von den Verhältnissen im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage der im Einzelfall betroffenen Wettvermittlungsstelle abhängig sei. Die Erteilung einer Ausnahme erfordere also einen atypischen Sachverhalt. Es seien demnach namentlich besondere topographische Verhältnisse im Umfeld des Standorts zu benennen, durch welche ein Verstoß gegen das Abstandsgebot maßgeblich relativiert werde. Da solche Verhältnisse an dem in Frage stehenden Standort nicht ersichtlich seien, sei der Ausnahmetatbestand nicht erfüllt und folglich auch keine abweichende Erlaubniserteilung möglich. Der Gesetzgeber habe für eine Ausnahme vom Mindestabstandsgebot nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV kein milderes Mittel als die bereits erwähnten „besonderen topographischen Verhältnisse“ vorgesehen. Die vom Antragstellerbevollmächtigten genannten milderen Mitteln erschienen auch nur eingeschränkt geeignet, um die präventiven Ziele des § 1 GlüStV 2021 zu erreichen. Durch ihren starken Bezug zum Sport und dessen Akteuren böten Sportwetten die Gefahr, dass Kinder und Jugendliche schon früh an Sportwetten und die Markennamen verschiedener Wettveranstalter herangeführt würden und die Sportwette als Gut des täglichen Lebens wahrgenommen werde. Selbst durch eine neutrale Außengestaltung und die Anpassung der Betriebsöffnungszeiten bestünde diese Gefahr des Gewöhnungs- und Gefährdungseffektes in leicht abgemilderter Form weiterhin fort.
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Zu der unter Ziffer 3 des Antrages hilfsweise gemäß § 80 Abs. 5 VwGO analog beantragten Feststellung, dass die Klage aufschiebende Wirkung entfalte und somit die Erlaubnis bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Hauptsache wirksam bleibe, sei anzuführen, dass ein solcher Rechtsbehelf im Grunde statthaft sei, wenn eine Anfechtungsklage in der Hauptsache vorläge. Dies sei vorliegend nicht der Fall. Die unter dem 30. Juni 2022 erhobene Klage beinhalte keinen Antrag bzw. keine dahingehende Ankündigung. Unter Berücksichtigung der mit Schriftsatz vom 30. Dezember 2022 angekündigten Anträge sei vorliegend von einer Verpflichtungsklage auszugehen, sodass vorläufiger Rechtsschutz allein im Wege einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO möglich sei. Unabhängig davon sei eine isolierte Anfechtungsklage allein gegen die Befristung nicht statthaft, weil eine glücksspielrechtliche Erlaubnis nach § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 zwingend zu befristen sei und diese ohne Befristung nicht in rechtmäßiger Weise bestehen bleiben könne. Auch die beiden im März und Oktober 2022 ergangenen Beschlüsse des 4. und 8. Senats des Bundesverwaltungsgerichts stünden dieser Auffassung nicht entgegen.
14
Mit Schreiben vom 30. Dezember 2022 an das Verwaltungsgericht, welches dem Bevollmächtigten der Antragstellerin am gleichen Tag übermittelt wurde, sicherte die Regierung von U. für den Antragsgegner zu, dass der Betrieb der Wettvermittlungsstelle bis zur Entscheidung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes geduldet werde und von Vollstreckungsmaßnahmen abgesehen werde.
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Im Hinblick auf den weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakten (vgl. auch W 5 K 22.1102) sowie die Behördenakte Bezug genommen.
16
Der (Haupt-)Antrag (vgl. Ziffer 2) der Antragsschrift vom 30. Dezember 2022 ist als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 VwGO zulässig, jedoch unbegründet.
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Die Antragstellerin begehrt im vorliegenden Verfahren die gerichtliche Anordnung der Fortgeltung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis vom 8. Juni 2022 über den 31. Dezember 2022 hinaus bis zur Entscheidung des Gerichts in der Hauptsache. Bei einer sachgerechten Auslegung dieses Rechtsschutzbegehrens begehrt die Antragstellerin die vorläufige Duldung des Weiterbetriebs der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle.
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Nach §§ 122 Abs. 1 i.V.m. 88 VwGO darf das Gericht über das Antragsbegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Das Gericht hat bei der Auslegung des gesamten Parteivorbringens das zum Ausdruck kommende Rechtsschutzziel zu ermitteln. Im vorliegenden Fall geht es der Antragstellerin ersichtlich darum, die Wettvermittlungsstelle K. … … in W. … über den 31. Dezember 2022 hinaus legal betreiben zu können. Es bedarf dazu - unabhängig von der Frage, ob die Anordnung einer zeitlich nicht konkret befristeten Erlaubnis zulässig bzw. möglich ist - nicht der Verlängerung des Geltungszeitraums der Erlaubnis. Dem Rechtsschutzziel der Antragstellerin wird vielmehr schon dadurch genügt, dass der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet wird, den Weiterbetrieb der Wettvermittlungsstelle vorläufig zu dulden. Nach Ansicht der Kammer ist einer nach verwaltungsrechtlichen Maßstäben rechtmäßigen aktiven Duldung des Weiterbetriebs einer Spielhalle, die der Sicherstellung eines ordnungsgemäßen Erlaubnisverfahrens sowie der Gewährung effektiven Rechtsschutzes dient, aufgrund der Verwaltungsakzessorietät des § 284 Abs. 1 StGB und § 28a Abs. 1 Nr. 1 GlüStV 2021 eine das Straf- und Ordnungswidrigkeitenunrecht ausschließende Wirkung beizumessen (vgl. etwa auch VGH Bad.-Württ., B.v. 20.7.2021 - 6 S 2237/21 - juris Rn. 6 ff.; OVG NRW, B.v. 30.6.2022 - 4 B 1864/21 - juris Rn. 48).
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Es handelt sich hier um einen statthaften Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO. § 123 Abs. 5 VwGO steht dem nicht entgegen. Ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist demnach nur statthaft, wenn kein Fall der §§ 80 und 80a VwGO vorliegt (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 123 Rn. 39). Die Möglichkeit, im Wege eines Antrags nach § 80 Abs. 5 VwGO die Feststellung der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage gegen die Befristung in Ziffer 3 Satz 1 des Tenors im Bescheid vom 8. Juni 2022 zu erreichen, besteht vorliegend - ungeachtet der Tatsache, dass die Antragstellerin in der Hauptsache eine solche Klage nicht erhoben hat - nicht. Zwar ist davon auszugehen, dass die Antragstellerin sich letztlich gegen die Befristung der Erlaubnis wendet und eine unbefristete Erlaubnis zum Betrieb der Wettvermittlungsstelle anstrebt (vgl. angekündigter Klageantrag zu I., S. 4 des Schriftsatzes des Bevollmächtigten der Antragstellerin vom 30.12.2022). Dies kann hier jedoch nicht im Wege der isolierten Anfechtung der Befristung in Ziffer 3 Satz 1 des Tenors des streitgegenständlichen Erlaubnisbescheids erreicht werden, weswegen eine aufschiebende Wirkung einer zu erhebenden Anfechtungsklage nach § 80 Abs. 1 VwGO ausscheidet. Dies beruht auf folgenden Erwägungen:
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Nebenbestimmungen - wie Befristungen (Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG) - können zwar grundsätzlich isoliert angefochten werden. Die isolierte Aufhebung im Rahmen einer Anfechtungsklage ist jedoch nur möglich, wenn nicht eine isolierte Aufhebbarkeit von vornherein ausscheidet, weil der begünstigende Verwaltungsakt ohne die Nebenbestimmung nicht sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann (vgl. hierzu etwa BVerwG, U.v. 22.11.2000 - 11 C 2.00 - BVerwGE 112, 221 = juris Rn. 25). Daran hat sich auch im Zuge der neueren Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Problematik der Anfechtung von Nebenbestimmungen nichts geändert (vgl. 4. Senat des BVerwG, B.v. 29.3.2022 - 4 C 4/20 - juris sowie 8. Senat des BVerwG, U.v. 6.11.2019 - 8 C 14.18 - BVerwGE 167, 60 = juris und B.v. 12.10.2022 - 8 AV 1/22, 8 AV 1/22 (4 C 4/20) - juris). Der 4. Senat des BVerwG, dem sich schließlich auch der 8. Senat angeschlossen hat, stellt hierzu nochmals deutlich heraus, dass „maßgeblich ist, ob zwischen der Nebenbestimmung und dem eigentlichen Inhalt des Verwaltungsakts ‚ein Zusammenhang besteht, der die isolierte Aufhebung ausschließt‘. […] Es ging stets darum, ob die Genehmigung (Begünstigung) ohne die belastende Nebenbestimmung rechtswidrig wäre bzw. erteilt werden dürfte. Das heißt, die Formulierung ‚sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben kann‘ zielt darauf, ob die Rechtsordnung eine Genehmigung (Begünstigung) ohne die angefochtene Nebenbestimmung erlaubt. […] Dagegen kommt es nicht darauf an, ob der verbleibende Verwaltungsakt über die in Zusammenhang mit der Nebenbestimmung stehenden rechtlichen Anforderungen hinaus in jeder Hinsicht rechtmäßig ist oder ein Anspruch auf seinen Erlass besteht (BVerwG, B.v. 29.3.2022 - 4 C 4/20 - juris Rn. 9).
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Übertragen auf den vorliegenden Fall einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis bedeutet dies, dass entscheidend für die Frage der materiellen Teilbarkeit von Verwaltungsakt und Nebenbestimmung ist, ob die Rechtsordnung eine glücksspielrechtliche Erlaubnis auch ohne Befristungsregelung kennt, und nicht, ob eine solche im Übrigen rechtmäßig ist oder ein Anspruch auf die Erlaubnis besteht. Der Antragsgegner weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 die Befristung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis zwingend vorsieht, womit eine Erlaubnis ohne Befristungsregelung vom Gesetzgeber nicht vorgesehen ist und somit auch die materielle Teilbarkeit von Hauptverwaltungsakt und Nebenbestimmung ausscheidet. Eben dadurch wird verhindert, dass „das Gericht eine neue Rechtswidrigkeitslage herbeiführt, die es selbst nicht beseitigen kann“ (BVerwG a.a.O. mit Verweis auf Bumke, FS Battis, 2014, S. 177, 188 und Sproll, NJW 2002, 3221, 3222). Dies gilt ungeachtet der Frage, ob es sich bei Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV um eine „Befristungsregelung“ im eigentlichen Sinne handelt oder nur um eine ermessenslenkende Bestimmung. Die glücksspielrechtliche Erlaubnis ist eben in jedem Fall nur mit einer Befristungsregelung im Sinne von § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 denkbar.
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Ebenso wenig geht mit der Befristung der Erlaubnis vom 8. Juni 2022 ein Entzug einer Rechtsposition der Antragstellerin im Sinne einer Verschlechterung des „individuellen rechtlichen status quo“ (vgl. OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 10.10.2022 - 3 M 89/22 - juris Rn. 6) einher, welcher als Verwaltungsakt mit der Anfechtungsklage angegriffen werden könnte. Die Situation stellt sich vielmehr als teilweise Ablehnung einer beantragten Begünstigung dar. Ebenso wie bei jeder anderen Versagungsgegenklage ist dann in der Hauptsache ein Anspruch geltend zu machen. Auch eine Untersagung, deren sofortige Vollziehung verhindert werden soll, liegt nicht vor (OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 29.3.2022 - OVG 1 S 21/22 - ZfWG 2022, 299; abgerufen über juris). Vielmehr gehen alle Beteiligten zu Recht davon aus, dass sich die Antragstellerin im Rahmen des Regelungsregimes des GlüStV 2021 einem Erlaubnisverfahren zu unterziehen hat, in welchem der Anspruch auf Erteilung der Erlaubnis geprüft wird.
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Die von der Antragstellerin im Verfahren W 5 K 22.1102 erhobene Klage ist demgemäß als Verpflichtungsklage, gerichtet auf Erteilung einer über den 31. Dezember 2022 hinausgehenden Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 GlüStV 2021 zum Betrieb der Wettvermittlungsstelle K. … …, W. …, auszulegen. Aufschiebende Wirkung nach § 80 Abs. 1 VwGO hat jedoch nur die Anfechtungsklage. Darüber hinaus wäre das Rechtsschutzziel der Antragstellerin, die Fortführung des Betriebs der Wettvermittlungsstelle über den 31. Dezember 2022 hinaus, mit der bloßen aufschiebenden Wirkung der Klage nicht zu erreichen. Die Antragstellerin begehrt eben nicht nur, vor Beeinträchtigungen während des laufenden Klageverfahrens geschützt zu werden, sondern eine Erweiterung ihrer Rechtsposition über die bereits erteilte Erlaubnis hinaus, also eine Erweiterung ihres Rechtskreises. Hierfür bedarf es einer vorläufigen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO (so auch VG Stuttgart, B.v. 14.9.2021 - 18 K 3812/21 - juris Rn. 10 m.w.N.).
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Nach § 123 VwGO kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden, oder drohende Gewalt zu verhindern, oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Antragsteller hat demnach sowohl die Notwendigkeit der vorläufigen Regelung, den sog. Anordnungsgrund, als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts, den sogenannten Anordnungsanspruch, glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO, § 920 Abs. 2 ZPO). Maßgeblich sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
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Diese Voraussetzungen sind nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gebotenen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung nicht gegeben. Dabei kann offenbleiben, ob ein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht ist. Die Antragstellerin hat jedenfalls keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht.
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Die Antragstellerin begehrt gegenüber dem Antragsgegner die vorläufige Duldung des Betriebs der Wettvermittlungsstelle in der K. … … in W. … über den 31. Dezember 2022 hinaus. Ein entsprechender öffentlich-rechtlicher Anspruch gegen den Antragsgegner steht der Antragstellerin jedoch im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht zu.
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Die - allerdings vor Inkrafttreten des hier anwendbaren GlüStV 2021 ergangene Rechtsprechung - geht davon aus, dass ein Anspruch auf Duldung eines formell illegalen Glücksspiels nur dann bestehen kann, wenn die materiellen Erlaubnisvoraussetzungen erfüllt sind und dies für die Behörde offensichtlich, das heißt ohne weitere Prüfung, erkennbar ist (siehe BVerwG, U.v. 16.5.2013 - BVerwG 8 C 14.12 = juris Rn. 54; OVG Lüneburg, B.v. 4.7.2018 - 7 ME 32/18 - NVwZ-RR 2018, 725 Rn. 21 ff.; VG München, B.v. 17.6.2015 - M 16 S 14.4667 - juris Rn. 17). Unabhängig von der Frage, inwiefern und in welchen Fällen eine „Duldung“ bei Zugrundelegung des GlüStV 2021 überhaupt noch vorgesehen ist (vgl. hierzu VG Gießen, B.v. 18.3.2022 - 4 L 207/22.GI - juris Rn. 36), steht der Erlaubniserteilung für die streitgegenständliche Wettvermittlungsstelle über den 31. Dezember 2022 hinaus und damit im vorliegenden Verfahren einer Duldungsanordnung bis zur Hauptsacheentscheidung jedoch Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV entgegen. Im Einzelnen beruht dies auf folgenden Erwägungen:
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Gemäß § 21a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 bedarf die Vermittlung von Sportwetten in Wettvermittlungsstellen der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2021. Das Nähere regeln ausweislich des § 21a Abs. 5 GlüStV 2021 die Ausführungsbestimmungen der Länder. Diese Ausführungsbestimmungen finden sich für den Freistaat Bayern im Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland (AGGlüStV vom 20. Dezember 2007, GVBl. 2007, 922; zuletzt geändert durch § 1 des Gesetzes vom 22.4.2022, GVBl. S. 147). Nach § 4 Abs. 1 GlüStV 2021 i.V.m. Art. 2 Abs. 2 AGGlüStV bedarf das Vermitteln öffentlicher Glücksspiele der Erlaubnis. Die weiteren Voraussetzungen für die Erlaubniserteilung zum Betreiben von Wettvermittlungsstellen sind in Art. 7 AGGlüStV geregelt. Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV besagt, dass der Betrieb einer Wettvermittlungsstelle im Hauptgeschäft unzulässig und die Erlaubnis hierfür unbeschadet Art. 2 Abs. 1 auch zu versagen ist, wenn Sportwetten vermittelt werden […] 4. ohne einen Mindestabstand von 250 m Luftlinie gemessen von Eingangstür zu Eingangstür zu bestehenden Schulen für Kinder und Jugendliche, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richten, sowie Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen, wobei die zuständige Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen kann.
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Die Regelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV stellt sich nicht als unions- bzw. verfassungsrechtswidrig dar. Seitens der Antragstellerin wird vorgetragen, die geltenden glücksspielerechtlichen Regelungen würden gegen Europarecht - insbesondere gegen das Kohärenzgebot - wie auch gegen Verfassungsrecht verstoßen.
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Zu der Frage der Verfassungsmäßigkeit und Europarechtskonformität der Abstandsregelung nach Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV zwischen Wettvermittlungsstellen und Schulen bzw. Einrichtungen, die von Kindern, Jugendlichen und Suchtgefährdeten besucht werden, liegt noch keine ober- und höchstgerichtliche Rechtsprechung vor. Allerdings haben sich das Verwaltungsgericht Augsburg (VG Augsburg, B.v. 4.6.2022 - Au 8 S 22.765 - juris Rn. 81 ff. und B.v. 29.7.2022 - Au 8 S 22.1487 - bislang unveröffentlicht) und das Verwaltungsgericht Regensburg (VG Regensburg, B.v. 15.11.2022 - RN 5 S 22.1333 - juris Rn. 58 ff.) ausführlich mit diesen Fragestellungen auseinandergesetzt. Im Bereich der außerbayerischen Rechtsprechung sind vereinzelt Entscheidungen zu der Thematik der Abstandsregelungen betreffend Wettvermittlungsstellen ergangen (vgl. OVG NRW, B.v. 30.6.2022 - 4 B 1864/21 - juris; VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris; VG Köln, U.v. 5.10.22 - 24 K 1472/21 - juris). Umfangreiche Rechtsprechung liegt dagegen zu Abstandsregelungen zwischen Schulen und Einrichtungen, die von Kindern und Jugendlichen besucht werden, und Spielhallen vor (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 - juris = BVerfGE 145, 20; BVerwG, U.v. 16.12.2016 - 8 C 6.15 - juris = BVerwGE 157, 127; SächsOVG, U.v. 11.5.2016 - 3 A 314/15 - juris). Soweit seitens der Antragstellerin darauf verwiesen wird, dass die klare Rechtsprechung im Spielhallenbereich aufgrund einer abweichenden Gefahrenlage und anderer Rahmenbedingungen für den Bereich der Sportwetten nicht übertragbar sei, kann dem im Ergebnis nicht gefolgt werden. Zum einen entbindet die Sichtung der für den Spielhallenbereich bestehenden Rechtsprechung nicht von einer eigenständigen Prüfung anhand der Grundfreiheiten und Grundrechte, soweit Wettvermittlungsstellen betroffen sind; die ungeprüfte Übernahme der Argumentation und der Ergebnisse im Spielhallenbereich ist daher überhaupt nicht beabsichtigt. Zum anderen ist die Ausgangslage in wesentlichen Punkten vergleichbar, da es sowohl beim Betrieb von Spielhallen als auch beim Betrieb von Wettvermittlungsstellen um regulierte Teilbereiche des Glücksspielsektors geht, die gleichermaßen an den in § 1 GlüStV 2021 formulierten Zielen ausgerichtet sind und nicht per se verschiedenartig zu behandeln sind.
31
Das Abstandsgebot stellt einen zulässigen und verhältnismäßigen Eingriff in die in Art. 49 und Art. 56 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) garantierte Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit dar und genügt insbesondere dem unionsrechtlichen Kohärenzgebot. Die Ausgestaltung des Erlaubnisverfahrens ist auch im Übrigen nicht aus unionsrechtlichen Gründen zu beanstanden.
32
Mit den Regelungen betreffend die Erlaubnispflicht zum Betreiben von Wettvermittlungsstellen, namentlich den streitgegenständlichen Abstandsregelungen, wird in den Schutzbereich der genannten Grundfreiheiten eingegriffen. Da die Abstandsregelungen auch für Wettanbieter mit Sitz in anderen Mitgliedstaaten der Union gelten, beeinträchtigen sie die Veranstalter, die Sportwetten in Deutschland anbieten, sowie mittelbar diejenigen, die dieses Angebot in Wettvermittlungsstellen vermitteln wollen. Die Abstandsregelungen haben jedoch nicht ein vollständiges Verbot, sondern (lediglich) eine räumliche Steuerung und damit ein punktuelles Verbot zum Gegenstand.
33
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einer Vielzahl von Entscheidungen, die ausdrücklich auch und gerade den Bereich von Glücksspieltätigkeiten betreffen, klargestellt, dass Beschränkungen der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit zulässig sind, wenn sie nicht diskriminierend sind, durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sowie geeignet sind, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten, unionsrechtlich legitimen Ziels zu gewährleisten und nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (vgl. EuGH, U.v. 6.11.2003 - C-243/01 - juris Rn. 65; U.v. 22.6.2017 - C-49/16 unter Bezugnahme auf U.v. 8.9.2010 - C-46/08, ECLI:EU:C:2010:505, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung; U.v. 19.7.2012 - C-470/11 und U.v. 16.2.2012 - C-72/10 und C-77/10; EuGH, U.v. 8.9.2010 - C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07 -; jeweils veröffentlicht unter juris). Soweit zugleich Art. 49 AEUV berührt ist, ergeben sich aus der Niederlassungsfreiheit keine weitergehenden Anforderungen als aus der Dienstleistungsfreiheit (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 8 C 5/10 - juris Rn. 31).
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Da die Vorschriften betreffend die Erlaubniserteilung für das Betreiben von Wettvermittlungsstellen gleichermaßen für Inländer wie für Ausländer gelten, sind Anhaltspunkte für eine diskriminierende Anwendung nicht ersichtlich.
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Im Übrigen dürfen die Mitgliedstaaten ihre Glücksspielpolitik grundsätzlich ihrer eigenen Werteordnung entsprechend ausrichten und das angestrebte Schutzniveau selbst bestimmen. Bei der Festlegung der umzusetzenden Ziele und der Anforderungen, die sich aus dem Schutz der Verbraucher und der Sozialordnung ergeben, steht den Mitgliedstaaten ein weiter Gestaltungsspielraum zu und sie sind nicht gehindert, den lokalen Behörden ein weites Ermessen einzuräumen (vgl. EuGH, U.v. 12.6.2014 - C 1567/13 - juris Rn. 32; U.v. 19.7.2012 - C-470/11; U.v. 8.9.2010 - C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07; jeweils juris).
36
Es ist daher Sache des Mitgliedstaates zu beurteilen sowie der mitgliedstaatlichen Gerichte zu prüfen, ob es im Zusammenhang mit den verfolgten legitimen Zielen erforderlich ist, Tätigkeiten, die die Veranstaltung von Glücksspielen betreffen, vollständig oder teilweise zu verbieten, oder ob es genügt, sie zu beschränken und zu diesem Zweck mehr oder weniger strenge Kontrollformen vorzusehen, wobei die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahmen allein im Hinblick auf die verfolgten Ziele und das von den betreffenden nationalen Stellen angestrebte Schutzniveau zu beurteilen ist (so EuGH, U.v. 22.6.2017 - C-49/16 unter Bezugnahme auf Urteil vom 8.9.2010 - C-46/08, ECLI:EU:C:2010:505, Rn. 46 und die dort angeführte Rechtsprechung; U.v. 8.9.2010 - C-316/07, C-358/07 bis C-360/07, C-409/07 und C-410/07 - juris; U.v. 19.7.2012 - C-470/11; U.v. 16.2.2012 - C-72/10 und C-77/10 - jeweils auch veröffentlicht unter juris).
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Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben stellt sich die Abstandsregelung in Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV als geeignet, erforderlich und angemessen dar. Die Problematik wurde vor allem im Beschluss des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 4. Juli 2022 (Au 8 S 22.765 - juris Rn. 81 ff.) umfassend aufgearbeitet. Diesen zutreffenden Ausführungen schließt sich die Kammer an. Das Verwaltungsgericht Augsburg führt hierzu u.a. aus (vgl. VG Augsburg a.a.O. Rn. 87 ff.):
„Zur Überzeugung des Gerichts hat jüngst das Verwaltungsgericht Leipzig in seinem Beschluss vom 31. Januar 2022 (5 L 23/22) zur Rechtslage in Sachsen und einem mit dem vorliegenden Verfahren vergleichbaren Sachverhalt zutreffend herausgearbeitet, dass ähnlich wie Geldspielgeräte in Spielhallen auch Sportwettangebote ein hohes Gefährdungspotenzial, insbesondere auch für Kinder und Jugendliche, besitzen und deshalb mindestens vergleichbare Maßnahmen rechtfertigen. Kinder und Jugendliche sollen vor einer Gewöhnung an die ständige Verfügbarkeit des Spielangebots in Gestalt von Wettvermittlungsstellen in ihrem täglichen Lebensumfeld um Schulen und Einrichtungen, die überwiegend von Kindern oder Jugendlichen besucht werden, etc. geschützt werden. Dies gilt entsprechend auch für Betroffene von Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen. Für jenen Ausgangspunkt des Gesetzgebers, der auch in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommt (LT-Drs. 18/5861, S. 9), lassen sich in der wissenschaftlichen Literatur hinreichende Belege finden. So weist schon der - von der Antragstellerin in Bezug genommene - aktuelle Forschungsbericht der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) (BZgA-Forschungsbericht, „Glücksspielverhalten und Glücksspielsucht in Deutschland - Ergebnisse des Surveys 2019 und Trends“, Januar 2020; abrufbar unter: www.bzga.de/fileadmin/user_upload/PDF/studien/BZgA-Forschungsbericht _Gluecksspielsurvey_2019.pdf; zuletzt abgerufen am 8. Juni 2022) auf die von Sportwetten ausgehenden Gefahren hin. Dort wird verschiedentlich dargelegt und näher begründet, dass neben den Automaten- und Casinospielen auch Sportwetten ein erhöhtes Risiko für problematisches Spielverhalten aufwiesen (vgl. ebd., S. 13, 160). Während sich im Falle der Teilnahme an Lotterien vergleichsweise geringe Risiken einer Glücksspielproblematik ergäben, seien relativ deutliche Zusammenhänge zwischen Glücksspielautomaten, Casinospielen, Glücksspielen im Internet und Sportwetten zu finden. Für die besondere Vulnerabilität von Jugendlichen gebe es dabei verschiedene Erklärungsansätze. In Betracht komme eine besondere Experimentierfreudigkeit bzw. ein ausgeprägtes Risikoverhalten, eine hohe Verführbarkeit durch verbreitete Glücksspielangebote im Internet oder im öffentlichen Raum (Wettbüros, Sportbars usw.), aber auch eine scheinbar hohe Akzeptanz in der Gesellschaft (vgl. ebd., S. 27). Angesichts dessen ist die Momentaufnahme eines generell starken Rückgangs der Glücksspielteilnahme Jugendlicher, auch ob der Suchtprävention, unerheblich (vgl. ebd.). Nach den aktuellen Zahlen liegt die 12-Monats-Prävalenz bei Automaten- und Casinospielen bei 4,1%, bei Sportwetten immerhin bei 2,2%. Nach einem langen Abwärtstrend der Prävalenz ist diese im Jahre 2019 erstmals wieder geringfügig angestiegen. In der Altersgruppe der 16- und 17-jährigen betrug sie für das Jahr 2019 14,5%, jeder siebte Angehörige dieser Altersgruppe hatte also in den letzten 12 Monaten an einem Glücksspiel teilgenommen (vgl. ebd., S. 72 ff.). Auch beim Korrespondenzverhalten zeigt sich das große Suchtpotenzial von Sportwetten. Denn Personen, die Sportwetten spielen, nehmen mehr als doppelt so häufig auch an Automatenspielen teil im Vergleich mit Personen, die Lotterien nachfragen (vgl. ebd., S. 80). Bei einer Betrachtung der glücksspielassoziierten Probleme ergibt sich, dass zwar Automaten- und Casinospiele als am gefährlichsten einzustufen sind, Sportwetten aber ebenfalls ein erhöhtes Gefahrenrisiko besitzen und Lotterien das geringste Risiko einer Glücksspielproblematik aufweisen (vgl. ebd., S. 84). Knapp 10% aller Automaten- und Casinospieler zeigen ein mindestens problematisches Spielverhalten, 14,8% spielen auffällig bzw. risikoreich. Sportwetten weisen sogar einen noch höheren Anteil an mindestens problematischem Spielverhalten auf, der Unterschied ist aber nicht signifikant. Die Chance, bei Sportwetten auffällig bzw. risikoreich zu spielen, ist mithin signifikant erhöht. Lotterien (mit Ausnahme der Lotterie K.) weisen insgesamt das geringste Gefährdungspotenzial auf (vgl. ebd., S. 90 f.). Bei der Lebenszeitprävalenz liegen alle Formen der Lotterien mit insgesamt 68,4% vor den Automaten- und Casinospielen mit insgesamt 30% und den Sportwetten mit insgesamt 6,6%. Auf einen Wert von 17,6% kommen Geldspielautomaten (vgl. ebd., S. 142). Bei den 12-Monats-Prävalenzen ist der Unterschied zwischen Automaten- und Casinospielen einerseits sowie Sportwetten andererseits jedoch wesentlich geringer mit 4,1 bzw. 2,2% (vgl. ebd., S. 143). Die Prävalenzen nach Altersgruppen gegliedert sind ebenso aussagekräftig. In der Altersgruppe der 16- und 17-jährigen haben danach 2,6% der Befragten bereits einmal an Geldautomaten gespielt, während es bei den Sportwetten sogar 2,8% sind. An Lotterien haben in dieser Altersklasse bereits 26% teilgenommen (vgl. ebd., S. 146 f.). Bei den Spielorten zeigen sich ähnliche Tendenzen: In der Altersgruppe der 16- und 17-jährigen haben 3,5% der Befragten in einer Lotto-Annahmestelle Glücksspiel betrieben, 0,1% in einer Spielhalle und immerhin 0,6% in einem Wettbüro oder auf der Rennbahn (vgl. ebd., S. 153). Im Internet lag der entsprechende Wert bei 2,6% (vgl. ebd., S. 153). Im Ergebnis zeigen sich bei einer Risikobewertung der Glücksspielformen sowohl bei Automaten- und Casinospielen einerseits wie auch Sportwetten andererseits deutlich erhöhte Werte auffälligen bzw. risikoreichen und mindestens problematischen Spielverhaltens, während diese bei den Lotterien wesentlich niedriger liegen (vgl. ebd., S. 160) (vgl. zum Ganzen VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 61).
Der Antragsgegner hat zur Rechtfertigung der streitgegenständlichen Untersagung in Bezug auf die (etwaigen) wirtschaftlichen Interessen der Antragstellerin auf die gesetzgeberischen Ziele des § 1 GlüStV 2021, namentlich die Prävention und Bekämpfung der Spiel- und Wettsucht sowie den Jugend- und Spielerschutz (vgl. LT-Drs. 18/5861, S. 9) abgestellt. Im Lichte des weiten Beurteilungs- und Prognosespielraums des Gesetzgebers, wie ihn auch der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Rechtsprechung anerkennt (vgl. EuGH, U.v. 8.9.2010 - C-316/07 u.a. - Stoß - juris Rn. 91 f.), lagen damit unter Berücksichtigung des Vorstehenden hinreichende wissenschaftliche Erkenntnisse dazu vor, dass von Sportwetten mindestens vergleichbare Gefährdungen ausgehen wie von Spielhallen. Gerade auch die Prävalenzen in der Altersgruppe der 16- und 17-jährigen zeigen ein ausgeprägtes Interesse dieser Altersklasse an Sportwetten. Deren Gefährdungspotenzial wird von der BZgA als hoch eingeordnet (vgl. auch VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 63).
Obzwar in der aktuellen Studie der BZgA nicht eigens betont wird, dass es einen Zusammenhang zwischen dem Konsum von Sportwetten und der Erreichbarkeit insbesondere für Kinder und Jugendliche im näheren Umfeld ihres täglichen Lebens gebe, kann insoweit jedoch auf die Erkenntnisse zum Zusammenhang zwischen der Verfügbarkeit und dem Spielverhalten bei Spielhallen zurückgegriffen werden (vgl. a.a.O.). Unter diesem Gesichtspunkt ergeben sich zwischen Spielhallen und Wettvermittlungsstellen keine beachtlichen Unterschiede (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 64). Eine etwaig geringere „Anziehungskraft“ wegen des von der Antragstellerin angebotenen Verzichts auf Außenwerbung und -darstellung ändert an einer leichten und alltäglichen Erreichbarkeit nichts.
Dessen ungeachtet gilt es zu berücksichtigen, dass es dem Gesetzgeber mit dem Abstandsgebot nicht nur darum geht, eine tatsächliche Teilnahme von Kindern und Jugendlichen an Glücksspielen zu verhindern, welche auch bereits rechtlich ausgeschlossen ist. Spielhallen wie auch Wettvermittlungsstellen im täglichen Umfeld von Kindern und Jugendlichen begründen - was entsprechend für Betroffene von Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen gilt - darüber hinaus die Gefahr, dass Glückspiel als Gut des täglichen Lebens wahrgenommen wird. Gerade auch dieser Wirkung soll entgegengetreten werden, zumal wenn Kinder und Jugendliche aufgrund der Schulpflicht oder Betroffene ob einer Suchtberatung/ -behandlung auf ihrem (Schul-)Weg zu Schulen, Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe oder Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen zwingend (respektive notwendig) einem Angebot an Sportwetten ausgesetzt sind; eine geringere „Anziehungskraft“ wird durch den von der Antragstellerin angebotenen Verzicht auf Außenwerbung sowie -darstellung nicht in dem gleichen Maße erreicht, sondern mag vielmehr den „Reiz des Verbotenen“ zu verstärken (vgl. LT-Drs. 18/5861, S. 9; vgl. auch BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 152 ff.; SächsOVG, B.v. 20.8.2019 - 6 B 295/18 - juris Rn. 9; B.v. 29.11.2019 - 6 B 143/18 - juris Rn. 68; VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 64 m.w.N.). Auf diesen Gesichtspunkt bezogen sind keine Unterschiede zwischen Spielhallen und Wettvermittlungsstellen dergestalt auszumachen, als letzteren ein geringeres Gefährdungspotenzial zukäme. Gegenläufig kann wegen eines starken Bezugs zum Sport und deren Akteuren zur Überzeugung des Gerichts davon ausgegangen werden, dass Sportwetten, was die Gestaltung und Angebote angeht, noch deutlich attraktiver auf (sportbegeisterte) Kinder und Jugendliche wirken (können) bzw. sie solche in ihrem täglichen Umfeld entsprechend deutlich stärker wahrnehmen als Geldspielautomaten, was damit nicht nur vergleichbare, sondern insoweit „strengere“ Maßnahmen in Bezug auf Wettvermittlungsstellen zu rechtfertigen vermag (vgl. LT-Drs. 18/5861, S. 9; vgl. im Ansatz ebenso VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 64), zumal auch in der aktuellen Studie der BZgA 0,6% der befragten 16- und 17-jährigen angaben, bereits Wettbüro/ Rennbahn genutzt zu haben, während lediglich 0,1% Glücksspiel in einer Spielhalle betrieben hätten (vgl. ebd., S. 153). In höheren Altersgruppen kommt es dann zwar zu einer Angleichung beider Glücksspielformen (vgl. ebd.). Für Sportwetten gilt es allerdings zu beachten, dass viele (potentielle) Sportwetter meinen, sich durch ihr „(Sport-)Fachwissen“ besonders gut auszukennen und Sportwetten lediglich eingeschränkt als Glücksspiel wahrnehmen (vgl. ebd., S. 92). Vor diesem Hintergrund gelten obige Ausführungen auch für Betroffene von Suchtberatungs- und Suchtbehandlungsstellen analog. Betroffene sind (unabhängig von der Sucht) im besonderen Maße - ähnlich wie auch Kinder und Jugendliche - für eine (solche) Kompetenzüberschätzung vulnerabel. Die Suchtprävention (§ 1 GlüStV 2021), die gegenüber vulnerablen Bevölkerungsteilen a priori besonderes Gewicht erfährt, rechtfertigt es, die insoweit spezifische Gefahr, ein Angebot an Sportwetten als Gut des täglichen Lebens wahrzunehmen, zu verhindern, zumal aufgrund eines (gesellschaftlich gemeinhin) „leichten“ Zugangs über den starken Bezug zum Sport und deren Akteuren.
(i) Der Einwand der Antragstellerin einer fehlenden wissenschaftlichen Grundlage (zur Frage der Geeignetheit, Erforderlichkeit und Angemessenheit der Mindestabstände) verfängt daher nicht. Dabei begegnet es insoweit auch keinen rechtlichen Bedenken, als die Bundesländer unter Umständen unterschiedliche Mindestabstände vorgeben. Zum einen hat der Gesetzgeber einen weiten Beurteilungs- und Prognosespielraum. Zum anderen ist eine Festlegung unterschiedlicher Abstandsregelungen insbesondere in Bezug auf eine unterschiedliche Verbreitung des Sportwettangebots und länderspezifische Gegebenheiten unbedenklich (vgl. auch BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 111). Eine Unverhältnismäßigkeit der verfahrensgegenständlichen Abstandsregelung von 250 m Luftlinie ist vor allem in Bezug darauf, Sportwetten nicht als Gut des alltäglichen Lebens wahrzunehmen, jedenfalls nicht ersichtlich.
(ii) Soweit die Antragstellerin eine Unverhältnismäßigkeit des Abstandsgebots auf die fehlende Differenzierung nach dem Alter der Kinder und Jugendlichen stützt, weil bei Einrichtungen für Kinder im Grundschulalter eine geringere Schutzbedürftigkeit bestehe, geht dieser Einwand fehl. Das Gericht kann nicht erkennen, dass die Schutzbedürftigkeit von Kindern in erheblichem Maße von der jeweiligen Altersstufe abhänge bzw. es fernliegend erscheine, dass etwa schon Kinder im Grundschulalter von den „Reizen“ des Sportwettangebots angezogen werden könnten (vgl. VG Arnsberg, B.v. 21.10.2013 - 1 L 395/13 - juris Rn. 11). Gegen ein solches Verständnis spricht bereits, dass das Abstandsgebot, gerade auch einem (frühzeitigen) Gewöhnungseffekt bei Kindern und Jugendlichen entgegenwirken will. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf kleinere Kinder, auch bereits im Grundschulalter (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.2016 - 8 C 4.16 - juris Rn. 22; VG Köln, U.v. 10.9.2021 - 24 L 1199/21 - juris Rn. 28 f. m.w.N.). Unerheblich ist daher, dass Kindern und Jugendlichen der Aufenthalt ohnehin nicht gestattet ist. Dessen ungeachtet ist die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Arnsberg - fußend auf der damaligen NRWGlüSpVO - ob des weiteren Beurteilungs- und Prognosespielraums des bayerischen Landesgesetzgebers bei seiner Regelung durch Parlamentsgesetz, soweit ersichtlich, nicht übertragbar (vgl. Sachs, GG, 9. Aufl. 2021, Art. 80 Rn. 21 ff.). Die Abstandsregelung genügt auch dem Bestimmtheitsgrundsatz, insbesondere soweit sich die Regelung auf Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahre „richten“, erstreckt und damit hinreichend bestimmbar den geschützten Kreis nach dem Angebot bzw. Zuschnitt einer Einrichtung festlegt bzw. abgrenzt.
(iii) Auch unter den von der Antragstellerin angeführten Vertrauensschutzgesichtspunkten ist eine Unverhältnismäßigkeit nicht zu erkennen. Die Situation stellt sich insoweit deutlich anders dar, als bei der Schaffung der Abstandsregelungen für Spielhallen, die mit entsprechenden Übergangs- bzw. Befreiungsregeln (vgl. näher zum Hintergrund nur LT-Drs. 18/11128, S. 160 f.) einherging. Denn bei den Spielhallen wurde seinerzeit eine erstmalige glücksspielrechtliche Erlaubnispflichtigkeit geschaffen, die neben die gewerberechtliche Erlaubnispflicht nach § 33i GewO trat. Damit wurde bei Bestandsspielhallen in eine unanfechtbare, regelmäßig auch zeitlich unbefristete Genehmigung eingegriffen, aus der sich möglicherweise eine wehrfähige Rechtsposition ergeben könnte (vgl. hierzu etwa VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 76 m.w.N.). Vorliegend verhält es sich aber deutlich anders. Denn bereits der Glücksspielstaatvertrag vom 15. Dezember 2011 sah in § 10a Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV 2012 die Erlaubnispflichtigkeit eines Betriebs von Wettvermittlungsstellen für Sportwetten vor. Letztlich konnten solche Erlaubnisse nicht erteilt werden, da das Konzessionierungsverfahren für die Veranstalter von Sportwetten nicht beendet wurde. Der Betrieb von entsprechenden Einrichtungen wurde deshalb mit Blick auf den Anwendungsvorrang des Unionsrechts lediglich geduldet. Das bloße Absehen von einem repressiven Einschreiten gegen ein möglicherweise rechtswidriges Verhalten lässt sich mit einer behördlichen Genehmigung, die eine Legalisierungswirkung für die von ihr erlaubte Tätigkeit entfaltet, indes nicht gleichsetzen (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2021 - 23 ZB 17.2446 - juris Rn. 45). Auch die Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. u.a. OVG NRW, U.v. 23.1.2017 - 4 A 3244/06 - juris; B.v. 20.2.2017 - 4 B 609/16 - juris; B.v. 29.3.2017 - 4 B 919/16 - juris) steht dem nicht entgegen. Die Rechtsprechung ist auf den vorliegenden Sachverhalt nicht übertragbar, da in Bayern keine rechtmäßigen Wettvermittlungsstellen bestanden. Ein Vertrauen auf den weiteren, längerfristigen oder gar zeitlich unbefristeten Betrieb der Wettvermittlungsstellen konnten Inhaber von Wettvermittlungsstellen nach alledem von vornherein nicht bilden. Vielmehr mussten sie jederzeit, insbesondere auch bei der aufgrund der Laufzeit absehbaren Verabschiedung eines neuen Glückspielstaatsvertrages, mit einer Änderung der Rechtslage und weitergehenden Anforderungen an den Betrieb der Wettvermittlungsstellen rechnen. Dies galt umso mehr, als in anderen Bundesländern, wie beispielsweise in B., schon nach der alten Rechtslage Abstandregelungen für Wettvermittlungsstellen vorgesehen waren. Soweit die Betreiber vor diesem Hintergrund unter Berufung auf die unionsrechtswidrige Ausgestaltung des Sportwettmonopols und ihre Grundfreiheiten längerfristige Verbindlichkeiten eingingen oder größere Investitionen tätigten, geschah dies bewusst unter der Inkaufnahme des Risikos zeitnaher Rechtsänderungen, die zur Überwindung der im bisherigen System vorhandenen Defizite in jedem Fall erfolgen mussten. Insbesondere verlangt auch das Unionsrecht selbst bei Rechtswidrigkeit des damaligen Sportwettmonopols keine - und erst recht keine sofortige - Öffnung des Markts für alle Anbieter ohne jede präventive Kontrolle. Vielmehr steht es einem Mitgliedstaat in einer solchen Situation frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden (vgl. BayVGH, B.v. 21.12.2021 - 23 ZB 17.2446 - juris Rn. 35; vgl. zum Ganzen VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 77). Daran gemessen bestand - ungeachtet eines etwaigen formalen Duldungsbescheids für Wettvermittlungsstellen, demgemäß Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV eine entsprechende Übergangsregelung vorsieht - kein (schutzwürdiges) Vertrauen von Betreibern einer Wettvermittlungsstelle, dem mit Blick auf die getroffenen wirtschaftlichen Dispositionen durch angemessene Übergangs- bzw. Befreiungsregelungen zu begegnen gewesen wäre.
Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wäre die Schutzwürdigkeit eines etwaigen Vertrauens mit der Veröffentlichung des Gesetzesentwurfs als LT-Drs. 18/5861 vom 28. Januar 2020 beseitigt worden, weil ein schutzwürdiges Vertrauen in die geltende Rechtslage bereits dann entfällt, wenn - wie hier ab 28. Januar 2020 - mit einer Neuregelung ernsthaft zu rechnen war (vgl. auch BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 199). Der bis zum Inkrafttreten der Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV am 17. Juni 2020 (GVBl Nr. 17/2020, S. 287) jedenfalls „faktisch“ geschaffene Übergang von etwa vier Monaten erweist sich vor dem obigen Hintergrund als (noch) ausreichend. Innerhalb dieser Frist lassen sich in der Regel die mit der ggf. notwendigen Aufgabe des Betriebs verbundenen Maßnahmen, wie etwa die Kündigung von Arbeitsverträgen oder des Mietvertrages für Räumlichkeiten und Geräte ergreifen, jedenfalls hinreichend einleiten (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 77 zu einer neunmonatigen Frist). Dabei drohte wegen der Eingliederung in die Vertriebsorganisation eines Sportwettveranstalters außerdem lediglich in begrenztem Maße ein Verlust des Kundenstamms (vgl. ebd.). Ein uneingeschränktes Recht auf Amortisierung getätigter Investitionen besteht gerade nicht (vgl. BVerfG, B.v. 7.3.2017 - 1 BvR 1314/12 u.a. - BVerfGE 145, 20 Rn. 199).
(iv) Entgegen dem Einwand der Antragstellerin liegt in diesem Kontext auch keine rechtswidrige Anknüpfung an den „Duldungsbescheid“ nach Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV vor. Wie bereits dargelegt konnten Betreiber einer Wettvermittlungsstelle im Grunde von vornherein kein (schutzwürdiges) Vertrauen bilden, dem mit Blick auf getroffene wirtschaftliche Dispositionen durch angemessene Übergangs- und Befreiungsregelungen wie im Spielhallenbereich zu begegnen gewesen wäre. Gleichwohl bestimmt die nach Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft tretende Regelung des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV, dass das Abstandsgebot des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV für Wettvermittlungsstellen, für die am 16. Juni 2020 ein Duldungsbescheid bestand, der bis zum 10. Dezember 2019 beantragt worden war, keine Anwendung findet. Aufgrund des damals gestoppten Verfahrens zur Erteilung der Konzessionen für Sportwettveranstalter konnten keine Erlaubnisse für Wettvermittlungsstellen erteilt werden. Um die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben insbesondere zur Zuverlässigkeit des Betreibers und zum Spielerschutz effektiver überprüfen zu können, hat Bayern im Interesse einer wirksamen Kontrolle der Wettvermittlung für Wettvermittlungsstellen der Veranstalter, die im Konzessionsverfahren bereits die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben - insbesondere zur Zuverlässigkeit und zum Spielerschutz - nachgewiesen haben, die Möglichkeit eröffnet, eine formelle Duldung zu erhalten. Diejenigen Anbieter bzw. Betreiber der Wettvermittlungsstellen, die sich dem Duldungsverfahren freiwillig unterworfen haben, war durch die Schaffung einer Übergangsregelung insoweit zu begegnen, als im Vertrauen auf den Bestand des formalen Duldungsbescheids getätigte Investitionen in begrenzten Maße schutzwürdig sind (vgl. dazu auch LT-Drs. 18/5861, S. 12). Diesen alleinigen, rechtlich nicht zu beanstandenden Anknüpfungspunkt des Vertrauensschutzes sieht die Antragstellerin nicht. Die von ihr zitierte Judikatur (vgl. u.a. EuGH, U.v. 4.2.2016 - C-336/14 - Ince - juris; BayVGH, U.v. 8.3.2018 - 10 B 15.990 - juris; OVG NRW, U.v. 23.1.2017 - 4 A 3244/06 - juris; HessVGH, B.v. 29.5.2017 - 8 B 2744/16 - juris) zur Frage der Notwendigkeit der Teilnahme an einem Duldungsverfahren bzw. dessen Verfassungs- und Unionsrechtskonformität zieht die Rechtmäßigkeit des vorliegenden Anknüpfungspunktes daher nicht in Zweifel.“
38
Die Kammer schließt sich diesen Ausführungen vollumfänglich an, zumal sich das Vorbringen der Antragstellerin zur fehlenden Geeignetheit und Verhältnismäßigkeit der Abstandsregelung in den Ausführungen wiederfindet. Ergänzend zum Vorbringen der Antragstellerseite ist vorliegend nochmals zu betonen, dass den Mitgliedstaaten im Bereich des Glücksspielrechts ein weiter Gestaltungsspielraum zusteht. Soweit geltend gemacht wird, es fehle ein Gefahrennachweis, kann dem nicht gefolgt werden. Im Bereich staatlicher Monopolregelungen mag die Mitgliedstaaten eine weitgehende Ermittlungs- und Nachweispflicht treffen. Hier geht es jedoch um punktuelle Regelungen zur Tätigkeit von Wettvermittlungsstellen. Eine Verpflichtung, vor Erlass einer Maßnahme eine Untersuchung vorzulegen, die ihre Verhältnismäßigkeit belegt, existiert in diesem Zusammenhang nicht (so auch VG Köln, U.v. 5.10.2022 - 24 K 1472/21 - juris Rn. 334 ff.). Darüber hinaus dürfte es unstreitig sein, dass Sportwetten grundsätzlich ein Gefährdungspotential mit Blick auf Kinder, Jugendliche und Suchtgefährdete aufweisen und eine Regelung, die die alltägliche Konfrontation mit Wettvermittlungsstellen und der Wettbetätigung einschränken, grundsätzlich geeignet ist, einem Gewöhnungseffekt entgegenzuwirken.
39
Insofern sieht die Kammer auch keine durchgreifenden Bedenken im Hinblick auf die Kohärenz der streitgegenständlichen Regelung. Das Kohärenzgebot besagt, dass Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV nur gerechtfertigt sind, wenn sie geeignet sind, die Verwirklichung der zu ihrer Rechtfertigung angeführten Ziele in dem Sinne zu gewährleisten, dass sie tatsächlich dem Anliegen gerecht werden, diese Ziele in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (BayVGH, U.v. 26.6.2012 - 10 BV 09.2259 - juris Rn. 68 unter Hinweis auf: EuGH, U.v. 6.11.2003 - C-243/01 Gambelli u.a. - juris Rn. 67; EuGH, U.v. 10.3.2009 - C-169/07 Hartlauer - juris Rn. 55; EuGH, U.v. 8.9.2009 - C-42/07 Liga Portuguesa de Futebol Profissional - juris Rn. 61; EuGH, U.v 3.6.2010 - C-258/08 Ladbrokes Betting & Gaming - juris Rn. 21; vgl. auch BVerwG, U.v. 1.6.2011 - 8 C 5.10 - juris Rn. 32). Außerdem dürfen Beschränkungen der Dienstleistungsfreiheit, um den unionsrechtlichen Anforderungen zu genügen, nicht in diskriminierender Weise angewandt werden (BayVGH, U.v. 26.6.2012 - 10 BV 09.2259 - juris Rn. 69; vgl. EuGH, U.v. 30.11.1995 - C-55/94 Gebhard - juris Rn. 37; EuGH, U.v. 06.11.2003 - C-243/01 Gambelli u.a. - juris Rn. 65; EuGH, U.v. 6.3.2007 - C-338/04 Placanica - juris Rn. 45; BVerwG, U.v. 1.6.2011 - C 5.10 - juris Rn. 32). Ein Mitgliedstaat darf somit nicht scheinbar legitime Ziele vorgeben, in Wahrheit aber andere - namentlich fiskalische - Ziele anstreben, die die Beschränkung nicht legitimieren können.
40
Die Anforderungen, die das Kohärenzgebot stellt (vgl. hierzu ausführlich VG Augsburg, B.v. 4.7.2022 - Au 8 S 22.765 - juris Rn. 96 ff.), gehen jedoch nicht so weit, dass der Gesetzgeber verpflichtet wäre, in einem regulierten Glücksspielmarkt für alle Glücksspielarten gleichförmige Regelungen zu treffen, d.h. etwa im vorliegenden Fall jegliches Glücksspielangebot in der Nähe von Einrichtungen für Kinder, Jugendliche und Suchtgefährdete auszuschließen. Die Antragstellerin nennt diesbezüglich die Spielhallen und Annahmestellen, für die nach dem AGGlüStV keine derartigen Abstandsregelungen gelten, und den Internetvertrieb. Bezüglich der Annahmestellen fehlt es indes schon an einer Vergleichbarkeit mit Wettvermittlungsstellen wie der streitgegenständlichen, da das Angebot mit Alltagsartikeln ein gänzlich anderes ist und das Sportwettenangebot erheblich geringer ist. Auch sind keine Live-Wetten möglich (vgl. hierzu VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/23 - juris Rn. 69). Der Umstand, dass Spielhallen keinen Mindestabstand zu Schulen und Suchtberatungsstellen einhalten müssen, führt aufgrund des eigens für diesen Bereich bestehenden Regelungssystems, das seinerseits ineinandergreifende Vorschriften zum Schutz vor den Gefahren des Glücksspiels enthält (vgl. etwa Abstandsgebot von Spielhallen untereinander), nicht dazu, dass die Verwirklichung des mit dem hier streitgegenständlichen Abstandsgebot verfolgten Ziels aufgehoben würde (für den Bereich der Geldspielgeräte/Spielhallen vgl. OVG NRW, U.v. 10.3.2021 - 4 A 3178/19 - juris Rn. 56; VGH Baden-Württemberg, U.v. 10.2.2022 - 6 S 1922/20 - juris Rn. 87 m.w.N.). Etwas anderes ergibt sich schließlich nicht aus der Öffnung des Online-Glücksspielmarktes. Das Online-Glücksspiel stellt sich als gänzlich andere, mit dem stationären Glücksspiel nicht vergleichbare Kategorie dar, die wiederum einem eigenständigen Regulierungssystem unterliegt (vgl. BayLT Drs. 18/14870, S. 1). Die Regelungen in §§ 61 ff. GlüStV 2021 erschweren insbesondere den Zugang zu dieser Glücksspielform für Kinder und Jugendliche erheblich.
41
Auch an der Verfassungsmäßigkeit der Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV bestehen im Hinblick auf Art. 12 GG, Art. 14 GG und Art. 3 GG keine durchgreifenden Bedenken (vgl. hierzu etwa VG Regensburg, B.v. 15.11.2022 - RN 5 S 22.1333 - juris Rn. 84 ff.).
42
Die Abstandsregelung greift als Berufsausübungsregelung in den Schutzbereich des Art. 12 Abs. 1 GG ein. Derartige Regelungen sind bereits dann gerechtfertigt, wenn sie sich auf vernünftige Gründe des Gemeinwohls stützen lassen und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist (vgl. auch BVerfG, B.v. 12.1.2016 - 1 BvL 6/13 - juris Rn. 52 = BVerfGE 141, 82). Es ist dabei vornehmlich Sache des Gesetzgebers, auf der Grundlage seiner wirtschafts-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Vorstellungen und Ziele und unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten des betreffenden Sachgebiets zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will. Die Anforderungen an die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs in die Berufsausübungsfreiheit fallen umso strenger aus, je mehr eine Regelung sich auf die Freiheit der Berufswahl auswirken kann (vgl. BVerfG, B.v. 14.1.2015 - 1 BvR 931/12 - juris Rn. 53 f. m.w.N.). Gemessen hieran stellt sich die Abstandsregelung als verhältnismäßige Berufsausübungsregelung dar. Die Abstandsregelung verfolgt in erster Linie die Gewährleistung des Jugend- und Spielerschutzes und ist - was bereits ausgeführt wurde - hierfür auch geeignet und angemessen. Die dadurch bewirkte Beeinträchtigung der Berufsausübung von Betreibern von Wettvermittlungsstellen ist für die betroffenen Gewerbetreibenden hinnehmbar, da sie ohne weiteres auf andere Standorte ausweichen können, bei denen kein Konflikt mit der geltenden Abstandsregelung besteht. Den betroffenen Unternehmen ist dies zuzumuten, weshalb eine gerechtfertigte Einschränkung der Berufsausübungsfreiheit nach Art. 12 Abs. 1 GG vorliegt. Insbesondere vermag das Gericht nicht zu erkennen, dass die Standortkapazität für Wettvermittlungsstellen derart erschöpft ist, dass die Abstandsregelung faktisch eine Kontingentierung bewirkt und somit auch die Berufswahl einschränkt (so auch VG Augsburg, B.v. 4.7.2022 - Au 8 S 22.765 - juris Rn. 110).
43
Auch im Lichte von Art. 14 Abs. 1 GG begegnet die geltende Abstandsregelung keinen Bedenken. Ein ungerechtfertigter Eingriff in die Eigentumsgarantie käme insoweit in Betracht, wenn der Gesetzgeber bei der Neuregelung Vertrauensschutzgesichtspunkte außer Acht gelassen hätte. Dies ist jedoch nicht der Fall. Bereits an anderer Stelle wurde dargelegt, dass der bayerische Gesetzgeber für Wettvermittlungsstellen, für die am 16. Juni 2020 ein Duldungsbescheid bestand, der bis zum 10. Dezember 2019 beantragt war, mit Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV eine Übergangsregelung geschaffen hat. Demnach findet die Regelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV (zunächst) keine Anwendung. Darüber hinaus steht - anders als die Antragstellerin meint - ein formeller Bestandsschutz aufgrund der Duldung ihres Betriebs der Anwendung der Abstandsregelung nicht entgegen. In diesem Zusammenhang ist den Ausführungen des Antragsgegners zu folgen, der in der Antragserwiderung darlegt, dass in Folge der Rechtsprechung des EuGH zu den staatlichen Monopolen im Bereich der Sportwetten (EuGH, U.v. 4.2.2016 - C-336/14 (Ince), NVwZ 2016,369) die Konzessionsverfahren nicht beendet wurden und eben keine glücksspielrechtlichen Erlaubnisse an die Vermittler erteilt wurden, auf deren Fortgeltung ein Vertrauen entwickelt werden könnte (vgl. oben unter 2.3.(a)).
44
Zuletzt vermag das Gericht auch keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zu erkennen. Bereits im Rahmen der Ausführungen zum Kohärenzgebot wurde ausgeführt, dass hinsichtlich der Ungleichbehandlung insbesondere zu Spielhallen und sonstigen Annahmestellen sachliche Gründe bestehen, die ihren Ursprung im jeweils vom Gesetzgeber gewählten Regulierungssystem haben (vgl. oben unter 2.3.(a)).
45
Schließlich stellt sich auch die Anwendung der Regelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 i.V.m. Art. 15 Abs. 2 und 16 Abs. 2 AGGlüStV im konkreten Fall, d.h. die Befristung der Erlaubnis bis zum 31. Dezember 2022 in Ziffer 3 Satz 1 des Tenors im Bescheid vom 8. Juni 2022, als rechtmäßig dar.
46
Die Regierung von U. hat zunächst zutreffend festgestellt, dass sich mehrere der in Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV bezeichneten Einrichtungen innerhalb des Bereichs von 250 m Luftlinie zur streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle befinden: im Einzelnen das R. …Gymnasium (Re. … … …, … W. …; ca. 190 m), das S. …Gymnasium (Re. … … …, … W.; ca. 240 m) und die J. …Schule-W. … (W1. 10, … W. …g; ca. 215 m), ferner das Haus St. L. … (B. … P. …, … W. …; ca. 48 m) sowie die W. … Fachambulanz für Abhängigkeitskranke (N. …, … W. …; ca. 130 m). Diese Angaben lassen sich anhand der Ausführungen in der Behördenakte (vgl. Bl. 289, 291 f.) nachvollziehen. Die genannten Einrichtungen sind auch solche im Sinne des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV. Insbesondere handelt es sich bei dem Haus St. Lioba um eine Einrichtung der Kinder- und Jugendhilfe, die sich an Kinder im Alter von mindestens sechs Jahren richtet, da Leistungen für Mädchen und junge Frauen u.a. nach §§ 34 und 35a SGB VIII im Rahmen der Erziehungs- und Jugendhilfe angeboten werden. Bei der W. … Fachambulanz handelt es sich in erster Linie um eine Suchtberatungsstelle, die eine ambulante Therapie für Alkohol-, Medikamenten- und Mehrfachabhängige anbietet. Dass nicht primär die Spielsucht im Mittelpunkt der Tätigkeit der W. … Fachambulanz für Abhängigkeitskranke steht, spielt dabei keine entscheidende Rolle. Zum einen sind Mehrfachabhängige ausdrücklich angesprochen; zum anderen ist der Anwendungsbereich der Norm erkennbar weit angelegt, um die Bekämpfung der Spielsucht bestmöglich umzusetzen. Letztlich kann dies jedoch dahinstehen, da jedenfalls bezüglich der Schulen und des Hauses St. … ein Verstoß gegen das Mindestabstandsgebot zu verzeichnen ist.
47
Die Rechtsgrundlage für eine Befristung der Erlaubnis bis zum 31. Dezember 2022 ist in Art. 36 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG und §§ 9 Abs. 4 Satz 1, 4c Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2021 i.V.m. Art. 7 Abs. 2 Nr. 4, 15 Abs. 2 sowie 16 Abs. 2 AGGlüStV zu sehen.
48
Demnach ist eine glücksspielrechtliche Erlaubnis zu befristen, wobei die Erlaubnis für die Veranstaltung von Sportwetten in der Regel für fünf bzw. sieben Jahre zu erteilen ist, in begründeten Fällen aber auch für eine kürzere Dauer festgelegt werden kann. Im vorliegenden Fall ist ein solcher begründeter Fall verwirklicht, da die in Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV vorgesehene Ausnahme vom Abstandsgebot des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV gemäß Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV mit Ablauf des 31. Dezember 2022 außer Kraft tritt.
49
Anders als die Antragstellerin meint, regelt Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV nicht lediglich den zeitlichen Anwendungsbereich des Art. 15 Abs. 2 AGGlüStV in dem Sinne, dass sich die Vorschrift überhaupt nicht zur Dauer einer nach § 9 Abs. 4 Satz 2 GlüStV 2021 zu befristenden Erlaubnis verhält, sondern ist für die Frage der Befristungsdauer „ermessenslenkend“ dahingehend, dass die Geltung der Erlaubnis bei Verstoß gegen Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV nicht über den 31. Dezember 2022 hinaus erstreckt werden kann. Der Wortlaut des Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV gibt im Rahmen der Auslegung der Vorschrift keinen Hinweis, so dass im Wesentlichen auf den Sinn und Zweck der Vorschrift abzustellen ist. Der Antragstellerseite ist insofern beizupflichten, als dass sich in den Erläuterungen zum Glückspielstaatsvertrag 2021 kein ausdrücklicher Hinweis auf den Sinn und Zweck der Befristungsregelung im Allgemeinen findet und dieser daher in den Zielen des Glücksspielstaatsvertrages zu suchen ist. Der Sinn der Befristungsregelung in Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV ist dementsprechend, aber auch anhand der Gesamtkonzeption der Regelungen des AGGlüStV infolge des GlüStV 2021 zu bestimmen.
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Der Neuregelung liegt u.a. die Annahme zugrunde, dass die Länder einen Begrenzungsauftrag für Wettvermittlungsstellen haben, der in Bayern durch die qualitativen Kriterien in Art. 7 Abs. 2 AGGlüStV umgesetzt wird (vgl. Heimerl/Reiter, BayVBl. 2022, 837, 839). Die bisherige Befristung der Ausnahmeregelung bis zum 1. Juli 2021 war an der Geltungsdauer des vormaligen Glücksspielstaatsvertrages orientiert. Die Verlängerung der Geltung der Ausnahmeregelung bis zum 31. Dezember 2022 rechtfertigt sich mit Vertrauensschutzerwägungen. Insbesondere sollen zuverlässige Betreiber von Wettvermittlungsstellen in ihren, im Vertrauen auf den Bestand des Duldungsbescheids getätigten Investitionen geschützt werden (vgl. LT-Drs. 18/14870, S. 17). Hierbei stellt der Gesetzgeber einen eindeutigen Bezug des Vertrauensschutzgesichtspunkts zu dem Datum 31. Dezember 2022 her. Der Verweis in den Erläuterungen zum Gesetzentwurf auf § 29 Abs. 3 GlüStV 2021, an welchem sich die Befristung in Art. 16 Abs. 2 AGGlüStV orientiert, bekräftigt die vom Antragsgegner vorgenommene Auslegung der Art. 15 Abs. 2 und 16 Abs. 2 AGGlüStV. In § 29 Abs. 3 GlüStV 2021 ist geregelt, dass die bis zum Inkrafttreten dieses Staatsvertrages erteilten und am 30. Juni 2021 wirksamen Erlaubnisse für die Veranstaltung von Sportwetten, auch wenn im Bescheid eine kürzere Frist festgelegt ist, bis zum 31. Dezember 2022 als Erlaubnis mit der Maßgabe fortgelten, dass abgesehen vom Erlaubniserfordernis nach § 4 Absatz 1 Satz 1 die Regelungen dieses Staatsvertrages Anwendung finden. Spätestens zum 1. Januar 2023 ist gemäß § 29 Abs. 3 Satz 3 GlüStV 2021 eine neue Erlaubnis einzuholen. Das bedeutet mit Blick auf die hier vorliegende Fragestellung, dass nur bei einer Befristung bis zum 31. Dezember 2022 so ein Gleichlauf im Bereich der bis dahin fortgeltenden Erlaubnisse herbeigeführt werden kann. Mit der Verpflichtung zur Einholung neuer Erlaubnisse zum 1. Januar 2023 werden damit die Voraussetzungen für die Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis für alle Betreiber von Wettvermittlungsstellen an der gesetzlichen Regelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV ausgerichtet. Damit wird einerseits den gesetzlichen Anforderungen an die Einhaltung des Mindestabstandsgebots und damit dem Gesetzeszweck, insbesondere Kinder und Jugendliche vor den Gefahren des Glücksspiels zu schützen, und andererseits dem Vertrauensschutz zugunsten der Wettvermittler hinreichend genüge getan.
51
Die Anwendung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV mit Ablauf des 31. Dezember 2022, d.h. die Befristung einer Erlaubnis bis zu diesem Zeitpunkt, stellt sich auch im Hinblick auf eine mögliche Beeinträchtigung der Antragstellerin in ihren Rechten aus Art. 12 und 14 GG als rechtmäßig, insbesondere verhältnismäßig dar.
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Zwar wurde für die betroffenen Wettvermittlungsstellen - wie hier -, die im Konzessionsverfahren bereits die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben nachgewiesen haben, mit der Möglichkeit eines formellen Duldungsbescheids ein Vertrauenstatbestand geschaffen. Es ist jedoch mit der bisher hierzu ergangenen Rechtsprechung zu konstatieren, dass die Schutzwürdigkeit eines etwaigen Vertrauens zum einen dadurch begrenzt wird, dass in Bayern eben keine Erlaubnisse, sondern nur Duldungen ausgesprochen wurden und damit keine „rechtmäßigen“ Wettvermittlungsstellen bestanden. Zum anderen musste aufgrund der begrenzten Laufzeit des „alten“ GlüStV und spätestens mit der Veröffentlichung des Gesetzentwurfs als LT-Drs. 18/5861 vom 28. Januar 2020 mit einer Neuregelung der Abstandsregelung des Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 AGGlüStV gerechnet werden, womit sich ein Vertrauen der Inhaber auf einen längerfristigen oder unbefristeten Betrieb nicht bilden konnte (vgl. VG Leipzig, B.v. 31.1.2022 - 5 L 23/22 - juris Rn. 77; VG Augsburg, B.v. 4.7.2022 - Au 8 S 22. 765 - juris Rn. 93 f.). Dementsprechend ist den betroffenen Betreibern von Wettvermittlungsstellen zuzumuten, die erforderlichen Maßnahmen zu einer Betriebsaufgabe bzw. -verlagerung rechtzeitig einzuleiten (VG Augsburg a.a.O. Rn. 94).
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Die Entscheidung, dass im vorliegenden Fall keine Ausnahme von dem Mindestabstandsgebot gewährt werden kann, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
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Gemäß Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 a.E. AGGlüStV kann die zuständige Erlaubnisbehörde unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Umfeld des jeweiligen Standorts und der Lage des Einzelfalls Ausnahmen von dem Mindestabstand zulassen. Wie der Antragsgegner zutreffend dargelegt hat, ist dabei auf die örtlichen Verhältnisse abzustellen, die sich durch Besonderheiten auszeichnen muss. Dies ergibt sich zum einen aus der Formulierung „Umfeld des jeweiligen Standorts“ und „Lage des Einzelfalls“, zum anderen aus der Systematik innerhalb des Art. 7 Abs. 2 AGGlüStV, in dem durchgehend auf örtliche Gegebenheiten abgestellt wird. Diesbezüglich ist jedoch kein atypischer Fall ersichtlich, weswegen die Regierung von U. zu einer möglichen Erteilung einer Ausnahme zu Recht keine weiteren Überlegungen angestellt hat. Soweit von Antragstellerseite geltend gemacht wird, im Rahmen der Erwägungen zu einer Ausnahmeerteilung hätte die Regierung von U. andere gleich geeignete und mildere Mittel wie die Anpassung der Außengestaltung oder der Öffnungszeiten in Betracht ziehen müssen, geht dies folglich ins Leere, da diese Aspekte schon aufgrund der gesetzlichen Regelung in Art. 7 Abs. 2 Nr. 4 a.E. AGGlüStV mit dem Bezug auf die „örtlichen“ Verhältnisse keine Rolle spielen.
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Der Erlaubnisbescheid vom 8. Juni 2022 erweist sich mithin nach summarischer Prüfung als rechtmäßig. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch auf Erteilung einer glücksspielrechtlichen Erlaubnis über den 31. Dezember 2022 hinaus und folglich auch keinen Anspruch auf einstweilige Duldung des Weiterbetriebs der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle bis zum Abschluss des Hauptsacheklageverfahrens glaubhaft gemacht.
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Im Ergebnis ist der Antrag der Antragstellerin nach § 123 VwGO daher abzulehnen.
57
Soweit die Antragstellerin unter Ziffer 3 des Antragsschriftsatzes vom 30. Dezember 2022 hilfsweise die Feststellung nach § 80 Abs. 5 VwGO analog begehrt, dass die Klage aufschiebende Wirkung hat, ist schon höchst zweifelhaft, ob überhaupt die Bedingung für den Eventualantrag eingetreten ist. Der Antrag wurde ersichtlich nur für den Fall gestellt, dass das entscheidende Gericht nicht - wie vorliegend geschehen - einen Antrag nach § 123 VwGO (vgl. Ziffer 2) für zulässig hält.
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Im Übrigen ist auf die obigen Ausführungen unter 1.1. zu verweisen, wonach vorliegend eine isolierte Anfechtung der Befristung ausscheidet, eine Anfechtungsklage in der Hauptsache nicht in Betracht kommt und demgemäß ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO schon nicht statthaft ist.
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Eine Zwischenentscheidung, wie vom Bevollmächtigten in seinem Antragsschriftsatz unter Ziffer 1 beantragt (Fortgeltung der glücksspielrechtlichen Erlaubnis bis zur Entscheidung des Gerichts im Eilverfahren), ist mit der Zusicherung der Regierung von U. vom 30. Dezember 2022, den Betrieb der Wettvermittlungsstelle bis zum Abschluss des gerichtlichen Eilverfahrens zu dulden, entbehrlich geworden.
60
Mit einer Zwischenentscheidung (sog. Hänge- oder Schiebebeschluss) im Rahmen eines anhängigen Eilrechtsschutzverfahrens kann das Gericht in Ausnahmefällen Regelungen für den Zeitraum zwischen dem Eingang des Eilantrags und der Entscheidung des Gerichts über diesen Antrag treffen, sofern dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG erforderlich ist. Dies ist der Fall, wenn der Eilantrag - sei es wegen den Sachverhalt oder die Rechtslage betreffenden erheblichen Unklarheiten (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 30.4.2020 - 20 CE 20.951 - juris Rn. 6) - noch nicht entscheidungsreif ist, nicht offensichtlich aussichtslos erscheint und aus Gründen eines wirksamen vorläufigen Rechtsschutzes zur Vermeidung irreversibler Zustände bzw. schwerer und unabwendbarer Nachteile nicht bis zur endgültigen gerichtlichen Entscheidung im Verfahren nach § 123 VwGO abgewartet werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 18.1.2022 - 10 CS 22.128 - juris Rn. 18, 21; OVG SH, B.v. 9.2.2021 - 3 MB 2/21 - juris Rn. 4; BayVGH, B.v. 17.12.2020 - 15 CS 20.3007 - juris Rn. 14).
61
Da vorliegend infolge der Zusicherung der Regierung von U., den Betrieb der streitgegenständlichen Wettvermittlungsstelle bis zur Entscheidung des Gerichts im vorliegenden Verfahren zu dulden, für die Antragstellerin keine schweren und unabwendbaren Nachteile drohten, stellt sich ein Antrag auf eine Zwischenentscheidung - unabhängig von der Frage des Rechtsschutzbedürfnisses - jedenfalls als unbegründet dar.
62
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 und 2, § 53 Abs. 2 Nr. 1 und § 63 Abs. 2 GKG sowie Nr. 1.5 und Nr. 54.2.1 (entspr.) des Streitwertkatalogs 2013 für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (Streitwert in der Hauptsache 15.000,00 EUR, Halbierung im Verfahren auf vorläufigen Rechtsschutz).