Inhalt

LArbG München, Beschluss v. 21.02.2023 – 11 Ta 30/23
Titel:

Prozeßkostenhilfe, Mehrvergleich, kostensparende Prozeßführung

Normenketten:
ZPO § 114
§§ 45ff. RVG i.V.m. Nr. 1000 Abs. 1 VV-RVG: § 55 RVG
Leitsätze:
1. Bei Abschluss eines Mehrvergleichs hat der Prozessbevollmächtigte einen Anspruch auf eine 1,5 Gebühr, soweit ein Prozesskostenhilfe bewilligender Beschluss die PKH und die  Beiordnung auf den Mehrvergleich ausdrücklich erstreckt hat.Dies gilt auch, wenn das  Gericht an dem Verfahren und Vergleichsschluss beteiligt war und nicht nur als "Beurkundungsorgan" fungiert hat. 
2. Die Prüfung der Mutwilligkeit erfolgt bei der Bewilligung der Prozesskostenhilfe, somit auch, ob die beabsichtigte Prozessführung kostensparend ist, etwa kostengünstiger im Wege der Klageerweiterung geltend gemacht hätte werden können. Ist die.
3. Prozesskostenhilfe bewilligt ohne Einschränkungen, kann die Mutwilligkeit und die Kostensparung im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nach § 55 RVG nicht mehr geprüft werden (in Anschluss an BAG 6 AZB 3/11; LAG Hamburg 26.05.2016 – 6 Ta 11/16; LAG Nürnberg 22.10.2015 – 2 Ta 118/15; LAG Hessen 15.10.2012 – 13 Ta 303/12), außer in Ausnahmefällen.
4. Somit war der Beschwerde stattzugeben, da hier ein Mehrvergleich jeweils abgeschlossen wurde und die Bewilligung und Beiordnung diesen auch erfasste. Zwar wurden nahezu identische Verfahren für zwei Parteien (Eheleute) getrennt eingereicht, jedoch die PKH jeweils uneingeschränkt bewilligt.
Schlagworte:
Prozeßkostenhilfe, Mehrvergleich, kostensparende Prozeßführung, Anwaltsgebühr
Vorinstanz:
ArbG Passau, Beschluss vom 10.01.2023 – 5 Ca 370/22
Fundstellen:
NZA-RR 2023, 374
BeckRS 2023, 11728
LSK 2023, 11728

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 25.01.2023 werden die Beschlüsse des Arbeitsgerichtes Passau, Az.: 5 Ca 370/22, vom 10.01.2023 und vom 26.09.2022 abgeändert.
2. Die dem Beschwerdeführer aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung wird auf Euro 1780,24 (Anspruch auf weitere Vergütung nach Maßgabe des § 50 RVG: Euro 1568,42) festgesetzt.

Gründe

I.
1
In dem Verfahren geht es um die Höhe der dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus der Staatskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung.
2
Mit Schriftsatz vom 25.05.2022 (Bl. 1/9 d.A.), beim Arbeitsgericht Passau eingegangen am selben Tag, erhob der Beschwerdeführer als Prozessbevollmächtigter der Klägerin für diese Klage auf Zahlung von ausstehender Vergütung für April 2022 in Höhe von 2.423,25 € brutto, eines Arbeitgeberzuschusses für Internetnutzung für April 2022 in Höhe von 50,00 € netto, eines Fahrtkostenzuschusses für April 2022 in Höhe von 126,75 € netto, von Nachtzuschlägen für April 2022 in Höhe von 128,83 € netto sowie einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.280,00 € (Klageanträge 1 – 5). Mit den Klageanträgen 6 – 10 begehrte die Klägerin die Erteilung mehrerer Arbeitspapiere, nämlich der Meldung zur Sozialversicherung, der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung 2022, eines Zeugnisses, einer Arbeitsbescheinigung und einer Urlaubsbescheinigung. Mit Schriftsatz vom 27.06.2022 (Bl. 30/34 d.A.) machte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Wege der Klageerweiterung ausstehende Vergütung für Mai 2022 in Höhe von 1.429,20 € brutto, einen Arbeitgeberzuschuss für Internetnutzung für Mai 2022 in Höhe von 30,00 € netto, einen Fahrtkostenzuschuss für Mai 2022 in Höhe von 100,80 € netto sowie Entgeltfortzahlung für Nachtzuschläge für Mai 2022 in Höhe von 66,96 € netto geltend. Mit gesondertem Schriftsatz vom 28.06.2022 (Bl. 1/2 d. PKH-Hefts), eingegangen am selben Tag, beantragte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Klage, für eventuelle Klageerweiterungen und für einen eventuellen Mehrvergleich nebst seiner Beiordnung. Mit Beschluss vom 29.06.2022 (Bl. 37 d.A.) wurde der Klägerin antragsgemäß Prozesskostenhilfe für die Klage sowie für die Klageerweiterung und für die in einem Vergleich miterledigten Ansprüche bewilligt und der Beschwerdeführer beigeordnet. Mit Schriftsatz vom 28.07.2022 (Bl. 46/50 d.A.) reichte der Klägerinvertreter einen Vergleichsvorschlag ein und bat um die gerichtliche Feststellung des Zustandekommens eines Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO. Nach Annahme des Vergleichsvorschlags durch die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.07.2022 (Bl. 51/52 d.A.) wurde mit Beschluss vom 29.07.2022 (Bl. 53/55 d.A.) festgestellt, dass zwischen den Parteien durch Annahme eines schriftlichen Vergleichsvorschlages der Parteien gemäß § 278 Abs. 6 ZPO ein gerichtlicher Vergleich zustande gekommen ist. Mit Beschluss vom 01.09.2022 (Bl. 68/69 d.A.) wurde der Gegenstandswert für das Verfahren für die Zeit bis zur Klageerweiterung vom 27.06.2022 auf 8.808,83 € und für die Zeit danach auf 10.435,79 € festgesetzt; der Gegenstandswert für den Vergleich wurde auf 13.252,17 € festgesetzt.
3
Im Parallelverfahren 5 Ca 371/22 erhob der Beschwerdeführer als Prozessbevollmächtigter des Arbeitskollegen und zugleich Ehemanns der Klägerin für diesen mit Schriftsatz vom 25.05.2022 ebenfalls Klage gegen dieselbe Beklagte auf Zahlung von ausstehender Vergütung für April 2022 in Höhe von 2.294,00 € brutto, eines Arbeitgeberzuschusses für Internetnutzung für April 2022 in Höhe von 50,00 € netto, eines Fahrtkostenzuschusses für April 2022 in Höhe von 168,00 € netto sowie einer Urlaubsabgeltung in Höhe von 2.202,86 € (Klageanträge 1 – 4). Mit den Klageanträgen 5 – 9 begehrte der Kläger die Erteilung mehrerer Arbeitspapiere, nämlich der Meldung zur Sozialversicherung, der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung 2022, eines Zeugnisses, einer Arbeitsbescheinigung und einer Urlaubsbescheinigung. Mit Schriftsatz vom 27.06.2022 machte der Prozessbevollmächtigte des Ehemanns der Klägerin für diesen im Verfahren 5 Ca 371/22 im Wege der Klageerweiterung ausstehende Vergütung für Mai 2022 in Höhe von 1.376,40 € brutto, einen Arbeitgeberzuschuss für Internetnutzung für Mai 2022 in Höhe von 30,00 € netto sowie einen Fahrtkostenzuschuss für Mai 2022 in Höhe von 100,80 € netto geltend. Mit gesondertem Schriftsatz vom 28.06. 2022 beantragte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nebst seiner Beiordnung. Mit Beschluss vom 29.06.2022 wurde dem Kläger antragsgemäß Prozesskostenhilfe für die Klage sowie für die Klageerweiterung und für die in einem Vergleich miterledigten Ansprüche bewilligt und der Beschwerdeführer beigeordnet. Mit Schriftsatz vom 28.07.2022 reichte der Klägervertreter auch im Verfahren 5 Ca 371/22 einen Vergleichsvorschlag ein und bat um die gerichtliche Feststellung des Zustandekommens eines Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO. Nach Annahme des Vergleichsvorschlags durch die Beklagte mit Schriftsatz vom 28.07.2022 wurde mit Beschluss vom 29.07.2022 auch im Verfahren 5 Ca 371/22 festgestellt, dass zwischen den Parteien durch Annahme eines schriftlichen Vergleichsvorschlages der Parteien gemäß § 278 Abs. 6 ZPO ein gerichtlicher Vergleich zustande gekommen ist. Mit Beschluss vom 01.09.2022 wurde der Gegenstandswert für das Verfahren für die Zeit bis zur Klageerweiterung vom 27.06.2022 auf 8.426,86 € und für die Zeit danach auf 9.934,06 € festgesetzt; der Gegenstandswert für den Vergleich wurde auf 12.552,82 € festgesetzt.
4
Mit Festsetzungsantrag vom 14.09.2022 (Bl. I/II d. Kostenhefts) begehrte der der Klägerin im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt (Beschwerdeführer) eine Festsetzung der PKH-Vergütung auf 1.780,24 €. Dabei machte er die Gebühren in voller Höhe einschließlich einer 1,5-Einigungsgebühr hinsichtlich des abgeschlossenen Mehrvergleichs geltend. Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat mit Beschluss vom 26.09.2022 (Bl. IX/XII d. Kostenhefts) die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung auf 978,80 € festgesetzt und den Festsetzungsantrag im Übrigen zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie zum einen ausgeführt, nach dem Grundsatz der kostensparenden Prozessführung hätten die Ansprüche der Klägerin und ihres Ehemanns nicht in gesonderten Prozessen erhoben werden dürfen. Hinsichtlich der Einigungsgebühr hat sie darauf verwiesen, dass diese nach der ständigen Rechtsprechung des Landesarbeitsgerichts München nur aus dem 1,0-fachen Satz gemäß Nr. 1000, 1003 VV-RVG entstanden sei.
5
Mit Schriftsatz vom 27.12.2022 (Bl. XIII/ XVI d. Kostenhefts), eingegangen am selben Tag, legte der Beschwerdeführer gegen den Vergütungsfestsetzungsbeschluss vom 26.09.2022 Erinnerung ein. Er hielt an seinem Festsetzungsantrag vom 14.09.2022 (Bl. I/II d. Kostenhefts) fest und verwies zur Begründung darauf, dass ohne eine Beschränkung im Bewilligungsverfahren die vollen Gebühren gegen die Staatskasse geltend gemacht werden könnten. Eine Beschränkung könne nicht im Festsetzungsverfahren nachgeholt werden. Zur Begründung der begehrten Einigungsgebühr nahm er Bezug auf die Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 23.09.2022 – 2 WF 111/22 -. Mit Beschluss vom 02.01.2022 (Bl. XVII/XVIII d. Kostenhefts) hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle der Erinnerung nicht abgeholfen und die Erinnerung der Vorsitzenden zur Entscheidung vorgelegt.
6
Mit Beschluss vom 10.01.2023 wurde die Erinnerung zurückgewiesen, im Wesentlichen unter Hinweis auf entgegenstehende Rechtsprechung des LAG München, wonach eine Entscheidung über die Höhe der Vergütung, auch bezüglich der Mutwilligkeit und wirtschaftlichen Prozessführung, noch im Kostenfestsetzungsverfahren erfolgen könne. Vernünftige Gründe, die beiden Verfahren getrennt zu führen, hätten nicht vorgelegen angesichts eines großen Maßes an Identität hinsichtlich Sachverhalt und rechtlicher Begründung. Die 1,5 Einigungsgebühr falle nach Rechtsprechung des LAG München nicht an.
7
Hiergegen richtet sich die Beschwerde, mit der Begründung im Kostenfestsetzungsverfahren sei eine Überprüfung auf Mutwilligkeit und hinsichtlich der Beschränkung der bewilligten Prozesskostenhilfe nicht mehr möglich, zudem hätten wesentliche Gründe für die getrennte Prozessführung vorgelegen, da unterschiedliche Begründungsansätze bestanden hätten und auch die Beklagte außergerichtlich unterschiedliche Einwendungen hätte anklingen lassen.
8
Nach der Neufassung der Anmerkung Abs. 1 S.1 2.HS zu Nr. 1003 VV-RVG sei die 1,5 Einigungsgebühr geschuldet.
9
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
10
Im Beschwerdeverfahren hat der Beschwerdeführer im wesentlichen seine Argumentation wiederholt.
II.
11
Die Beschwerde gegen den oben genannten Beschluss des Arbeitsgerichtes Passau vom 10.01.2023 ist begründet. Insofern waren dieser Beschluss und der Beschluss vom 26.09.2022 abzuändern.
12
Der Beschwerdeführer hat Anspruch auf die begehrte PKH-Vergütung, wie von ihm beantragt.
13
1. Der Anspruch ergibt sich zunächst aufgrund von §§ 45ff. RVG i.V.m. Nr. 1000 Abs. 1 VV-RVG, was die Höhe der Einigungsgebühr anbelangt. An der bisherigen Ansicht des LAG München zur Höhe der Einigungsgebühr bezüglich des Mehrwerts eines Vergleichs wird nicht mehr festgehalten.
14
a) Nach Nr. 1000 Abs. 1 VV-RVG entsteht grundsätzlich eine 1,5 Einigungsgebühr. Nach Nr. 1003 VV-RVG beträgt diese Gebühr allerdings nur 1,0, wenn über den Gegenstand ein anderes gerichtliches Verfahren als ein selbstständiges Beweisverfahren anhängig ist. Nach der Anmerkung in Abs. 1 S. 1 zu Nr. 1003 VV RVG gilt die niedrigere Gebühr auch, wenn ein Verfahren über die Prozeßkostenhilfe anhängig ist, allerdings nach dem 2. HS zur Nr. 1003 VV-RVG gilt dies jedoch dann nicht, wenn sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nr. 1000 erstreckt (§ 48 Abs. 1 und 3 RVG).
15
b) Die nunmehr entscheidende Kammer schließt sich unter Aufgabe der von der 6. Kammer des LAG München bisher vertretenen Ansicht der Auffassung an, dass mit der zum 01.01.2021 in Kraft getretenen neuen Rechtslage die Rückausnahme in Anmerkung (1), S. 1, HS.2 zu Nr. 1003 bereits dann eingreift, wenn die Beiordnung sich auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nr. 1000 erstreckt, was im vorliegenden Rechtsstreit der Fall war, da das Arbeitsgericht ausdrücklich mit Beschluss vom 29.06.2022 Prozesskostenhilfe bewilligte unter Beiordnung des Beschwerdeführers, wobei sich die Bewilligung ausdrücklich auch auf den Vergleich erstreckte. Damit war die Beiordnung bezogen auf einen Vertrag im Sinne der Nr. 1000 VV-RVG. Auch wenn die Bewilligung der Prozesskostenhilfe und die Beiordnung das gesamte Verfahren erfasst, liegt jedenfalls auch eine Beiordnung des Prozessbevollmächtigten zum Abschluss eines Vertrages nach Nr. 1000 VV-RVG vor (ebenso LAG Nürnberg v. 26.07.2021 – 3 Ta 68/21; v. 29.12.2022 – 5 Ta 24/22; LAG; LAG Rheinland-Pfalz 08.01.2020 – 7 Ta 182/19; LAG Baden-Württemberg 27.04.2016 – 5 Ta 118/15). Dies zeigt insbesondere auch die Verknüpfung zwischen der Anmerkung (1) S.1 2.HS zu Nr.1003 VV RVG und § 48 Abs. 1 RVG. Insbesondere ist dem Wortlaut der Rückausnahme nicht zu entnehmen, dass die erhöhte Gebühr nur dann anfällt, wenn das angerufene Gericht letztlich nicht in Anspruch genommen wird und gewissermaßen als reines „Beurkundungsorgan“ fungiert. Die Honorierung der anwaltlichen Bemühungen, möglichst eine vergleichsweise Regelung herbeizuführen, mit der höheren Gebühr, was ebenfalls ein Zweck der höheren Gebühr ist (vgl. LAG Düsseldorf 13.1.2014 – 13 Ta 342/14) führt bei Vergleichsschluss auch bei Mitwirkung des Gerichtes zu einer erheblichen Arbeitsersparnis (vgl. Gerold/Schmidt RVG 1003,1004 VV Rnr.46a).
16
c) Dies steht letzten Endes auch im Einklang damit, dass in § 48 Abs. 1 RVG vorgesehen ist, dass, soweit sich die Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrags im Sinne der Nr. 1000 des Vergütungsverzeichnisses erstreckt, der Anspruch alle gesetzlichen Gebühren und Auslagen, die durch die Tätigkeit entstehen, die zur Herbeiführung der Einigung erforderlich sind, umfasst. In der dortigen Regelung ist neben der Erstreckung der Beiordnung auch die Beschränkung der Beiordnung oder der Bewilligung der Prozesskostenhilfe auf den Abschluss eines Vertrages im Sinne der Nr. 1000 angesprochen. Daher hätte es nahegelegen, im Rahmen der Rückausnahme in Anmerkung I S. 1 2. HS VV-RVG, soweit eine reine Beschränkung der Beiordnung auf den Abschluss eines Vertrages im Sinne der Nr. 1000 gewollt gewesen wäre, dies ausdrücklich, wie in § 48 Abs. 1 S. 2 RVG klarzustellen. Nachdem dies dort aber nicht erfolgt ist, sondern rein auf die Erstreckung der Beiordnung abgestellt wird, lässt sich eine Begrenzung auf eine Einigungsgebühr von 1,0 nicht entnehmen. Vielmehr bezieht sich das Wort „lediglich“ nur auf die Antragstellung bezüglich eines selbständigen Beweisverfahrens oder die Protokollierung eines Vergleichs (so auch LAG Düsseldorf 5 Ta 243/14 – 25.09.2014; LAG Rheinland-Pfalz a.a.O.).
17
2. Dem Beschwerdeführer steht auch die vollständig von ihm beantragte Vergütung für das vorliegende Verfahren zu. Dem steht der Grundsatz der möglichst wirtschaftlichen Prozessführung nicht entgegen, da zwar der Beschwerdeführer nahezu identische Verfahren hinsichtlich der Klägerin und ihres Ehemanns eingereicht hat, jedoch in jedem Verfahren unabhängig voneinander Prozesskostenhilfe uneingeschränkt bewilligt erhalten hat. Insofern kann etwa die Frage der Mutwilligkeit nicht mehr im Kostenfestsetzungsverfahren überprüft werden. Die erkennende Kammer gibt insoweit die bisher beim LAG München vertretene Ansicht unter Anschluss an die Rechtsprechung des BAG (6 AZB 3/11) auf.
18
a) Rechtsverfolgung kann mutwillig im Sinne des § 114 S. 1 ZPO sein, wenn eine wirtschaftlich leistungsfähige, also nicht bedürftige Partei bei sachgerechter und vernünftige Einschätzung der Prozesslage von ihr Abstand nehmen oder ihre Rechte nicht in gleicher Weise verfolgen würde, weil ihr ein kostengünstigerer Weg offensteht und dieser Weg genauso erfolgversprechend ist. Daher liegt Mutwilligkeit im Sinne von § 114 S. 1 ZPO regelmäßig vor, wenn eine Partei keine nachvollziehbaren Sachgründe dafür vorbringt, warum sie ihre Ansprüche nicht in einer Klage, sondern im Wege die Kosten der Rechtsverfolgung erhöhenden Teilklagen geltend macht oder nicht plausibel erklärt, aus welchen Gründen Sie einen neuen Prozess anstrengt oder auch gleich geartete Klagen verschiedener Parteien nicht in einem Verfahren gegen dieselbe Beklagte erhebt.
19
b) Die Frage der Mutwilligkeit kann aber nicht mehr im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nach § 55 Abs. 1 RVG berücksichtigt werden. Denn schon der Wortlaut des § 114 S. 1 ZPO bindet die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung mit der in ihm enthaltenen Formulierung daran, dass diese nicht mutwillig ist. Denn insoweit ist, wenn von zwei möglichen Wegen von Klageverfahren derjenige Weg beschritten wird, der kostspieliger ist, nach dem Wortlaut des § 114 S. 1 ZPO die Bewilligung von Prozesskostenhilfe von vornherein ausgeschlossen. Die beabsichtigte Rechtsverfolgung ist daher mutwillig. Es ist nicht nachträglich mehr korrigierbar, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang Prozesskostenhilfe bewilligt wird. Denn mit der Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist gleichzeitig festgestellt, dass die beabsichtigte Rechtsverfolgung nicht mutwillig ist. Würde erst im Kostenfestsetzungsverfahren berücksichtigt, dass eine bedürftige Partei einen Anspruch statt mit einer zweiten Klage kostengünstiger durch Klageerweiterung oder subjektive Klagehäufung hätte geltend machen können, kann eine solche Erweiterung einer bereits anhängigen Klage nicht mehr vorgenommen werden. Würde hingegen im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren dies bemängelt, wäre eine rechtzeitige Korrektur noch möglich. Ob nachvollziehbare Sachgründe für eine getrennte Prozessführung vorliegen, ist vom Gericht im Bewilligungsverfahren zu beurteilen und nicht vom Urkundsbeamten im Kostenfestsetzungsverfahren (vgl.LAG Hamburg 26.05.2016 – 6 Ta 11/16; LAG Nürnberg 22.10.2015 – 2 Ta 118/15; LAG Hessen 15.10.2012 – 13 Ta 303/12). Dem kann auch nicht entgegengehalten werden, dass im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103, 104 ZPO eine entsprechende Prüfung kostensparender Rechtsverfolgung vorgenommen wird, da dem gerade kein Verfahren vorgeschaltet ist, wie vorliegend das Verfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe, in dem gerade eine entsprechende Prüfung von Gesetzes wegen vorgesehen ist.
20
c) Über die Frage, ob gegebenenfalls bei Aufklärungspflichtverletzung hinsichtlich eingereichter Klagen und Prozesskostenhilfeanträge noch nachträglich die Einwendung möglich ist, war nicht zu entscheiden, da die beiden Verfahren vorliegend gleichzeitig eingingen und derselben Kammer zugewiesen wurden. Da somit im Rahmen des Prozesskostenhilfebewilligungsverfahrens die Mutwilligkeit nicht bejaht wurde, ist nunmehr diesbezüglich auch eine Bindung eingetreten. Entsprechend waren die Gebühren festzusetzen und die ergangenen Beschlüsse aufzuheben.
21
Die Entscheidung ergeht kostenfrei (§ 56 Abs. 2 S. 2, 3 RVG) und ist unanfechtbar (§§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 4 S. 3 RVG).