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LG München I, Versäumnisurteil v. 28.02.2023 – 33 O 286/22
Titel:

Irreführendes Angebot auf Abschluss eines Versicherungsvertrages

Normenketten:
UWG § 2, § 3, § 5a, § 8, § 13
UKlaG § 4
VVG § 59
Leitsätze:
1. Es stellt eine irreführende geschäftliche Handlung dar, wenn auf der Internetseite einer Verkaufsplattform zu Verträgen betreffend den Erwerb von Mobiltelefonen Geräteversicherungsverträge angeboten werden, wenn in den zugehörigen Versicherungsbedingungen ein Ausschluss des Versicherungsschutzes für Mobiltelefone vorgesehen ist. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Vermittlung einer solchen Versicherung durch einen Plattformbetreiber ist eine (eigene) geschäftliche Handlung des Plattformbetreibers gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG, der hier als Versicherungsmakler auftritt. Einer Zurechnung des Angebots zum Plattformbetreiber als „Provider“ bedarf es insofern nicht. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
3. Als Versicherungsmakler gilt auch derjenige, der gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Versicherungsvertrag, Versicherungsmakler, Geräteschutz
Fundstellen:
LSK 2023, 11715
MMR 2023, 792
VuR 2023, 236
BeckRS 2023, 11715

Tenor

der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu insgesamt zwei Jahren, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern zu auf den Internetseiten der Verkaufsplattform ….de angebotenen Verträgen (hier: „…“) betreffend den Erwerb von Mobiltelefonen Geräteversicherungsverträge (hier: „Geräteschutzversicherungen“), anzubieten bzw. anbieten zu lassen, wenn in den zugehörigen Versicherungsbedingungen ein Ausschluss des Versicherungsschutzes für Mobiltelefone vorgesehen ist, insbesondere wenn dies geschieht, wie in Anlage 3 wiedergegeben:
II. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Nebenkosten in Höhe von 221,10 EUR nebst Zinsen von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 23.02.2022 zu zahlen.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger ist ein Verband, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung nicht gewerbsmäßig und nicht nur vorübergehend wahrzunehmen. Er gehört dem Bundesverband der Verbraucherzentralen und Verbraucherverbände – Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. als Mitglied an und ist in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKIaG eingetragen (Anlage K 1).
2
Die Beklagte betreibt unter der Webseite www…..de eine Internetplattform, über die sie selbst bzw. Dritte („…“) ein umfangreiches Warenangebot (auch) an Verbraucher richtet (Anlage K 2).
3
Im Rahmen diverser Angebote von Dritten, unter anderem bei Elektronikartikeln wie Mobilfunkgeräten, bietet die Beklagte zusätzlich auch den Abschluss von Versicherungsverträgen für das jeweilige Produkt an.
4
So wird unter der Webadresse https://www…..de/… zum Erwerb eines Mobilfunkgerätes („…“ des Herstellers … zu einem aktuellen Preis von EUR 133,99) als Zusatzleistung auch ein 2 – bzw. 3 – jähriger „Geräteschutz von …“ angeboten (Anlage K3), der durch Setzen eine Häkchens hinzugebucht werden kann, wobei zunächst eine Weiterleitung über verschiedene Seiten (Anlage K 4; Anlage K 5) erfolgt (vgl. insoweit Seite 3/4 der Klage vom 10.01.2022, Bl. 3/4 d.A.).
5
Wird schließlich unter dem Titel „… 2 Jahre Geräteschutz für Wearables von 100,00 € bis 149,99 €“ und dann weiter auf einen vorgehaltenen Link „Informationsblatt zum Versicherungsprodukt („hier klicken“) geklickt, öffnet sich ein Dokument, welches unter anderem folgenden Hinweis enthält: „Versichert ist das im Versicherungsschein bezeichnete technische Gerät aus dem Haushalts-, Unterhaltungs- oder Kommunikationsbereich (ausgenommen Mobiltelefone) sowie das beim Kauf mitgelieferte Originalzubehör (versichertes Gerät).“ (Anlage K 6).
6
Auch in den entsprechenden Versicherungsbedingungen, die über den Link „Versicherungsbedingungen: hier klicken“ einzusehen sind, befindet sich unter Ziff. 3 ein Ausschluss des Versicherungsschutzes für Mobiltelefone (Anlage K 7).
7
Der Kläger mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 20.07.2021 ab und forderte diese zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung von Aufwendungsersatz i.H.v. 221,10 EUR auf (Anlage K8).
8
Der Kläger meint, die Beklagte sei gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5 Abs. 1 Satz 1, 5a Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 und 2 UWG zur Unterlassung verpflichtet.
9
Vorliegend werde auf der Angebotsseite des streitgegenständlichen Geräts mit einem zusätzlichen Geräteschutz geworben, der sich nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Verbrauchers auch ausdrücklich auf das entsprechende Gerät beziehe. Dies sei jedoch, wie sich erst nach der Lektüre von mehreren verlinkten Seiten bzw. erst aus den Versicherungsbedingungen der angebotenen Geräteschutzes ergebe, nicht der Fall.
10
Einen derart zwecklosen Vertrag würde ein durchschnittlicher Verbraucher niemals wissentlich abschließen, weshalb die Vorenthaltung der oben genannten wesentlichen Information in jedem Fall dazu geeignet sei, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung – nämlich Abschluss des Versicherungsvertrags – zu verleiten, die er sonst, nämlich bei direkter Verfügbarkeit sämtlicher wesentlicher Informationen, nicht getätigt hätte. Eine solche Verschleierung sei auch im Hinblick auf einen Verstoß gegen das Verbot irreführender Werbung ausreichend (vgl. OLG Frankfurt, Urt. v. 20.05.2010, Az. 6 U 33/09, GRUR-RR 2010, 482).
11
Der Hinweis der Beklagten auf die Providerhaftung gehe fehl. Die Beklagte führe eine eigene Dienstleistung, namentlich die Vermittlung eines Versicherungsvertrages (den der Verbraucher dann im Anschluss, wie es typischerweise bei Versicherungsverträgen der Fall sei, direkt mit dem Versicherer abschließe) aus. Die Beklagte übe in geradezu klassischer Weise die Tätigkeit eines Versicherungsmaklers aus, indem sie – auf automatisierte Art und Weise – ihren Kunden das „passende“ Versicherungsprodukt anbiete.
12
Der Kläger beantragt,
die Beklagte wie tenoriert zu verurteilen.
13
Die Klageschrift vom 10.01.2022 (Bl. 1/6 d.A.) wurde der Beklagten am 22.02.2022 zugestellt (Bl. 17 d.A.). Für die Beklagte erschien ankündigungsgemäß trotz ordnungsgemäßer Ladung zum Termin (bei Blatt 34/35 d.A.) vom 24.01.2023 niemand (vgl. Bl. 47 d.A.).
14
Im Übrigen wird auf die Schriftsätze samt Anlagen und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 24.01.2023 (Bl. 46/48 d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.
15
Die zulässige Klage ist schlüssig (§ 331 Abs. 1 ZPO ZPO).
16
I. Die Beklagte ist gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 5a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 UWG zur Unterlassung verpflichtet.
17
1. Der Kläger ist klagebefugt gemäß §§ 8 Abs. 1, 3 Nr. 3 UWG. Als in die Liste der qualifizierten Einrichtungen nach § 4 UKIaG eingetragener Verein ist er berechtigt, bei der Vornahme unzulässiger geschäftlicher Handlungen den Verursacher auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen (Anlage K 1).
18
2. Die Vermittlung der Versicherung durch die Beklagte ist eine geschäftliche Handlung der Beklagten gem. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG. Einer Zurechnung des Angebots zur Beklagten als „Provider“ bedarf es insofern nicht.
19
Denn vorliegend gestaltet sich das Angebot auf der Webseite der Beklagten so, dass der (Versicherungs-)Vertrag unmittelbar durch den Marketplace-Käufer mit der ERGO Versicherung geschlossen wird, welcher durch die Beklagte vermittelt wird.
20
Die Beklagte tritt damit als Versicherungsvermittler auf, denn Versicherungsmakler gemäß § 59 Abs. 3 VVG ist, wer gewerbsmäßig für den Auftraggeber (in diesem Falle der Marketplace-Käufer), die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen übernimmt, ohne von einem Versicherer oder von einem Versicherungsvertreter damit betraut zu sein. Als Versicherungsmakler gilt dabei auch derjenige, der gegenüber dem Versicherungsnehmer den Anschein erweckt, er erbringe seine Leistungen als Versicherungsmakler.
21
3. Das Angebot der Beklagten ist irreführend gem. § 5a Abs. 1, Abs. 2 Satz 1, Satz 2 Nr. 2 UWG. Denn vorliegend wird auf der Angebotsseite des streitgegenständlichen Geräts mit einem zusätzlichen Geräteschutz geworben, der sich nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Verbrauchers auch ausdrücklich auf das entsprechende Gerät bezieht. Dies ist jedoch, wie sich erst nach der Lektüre von mehreren verlinkten Seiten bzw. erst aus den Versicherungsbedingungen des angebotenen Geräteschutzes ergibt, nicht der Fall.
22
Einen derart zwecklosen Vertrag würde ein durchschnittlicher Verbraucher wissentlich nicht abschließen, weshalb die Vorenthaltung dieser wesentlichen Information dazu geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Handlung – nämlich Abschluss des Versicherungsvertrags – zu verleiten, die er sonst, nämlich bei direkter Verfügbarkeit sämtlicher wesentlicher Informationen, nicht getätigt hätte, womit auch eine geschäftliche Relevanz gegeben ist.
23
4. Durch die erfolgte Verletzungshandlung ist die für den geltend gemachten Unterlassungsanspruch erforderliche Wiederholungsgefahr gegeben, § 8 Abs. 1 Satz 1 UWG.
24
Ist es, wie hier, zu einem Wettbewerbsverstoß gekommen, streitet eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH GRUR 1997, 379 – Wegfall der Wiederholungsgefahr II; BGH GRUR 2001, 453 – Werbung für ein Zentrum für Traditionelle Chinesische Medizin).
25
Die Vermutung ist widerleglich. Dies gelingt im Allgemeinen nur dadurch, dass der Verletzer eine bedingungslose und unwiderrufliche Unterlassungsverpflichtungserklärung unter Übernahme einer angemessenen Vertragsstrafe für jeden Fall der Zuwiderhandlung abgibt (BGH GRUR 1984, 214 – Copy-Charge; BGH GRUR 1985, 155 – Vertragsstrafe bis zu … I). Eine die Wiederholungsgefahr ausräumende strafbewehrte Unterlassungserklärung hat die Beklagte jedoch nicht abgegeben.
26
II. Der Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen in Höhe von 221,10 EUR ist schlüssig. Gemäß § 13 Abs. 3 UWG kann der Kläger Ersatz der erforderlichen Aufwendungen verlangen, wenn die Abmahnung berechtigt ist und den Anforderungen gemäß § 13 Abs. 2 UWG entspricht. Dies ist, wie sich aus den obigen Ausführungen (siehe oben A. I.) ergibt, der Fall.
B.
27
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 2 ZPO.